Vom Warten und nicht mehr Hoffen: Toshio Hosokawas Oper „Hanjo“ bei der Ruhrtriennale


Auf eine Schattenwelt, die mit allen großen Gefühlen zwingend verbunden ist, verweist die Kammeroper des Japaners Toshio Hosokawa. Und gerade anderthalb Stunden brauchte dieses Stück, um Grenzerfahrungen von Verzweiflung, brennender Sehnsucht und Selbstaufgabe extrem zu verdichten – zweifel los eine der stärksten, zugleich verstörendsten Produktionen bei dieser Ruhrtriennale.

Das Szenario mit der Geisha Hanako, die vergeblich auf ihren Liebhaber wartet, ist einem uralten Stück aus der höfischen „No“-Tradition entlehnt – aber die hier zugrunde liegende Neu-Interpretation durch den Autoren Yukio Mishima verweist auf eine Warte-Situation im Sinne von Beckets „Warten auf Godot“. Hierfür liefert Regisseur Calixto Bieito ein nocturnohaftes wie katastrophales Szenario.

Geschotterte Bahngleise weisen bedrohlich mitten ins Publikum hinein, als müsse man Angst haben, gleich überrollt zu werden. (Bühnenbild: Susanne Gschwender) Nacht, Nebel und viel bleiches Licht erinnern an manche Stimmung in einem Michael Haneke-Film. Die Sprache ist oft mit schweren Metaphern und einer latenten Traurigkeit durchdrungen. Doch erst mal wird gar nicht gesprochen bzw. gesungen und später auch sind die Worte so ökonomisch gesetzt. Maximal soll Raum gegeben sein für symbolträchtige Mimik und Körper-Expression bleibt – so will es asiatisches Theater im allgemeinen und auch Calixto Bieitos Regie im besonderen.

Hanako (Kerstin Avemo) schleppt sich auf den Schienen vorwärts, in (Todes-) Zuckungen verzerrt. Manchmal balanciert sie auf einer Schiene. Ihr wartendes Dasein ist ein Balanceakt auf dem schmalen Grat zwischen Hoffnungs und Verzweiflung. Für die unablässig Wartende und verzweifelt Liebende sind alle anderen Menschen tot. Bis auf jenen Mann, der nicht zurückkommt.

Sie ist als Lustmädchen betont nuttenmäßig hergerichtet, aber die weißen Farbtöne wirken auch wieder unschuldig und schwach. (Kostüme: Anna Eiermann)  Sie wartet weiter und ist derweil in die Obhut der frustrierten Künstlerin Jitsuko (Ursula Hesse von den Steinen) geraten, die die Schönheit des jungen Mädchens vergöttert, sich vor allem aber an dessen Verzweiflung weidet und Hanako mittels perfider Manipulation in einen goldenen Käfig einhüllt. Denn Jitsuko giert nach dem Unglück anderer und kompensiert damit den Umstand, dass sie selbst nicht lieben kann – und nie geliebt wurde.

Dann bricht Yoshio alias Georg Nigl abrupt in die hermetische Frauenwelt herein. Für einen illusorischen Moment könnte das Warten beendet scheint. Doch Hanako erkennt den Herbeigesehnten nicht mehr. Hat das stilisierte Traumbild des Angebeteten längst jede physisch greifbare Wirklichkeit überholt? Muss Hanako den –warum auch immer- abtrünnigen Liebhaber zurückweisen, weil der gebrochene Stolz der Sitzengelassenen keine andere Reaktion im „real life“ gebietet? Fast könnte man hier an jene merkwürdigen „online-Beziehungen“ denken, wo Menschen nach jahrelanger virtueller Annäherung endlich physisch aufeinander treffen – was dann nicht selten katastrophal scheitert! Katastrophal scheitert auch die Begegnung zwischen Hanako und Yoshio. Letztlich sind alle zu tragischen Opfern ihrer selbst geworden – vor allem Yoshio, der sich ertränkt.

Wie ein dunkler, schwerer Atem steht das Spiel des Orchesters der musikFabrik (Musikalische Gesamtleitung Gerry Walker) hinter den Gesangsparts. Und es sind deutlich spürbare fernöstliche Muster in diesen Klangteppich eingewebt. Toshio Hosokawa sprach einmal von einer Art „musikalischen Kalligrafie“ wenn die Frage auf die Organisation von Tönen und melodischen Abläufen in seinem Opernschaffen kommt. Bezeichnenderweise hat Hosokawa lange Jahre in Deutschland Komposition studiert, um sich mit diesem Erfahrungshintergrund auch wieder klassischen Musiktradition im eigenen Lande anzunähern. In Japan sei doch häufig zu wenig auf die eigenen Wurzeln Rücksicht genommen worden, wo doch vieles sehr einseitig auf eine Adaption westlicher Kulturwerte ausgerichtet sei.

 

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