Eine Marotte hat sich in der Fußball-Berichterstattung ausgebreitet. Man sagt nicht mehr, dies und das habe sich in der ersten Halbzeit ereignet, sondern „in Halbzeit eins“. Folglich fällt ein Tor auch nicht mehr in der 57. Minute, sondern in „Minute 57“. Wobei Pedanten trefflich darüber streiten könnten, ob dies denn exakt ein und dasselbe sei.
Aber egal. Klingt ja ungemein lässig. Wozu noch mühsam Worte beugen und ins Satzgefüge einpassen, wenn’s auch mit bloßer Nennung und Reihung getan ist?
Doch derart maul- und tastenfaule Sportjournalisten werden sich wundern. Gerade weil auf diesem Feld die allermeisten Floskeln verwendet werden, hat das Intelligent Information Laboratory in Evanston (nahe Chicago) bei ihnen angesetzt. Das dort kreierte Programm „Stats Monkey“ ist bereits in der Lage, aus online verfügbaren Basisdaten (Teams, Spielernamen, Treffer, Zeitraster, Resultat) und fleißig gesammeltem Sportvokabular lesbare Berichte zu basteln, passende Überschrift inklusive. Natürlich lässt sich auch bestimmen, dass der hochgezüchtete Automatismus mehr oder weniger maßvoll die Perspektive dieses oder jenes Vereins einnimmt.
Gruselige Aussichten, nicht wahr? Zumal andere Institute drauf und dran sind, einfachere Wirtschafts- und Börsenberichte ohne weiteres Zutun menschlicher Journalisten zu generieren. Ja, selbst an Kinokritiken wagt man sich. Hier gibt es gleichfalls eine Datenbank mit gängigen Wendungen. Sodann werden positive mit negativen Ansichten gleichsam nach Proporz abgewogen, bis das System zu einer mittelprächtigen Meinung gelangt, die jeder persönlichen Färbung entbehrt. So war es jedenfalls bei ersten Tests. Auch da ließen sich allerdings ganz andere Befehle geben, sozusagen nach Mustertafel: „Erstelle Verriss / Formuliere Lobhudelei / Brich Polemik vom Zaun“.
Selbstverständlich haben einige Verleger bereits Interesse signalisiert. Manche dürften demnächst ins Zeitalter des Roboter-Journalismus einsteigen, zumindest probehalber. Werden Journalisten aller Sparten also nach und nach überflüssig? Die jungen US-Forscher wiegeln ab und behaupten, dass es hier lediglich ums journalistische Graubrot gehe. Medienmacher, denen lästige Arbeiten abgenommen werden, bekämen dadurch den Kopf frei für edlere Aufgaben: Kommentare, Analysen, Debatten, investigative Recherchen. Schön wär’s.
Doch wer heute im Lebensjahr fünfundzwanzig steht und Journalist werden will, darf sich jetzt ein paar zusätzliche Gedanken machen. Darauf Brief und Siegel am heutigen Wochentag eins.
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Nachtrag: Hiermit versichert der Autor, keine Maschine zu sein. *krrrrxxx*
Link zu einem so erstellten automatisierten Bericht?
Danke.
Bitte sehr:
https://mediadecoder.blogs.nytimes.com/2009/10/19/the-robots-are-coming-oh-theyre-here/
[…] Vollautomatischer Journalismus (Ruhrbarone) – […]
Ja gut, ich meine, war halt ein schweres Spiel wir mussten über den Kampf ins Spiel finden. In einigen Situationen fehlte einfach das Glück, wenn der Ball da reingeht, ist es plötzlich ein ganz anderes Spiel. Eigentlich muss du so einen reinmachen. Das sind die Punkte die am Ende fehlen. Jetzt werden wir dieses Spiel analysieren und uns dann auf das nächste Spiel konzentrieren. Abgerechnet wird zum Schluss…
Ich könnte noch lange so weitermachen. Aus eine solchen Phrasenbrei ob im Sport oder in der Politik kann jeder Depp eine Artikel schreiben.
Warum nicht auch ein Computer ? Schlechter kann er das nicht machen als die Lebensform Journalist.
Schlimm ist doch das Journalisten und Publikum den Phrasendreschern Ihre O-Töne durchgehen lassen.
@Torti:
Ja, es stimmt, vielleicht sollten wir einfach mehr zensieren, damit die Leute nicht erfahren, was manche für Heißluft absondern.
BTW, was machen wir dann jetzt mit Deinem Kommentar?
Grüße von der „Lebensform Journalist“,
Elmar
Ob ein Computer je von selbst auf den genialen Satz „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ oder auf die Spielerbeurteilung „spielt wie Flasche leer“ gekommen wäre, wage ich zu bezweifeln. Von den verwegenen und zugleich wunderbaren Grammatikfehlern und Sinnrätseln mancher Fußballersätze, nicht immer nur dem Eifer des Gefechtes geschuldet, ganz zu schweigen.
@Torti: *lol*
Aber das mit der „Lebensform Journalist“ klingt mir denn doch sehr kaltherzig, ohne Mitleid mit der Kreatur geäußert. Vielleicht gar noch „niedere Lebensform“? Gerade an Land gekrochen? Uiuiui.
@Arnold Voß: Wäre interessant zu wissen, was ein gut geölter Computer ausspuckt, wenn man ihn vorher mit Kickersprüchen füttert. „Trondheim oder Helsinki – Hauptsache Schweden?“
Hat Sasche Lobo nicht über diesen Computer ins Spiel gefunden? 🙂
Wusste schon immer, dass Epic und Googlezon keine Fiktion sind – https://www.youtube.com/watch?v=hZEhtVoI16g&feature=related
[…] werden halt mundtot gemacht. Das Ziel dieser verbindungsorientierten Nicht-Enzyklopädisten: eine vollautomatische Enzyklopädie ohne Diskussion: Pseudowissenschaft. Die seit der Reichsgründung 1871 bekanntermaßen in […]