Deutschland droht eine Mückenplage und indische Landwirte demonstrieren für Gentechnik. Verbunden sind diese beiden Themen durch den Stoff, der zur Insektenbekämpfung eingesetzt wird. BT-Toxine. Aber was sind sie, was können sie und was hat das Insektensterben damit zu tun?
Bis zu 200 Eier. Das ist die Zahl des potenziellen Nachwuchses, den eine einzelne Stechmücke im Laufe ihres Lebens so produzieren kann. Am besten funktioniert die Fortpflanzung für unsere heimischen Stechmücken überall dort, wo sich stehende Gewässer befinden. Die Bandbreite reicht dabei von Seen, über Tümpel und Sümpfe, bis hin zu Schlaglöchern und kleinsten Pfützen. Die Ansprüche, die Stechmücken an ihre Umwelt stellen, sind ziemlich spartanisch.
Das dürfte auch den Siegeszug der Mücke um die ganze Welt begünstigt haben. Die einzigen Regionen, die nicht regelmäßig mit Mückenschwärmen zu kämpfen haben, sind die Antarktis und Island. Dabei ist nicht ausschließlich die Temperatur ausschlaggebend. Zwar mögen Stechmücken ein feuchtes Klima mit milden Temperaturen und wenig Sonne am liebsten, einige Arten sind evolutionär aber auch auf weitaus unangenehmere Temperaturen eingestellt, die gerne bis in die Minusgrade reichen können. Lediglich häufige, starke Temperaturwechsel können Mückenpopulationen zuverlässig den Garaus machen.
Hier in Europa sind die Witterungsbedingungen allerdings um einiges stabiler. Das führt dazu, dass sich die Mücken ab dem späten Frühling ungehindert ausbreiten und spätestens im Sommer dann damit beginnen, leidgeplagte Europäer schnellen Schrittes in den Wahnsinn zu treiben.
Kein Wunder also, dass die Suche nach Hausmitteln, die Mücken zuverlässig verjagen sollen, im Sommer die Google-Suchergebnisse bestimmen. Und was wird da nicht alles vorgeschlagen. Den halben Kräutergarten soll man sich in die Wohnung holen, da Pflanzen wie Lavendel, Salbei oder Katzenminze zuverlässig als Repellent dienlich sein sollen. Auch Verrücktheiten wie regelmäßiges Duschen werden als wirkungsvollen Mückenschutz angepriesen. Als regelmäßiger Bahnfahrer möchte ich an der Stelle kurz darauf aufmerksam machen, dass häufige Duschen im Sommer vielleicht gegen Stechmücken helfen, aber eine zumindest rudimentäre Körperpflege unter Einsatz von fließendem Wasser auch den Rest des Jahres anzuraten ist. Fortgeschrittene können hierbei auch sog. „Seifen“ einsetzen, Kosmopolitanern ist die Verwendung von (neudeutsch) „Shampoos“ angeraten.
Aber nicht nur präventive Hinweise gibt es wie Sand am Meer, nein, auch eine Vielzahl von Behandlungstipps für die Zeit nach dem Stich lassen sich mit wenig Aufwand finden. Honig, Quark, Aloe-Vera, Salz, Weißkohlblätter, Essigwasser, Spitzwegerich, Gänseblümchen und Knoblauch sollen angeblich allesamt dem Juckreiz den Kampf ansagen. Und wenn das Jucken erst verschwunden ist, scharben wir das Zeug von der Haut in eine Schüssel und haben sofort den perfekten Salat für den nächsten Grillabend. Zwei Fliegen, eine Klappe.
