Kölsch aus NRW, Hessen droht mit Ahle Worscht und Schleswig-Holstein hat den kleinsten Shanty-Chor der Welt mitgebracht. Heute wird in Schwerin, der Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns, der Tag der Deutschen Einheit gefeiert.
Es ist kein euphorisches Fest, es gibt nicht viel zu feiern. Der Osten wird dem Westen immer fremder. Die Wahlsiege von AfD und des Bündnisses Sahra Wagenknecht, das „Ost, Ost, Ostdeutschland“-Gegröle und das ewige Gejammer, man sei von der Bundesrepublik kolonisiert worden, haben dazu beigetragen, dass sich nach 34 Jahren die beiden Teile des Landes immer mehr voneinander entfernen. Viele Westdeutsche wollen mit dem Osten nichts mehr zu tun haben, sehen ihn nicht als Teil ihres Landes an und sind der Ansicht, in den vergangenen Jahrzehnten viel zu viel Geld in die neuen Länder überwiesen zu haben. Etwas Dankbarkeit statt immer mehr Stimmen für Nazis und Rubelnutten hätten sie schon erwartet.
Wer durch die wunderbar renovierten Städte der ehemaligen Ostzone fährt, spürt keinen Stolz, zumindest wirtschaftlich zum Wiederaufstieg der einst maroden Orte beigetragen zu haben, sondern denkt vor allem an die Schlaglöcher, die maroden Schulen und die bröckelnden Brücken daheim.
Etwas mehr als 67 Millionen Menschen leben im Westen, gut 12 Millionen in der ehemaligen DDR. Immer deutlicher wird, dass eine Mehrheit von ihnen die Bundesrepublik ebenso verachtet wie die westliche Gesellschaft. Der Soziologe Steffen Mau stellt in seinem Buch „Ungleich vereint“ fest: „Ostdeutschland mangelt es bis heute an einem robusten sozialmoralischen und sozialstrukturellen Unterbau, der Toleranz, ein emphatisches Demokratieverständnis und ein Bekenntnis zu den Prinzipien der liberalen Ordnung tragen könnte.“ Und auch wirtschaftlich wird der Osten nach einer Phase des Wachstums wieder absteigen: Migranten, als Arbeitskräfte dringend gebraucht, ziehen nicht in die Baseballschlägerregionen östlich der Elbe, die Wahlerfolge der Rechtsextremen und Putinfreunde wurden im Ausland aufmerksam registriert. In Zukunft werden nicht mehr viele Unternehmen aus dem Ausland in Ostelbien investieren, einem Landstrich, der ihrer Ansicht nach von obskuren „Nazikommunisten“ bevölkert ist.
Es gibt kein Bewusstsein, Westdeutscher zu sein. Deutschland ist traditionell ein Land der Regionen. Man ist Bayer, Rheinländer, Ruhrgebietler, Hamburger oder Pfälzer. Es gehört zum guten Ton, sich gegenseitig nicht auf die Nerven zu gehen. Niemand in Schleswig-Holstein interessiert sich dafür, was Hessen fühlt, und kein Hesse käme jemals auf die Idee, die anderen mit seinen Befindlichkeiten zu belästigen.
Der Osten ist auch da anders, nimmt sich wichtiger als er ist. Jedes seiner Bundesländer hat weniger Einwohner als das Ruhrgebiet. In allen zusammen leben weniger Menschen als in Nordrhein-Westfalen oder Bayern.
Die vier demokratischen Parteien SPD, CDU, Grüne und FDP sollten sich bewusst werden, dass sie nur im Westen Wahlen gewinnen können. Der Osten gehört AfD und BSW. Sie werden in Franken, Westfalen und an der Nordseeküste nicht damit punkten können, den Osten dem Westen gegenüber zu bevorzugen. Jede Ostwahl braucht die im Westen noch vorhandenen Restmengen guten Willens auf. Viele hier wünschen sich nach spätestens drei Bieren die Wiedertrennung, die Nase voll vom Osten haben fast alle. Es ist etwas ins Rutschen gekommen.
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