Vier Jahre Haft wegen „Verschwörung zur Vorbereitung von weiblicher Genitalverstümmelung“

Aufklärung über weibliche Genitalverstümmelung (FGM) Foto: Wadi e. V.


Dieses Urteil ist ein Meilenstein in der Strafverfolgung, nicht nur, weil es die erste Verurteilung dieser Art ist, sondern auch wegen der Botschaft, die es an potenzielle Täter sendet. Von unserem Gastautor Thomas von der Osten-Sacken.

Am 3. Oktober verurteilte ein Gericht in Nottingham den irakischen Kurden Emad Kaky zu vier Jahren Haft wegen »Verschwörung zur Vorbereitung von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM)« an seiner Tochter. Bislang allerdings wurden Eltern verurteilt, die ihre Töchter verstümmeln ließen, diesmal ging es um die Planung und Vorbereitung der Tat.

Denn Kaky hatte vor, seine Tochter zurück in den Irak zu schicken, um sie dort verstümmeln zu lassen. Der Plan flog allerdings auf und landete schlussendlich vor Gericht. Die Anklagebehörde, der Crown Prosecution Service (CPS) nahm den Fall sehr ernst und holte von verschiedenen externen Quellen Informationen und Gutachten ein.

Denn Kaky und seine Verteidigung insistieren darauf, dass Genitalverstümmelung im Irak straffrei sei und ihm deshalb nicht bewusst gewesen sei, dass es sich um einen illegalen Akt gehandelt habe, denn per Gesetz ist die Praxis ausdrücklich seit 2011 nur in den kurdischen Autonomiegebieten des Irak verboten.

Paradoxe Situation

Dieses Gesetz kam auch erst aufgrund langer und intensiver Lobbyarbeit durch lokale Frauen- und Menschenrechtsorganisationen zustande, die sich 2005 in der Kampagne StopFGMKurdistan zusammengeschlossen hatten. Seitdem ist in den kurdischen Gebieten viel passiert. Dank umfassender Aufklärung und verschiedener Kampagnen wird FGM in einigen Regionen inzwischen gar nicht mehr praktiziert, in anderen ist die Zahl neu verstümmelter Mädchen drastisch gesunken.

Allerdings herrscht im Irak seitdem die paradoxe Situation, dass FGM in einem Teil des Landes ausdrücklich verboten ist, während die gesetzliche Lage im Rest des Landes unklar ist. Initiativen, ein ähnliches Gesetz auch in Bagdad durchs Parlament zu bringen, blieben bislang erfolglos. Daraus ließe sich, wie die Verteidigung Kakys es tat, schließen, dass Genitalverstümmelung außerhalb der kurdischen Autonomieregion weiter legal sei. Seit Längerem allerdings gibt es auch im Irak Stimmen, die die juristische Ansicht vertreten, das bis heute gültige irakische Strafgesetzbuch von 1969 biete genügend Handhabe, um damit auch FGM als Straftat zu verfolgen.

Diese Ansicht übernahm, gestützt auf ein Rechtsgutachten irakischer Juristen, auch die Anklage in Nottingham, und das Gericht gab ihr am Ende Recht. Zusätzlich, so wurde argumentiert, stamme Kaky aus einer Region im Norden des Iraks, die teils unter Administration der kurdischen Regionalregierung, teils unter Kontrolle der irakischen Zentralregierung steht. Von daher sollte davon ausgegangen werden, dass dem Angeklagten zumindest über die dort verbreiteten kurdischen Medien hätte bekannt sein müssen, dass FGM zumindest in Irakisch-Kurdistan unter Strafe steht.

Das nun in Großbritannien gefällte Urteil kann deshalb guten Gewissens als bahnbrechend bezeichnet werden, nicht nur, weil zum ersten Mal die Planung von FGM im Ausland bestraft wird, sondern weil sich Iraker fortan zumindest in England und Wales nicht mehr darauf berufen können, der Eingriff sei außerhalb Irakisch-Kurdistans legal.

Dazu erklärte die Chefanklägerin Janine McKinney:

»Heute musste Emad Kaky die Konsequenzen für seine Handlungen tragen, als er versuchte, ein junges, unschuldiges Mädchen einer weiblichen Genitalverstümmelung zu unterziehen und es zu einer Ehe zu zwingen, die nicht seiner Wahl entsprach. Hätte er seine Pläne in die Tat umsetzen können, hätte dieses Kind unvorstellbare körperliche und seelische Schäden erlitten. (…)

Dies war ein Meilenstein in der Strafverfolgung, nicht nur, weil es die erste Verurteilung dieser Art ist, sondern auch wegen der Botschaft, die sie an Menschen sendet, die für diese schreckliche Form des Missbrauchs anfällig sein könnten. Wenn es Beweise dafür gibt, dass Menschen diese Straftaten geplant haben, werden sie strafrechtlich verfolgt, unabhängig davon, ob sie Erfolg haben oder nicht.«

 

Damit machte sie klar, dass sie das Urteil als Präzedenzfall betrachtet, um nun mit größerer Härte gegen mögliche Täterinnen und Täter vorzugehen:

»Nur weil eine Straftat irgendwo anders auf der Welt begangen wurde, entbindet uns das nicht von der Strafverfolgung. Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Gerechtigkeit für die Opfer zu erlangen, wo immer unsere rechtlichen Anforderungen erfüllt werden.«

Signalwirkung

Auch im Irak wurde das britische Urteil von Aktivistinnen begrüßt. So erklärte Bakhan Jamal von der Organisation ADWI in Irakisch-Kurdistan, die sich seit Jahren im Kampf gegen FGM engagiert, sie hoffe, dies sei wirklich ein erster Schritt, um nicht nur in Europa, sondern auch im Irak gegen jene Eltern vorzugehen, die ihren Töchter so etwas antun. Allerdings sei es nun umso nötiger, dass FGM endlich in allen Teilen des Landes ausdrücklich als krimineller Akt unter Strafe gestellt wird:

»Im Frühjahr dieses Jahres haben wir mit Organisationen aus dem Zentral- und Südirak eine Konferenz organisiert, bei der es auch um dieses Thema ging. Wir hoffen, dass diesmal genug Druck entsteht, dass das Parlament in Bagdad sich der Sache annimmt. Das Urteil aus Nottingham sollte nicht nur Signalwirkung für England und andere europäische Länder, sondern auch hier im Irak haben.«

 

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

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