Die Mücke als Krankheitserreger
Jetzt ist die Bekämpfung von Stechmücken allerdings keine überflüssige Tätigkeit gelangweilter Großstädter, die beim abendlichen Bierchen im Sonnenuntergang nicht als unfreiwilliges All-You-Can-Eat-Buffet herhalten wollen. Egal ob in Mexiko, Brasilien, großen Teilen Afrikas oder Chinas, vor allem in tropischen Gebieten sind Mücken als Krankheitsüberträger berüchtigt. Die Flüssigkeit, die nach dem Stich durch den Saugrüssel der Mücke in den Körper eindringt, kann mit einer Vielzahl von Krankheitserregern gespickt sein. Regelmäßige Ausbrüche von Malaria oder dem Gelbfieber, sowie die Verbreitung von parasitären Fadenwürmern sind kausal auf Mücken zurückzuführen. Man rechnet, dass weltweit jährlich ungefähr 700.000 Tode auf Stechmücken zurückzuführen sind, die damit mehr Menschen töten, als jedes andere Tier.
Nicht nur in den Tropen sind Stechmücken eine Gefahr. Das West-Nil-Virus kommt beispielsweise ebenfalls in südlichen Teilen Europas vor, wo es von Mücken übertragen wird. Aedes vexans, die Rheinschnake, stellt deutschlandweit zahlenmäßig die größte Mückenpopulation und ist selbst Überträger einiger fieser Krankheiten, die aber in erster Linie nur für Tiere zur Gefahr werden. Die Mücke kann den Herzwurm auf Hunde übertragen, der für die gleichnamige Erkrankung verantwortlich ist. Auch die Kaninchenpest wird von ihnen übertragen, weshalb auch Kleintiere gefährdet sind. Auch der Mensch kann Opfer einer Krankheit werden, die durch unsere heimischen Mücken übertragen wird. Zwar können diese Mücken das sogenannte Tahyna-Virus übertragen, das beim Menschen eine kurze Krankheitsperiode mit grippeähnlichen Symptomen auslösen kann, allerdings verläuft diese Krankheit meist harmlos. Zwar besteht die Möglichkeit, dass die Krankheit in den seltensten Fällen auf das zentrale Nervensystem übergreifen und eine Enzephalitis verursachen kann, Todesfälle wurden allerdings bis heute nicht gemeldet. Da diese Krankheit in Europa, also auch hier in Deutschland heimisch ist, hat die Bevölkerung mit steigendem Alter in 60-80% aller Fälle bereits Antikörper gegen dieses Virus, ist also vor der Erkrankung geschützt.
Die Mücken stellen also in unseren Breitengraden für den Menschen keine nennenswerte Bedrohung dar, und auch unsere Haustiere können durch Impfungen und effektive Behandlungen vor Erkrankungen geschützt werden. Umso erstaunlicher, dass man in den Mückenhochburgen entlang der Elbe, des Rheins, der Donau, sowie am Bodensee mit allen Mitteln versucht, die Anzahl der Insekten möglichst effizient zu verringern. Es lässt sich nicht leugnen, dass die Anzahl der Mücken gerade in feuchten Sommern unangenehm hoch werden kann. 2015 hat man im Kühkopf in Hessen in einer einzigen Falle innerhalb einer Nacht 27.000 Stechmückenweibchen gefangen. Auf entsprechend behandeltem Gebiet betrug die Zahl der Weibchen nur noch ungefähr 1000 (die Männchen spielen übrigens keine Rolle. da nur die Weibchen stechen, weil sie die Nährstoffe aus dem Blut zum Brüten der Eier benötigen).
Das verwendete Mittel der Wahl scheint also durchaus effektiv zu sein. Aber was ist es und wie wirkt es?
Einsatz für BT-Toxine
Das Mittel der Wahl zur Eindämmung der Mückenplage ist altbewährt. Es sind Toxine, die vom 1901 entdeckten Bakterium „Bacillus Thuringiensis“, kurz „BT“ hergestellt werden. Man findet dieses natürlich vorkommende Bakterium auf der ganzen Welt, auf allen möglichen Pflanzen und Böden. Und wie viele andere Bakterien bildet es Sporen, um in lebensfeindlichen Umgebungen überleben zu können. Bei der Sporenbildung kommt es zu Vorläufern der späteren BT-Toxine, sogenannter Präproteine, die sich als Kristalle in den Sporen zusammenlagern. Sobald die Sporen ausgebildet sind, wandern sie mit den Toxinen aus der Mutterzelle nach außen. Dort warten sie darauf, von Insekten verspeist zu werden, wenn diese Beispielsweise an Pflanzen knabbern, auf denen sich BT-Kolonien befinden.
