Der Terror hört nicht auf und er ist religiös motiviert. Da hilft nicht, zum hundertsten Mal zu behaupten, dass er mit Religion nichts zu tun hat. Dass es eine Art neue religiöse Volksgemeinschaft geben muss, die sich durch den Terror nicht spalten lässt. Diese systematische Immunisierung von Religion verhindert eine offene Debatte und macht Reformen unmöglich.
Es gibt zwar keinen Automatismus der von der Religion in den Terror führt. Wer aber ein allmächtiges, ewiges und überirdisches Wesen braucht, um sich auf Erden einigermaßen korrekt zu verhalten, muss sich nicht wundern, dass unter seinen Mitgläubigen auch welche sind, die ihre eigenen Allmacht- und Vernichtungsphantasien in Namen dieses Wesens mit allen Mitteln in die Tat umsetzen.
Keine göttliche Totalität ohne die menschliche Bereitschaft zum totalen Denken
Wir Menschen wissen in der Mehrzahl von unserer Mangelhaftigkeit, unserer Begrenztheit und unserer Verletzlichkeit. Das macht uns anfällig für jedes noch so fragwürdige Versprechen des Gegenteils: Mangellosigkeit, Unbegrenztheit und Unverletzlichkeit. Wer uns das bietet, und sei es nur als vorgestelltes Ideal oder als imaginierter Ort, der rennt bei uns offene Türen ein. Ein Wesen, was genau das verkörpert musste also früher oder später in der Menschheitsgeschichte auftauchen.
Es konnte allerdings nur aus einer Welt kommen, die den Menschen nur geistig zugänglich ist. Die sie selber, zumindest als Erdenwesen, nicht betreten können. Einer Welt jenseits der Menschenwelt die diese zugleich transzendierend überschreitet. Eine, an die man glauben muss, weil es für sie keine materiellen Beweise gibt. Eine, die man als aufgeklärter Mensch nur als Hypothese mit der inständigen Hoffnung auf Bewahrheitung annehmen kann. Als nur gedachte, dafür aber unbegrenzte Wahrheit.
Gott als per Definitionem unbegrenztes Wesen wir so zur Wahrheit an sich. Zur Wahrheit als Totalität die von denen, die an Gott glauben, auch ein entsprechend totales Denken erfordert. Denn nur die Unbegrenztheit des Ewigen macht das Allwissende möglich. Nur die totale Mangellosigkeit garantiert das absolute Gute. Nur das geistig Allmächtige sorgt für die völlige innere Unverletzlichkeit. Nur die Allgegenwart eines solchen Wesens birgt die Garantie, sich auf immer in sicheren Händen zu fühlen, sei die reale menschliche Welt auch noch so leidvoll.
Das damit verbundene Jenseitsversprechen funktioniert aber nur, wenn der Glauben an ein Leben nach dem Tode keinen dauerhaften Zweifel zulässt. Damit wird das Jenseits selbst zur Totalität und zugleich eins mit der Totalität Gottes. Das Jenseits verwandelt sich so von der spirituellen Transzendenz zu unbegrenzten Projektionsfläche irdischer aber zugleich unerfüllter Wünsche und damit zum Einfallstor jeglicher Manipulation im Namen Gottes.
Himmel und Hölle, oder die Totalität des Jenseits
Diese Totalität macht es ohne weiteres möglich, dass Menschen für dieses Jenseits absichtlich zu sterben bereit sind. Erst recht wenn ihnen dort die Totalität der Bedürfnisbefriedigung in Form des Paradieses in Aussicht gestellt wird. Das Jenseits wird zum Himmel, in dem man aus gutem Grunde möglichst schnell kommen möchte. Was kann es Schöneres geben als das ewige Paradies mit ewiger und allmächtiger Gottesgarantie. Erst recht, wenn man auf Erden bis dahin nichts auf die Kette bekommen hat.
