„Viele haben das Gefühl, dass die Politik sich nicht für sie interessiert“

Frank Heidenreich Foto: Privat

Duisburg und vor allem seine nördlichen Stadtteile gehören zu den AfD-Hochburgen in Westdeutschland. Was kann die Politik tun, um die rechtsradikale Partei wieder klein zu kriegen?

Ruhrbarone: Sie sind Vorsitzender der CDU-Hamborn. Der Bezirk liegt im Norden Duisburgs und ist eine der größten Hochburgen der AfD in Westdeutschland. Wie konnte es dazu kommen?

Frank Heidenreich: Das ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Die Fehler wurden nicht erst in den letzten Jahren gemacht. Hamborn war immer ein klassischer Arbeiterbezirk, er war eine sozialdemokratische Hochburg. Hier galt der Spruch „Der Opa hat SPD gewählt, der Vater hat SPD gewählt und die Kinder wählen auch SPD“. Heute heißt es: „Der Opa hat SPD gewählt, der Vater hat SPD gewählt und die Kinder wählen AfD.“ Früher hat die SPD in Teilen von Hamborn bei Wahlen zwischen 60 und 70 Prozent geholt. Heute liegt sie bei 20 Prozent und die AfD bei über 30 Prozent. Der klassische Mittelstand, und dazu zähle ich alle, die morgens aufstehen und zur Arbeit gehen, hat Sorgen, dass er bald zu den Verlierern gehört und seine Kinder keine gute Zukunft mehr haben. Sie sehen, dass es mit den Schulen bergab geht, sie stört der Müll auf den Straßen und sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Mit der Herkunft hat das übrigens nichts zu tun. Türkischstämmige Migranten sehen das genauso wie Deutsche ohne jeden Migrationshintergrund. Und sie alle eint das Gefühl der Überfremdung.

Ruhrbarone: Woher kommt dieses Gefühl?

Heidenreich: Es hat nichts mit der Öffnung der Grenzen 2015 zu tun, die Ursachen liegen noch weiter zurück: Seit 2013 sind die Grenzen für Bulgaren und Rumänen offen und sehr viele sind nach Duisburg und dort in den Norden gezogen. Seitdem hat die Vermüllung in den Stadtteilen zugenommen, es gibt Problemhäuser, die heillos überbelegt sind, und die Bewohner werfen den Müll in die Hinterhöfe und wir haben mehr Kriminalität. Die Menschen erleben, wie die Lebensqualität in ihren Vierteln schlechter wird. Das liegt auch daran, dass sie sich unsicherer fühlen. Ich habe keine Angst, durch Hamborn zu laufen, aber solche Vorfälle wie die Schießerei zwischen zwei Clans auf dem Alten Markt vor zwei Jahren haben einfach längerfristige Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl.

Ruhrbarone: Die Stadt Duisburg geht energisch gegen Problemhäuser vor. Es gibt dafür sogar eine eigene Task Force.

Heidenreich: Die Stadt tut viel, die städtische Task Force ist sehr effektiv, aber es reicht nicht und natürlich liegt auch nicht alles in ihrer Macht. Ich habe 2015 vorgeschlagen, dass die Zuzüge aus Osteuropa auf die Zahl der Asylbewerber angerechnet werden sollten. Ich wurde dafür als Rechtsradikaler beschimpft, als Oberbürgermeister Sören Link dann kurz darauf dasselbe forderte, wurde er bejubelt. Sei es drum, auch sowas sollte bedacht werden. Auch im Ordnungsbereich muss noch vieles besser werden. Ein Problem sind abgemeldete Autos, die einfach irgendwo am Straßenrand stehen. Die Menschen regen sich auf, dass denjenigen, die so etwas machen, in der Regel nichts passiert, sie aber ein Knöllchen bekommen, wenn sie einmal falsch parken. Sie empfinden so etwas zurecht als Ungerechtigkeit.

Ruhrbarone: Also sollte die Stadt mehr abschleppen?

Heidenreich: Das kann und muss sie tun, aber das geht alles auf Kosten der Allgemeinheit. Wir müssen Wege finden, dass man diejenigen, die so etwas tun, haftbar machen kann. Das ist nicht einfach, aber wir müssen solche Lösungen finden. Aber das ist nicht alles, was die Menschen in die Arme der AfD treibt.

Ruhrbarone:
Was sind denn weitere Gründe?

Heidenreich:
Viele haben das Gefühl, dass die Politik sich nicht für sie interessiert, dass es in Berlin eine Blase gibt, in der sich für sie niemand interessiert. Bei mir um die Ecke ist eine Kneipe. Früher haben 80 Prozent der Gäste SPD gewählt, heute wählen fast alle AfD. Die Leute haben keine Lust zu gendern, sie wollen sich nicht vorschreiben lassen, wie sie zu heizen und welches Auto sie zu fahren haben. Sie fühlen sich vom Staat gegängelt. Keiner von denen leugnet den Klimawandel, aber viele wissen nicht mehr, wie sie ihre Heizkosten bezahlen können und ein Elektroauto können sie sich nicht leisten. Sie sind wütend, weil sie mit ihren Steuern die Bürgergeldbezieher finanzieren müssen. Und sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Hamborn ist ein Stahlstandort, den meisten Arbeitern ist klar, dass sie nicht zu den Gewinnern der Energiewende gehören werden. Ruhrbarone: Bund und Land haben zwei Milliarden Euro gegeben, damit ein Thyssenkrupp-Hochofen auf Wasserstoff umgestellt werden kann. Heidenreich: Ja, einer. Aber allein Thyssenkrupp hat fünf davon in Duisburg stehen. So viel Geld können Bund und Land nicht für jeden dieser Hochöfen geben. Ruhrbarone: Die IG Metall fordert die Umstellung aller Hochöfen in ganz Deutschland zu unterstützen. Heidenreich: Das fordern die Arbeiter auch, aber sie fühlen, dass das nicht passieren wird. Sie haben aus guten Gründen Angst um ihre Arbeitsplätze. Ich kann mir gut vorstellen, dass nach den Bauern als nächstes die Arbeiter auf die Straße gehen.

Ruhrbarone: Was muss geschehen, damit die AfD in Vierteln wie Hamborn wieder schwächer wird?

Heidenreich: Wir dürfen die Probleme nicht verschweigen und auch nicht alles, wenn es vielleicht nicht zu 100 Prozent korrekt ausgedrückt ist, es aber dem Berechtigten Anliegen der Bürger entspricht in die rechte Ecke drängen. Und damit die Diskussion totschlagen. Wir müssen für die Probleme Lösungen nicht nur finden, sondern auch umsetzen. Dass man sich in den letzten Jahren egal, in welcher Bundesregierung mehr über sichere Herkunftsländer und die Rückführung von Straftätern streitet, anstatt das Problem zu lösen, ist dabei nur beispielhaft und sprichwörtlich.
Die Bürger sind zutiefst unzufrieden mit der aktuellen Politik in Deutschland. Das Beste gegen die Protest-Partei AFD ist: machen nicht quatschen. Die Politik muss zeigen, dass sie in der Lage ist, die Probleme und herausfordern Ideologie frei zu lösen. Und damit vor allem dem Bürgen zeigen das es eine positive Zukunft für Sie unser Land und Duisburg gibt.

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