Das besondere an den BT-Toxinen ist hierbei, dass sie nicht automatisch giftig sind. Sie entfalten ihre Wirkung erst im Verdauungstrakt der Insekten, und auch nur dort. Denn um die Kristalle aufzulösen und die Präproteine für die aktivierende Reaktion freizugeben, ist der besondere, alkalische Mageninhalt von Insekten notwendig. Liegen die Präproteine frei, so können die – ebenfalls im Insektenmagen enthaltenen – Proteinasen damit beginnen, das Toxin zu aktivieren. Dieses heftet sich dann an die Darmwand der Insekten und löst diese auf, wodurch die Insekten sterben.
Dieser Vorgang ist dabei nur in Insekten möglich. Säugetiere oder andere Lebewesen besitzen nicht die nötigen Voraussetzungen für eine Vergiftung mit BT-Toxinen. Ihnen fehlt das alkalische Umfeld im Magen, wodurch das Präprotein nicht freigelegt werden kann. Kommerziell erhältliche Präparate enthalten meist die bereits aktivierten Toxine. Allerdings halten diese das saure Milieu in unserem Magen nicht aus, zudem fehlen uns die Rezeptoren, an die das aktiviere BT-Protein andocken könnte. Ganz davon abgesehen besitzen die Toxine eine Halbwertszeit von 4 Tagen, weshalb sie ohnehin kaum noch auf dem Gemüse zu finden sind, das auf unseren Tellern landet. Und spätestens nach der Zubereitung und dem Kontakt mit Wärme sind die Proteine ohnehin zerstört.
Die Unschädlichkeit der Toxine insbesondere für den Menschen war bereits Gegenstand mehrerer Studien, die allesamt zu dem Ergebnis kamen, dass auch die langfristige Aufnahme von BT-Toxinen keine Gesundheitsgefahr darstellt. Auch unser europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die EFSA, kommt seit 2012 in einer jährlichen Sicherheitsbewertung ebenfalls zu diesem Schluss.
Welche Toxine gibt es?
Bereits 1938 erkannte man, dass die Toxine insektizide Eigenschaften besitzen. Den Siegeszug der BT-Toxine, die sogar im Bio-Landbau eingesetzt werden, besiegelte aber die Wirtsspezifität. Es existiert eine große Anzahl unterschiedlicher BT-Stämme, und somit auch eine riesige Zahl von BT-Toxinen. Wikipedia hat hier eine (vermutlich) vollständige Liste aller bekannten Toxine, die sich Hauptsächlich in ihrer Struktur unterscheiden. Zum Glück lassen sich die Proteine und ihre Wirkung gruppieren. Eine Gruppe stellen die sogenannten Cry-Proteine, oder Cry-Toxine. Diese zeichnen sich durch ihre Wirksamkeit auf verschiedene Insektenarten aus. Die unterschiedlichen Cry-Toxine wirken hierbei u.a. gegen verschiedene Motten, Fliegen, Mücken, oder Wespen. Man könnte hier noch weiter unterteilen, so wirkt z.B. der BT-Stamm mit dem Pathotyp A besonders gut gegen Raupen bestimmter Schmetterlingsarten, Pathotyp B ist besonders effektiv gegen Mücken und C gut gegen Blattkäfer, aber das Wissen dient nur zum angeben.
