Vom Verfall eines Solarriesen

Foto: Flickr.com / conergyus

Diese Geschichte handelt von einem ehemaligen Vorzeigeunternehmen der Solarbranche. Es geht um den einst größten Konzern für erneuerbare Energien in Europa. Conergy. Doch das ist vorbei. Die Aktien des Unternehmens sind verfallen zu einem Penystock, dessen Kurs von Spekulanten getrieben flattert wie ein Lämmerschwanz. Zehn Jahre nach der Gründung stehen die Aktionäre der TecDax-Firma vor einem Scherbenhaufen. Trotz Finanzspritzen in dreistelliger Millionenhöhe, Entlassungen und einer Schrumpfkur ist Conergy nicht saniert. Noch immer drücken satte Verluste die Stimmung und die Umsätze schwinden. Und die Aussichten sind trüb, Besserung ist nicht in Sicht. Der Vorstandschef des Konzerns, Dieter Ammer, sagte vor wenigen Tagen: „Wir haben unsere Ziele nicht erreicht.“

Damit nicht genug: Die Krise auf dem Solarmarkt verschärft die Lage. Nach einem Umsatzeinbruch von 70 Prozent im Auftaktquartal hat Ammer keine Hoffnung mehr auf schnelle Erholung. Es werde ein „außerordentlich schwieriges Jahr“, sagte der Manager. Der Solarmarkt in Spanien trug einst mit 16 Prozent zum Konzernumsatz bei. Heute sind dort kaum noch Verkäufe zu beobachten. Erst 2010 sei wieder mit Wachstum zu rechnen, sagt Ammer.

Dabei hatten die Conergy-Aktionäre großes Vertrauen in Ammer gesteckt, als er im Herbst 2007 den Vorstandssessel übernahm. Der Konzern stand damals kurz vor der Pleite. Die Banken hätten jederzeit einen 600 Mio Euro Kreditrahmen kündigen können und damit Conergy ruiniert. Altvorstand Hans-Martin Rüter hatte sein Unternehmen mit hastigen Zukäufen und einer riskanten Finanzierungsstrategie überfordert. Nur das Eingreifen Ammers rettete den Laden.

Der Volkswirt brachte frisches Kapital. Zunächst überredete er seine Bekannten, den Metall-Unternehmer Otto Happel und die Hexal-Gründer Andreas und Thomas Strüngmann, mit Millionenbeträgen bei Conergy einzusteigen. Er versprach Ihnen Hoffnung in einem Zukunftskonzern. Dann trotze Ammer der Commerz- und der Dresdnerbank einen Überbrückungskredit in Höhe von 240 Mio Euro ab. Damit nicht genug. Er konnte später sogar die Commerzbank überreden, während einer schleppenden Kapitalerhöhung rund 170 Mio Euro in den maroden Konzern zu pumpen. Heute hält die Bank 37 Prozent an Conergy.

Das Wort Ammers zog, weil die Investoren ihm vertrauten. Als Visionär hatte er die Nordzucker AG aus einem Kleinbetrieb von Bauern entwickelt. Er war Chef der Brauerei Beck und leitete den Tchibo-Konzern. Ammer ist dabei eine imposante Erscheinung mit blauen Augen und einer lebendigen Sprache, die Zuhörer fesseln kann. „Wenn sich Ammer nicht persönlich engagiert hätte, wäre Conergy Pleite“, sagt ein Vertrauter des Unternehmens.

Ammer beließ es nicht bei schönen Worten. Fast die Hälfte der 2500-Mitarbeiter starken Belegschaft schmiss er raus, entledigte sich riskanter Nebengeschäfte und fokussierte das Unternehmen auf das Kernbusiness. Dem Verkauf von Solaranlagen. Ammer versprach innerhalb von einem Jahr die Wende zum Guten schaffen. Ende 2008 sollten wieder Gewinne gemacht werden.

Daraus wurde nichts. Im Katastrophenjahr 2007 lag der Verlust bei rund 250 Mio Euro. Nach einem Jahr unter Ammer lag der Verlust bei 307 Mio Euro – obwohl der Umsatz auf rund 1 Mrd. Euro wuchs. Ammer sagte, zwar seien die Ziele nicht erreicht worden, „aber wir haben deutlich aufgeräumt.“ Seit dem Börsengang im Jahr 2005 hat Conergy weit über eine halbe Mrd. Euro verbrannt.

