Schon wieder einmal in einer dieser unbeliebten Länderspielpausen mit der Fußball-Bundesliga angekommen. Die günstige Gelegenheit also, die plötzlich freigewordene Zeit nun für die Lektüre eines neuen Sportbuches zu nutzen.
Daher heute hier mal wieder eine Neuerscheinung für Fußballromantiker: „Vom Stadion zur Arena“ führt den Leser zurück in eine Zeit, die noch gar nicht so lange zurückliegt, aber inzwischen doch bereits sehr historisch wirkt.
Gemeint ist die Zeit in der der Profifußball noch in Stadien mit ihrem ureigensten Charakter gespielt wurde und nicht in recht gleichartig daherkommenden, modernen Arenen.
Das ist eine spannende Entdeckungsreise, denn während die modernen Fußballarenen auf der grünen Wiese den Zuschauern zwar viel Komfort bieten, aber in ihrer einheitlichen Architektur kaum voneinander zu unterscheiden sind, sahen die Stadien in Deutschland bis zur Jahrtausendwende noch ganz anders aus: Es waren überwiegend Betonschüsseln mit markanten, weithin sichtbaren Flutlichtmasten, einer Laufbahn um das Spielfeld und vor allem großen Stehplatzbereichen, in denen die Fans ihre Leidenschaft ausleben konnten.
Erinnert sei da nur an das Gelsenkirchener Parkstadion, an dessen spektakuläre Optik, quasi als großes ‚Loch‘ in der Landschaft, ich mich als BVB-Anhänger noch heute gut erinnere. Es war immer wieder etwas Ungewöhnliches, wenn ich dort Spiele verfolgen durfte. Für mich, der ich das vergleichsweise enge ‚Westfalenstadion‘ gewohnt war, doch immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis.
Klaus-Hendrik Mester nimmt uns nun hier in seinem Büchlein mit auf eine Zeitreise vom Aachener Tivoli bis ins Rostocker Ostseestadion. Er spricht mit Fans über ihre Erinnerungen an die großen Stadien wie das Frankfurter Waldstadion, das Parkstadion auf Schalke oder das gigantische Zentralstadion in Leipzig.
Mester besuchte für sein Buch aber auch kleinere, heute verschwundene Kultstätten wie den Gladbacher Bökelberg, das Stadion an der Essener Hafenstraße oder das Stadion Donnerschwee in Oldenburg.
Das ist spannend zu verfolgen. Besonders die Verwandlung des Stadions in Leverkusen vom ‚Dorfplatz‘ hin zur modernen ‚Bayarena‘ ist auf spannenden Fotos in den einzelnen Bauabschnitten spannend dokumentiert.
In insgesamt 140 Fotos führt uns das neu erschienene Buch in eine Fußball-Welt zurück, in der Stadion-Bratwurst und Bier noch mit Bargeld und nicht mit einer Chipkarte bezahlt werden konnten. Das ist für jeden Fußballfan spannend mitzuerleben.
Wenn es an diesem Werk etwas zu bemängeln gibt, dann sind es die teilweise doch recht kleinen Fotos. An so einigen Stellen wünschte man sich als Leser, dass man, wie beim Computer, die Möglichkeit hätte die eingebauten Fotos durch Anklicken deutlich zu vergrößern. In diesem Bereich verschenkt das Buch leider viel Potential. Aber ansonsten bietet es wirklich eine spannende Zeitreise in die Zeit als der Profi-Fußball hierzulande noch durchgängig in richtigen ‚Stadien‘ mit Charakter dargeboten wurde.
Alle Fotos aus dem Buch zeigen wir hier natürlich wieder mit freundlicher Genehmigung des Verlages!
Taschenbuch: 176 Seiten
Verlag: Arete Verlag
ISBN-13: 978-3942468732
Preis: 19,95 Euro
ich frage mich, ob ich allein mich an die alten drecksstadien in betrieb erinnere.
die waren scheiße! damals und heute (nürnberg, berlin, darmstadt, karlsruhe, münster (alter!! was für'n müllhaufen)).
es war zugig, nass, 100 m vom platz weg, die toiletten eine frechheit, zu-/abgänge der tribünen eine zumutung. und selbst vegetarier kriegen inzwischen anderes als bloß den halben trockenen toast ihres wurstfresser-kumpels; aber das hat selbstverständlich nur bedingt mit der architektur zu tun.
ich habe zuweilen den eindruck, als wären die größten stadionnostalgiker die fernseh- und internet zuschauer. aber vielleicht bilde ich mir das ein, weil es so schön einfach wäre und mir in'n kram passte. behaltet Euren ganzen modernen fußballklimbim. von mir aus. aber die neuen stadien?
nie mehr dahinter zurück!!