Besonders genutzt wird das Toxin mit dem Namen Cry1Ab, das einen ziemlich fiesen Schädling effektiv bekämpft. Den Maiszünsler, einen Schmetterling dessen Raupen sich hauptsächlich von Mais ernähren. Alleine in Deutschland werden die jährlichen Schäden durch dieses Insekt auf rund 11 Millionen Euro geschätzt. Weltweit ist der Maiszünsler zu einer richtigen Plage geworden, die jährlich rund 4% der Maisernte vernichtet. Der Einsatz von BT-Mais sorgt – Schätzungen zufolge – allein in den USA dafür, dass die Maisbauern in den nächsten Jahren mehrere Milliarden Dollar sparen werden. Und das nur durch den Schutz der Pflanzen, die ansonsten dem Schädling zum Opfer gefallen wären. Dabei entfällt ein Teil des Profits ebenfalls auf Landwirte, die herkömmlichen Mais anbauen, da diese von der effektiven Schädlingskontrolle profitieren.
Die Schädlingskontrolle scheint ausgesprochen effektiv zu sein. Vielleicht sogar zu effektiv. Die Toxine wirken im Magen der Schädlinge, die anschließend das Fressen einstellen und nach einigen Tagen sterben. Die Überreste werden dann gerne von anderen Tieren verzehrt. Die Frage, ob sich die Toxine dadurch in der Nahrungskette anreichern und so negative Auswirkungen auf Tiere haben, auf sie sie gar nicht wirken sollten, ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, die alle zu relativ unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Insekten die sich von den bekämpfen Schädlingen ernähren, ein gewisses Level von BT-Toxinen im Körper haben, allerdings in einer Menge die sich nicht negativ auf die Insekten auswirkt. Zusätzlich dazu kann man sagen, dass Insekten wie Bienen und Schmetterlinge durch BT-Toxine nicht negativ beeinflusst werden.
Monsanto, Gentechnik und Genozid?
Und an dieser Stelle wird es Zeit, über Gentechnik zu reden. Denn Monsanto hat die Eigenschaften der BT-Toxine bereits vor über 20 Jahren in eine Maissorte eingebaut und diese unter dem Namen MON 810 vermarktet. Dieser Mais produziert nun das BT-Toxin speziell gegen den Maiszünsler und andere Schädlinge, wie den Maiswurzelbohrer.
Aber nicht nur in Mais wurden die nötigen Gene eingebaut, um BT-Toxine produzieren zu können. Auch in Baumwolle wurden diese Gene eingefügt, um die Pflanzen resistenter gegen Schädlinge wie die Baumwolleule zu machen, einen Schädling, dessen Raupen die Blätter der Baumwollpflanzen fressen. Für die Biodiversität zahlen sich diese GM-Pflanzen aus, da auf den Feldern, auf denen BT-Mais und BT-Baumwolle ausgebracht werden, im Schnitt trotzdem mehr Insekten vorhanden sind, als auf Feldern, die mit herkömmlichen Insektiziden behandelt wurden. Insbesondere in Indien ist diese Baumwollsorte sehr beliebt. Durch sie steigen die Erträge der dortigen Landwirte um bis zu 135%. Gleichzeitig reduziert sich der Pestizideinsatz (und die damit verbundenen Kosten) um bis zu 46%. Das dürfte auch erklären, warum indische Landwirte beinahe euphorisch über die BT-Baumwolle berichten.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Landwirte in Indien auf die BT-Baumwolle angewiesen sind (immerhin ist diese Pflanze die einzige gentechnisch veränderte, die in Indien zum Anbau zugelassen ist), viel positives über die Pflanze zu berichten haben, während man im satten Mitteleuropa eher Meldungen über die vielen indischen Landwirte liest, die sich angeblich durch den Kauf von BT-Saatgut von Monsanto verschuldet haben und anschließend in den Suizid getrieben wurden. Laut diesem Bericht des ARD Weltspiegels, sollen die Landwirte in Indien nur noch Saatgut von Monsanto erwerben können, das aber gleichzeitig ausschließlich die Taschen des (mittlerweile nicht mehr existenten) Konzerns füllt. Die Behauptung über suizidale Landwirte geht zu erheblichen Teilen auf die Aktivisten Vandana Shiva zurück. Die indische Anti-GMO-Aktivistin berichtet gerne über die angeblich gestiegene Suzidrate unter indischen Landwirten nach Einführung von Monsantos BT-Baumwolle. Sie geht sogar so weit, von einem Genozid an indischen Landwirten zu sprechen.