Spätestens hier kommen die weltlichen Demagogen dieses Jenseits ins Spiel: Die Funktionäre Gottes auf Erden und die anderen Tiefgläubigen. Die ersten treiben berufsmäßig und/oder erleuchtungsgeplagt den Menschen den Zweifel am göttlichen Jenseits aus. Die zweiten lassen ihn weder bei sich selbst noch bei den Mitgläubigen zu. Notfalls auch um den Preis, sie aus ihre Gemeinschaft auszuschließen, oder ihnen sonst wie das Leben schwer zu machen. Natürlich alles für die gute Sache: sie auf den rechten Weg zurückzubringen.
Falls das nicht reicht, bzw. der Wunsch nach dem Himmel nicht groß genug ist, kommt die Hölle ins Spiel, was strafpädagogisch auch nicht anders sein kann. Der Totalität der Bedürfnisbefriedigung muss die Totalität des Schmerzes gegenüber stehen, um in ihrer unendlichen Paradieshaftigkeit bestehen zu können. Da die Demagogen des Jenseits sehr gut wissen, dass Menschen die bei Verstand sind, das Konzept durchschauen könnten, fangen sie mit der entsprechenden geistigen Manipulation dann an, wenn er noch nicht ausgebildet ist: Im Kindesalter.
Jenseitige Totalität ist ohne diesseitige Indoktrination nicht möglich
Denn die Demagogie lebt von der Abhängigkeit und Unterlegenheit ihrer Opfer. Richtig perfide wird das Ganze, wenn die Demagogen dabei vorgeben, die ihnen Anbefohlenen zu lieben oder das, wie die meisten Eltern bei ihren Kindern, auch wirklich tun. Himmel und Hölle sind dann keine die kindliche Phantasie anregende Märchen mehr, sondern göttliche Erziehungsmittel, denen man auf Grund ihres Ewigkeitscharakters niemals entkommen kann.
Kindern, die weder begreifen können, was das Jenseits ist und was Gott bedeutet, wird das beten zu einem Wesen beigebracht, dessen Eigenschaften seine Vorstellungskraft übersteigt, weil es alles sieht und alles weiß und immer recht hat und das auf ewig. Gott wird so von einer möglichen Vorstellung zu einer totalen Instanz gemacht, und genau das ist das Ziel dieser Art der Demagogie: Für die Unterwerfung unter dieser Instanz, der man sowieso nicht entkommen kann, zu sorgen.
Dem Kind bleibt auch gar nichts anderes übrig, da es seine Eltern nicht enttäuschen möchte, was die wiederum als die Liebe des Kindes zu den Eltern ansehen. So ergibt sich eine wechselseitige Bestätigung der Demagogie, die auf diese Weise ihr demagogisches Moment verliert und für die Beteiligten unsichtbar wird. Wenn dann die erzieherische Macht der Eltern auf Grund des Erwachsenwerdens des Kindes geringer wird, bleibt die von ihnen eingepflanzte Instanz in den meisten Fällen bestehen.
Sie ist das Schmiermittel aller Jenseitsdemagogen außerhalb des Elternhauses: Jede Art von Priestern und Propheten und sonstigen Gottesfunktionären. Von den gläubigen Freunden, Nachbarn, der religiösen Gemeinde, von bekennenden Lehrern und Vorgesetzten ganz zu schweigen. In einer solchen Umgebung Zweifel am Jenseits, ja sogar an der Existenz Gottes zu äußern, kommt einem Spießrutenlauf gleich. Spätestens wenn man dabei an einen Gott-Gelehrten gerät, wird aus dem Spießrutenlauf ein demagogischer Generalangriff.
Keine diesseitige Indoktrination ohne die Demagogen des Jenseits
Für ihn oder sie gilt es das „verlorene Schaf“ in die Herde zurückzubringen, komme was da wolle. Er oder sie fühlt sich Gott und seiner jeweiligen Kirche gegenüber in besonderer Weise rechenschaftspflichtig. Es geht um eine Art demagogische Ehre, gerade die zur Umkehr zu bewegen, die nicht bleiben sondern gehen wollen. Die die Totalität des Jenseits und seines göttlichen Herrn nicht nur nicht einsehen sondern sogar explizit ablehnen. Da das bekanntlich auch den besten Demagogen nicht immer gelingt, gilt es den Anfängen zu wehren.
