VfL Bochum: frischer Wind an der Castroper Straße


Mit einem 3:2-Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern hat der VfL Bochum plötzlich wieder Oberwasser. Am Freitagabend wurde im Vonovia Ruhrstadion ein stimmungsvolles Kampfspiel der Extraklasse geboten. Dieses war der vierte Sieg in Folge für den VfL Bochum und das siebte Spiel hintereinander ohne Niederlage – ein Wahnsinn! So herrschte bei einem Publikumszuspruch von über 23.000 Zuschauern eine Stimmung wie zu besten Erstliga-Zeiten, als die Mannschaft noch von Marcel Koller oder Peter Neururer trainiert worden ist.

Mit insgesamt 43 Punkten ist der VfL plötzlich näher an der Relegation als einem Abstiegsrang, was für die Brisanz dieser Liga spricht. Denn hier kann theoretisch jede Mannschaft aus dem Tabellenkeller sogar die Favoriten ganz oben schlagen. Denn erst vor zwei Wochen schlugen die auf dem vorletzten Platz stehenden Darmstädter die Fortuna aus Düsseldorf. Zwischen Relegationsplatz und Abstiegszone liegen in dieser Liga oft nur wenige Punkte, was für viel Spannung und Lebendigkeit sorgt, die in der obersten Spielklasse durch die Dauerdominanz von Bayern München in der jüngeren Vergangenheit abhanden gekommen ist.

Manchmal kann es ganz einfach sein. Ein neuer Trainer kommt, ändert ein paar Stellschrauben und plötzlich funktioniert es. Es ist eine denkwürdige Saison, die der VfL Bochum im Dauerlooping und ganz im Stile einer Achterbahnfahrt hingelegt hat. Lange sah es danach aus, als würde diese Geschichte bitterböse enden und ein Absturz in die Dritte Liga würde bevor stehen. Der VfL versank zwischenzeitlich in einem wilden Strudel: drei Trainer und zwei Mitglieder des Aufsichtsrates blieben auf der Strecke. Und wenn selbst eine Bochumer Legende wie Frank Goosen in seinem Herzblut-Verein die Brocken hinwirft, ist das in der Innen- und Außenwirkung vom Verein ein bedenkliches Zeichen.

Die Horror-Bilanz drehte sich, als am 7. Februar Sportvorstand Christian Hochstätter seinen Hut nehmen musste, der mit vielen Fehlentscheidungen das Bochumer Team schwächte und immer wieder für Unruhe sorgte. Er überwarf sich mit Mannschaftskapitän Felix Bastians und suspendierte den Publikumsliebling aus dem Team, bis der in der Winterpause zu Tianjin Teda in die chinesische Super-Liga transferiert wurde. Bei der Trainerwahl verspekulierte sich Hochstätter zudem, innerhalb von nur 23 Monaten sah man hier den Wechsel von Gertjan Verbeek zu Ismail Atalan. Danach wurden noch Jens Rasiejewski und Heiko Butscher eingesetzt, bis am 11. Februar Robin Dutt vorgestellt wurde. So ein Chaos auf der Trainerbank kennt man sonst nur vom Hamburger SV.

Doch nun läuft es plötzlich verdammt gut beim VfL Bochum. Nach dem von Kampf und viel Durchhaltevermögen geprägtem Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern gibt sich Trainer Robin Dutt betont optimistisch. So sagte der VfL-Trainer in der Pressekonferenz nach dem Spiel: „Wir mussten 126 Kilometer laufen, um dann glücklich zu gewinnen. Man hat gesehen, wie eng das alles beieinander liegt. Gerade in der zweiten Halbzeit war es ein Spiel auf Augenhöhe mit langen Phasen, wo Kaiserslautern dominiert hat. Ich bin glücklich, dass wir solche Spiele gewinnen, das ist ein verdienter Lohn für viel Zusammenhalt, den die Mannschaft gerade ausstrahlt.“

Der große Bochumer Fußballphilosoph Rolf Schafstall sagte mal, dass er richtigen Druck nur beim Stau auf der B1 verspürt. Robin Dutt hat diesem Bochumer Team eine andere Fußballidee eingeimpft: Druck ist in seiner Philosophie eher kontraproduktiv, er setzt viel mehr auf Lockerheit, Spielwitz und weniger auf markige Sprüche. Das hat sich ausgezahlt, denn das Team spielt plötzlich wieder sehr erfolgreichen und ansehnlichen Fußball. Die letzten vier Spiele stehen nun an, das Team muss auswärts nach Fürth und zu Union Berlin. Die letzten beiden Heimspiele tragen die Bochumer gegen Erzgebirge Aue und Jahn Regensburg aus. Da kann noch viel passieren – im Guten, wie im Schlechten.

Doch das Bochumer Team hat in den vergangenen Wochen einen unglaublichen Lauf hingelegt und manche Fans träumen schon von der Relegation. Die Supporter wünschen sich Mainz, Freiburg oder den HSV dort als Gegner – und an diversen Tresen wurde darüber im Bochumer Nachtleben am Freitag noch bis tief in die Nacht debattiert. Für den Bochumer Trainer kommt diese Euphorie zu früh. Robin Dutt relativiert und antwortet gelassen: „Es ist verrückt was die 2. Liga für Ergebnisse liefert. Wenn es nachher neun Punkte nach unten sind – und drei nach oben, dann schauen wir mal, wie wir damit umgehen. Aber soweit sind wir noch nicht. Wir sind froh, wenn wir die Klasse jetzt halten – und wollen nicht schon wieder irgendwelche zu hoch gesteckten Saisonziele korrigieren.“

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Robin Patzwaldt
Editor
6 Jahre zuvor

Ich war im Februar noch bei einem VfL-Heimspiel, und das war unterirdisch. Liga 2 ist so eng, dass da am Ende derzeit noch vieles denkbar erscheint. Meine Phantasie reicht allerdings nicht für einen Aufstieg der Bochumer aus. Die sollen doch froh sein, wenn sie nach dieser Runde am Ende die Klasse halten….

discipulussenecae
discipulussenecae
6 Jahre zuvor

Das schlimmste, was dem VfL Bochum aktuell passieren könnte, wäre der völlig unerwartete Aufstieg. Darauf sind sie weder spielerisch, finanziell oder – wie Boris Becker sagen würde – mental vorbereitet … Ein sofortiger Wiederabstieg wäre die unmittelbare Folge!

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