Welche Probleme Landwirte plagen
Diese Vorwürfe sind allerdings vollkommen aus der Luft gegriffen. Diverse Studien zeigen, dass die Suidizdrate unter Landwirten in Indien nicht höher ist als im Rest der Welt und seit der Einführung von BT-Baumwolle kontinuierlich sinkt. Dies ist zu einem nicht unerheblichen Teil auf die Ertragssteigerung der Baumwollpflanzen zurückzuführen. Dadurch steigen wiederum die Einnahmen, die die Kosten für das jährlich neu zu kaufende Saatgut kompensieren. Mittlerweile stammen über 90% der Baumwolle in Indien aus gentechnisch verändertem Saatgut. Es ist so wichtig für die Landwirte, dass die Punjab Agricultural University damit begonnen hat, ihr eigenes BT-Saatgut zu entwickeln und dieses in der Saison 2018 für die ersten Feldtests kostenlos an indische Landwirte verteilt hat. Wenn diese Tests erfolgreich verlaufen, steht also schon bald für Landwirte kostenloses Saatgut zur Verfügung. Dieses wird die Abhängigkeit von externen Unternehmen komplett reduzieren.
Trotz allem hat Indien ein massives Problem mit Suiziden innerhalb der Gemeinschaft von Landwirten. 10 von 100.000 Landwirten suchen durchschnittlich ihren Ausweg mittels Suizid. Das entspricht dem Zehnfachen der durchschnittlichen Bevölkerung. Natürlich ist die endgültige Suizidrate sehr stark von der Region abhängig, in der die Landwirte leben. Diverse Studien haben es sich aber zur Aufgabe gemacht, die Einflussreichsten Faktoren zu finden und Vorschläge zu machen, wie diese zu lösen sind.
Die höchste Suizidrate findet sich unter Landwirten im Bundesstaat Maharashtra, der auch Gegenstand der Untersuchungen ist. Um Genau zu sein geht es Hauptsächlich um die Vidarbha-Region, im östlichen Maharasthra, in dem 3.4 Millionen Landwirte arbeiten, die zu 95% verschuldet sind. Es ist sehr schwer, hier das hauptsächliche Problem auszumachen, da sich viele Probleme gegenseitig verstärken. Die Produktionskosten für Baumwolle liegen hier weit über dem Durchschnitt, während die Einnahmen stetig sinken. Zu einem nicht unerheblichen Teil liegt dies an der quasi nicht vorhandenen Infrastruktur. Es mangelt an ganzjährig befahrbaren Straßen, einer anständigen Bewässerung der Felder, Strom ist teuer und flächendeckende Bildung, ein anständiges Gesundheitswesen und sogar der Zugang zu Trinkwasser sind kaum gegeben.
Um ihrem Beruf trotzdem nachgehen zu können, müssen sich Landwirte vermehrt Geld leihen, das sie aber nur zu rund 3% aus Banken beziehen. Der Großteil des Vermögens stammt aus privaten Krediten. Natürlich mit entsprechenden Zinsen. Ein Teil des Geldes wird für den Acker verwendet, vor allem für den Kauf von Saatgut und Pestiziden. Da es vielen Kleinbauern an Landwirtschaftlichem Knowhow fehlt, werden die Pestizide auch gerne großflächig eingesetzt. Durch den Anbaut von BT-Baumwolle kann besonders der Pestizideinsatz verringert werden. Mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Landwirte, welche die Pestizide meistens ohne entsprechende Schutzkleidung verteilen. Durch ein besseres Schädlingsmanagement können aber auch Missernten reduziert werden, was die Perspektive der Landwirte verbessert. Die Perspektivlosigkeit die in den ländlichen Regionen vorherrscht, mündet ebenfalls in einem erhöhten Suizidrisiko. In entlegenen Regionen Indiens stellt die Landwirtschaft die einzige Möglichkeit dar, für sein Auskommen zu sorgen. Zusammengenommen führen diese Grüne natürlich auch häufiger zu familiären Problemen und immensem Druck. Verstärkt werden diese Faktoren dadurch, dass Landwirte quasi keine Möglichkeit haben, sich Therapeuten anzuvertrauen. Kombiniert man all das mit dem mangelnden Interesse der Regierung, am Zustand der Landwirte etwas zu ändern und fügt eine Vielzahl giftiger Chemikalien hinzu, auf die Landwirte leichten Zugriff haben, entsteht ein Morast von Faktoren, die allesamt die hohe Suizidrate bedingen.