Deswegen bedienen sich die modernen Demagogen des Jenseits besonders gerne eines Mittels, dass mittlerweile fast ebenso allgegenwärtig ist wie ihr Gott sein soll: Das Internet. Gott und das Internet werden so zu geradezu idealen Partnern, weil dort fast alles bewiesen werden kann, einschließlich des Jenseits und das auch noch multimedial. Weil dort der Glaube sowieso mehr zählt, als Fakten. Weil dort das sogenannten postfaktische Zeitalter seinen intensivsten Ausdruck findet.
Mit ihm lassen sich sogar Eltern überlisten, die nicht gottgläubig sind, und deswegen gegenüber ihnen Kindern auf jede Art der Jenseitsdemagogie verzichtet haben. Erst recht aber lassen sich die Tiefgläubigen jeden Alters dort flächendeckend und jederzeit bestärken, ohne dass sie das Haus verlassen müssen. Sogar so sehr, dass sie das Internet mit dem Jenseits selbst verwechseln, und sich von dort direkte und zugleich gottlegitimierte Handlungsanleitungen welcher Art auch immer hohlen.
Die totale Mobilisierung für Gott und gegen seine angeblichen Gegner in kürzester Zeit wird so zum weltlichen Handlungs-Pendant jenseitiger und göttlicher Totalität. Aus situativer Erleuchtung durch jenseitige Demagogie wird im Extremfall massenhafter Mord, den die Demagogen selbst gerne andere begehen lassen, um ihre Hauptaufgabe möglichst lange und möglichst unbehelligt weiter zu erledigen: Durch totales Denken realen Totalitarismus und den dazugehörigen Terror zu erzeugen.
Das absolute Gute das sich in der Liebe Gottes beweist vermischt sich so mit Angst und Hass. Angst davor, seinen Regeln nicht genügend zu gehorchen und Hass gegen sich selbst als Sünder und die sündige Welt die nicht nach Gottes Geboten handelt. Ein gefährliches Gefühls- und Gedanken Amalgam, dass im wahrsten Sinne des Wortes hoch explosiv werden kann. Das bei einer ausgeprägt patriarchalen Kultur gerade junge Männer ansteckt. Von der sexuellen Verklemmung ganz zu schweigen.
Totaler Glaube und totale Vernichtung sind zwei Seiten der gleichen Medaille
Die zentrale Voraussetzung dafür ist die dauerhaft Installation einer totalen Instanz im Menschen selbst, denn Niemand bringt aus dem Nichts andere Leute um, sofern er nicht geistig und/oder psychisch krank ist. D.h. nicht, dass eine solche totale nichtweltliche Instanz immer zur totalitären weltlichen Handeln führt. Aber ohne einen totalen Glauben an eine solche totale Instanz ist der Wunsch nach einer totalen Vernichtung ihrer Gegner kaum erklärbar.
Totalitäres Handeln beginnt dabei schon weit vor der totalen Vernichtung. Sie beginnt schon mit dem Verbot der Kritik an dieser Instanz und mit der Verfolgung des Zweifels an seiner Totalität. Sie führt weiter über das Verbot der Lästerung über diese Totalität, die ja nichts anderes ist als ein totaler geistiger Herrschaftsanspruch. Denn ein Wesen, das auf ewig alles weiß und ungehindert alles machen kann, ist aus weltlicher Sicht weitaus mächtiger als jeder noch so brutale Diktator.
Wer die Herrschaft eines solchen Wesens per Gottesstaat auf die menschliche Welt überträgt, hat deswegen nicht nur die Kritik sondern auch die Wut der Menschen verdient, die davon Betroffen sind, ohne daran zu glauben. Wenn jenseitige Totalität zum diesseitigen Totalitarismus wird, dann ist diesen genauso zu bekämpfen wie jeder andere weltliche Totalitarismus: Mit allen Mitteln die demokratische gesinnten Menschen zur Verfügung stehen. Notfalls auch mit Gewalt.
