Wer meinen Lieblingsfilm, den Filmklassiker „Some Like It Hot“ (1959), so wie ich unzählige Male gesehen hat, dürfte sich an diese Szene erinnern, als sich „Junior“ (Tony Curtis) und „Sugar“ (Marilyn Monroe) vermeintlich zum ersten Mal treffen, und zwar am Strand, als ein Ball in Richtung des vermeintlichen Millionärs „Junior“ fliegt und „Sugar“, die den Ball holen will, umfällt, nachdem dieser ihr das Bein gestellt hat. Von unserem Gastautor Emrah Erken.
Der Film spielt im Jahr 1929, oder genauer, da es einen eindeutigen Bezug zum „Valentinstag-Massaker“ vom 14. Februar 1929 gibt, genau zu dieser Zeit und die Tage danach. Es ist die Zeit des Hot Jazz, jener Musikrichtung, die mich seit über zwanzig Jahren beschäftigt und ununterbrochen begeistert. Alles andere, insbesondere auch die gesellschaftspolitischen Themen, über die ich hier poste, interessieren mich weitaus weniger.
Wenn man meine Sammelleidenschaft für die Original-Jazz-Schallplatten aus dieser Zeit bloß als „Hobby“ bezeichnen würde, wäre dies vermutlich eine starke Untertreibung. Ich sammle diese Schallplatten nicht nur, ich nehme diese mit einer ganz spezifisch für das Abspielen solcher Schallplatten ausgerichteten High-End-Anlage ab, verwende dabei rund ein Dutzend unterschiedlicher Diamantnadeln, die ich je nach Platte auswechsle und verwende modernste Technik, um die Aufnahmen mit speziellen Methoden und möglichst ohne Soundverlust zu restaurieren. Grammophone habe ich zwar zwei Stück, aber da diese die Platten stark abnutzen, dienen diese reinen Dekorationszwecken.
Mein Channel Atticus Jazz auf YouTube ist bekannt für die herausragende Tonqualität und wird von professionellen Musikern aufgesucht, die diese Musik nachspielen, weil viele Aufnahmen – nicht alle – besser sind als das, was man auf kommerziellen CDs hört. Durch diese Tätigkeit habe ich einige sehr bekannte Musiker, unter ihnen auch einige Grammy-Gewinner, kennengelernt und bin in der entsprechenden Szene sehr gut vernetzt. Wer sich vertieft mit der amerikanischen Jazzmusik, die zwischen 1917 und 1931 aufgenommen wurde, beschäftigt, kennt „Atticus Jazz“.
Ich habe zwar einige Schallplatten, die nach 1931 aufgenommen wurden, aber grundsätzlich ist das jenes Jahr, in dem Hot Jazz aufhört. Das Jahr 1932 ist jenes Jahr, welches die Musikindustrie aufgrund der Great Depression am meisten getroffen hat, weshalb in diesem Jahr nur sehr wenig aufgenommen wurde. Und ab 1933 geht der Swing Craze los und der Hot Jazz flaut ab. Big Band Swing ist sodann etwas weniger interessant, vor allem für Sammler.
Für die Filmmusik von „Some Like It Hot“ war Matty Malneck verantwortlich, der in den Zwanziger Jahren im Orchester von Paul Whiteman Violine spielte. Das ist jener Orchesterchef, der George Gershwin den Auftrag gab, „Rhapsody In Blue“ zu komponieren, ein Stück, welches seine Band jeden Abend immer als erstes spielen musste. In einem im Jahr 1982 erschienenen Dokumentarfilm erzählt Matty Malneck über „Rhapsody In Blue“, dass er das Stück nicht mehr hören könne, zu oft habe er es gespielt. „Rhapsody In Blue“ wurde übrigens dieses Jahr 100 Jahre alt.
Ich möchte im Rahmen dieses Posts insgesamt vier Stücke vorstellen, die im Film „Some Like It Hot“ vorkommen; alle vier sind meine eigenen Aufnahmen mit meinem Remastering. Freilich sind es nicht die Versionen, die im Film vorkommen, sondern zeitgenössische Platten aus der Zeit des Films, oder zumindest ungefähr…
Zunächst „Sweet Georgia Brown“ aus dem Jahr 1925, gespielt von den „California Ramblers“. Es handelt sich um eine der ersten mit Mikrofon aufgenommenen kommerziellen Jazzplatten überhaupt. Erst in diesem Jahr hatte man damit begonnen; zuvor erfolgten die Aufnahmen, indem die Musiker in einen Trichter spielten, wobei die Vibrationen direkt in die Urmatrize geschnitten wurden. Sogenannte elektrische Aufnahmen (d.h. mit Mikrofon) sind den akustischen Aufnahmen (d.h. mit Trichter) praktisch immer überlegen. 1925 war der Charleston noch hip. Insofern ist das ein echtes Charleston-Stück. Im Film ist das Lied ganz am Anfang zu sehen, und zwar im Speakeasy, wo es später eine Razzia gibt.
Das zweite Stück ist „Im Thru‘ With Love“, das im Film von Marilyn Monroe gesungen wird. Das Lied wurde von Gus Kahn, Matty Malneck und Fud Livingston komponiert. Insofern lässt Matty Malneck ein eigenes Lied spielen. Die Komposition und die Aufnahme stammen aus dem Jahr 1932, also nach der Hot Jazz Ära. In dieser Erstaufnahme ist der Sänger der berühmte Bing Crosby, der in den Zwanziger Jahren ebenfalls für Paul Whiteman arbeitete.
Das dritte Stück ist „I Wanna Be Loved By You“, gesungen von Annette Hanshaw, einer der populärsten Sängerinnen der Zwanziger Jahre. Hier imitiert sie die Stimme von Helen Kane, welche die Grundlage der Comic-Figur „Betty Boop“ war. Nur konnte Annette Hanshaw wesentlich besser singen als Helen Kane und ihre Imitation ist aus meiner Sicht sogar besser als das „Original“. Auch im Film nimmt Marilyn Monroe Bezug zur Figur „Betty Boop“ (Ba-Ba-Dee-Boop). Im Line-Up dieser Aufnahme aus dem Jahr 1928 befindet sich auch Benny Goodman, der anders als auf der Rückseite der Platte kein Solo spielt.
Und ganz am Schluss die Aufnahme von „Sweet Sue“ von Paul Whiteman & His Orchestra. Die Band im Film heißt übrigens „Sweet Sue & Hier Society Syncopators“. Sweet Sue ist damit der Name der strengen Bandleaderin, die ihren Musikerinnen den Umgang mit Männern und Alkohol verbietet, natürlich ohne Erfolg. Das Stück wurde erstmals im Jahr 1928 aufgenommen. Im Line-Up ist auch Matty Malneck zu finden, der Violine spielt.
Von erheblicher Jazzrelevanz ist das Bix Beiderbecke Kornettsolo ab 3:20. Von Bix, meinem größten Idol, habe ich eine der komplettesten Sammlungen der Welt, kenne seine Familie, und er war der eigentliche Grund, warum ich mit Hot Jazz überhaupt anfing. Doch das ist eine andere Geschichte…