Man sieht schnell, dass Vereinfachungen wie „Monsanto und Gentechnik treiben Landwirte in den Suizid“ nicht haltbar sind. Diese populistischen Einwände werden der komplexen Realität nicht gerecht.
BT-Aubergine, nein Danke?
Während der Siegeszug der gentechnisch veränderten Baumwolle in Indien nicht mehr aufzuhalten ist, wurde eine weitere BT-Pflanze schon früh in der Entwicklung gestoppt. Bereits 2005 signalisierte die indische Regierung ihre Bereitschaft, BT-Auberginen zum Anbau zuzulassen, nachdem eine umfassende Risikobewertung abgeschlossen war. Im Jahr 2010 ließ die Regierung verlauten, sie benötige mehr Zeit für die Bewertung der Auberginen. Dies kam allerdings einem Moratorium gleich, das bis heute andauert. Diese Entscheidung ist wohl zu einem nicht unerheblichen Teil auf den Einfluss von Greenpeace zurückzuführen, die Gilles-Éric Séralini beauftragt haben, die Sicherheit von BT-Auberginen auszuwerten. Séralini sollte sich 3 Jahre später einen Namen als Gentechnik-Gegner machen, und der breiten Öffentlichkeit als der Mann bekannt werden, der angeblich nachgewiesen haben wollte, dass Genmais und Glyphosat bei Ratten gigantische Tumore verursachen. Eine Behauptung, die anschließend mehrfach wiederlegt wurde, die Studie wurde zurückgezogen und Séralini wissenschaftlich diskreditiert. Er ist quasi der Andrew Wakefield der Gentechnologie. Bekanntlich übt sich früh, was ein Experte werden will, und so basierten seine damaligen Aussagen zur BT-Aubergine nicht mal auf eigenen Studien, sondern auf Hypothesen, die er sich zu dieser Pflanze zurechtgelegt hat. Seine „Risikobewertung“ war eine der wenigen, die von den indischen Behörden in die Entscheidungsfindung einbezogen wurden. Sie war gleichzeitig die einzig negative.
Währenddessen verlangen über tausend Landwirte im indischen Bundesstaat Maharashtra, die Legalisierung der BT-Aubergine, die gegen einen Schädling resistent ist, der über die Hälfte der Ernte auf dem Feld zerstören kann. Diesem Verlangen haben sie mit einer großen Protestaktion Ausdruck verliehen, bei der sie herbizidresistente BT-Baumwolle anpflanzen. Geplant war auch das Anpflanzen von BT-Auberginen, die allerdings in Ermangelung von Samen nicht stattfinden konnte. Im Vorfeld der Protestaktion haben Gentechnikgegner die Aktion als „Act of war“ bezeichnet und bereits die indische Regulierungsbehörde aufgefordert, die Proteste notfalls durch den Einsatz der Polizei und – wo immer nötig – auch Verhaftungen zu unterbinden. Unterstützung finden die Gentechnikgegner sowohl unter extrem Linken, als auch extrem Rechten Politikern, aber auch von Insektizidherstellern, die eine zunehmende Unabhängigkeit der Landwirte von ihren Produkten fürchten.
Natürlich äußert sich ebenfalls Vandana Shiva zu den Protesten und erklärt, dass die Demonstranten allesamt von Monsanto gekauft seien.
Aber nicht nur in Indien wächst der Wunsch nach einem Einsatz der BT-Aubergine. Auch in Bangladesch verlangen immer mehr Landwirte nach diesem Gemüse. Für mehr Details zu dem Thema verweise ich an der Stelle aber auf diese sehenswerte Dokumentation, die sich direkt zu den Landwirten begibt und ihre Erfahrungen sammelt.