Es gilt aber vorher den Demagogen des Jenseits Einhalt zu gebieten, um es gar nicht erst dazu kommen zu lassen. Es kann auch nicht im Interesse derer sein, für die eine jenseitige Totalität Sinn ergibt, ja ihrem Leben sogar einen Sinn gibt, dass diese zur weltlichen Diktatur führt. Deswegen gehört Gott in Gotteshäuser für Erwachsene und nicht in den Kindergarten oder in die Grundschule. Deswegen kann die Religionsfreiheit nicht grenzenlos sein, sondern hat die auszuschließen, die die jenseitige Totalität Gottes mit seiner diesseitigen Herrschaft gleichsetzen.
Vom totalen Denken zum totalitären Handeln ist es nur ein kleiner Schritt
Eine Himmel und Hölle Pädagogik hat auch in Elternhäusern nichts zu suchen, geschweige denn eine Sortierung der Kinder in Glaubensgemeinschaften in einem Alter in dem sie zwischen Glauben und Verstand gar nicht unterscheiden können. Wer Totalität zuhause oder wo auch immer zu einem geistigen Entwicklungszeitpunkt des Erzogenen predigt, in dem eine solche statt geistig begriffen und verarbeitet zu werden nur emotional hingenommen werden kann und muss, der muss sich nicht wundern, wenn ein solcher Mensch später nicht mehr zwischen jenseitiger Totalität und diesseitigem Totalitarismus unterscheiden kann, ja nicht es mehr will.
Dass er in die Fänge von Demagogen gerät, die dazwischen noch nie unterschieden haben und das auch nie wollten. Die auch einen persönlichen Vorteil davon haben, dass sie das nicht tun, weil sie genau an dieser unbedingten Macht auf Erden interessiert sind. Weil es im Ernstfall sogar die ihrige ist oder sie zumindest davon profitieren. Die die Totalität Gottes nicht nur im Munde führen, sondern selber an ihr teilhaben wollen, in dem sie sich als ihre weltlichen Boten ausgeben.
Ihnen gilt es überall auf der Welt das Handwerk zu legen, in dem man die Skepsis gegenüber jedem auf Totalität basierenden Gedankengebäude fördert. Auch wenn es offiziell nur die jenseitige Welt betrifft. Totale Weltanschauungen, egal ob transzendent oder weltlich, haben den Hang zur Kritiklosigkeit, ja zum Kritikverbot. Sie bringen in der Regel auch Texte hervor, die unter diesem Kritikverbot stehen und deswegen auch nie verändert werden dürfen.
Ihr damit gegebener Absolutheitsanspruch führt unausweichlich zum Unfrieden zwischen denen, die ihn jeweils vertreten, da ihnen per se keine Kompromissmöglichkeiten zu Gebote stehen. Ein gehöriger Teil der sogenannten heiligen Schriften enthält nämlich nichts anderes als Hassbotschaften gegenüber denen, die nicht an sie glauben, bzw. ihre die wortwörtliche Übernahme ablehnen. Menschen, die jede Religiosität, ja die Annahme einer Gottesexistenz als solche ablehnen, wird selber die Existenz abgesprochen, bzw. wird ihnen ihre Vernichtung angedroht.
Religiöser Terror und persönliche Raserei
Religiöse Hassprediger sind deswegen keine verirrten Psychopathen sondern eine feste und unvermeidliche Gruppe unter den Demagogen des Jenseits, egal ob sie im Untergrund arbeiten oder gesellschaftlich anerkannt sind. Das gleiche gilt für die, die ihre Worte in Taten umsetzen. Sie sind zwar in der Regel nicht so gebildet, respektive verbal geschult, aber sie sind genauso wie diese von der Totalität jedweden Gottesglaubens fasziniert, sei diese noch so einfach und untheologisch konzipiert.