Und es ist unsicher, ob der Konzern das kommende Jahr noch erlebt. Zwar beteuert Conergy-Finanzchef Jörg Spiekerkötter, der Konzern verfüge noch über 30 Mio Euro Cash, allerdings gibt er zu, dass die Barmittel allein aus den Krediten der Banken stammen. Alle wesentlichen Vermögenswerte sind verpfändet, beliehen oder übereignet. Spiekerkötter selbst ließ sich vertraglich einen Sonderbonus in Höhe von 500.000 Euro garantieren, „soweit sich die Liquiditätslage der Gesellschaft mittelfristig entspannt.“ Sprich, wenn er es schafft, die Pleite zu verhindern.

Ammer kann seine Strategie aus der Krise heute in wenigen Worten erklären. Er will an die Kunden ran, aus der Produktion raus. Im Solarhandel werde in Zukunft das Geld verdient. Und Conergy sei immer noch eine gute Marke.

Die Signale dafür, das dieser Weg der richtige ist, sehen allerdings schlecht aus. Zunächst ist da ein Familienzwist. Conergy-Gründer ist Hans-Martin Rüter. Er hat die die Firma aufgebaut und seinen Onkel zweiten Grades, Dieter Ammer, in den Aufsichtsrat geholt. Gemeinsam verabredeten die beiden Vertrauten die wichtigsten Verträge mit Lieferanten. Rüter wurde "Entrepreneur des Jahres 2007".

Dann kam die Krise. Rüter wurde abgesetzt, Onkel Ammer wechselte vom Aufsichtsrat in den Vorstand. Eigentlich hätte es so bleiben können, wenn nicht die Zahlen bei Conergy so schlecht gewesen wären. Der neue Aufsichtsrat beschloss Rüter und seine ehemaligen Vorstandskollegen auf Schadensersatz zu verklagen. Das sieht aus, wie ein Kampf Onkel gegen Neffen. Ammer will davon nichts wissen. Er sagt, dies sei ein „normaler Vorgang“. Sein Verhältnis zum Familienmitglied sei gut. Ein Vertrauter von Rüter sagt, es handele sich bei dem Angriff lediglich um ein Ablenkungsmanöver, um von den echten Problemen abzulenken.

Tatsächlich gibt es für Ammer Gründe Sand auszustreuen. Denn sein wichtigstes Sanierungsvorhaben droht zu scheitern. Um Conergy flott zu kriegen, muss Ammer die Solarfabrik in Frankfurt an der Oder verkaufen. Die ersten Gespräche mit einem koreanischen Investor scheiterten in letzter Minute. Seither wurden alle Leiharbeiter rausgeschmissen und die Fabrik produziert bei unter 50 Prozent Auslastung Verluste. Besserung ist nicht zu erwarten, der gesamte Solarmarkt bricht ein, die Preise verfallen und Absätze stagnieren. Um die Fabrik doch noch loszuschlagen, muss Ammer ein zweites Problem loswerden.

Er muss den Liefervertrag mit dem wichtigsten Lieferanten MEMC beenden. Einst hatte Ammer den Vertrag gemeinsam mit seinem Neffen Rüter abgestimmt. Ursprünglich sollte MEMC bis 2018 Rohstoffe im Wert von sieben bis acht Mrd. Dollar für die Conergy-Fabrik in Frankfurt liefern. Ammer konnte das Volumen des Vertrages im vergangenen Jahr auf vier Mrd. Dollar reduzieren. Aber nun weigert sich MEMC noch weiter runterzugehen. Selbst wenn dabei Conergy drauf geht.

Ammer hat nun gegen den Vertrag, den er selbst unterschrieben hat, Klage in New York wegen Wettbewerbswidriger Inhalte eingelegt. Es ist unsicher, ob er damit durchkommt. Er selbst will nichts zu der Klage sagen.

Doch es sind nicht nur die großen Probleme, die ständig Nerven kosten. Selbst die kleinen Schwierigkeiten konnten noch nicht aus dem Weg geräumt werden. Conergy gleicht damit einer ausgetrockneten, kokelnden Wiese. Hat man eine Flamme gelöscht, lodern zwei neue auf. Und immer droht das ganze Heu auf einmal abzufackeln.

Hier fordert ein Kunde Rückzahlungen und Schadensersatz in Höhe von rund 9 Mio Euro für schadhafte Solarmodule. Dort haben Banken einen Kreditrahmen in Höhe von 450 Mio Euro, den sie nahezu beliebig fällig stellen können. Selbst das Verhältnis zu Conergy-Investor Otto Happel scheint nicht mehr ungetrübt. Zumindest hat der Milliardär aus der Schweiz immer noch nicht seine Aktienoptionen gezogen. Warum auch? Schon jetzt hat Happel nahezu 50 Mio Euro in der Solarfirma verloren. Der Kurs von Conergy sackte in der Amtzeit von Ammer von knapp über 9 Euro je Papier auf unter einen Euro.

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