Wie war das mit den Mücken?
Nach dieser Rundreise um die halbe Welt wird es Zeit, den Weg zurück nach Deutschland zu finden. Denn schließlich verwendet man auch hier BT-Toxine, um den Stechmücken den Kampf anzusagen. Es gibt ungefähr ein Dutzend Präparate, die für Landwirte zugelassen sind. Auch im Bio-Landbau darf das Pestizid Verwendung finden, da es so auch in der Natur vorkommt. Das genaue Mischverhältnis ist vom entsprechenden Toxin abhängig, eines haben aber alle Präparate gemeinsam. Sie kommen mit einem Warnhinweis, dass sie von Gewässern fernzuhalten sind und Landwirte sicherstellen müssen, dass sie auch nicht über die Kanalisation im Hof in die Umwelt gelangen können. Der Hintergrund ist natürlich, dass man verhindern möchte, dass Organismen Opfer der Toxine werden, die nicht Ziel der Behandlung waren; man will die Auswirkungen auf das Ökosystem möglichst gering halten.
Die Kontrolle der Stechmücken wird allerdings nicht Landwirten überlassen, sondern der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage, deren Name seit 1976 auch Programm ist. Bei einer Reduzierung der Mückenzahl um 96% sind sie damit auch relativ effizient. Zumindest waren sie das, denn dieses Jahr scheint einigen Regionen in Deutschland dank starker Regenfälle eine regelrechte Mückenplage zu drohen, die nicht eingedämmt werden kann. Denn das KABS, das normalerweile mit einer Sondergenehmigung und Helikoptern bewaffnet ist, hat zwei Defekte Helikopter zu verzeichnen. Das KABS bekämpft die Mücken entlang einiger Gewässer, die nicht alle durchgehend zu Fuß zugänglich sind. Das erfordert, die Toxine als Eisgranulat aus dem Helikopter auf Ufer und Gewässer zu kippen, wo Mückenlarven sie fressen. Allerdings verteilen sie sich dadurch auch mehr oder weniger wahllos in der Umwelt. Das KABS gibt an, ordentlich und mit der nötigen Sorgfalt zu arbeiten, um Auswirkungen auf die Ökosysteme gering zu halten. Aber spätestens beim Abwurf aus einem Helikopter kommt es zwangsläufig zu einer ungewollten Verbreitung der Toxine. Diese können dann von anderen Insekten aufgenommen werden, die ebenfalls daran sterben. Die breite Ausbringung fördert zudem das Auftreten von Resistenzen gegen die Toxine, da große Populationen betroffen sind. Es existieren Studien die sich auch mit den Auswirkungen der Toxine auf Säugetiere und Fische beschäftigen. Da allerdings eine nicht unerhebliche Menge der Toxine jährlich sowohl auf Ackerflächen, als auch Gewässern ausgebracht wird, sind Langzeitstudien und anderweitige Überwachungen der Umwelt dringend angeraten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf indirekte Auswirkungen der Toxine, indem sie Insekten vernichten, die z.B. Vögeln als Nahrung dienen.
Insektensterben und Insekten töten
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Gesetzgebung es in Deutschland verbietet, Pflanzen anzubauen, die selbst BT-Toxine herstellen können. Diese wirken Toxisch auf direkte Fressfeinde, die an der Pflanze knabbern. Das reduziert den Selektionsdruck, verlangsamt also auch das Auftreten von Resistenzen. Auch wird dadurch die Populationsgröße nicht so drastisch reduziert, was die Auswirkungen auf die Nahrungskette ebenfalls gering hält.
Wir müssen uns allerdings die Frage stellen, ob wir diese Art der Insektenbekämpfung wollen. Ob wir Bürgerbegehren an die Landwirtschaft stellen wollen, der wir die Schuld für das Insektensterben geben, während wir im Sommer ungestört das Feierabendbier genießen möchten und zu diesem Zweck hunderttausende Mückenlarven töten lassen?