Es ist die Totalität des Gottesglaubens selbst, die ihnen überhaupt erst die Selbstlegitimation ermöglicht, im Einzelfall auch ganz persönlichen Hass und Frustration in terroristischen Furor gegen Menschen umzusetzen die sie weder persönlich kennen noch ihnen irgendetwas bedeuten. Es muss sie nur Jemand dazu bringen bzw. ihnen erlauben, diese als Feinde Gottes zu betrachten, um sich selber in die totale emotionale Raserei zu versetzen, die dazu notwendig ist.
Da diese persönliche Raserei aber alleine nicht ausreicht, um möglichst viele zu bestrafen, steht hinter ihnen immer Leute, die diese richten und in rationale Planung von Durchführung einbetten. Die Demagogie des Jenseits ist deswegen auch nie nur jenseitig, sondern immer auch gezielt auf die notfalls auch gewalttätige Veränderung der Welt gerichtet, d.h. sie ist, gewollt oder nicht, immer auch politisch. Die Demagogie der jenseitigen Macht kommt ohne weltliche Macht über Menschen nicht aus.
Religion und Politik gehen dabei eine immer wieder gefährliche Verbindung ein, und das besonders gegenüber denen, die, gläubig oder nicht, aus ihrer demokratischen Überzeugung heraus eben diese Verbindung aus guten Gründen ablehnen. Nichts fürchten deswegen die politischen Demagogen des Jenseits mehr, als die Forderung nach konsequenter Trennung von Staat und Kirche, von jenseitiger und diesseitiger Macht. Totalitäre Politik, egal welcher Couleur, hat deswegen genauso oft religiöse Züge, wie umgekehrt die Demagogie des Jenseits politische hat.
Die Demagogen des Jenseits verachten die Demokratie
In der Regel ist deswegen den Demagogen des Jenseits schon die Demokratie als solche ein Gräuel, erlaubt sie doch aus ihren eigenen Prinzipien heraus nicht nur die freie Wahl der Religion, sondern auch die grundsätzliche Entscheidung gegen sie und damit die grundsätzliche Einschränkung, ja den partiellen oder sogar gänzlichen Ausschluss ihres Einflusses auf die Gesellschaft. Schon die Drohung der Säkularisierung lässt sie deswegen alle politischen Mittel einsetzen, allein die offene Diskussion darüber schon im Keim zu ersticken.
Besonders schmerzlich ist für sie dabei der absehbare und unvermeidliche Einflussverlust auf Erziehung und Bildung, und damit das geistige und emotionale Einfallstor für ihr gottbezogenes totales Denken und Fühlen. Übrig bleibt dann nur noch der Einfluss auf die private elterliche Erziehung ihrer Anhänger und Mitglieder, da die elterliche Beeinflussung, Indoktrination eingeschlossen, auch in einer Demokratie zu den elterlichen Grundrechten gehört.
Sind aber auch die Eltern nicht mehr der Demagogie des Jenseits zugänglich, bricht die weltliche Herrschaft der Religion aus dem Diesseitigen heraus in sich zusammen, bzw. wird sie zu einer von vielen Weltanschauungen und spirituellen Sichtweisen, die zwar in sich selbst total sein können, nicht aber mehr totalitär. Die gottbezogene Totalität wird so zu einer unter vielen ohne den Anspruch die anderen zu beherrschen, geschweige denn auch nur auf die Idee zu kommen, andere zu vernichten.
Die Lösung heißt Säkularismus
Wer den religiösen Terror auf Dauer verhindern will, muss deswegen seine Wurzel ausreißen: die bewusste und systematische Verbindung von göttlicher Totalität mit weltlicher Herrschaft. Der Glaube an ein totales Wesen muss reine Privatsache werden, darf nicht Teil der öffentlichen Ordnung sein. Weder als Erziehungsziel in öffentlichen Schulen noch als Werteorientierung und Maßstab für öffentliche Handeln. Ein demokratischer Staat hat nicht nur von jedwedem totalen Handeln sondern auch von jedwedem totalen Denken frei zu sein.
Das spricht nicht gegen die Anwesenheit und Zurschaustellung religiöser Zeichen und Gebäude im öffentlichen Raum, ganz im Gegenteil. Ein konsequent säkularer und demokratischer Staat schützt viel mehr die private Entscheidung zu welcher Religion auch immer, so lange sie die Menschenrechte nicht verletzt. Dazu gehört auch das individuelle und kollektive Sichtbarmachen der eigenen religiösen Orientierung, ja die öffentliche Werbung für sie.