Jovan,
ja, die Zustandsbeschreibung der Stadien trifft uneingeschränkt zu. Diejenigen der "alten Schätzchen", die ich oftmals hier Ruhrgebiet als Fan besucht habe,werden nicht mehr als Spielplätze der Erst- und der Zweitligisten benutzt. Über die alten Stadien, die heute noch in der I. Liga-bis III. Liga in Nürnberg pp genutzt werden, kann ich nichts sagen.
Ich meine aber, daß die unerfreulich-unfreundlichen Zustände in den alten Stadien das eine sind, das andere sind die Erinnerungen an das, was man in diesen Stadien erlebt hat.
Erinnerungen, an "große" Fußballspiele, an "große" Fußballer, aber eben auch an heute undenkbare "Sitten und Gebräuche" im Umgang mit gegnerischen Fans, an "die Art und Weise" der Bewirtung, an die Toiletten (!!), an……
Und wie bei so vielen Erinnerungen wird das durch ständiges Erzählen wachgehalten, woran man sich, warum auch immer, eben gerne erinnert. Und so wird dann irgend wann das zur Realität, woran was in der Erinnerung existent ist.
Ich denke, in dem von Robin Patzwald vorgestelltem Buch wird der Verfasser alldem nachgehen.
Ob das Buch deshalb in erster Linie die Nostalgiker, ich könnte auch sagen "die alten Säcke unter den Fans", zu denen ich gehöre, interessieren wird, bleibt abzuwarten; es wäre naheliegend.
ach, vielleicht noch:
nein, sie waren üblicherweise auch nicht hübscher oder individueller.
die nachkriegsstandardschüssel war genauso gesichtslos wie die gegenwartsarenen. dass wir uns über die jahrzehnte der gewöhnung details der verschiedenheit "rausgeguckt" hatten, halte ich für ausdruck puren selbstbehauptungswillens.
es geht hier schließlich nicht um britische holztribünen-giebeldach-augenschmeichler.
letztlich is fußball nich aum platz, sondern auffe ränge – aber et sind nich die ränge selbs!
@walter gerade bzgl. des rückblickenden selbstbetrugs bin ich ganz bei Dir/Ihnen.
jovan,
wir könnten jetzt -nicht nur bezogen auf die "alten Stadien" und das Leben in ihnen und mit ihnen- darüber philosophieren, ob das was wir Erinnern Selbstbetrug ist oder Realität.
"Nicht was wir gelebt haben ist das Leben, sondern was wir erinnern und wie wir erinnern, um davon zu erzählen" -Gabriel – Garcia Marques-.
Ja, und deshalb sind ja auch die "alten Geschichten" über den Fußball, über die Stadien, über das Leben in ihnen und mit ihnen interessant, gelegentlich sogar legendär, allerdings vornehmlich, wenn sich "die alten Fußball-Fans" diese Geschichten gegenseitig erzählen, ergänzen, erweitern, stetig "verschönern" oder wenn sie Teil dessen werden, was sich bei mir unter "Opa, erzähl 'mal" zusammen fassen läßt.
Das Problem der neuen und schönen Stadien ist nicht, dass es sie gibt, sondern, wo es sie nicht gibt bzw. lange nicht gab. Am BVB lässt sich das schön durchdeklinieren. Ob der in der Roten Erde wieder in die Puschen gekommen wäre? Münster, immerhin Gründungsmitglied der BL, ist das Gegenbeispiel zum BVB. In meiner alten Heimat hat die Eintracht 74 ebenfalls ein durchrenoviertes Stadion im Stadtwald bekommen, 2006 the same….FSV und OFC kickten in den alten Stadien weiter. Heute haben beide schöne und schmucke Stadien, klein aber fein. Aber wird das reichen? Im Westen krebsen RWE, SWE und RWO in den unteren Ligen. 69 gab es noch eine WM-Quali an der Hafenstraße und RWE war zumindest eine Fahrstuhlmannschaft. Der Steuerzahler war und ist ein potenter Mitspieler, taucht aber in keiner Tabelle und auf keinem Tippzettel auf.