Was er jedoch zu verbieten hat, ist jede Form der religiösen Indoktrination und der Körperverletzung durch religiöse Riten. Dies gilt insbesondere gegenüber Kindern und jungen Erwachsenen. Wer die Religionsfreiheit will, der muss auch für jeden Menschen die freie Wahl der Religion einschließlich der Entscheidung gegen jede Religion garantieren.
Das bedeutet zum einen, dass die formale Feststellung einer Zugehörigkeit zu einer Religion, wie die Zulassung zu Wahlen überhaupt, an ein bestimmtes Alter zu binden ist. Zum anderen und ergänzend dazu, dass die Schule über die verschiedenen Religionen, ihre Werte und ihre Geschichte so ausführlich und anschaulich informieren, dass jenseits der meistens auf eine spezielle Religion gerichtete elterlichen Erziehung überhaupt eine Auswahl entsteht.
Lieber Arnold, auf einer abstrakten Ebene hast Du mit Deinen Überlegungen recht – aber Du triffst damit die Falschen. Du forderst noch mehr Säkularität in einem säkularen Staat. Kann man machen, wird aber den religiösen Fanatismus um keinen Deut verhindern, denn die Quellen religiöser Indoktrination sind nicht-staatlicher Natur – es sind Eltern, Verwandte, Imame, Hassprediger.
Nach meinen Erfahrungen werden Jugendliche anfällig für den extremen, gewalttätigen Islamismus, wenn sie zwischen zwei Kulturen stehen, die sich widersprechende Werte propagieren, und wenn sie keine Chance auf eine wie auch immer geartete gesellschaftliche Integration sehen.
Dann ist, wie es Wilhelm Heitmeyer formulierte, der Fundamentalismus "verlockend":
– Er bietet klare Orientierung von "gut" und "böse" in einer komplexen Welt voller Ambiguitäten.
– Er bietet eine Erlösungsperspektive im Jenseits, die für die Misserfolge in dieser Welt entschädigt.
– Er bietet den Jugendlichen, die, wie Du richtig schreibst, nichts auf die Kette bekommen haben, die Chance, Anerkennung zu erhalten, sich auszuzeichnen und Karriere zu machen.
– Er ermöglicht den Jugendlichen, ihre Aggressionen auszuleben.
Diese Analyse erklärt, warum nicht nur Religion zu gewalttätigem Fanatismus führen kann, sondern auch eine atheistische Ideologie, wie der faschistische Nationalismus. Und warum nicht nur Jugendliche mit Migrationshintergrund gefährdet sind, sondern auch perspektivlose Jugendliche in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern.
Wenn man die Analyse teilt, ist es leider nicht so einfach, den Fanatismus zu bekämpfen. Vielleicht liegt der wirkungsvollste Ansatz darin, eine vollkommen neue Bildungskultur in unsere Schulen zu bringen, die nicht vom Prinzip der Selektion (das Frustration und Anfälligkeit für Fundamentalismen erzeugt) getragen wird, sondern vom Prinzip des Empowerments, bei dem man auch bei den größten Defiziten noch nach Stärken sucht, diese gezielt entwickelt und auch dem kognitiv limitierten Jugendlichen Erfolgserlebnisse, Anerkennung und soziale Integration verschafft. Das geht am besten mit kultur- und sportpädagogischen Ansätzen, wie einige erfolgversprechende (außerschulische) Projekte gezeigt haben.
Ein sehr interessanter Artikel!
"…Eine Himmel und Hölle Pädagogik hat auch in Elternhäusern nichts zu suchen,…" Genau! Richtig! Aber … Wie will man verhindern, dass es das gibt, weiter geben wird?!
OK, jedes Kind hat viele Miterzieher, jedes Kind beobachtet außer seinen Eltern auch andere Personen. Das Kind lernt also außerhalb des elterlichen Umfelds (in dem Fall diese Himmel/Hölle-Päd. Begeisterten …) auch von Tagesmüttern, Erziehern in Kitas, Lehrern (jaja … auch -innen, ich spar mir diesen Quark …), Trainern in Sportvereinen usw. usw.. Aber jeder der genannten Bereiche ist einfacher zu kontrollieren (Schule: Richtlinien, Schulämter usw.) als Elternhäuser. Und Himmel-Hölle-Päd. gibt es schon Jahrtausende … Da wurden Erfahrungen gesammelt und diese Erfahrungen führen dazu, dass man hervorragend beeinflussen, Druck ausüben, kontrollieren und dies alles vor der Außenwelt schönreden, verbergen usw. kann.
Gute Beschreibung! It´s all about Choice 😉
#1 Das NS-Regime war eine politische Religion und keineswegs areligiös. Es war nur nicht besonders "christlich". Heilsversprechen (Endlösung), Apokalyptiker etc., Eschatologie, Totalitarismus (Gleichschaltung) … alles vorhanden.
Das ist ein sehr komplexes Thema:
Hier sind meine Gedanken:
– Religionen haben meistens Verhaltensregeln/Gesetze. Wenn ich bspw. an die christlichen Gesetze denke, sind sie revolutionär für ihre Zeit gewesen.
– Im christlichen Bereich gab es das Mittelalter, die Rolle der Päpste wurde in der letzten Zeit in vielen Serien beschrieben. Aber es gab auch die revolutionären Ideen von Jesus, und es gab viele christliche Priester, die für Freiheit und Menschlichkeit gekämpft und auch gestorben sind.
Das höhere Wesen:
– Es ist ein starke Leistung eine externe Instanz zu schaffen, die selber nicht auftritt, der man aber alle gewünschten Eigenschaften zuordnen kann.
– In vielen Fällen gibt es einen imaginären Boss einer Organisation, der aber nie selber auftritt, dem aber viele Eigenschaften zugeordnet werden.
Glaube als Machtfaktor:
– Man motiviert Menschen, ohne selber viel einsetzen zu müssen. Gehälter etc. werden gegen ein Versprechen für die Zukunft, das man nicht selber einlösen muss, eingetauscht.
– Mitglieder arbeiten und häufig zahlen sie sogar noch dafür!
Darauf muss man erst kommen!
Glaube hilft auch vielen Archäologen. Irgendwie sieht es so aus, dass früher nur gebetet/getanzt wurde, um seinen Glauben nachzugehen. Wenn die Erklärungen fehlen, war es Religion oder es waren Außerirdische.
Der Mensch braucht eine Gruppe, dann gibt es Gut gegen Böse (siehe Trump im Nahen Osten). Religionen erfüllen dieses Bedürfnis.
Soll "Stargate" mit seinen Gotterklärungen Pflicht im Schulunterricht werden?
Religion ist privat. Sie hilft. Gläubige Menschen leben länger. Wichtig ist für mich, dass Menschen und insbesondere Jugendliche wissen, dass versch. Religionen gibt, dass es Menschen gibt die nicht an Gott glauben und dass es Religionen gibt, die erfunden wurden, um zu zeigen, dass Religion eigentlich einfach zu schaffen ist. Ein Bausatz für eine neue Religion wäre interessant. Vermutlich würden ein paar Textbausteine ausreichen.
Körperliche Eingriffe aus religiösen Gründen bei Kindern lehne ich ab. Sie passen für mich nicht mit vielen anderen Bereichen zusammen, in denen die körperliche Unversehrtheit höchste Priorität hat.
Gibt es Gott? Gibt es nur einen Gott? Waren es doch Außerirdische?
Wir werden es vermutlich in den nächsten Jahren nicht erfahren. Es wird aber weiter Menschen geben, die im Rahmen von Religionen andere Menschen töten. Warum auch immer ein allmächtiges Wesen einen Killer auf Erden braucht,. Was sollte ein allmächtiger Gott davon haben, dass Menschen nicht gläubige Menschen töten?