Selbstverständlich ist es eine absolut legitime Forderung, Schadinsekten zu kontrollieren. Aber Insekten zu töten und gleichzeitig einen umfassenderen Insektenschutz zu fordern, funktioniert nur, wenn man sich von Populistischen Positionen wie „Bienenkiller runter vom Acker!“ verabschiedet. Stattdessen wird es höchste Zeit, dass wir uns den zahlreichen Gründen des Insektensterbens widmen und damit beginnen, nützliche Technologien zur Optimierung der Landwirtschaft zuzulassen. Möchten wir aber weiterhin einen rigorosen Insektenschutz durchsetzen, dann müssen wir uns daran gewöhnen, dass wir uns in Zukunft öfter mal hausgemachte Vinaigrette auf die zerstochenen Arme schmieren.
Danke für diesen informativen Artikel!
Gibt es eigentlich eine Erklärung dafür, warum BT-Pflanzen einen geringeren Selektionsdruck ausüben als die Ausbringung des Giftes in der Umwelt?
So ganz laienhaft habe ich erst gedacht, wenn immer wieder Insekten an den BT-Pflanzen knabbern und vielleicht nicht alle direkt sterben, bestünde eher die Gefahr, dass sich Insekten anpassen.
Ist aber wie gesagt nur ganz laienhaft gedacht.
Übrigens auch danke, dass Du mal die Situation in Indien geschildert hast!
Das war sehr erhellend!
In das Haus, in dem wir jetzt wohnen, kam ich das erste Mal 1980. Da hingen, wie ich es auch von früher von Oma und Tanten auf dem Land gewohnt war, gelbes Klebepapier, auf dem unzählige Mücken und andere kleine Plagegeister klebten. Diese "Papiere" wurden öfters ausgetauscht. Heute gibt es Tage, da sehe ich keine einzige Mücke im Haus. Wie kommt das wohl? Wespen eh schon lange nicht mehr, obwohl wir bis auf zwei kleinere Rasenstücke der Natur in unserem Garten ihren Lauf lassen. Außerdem haben wir zwei offene Regentonnen im Garten. In denen brummte früher das Leben. Früher halt, aber heute…
Das ist natürlich alles hoch unwissenschaftlich, was ich da so beobachte. Es gibt mir aber doch zu denken. Von daher kann ich die ungezügelte Ruhrbaronpropaganda für die moderne Landwirtschaft nicht wirklich immer nachvollziehen. Immerhin, Bienen und Hummeln können wir bis in den frühen Herbst hinein in unserem Garten täglich beobachten, weil deren Tisch bei uns gedeckt ist.
@thomad weigle
Um die Frage nach dem Insektensterben zu beantworten, verweise ich immer gerne auf diesen Artikel, der einige der bekanntesten Gründe zu dem Thema nochmal aufzählt:
https://www.schlaglichter.at/nun-spruehen-sie-wieder/
@Flusskiesel
Da hilft ein kleines Zahlenspiel und eine rigorose Vereinfachung. Angenommen 1000 Mücken werden von oben mit BT-Toxinen eingenebelt, dann überleben vielleicht 3-4, die vermutlich resistent gegen die Toxine sind. Die geben diese Resistenz dann an den Nachwuchs weiter.
Bei Schädlingen wie dem Maiswurzelbohrer wäre das anders. Die fressen zwar am liebsten Mais, finden sich aber auch auf anderen Pflanzen. Es werden also von 1000 Tieren nicht alle zwangsweise mit BT-Toxinen gefüttert, sondern es gelangt nur in die Tiere, die auch wirklich die Maispflanze anknabbern. Wenn da Tiere aufgrund von Resistenzen überleben, finden die aber noch genug andere Tiere zur Paarung und genug Konkurrenz um die Nahrungsquellen, sodass die sich nicht ungehemmt vermehren können.
Natürlich können auch Resistenzen gegen BT-Pflanzen irgendwann zu einem Problem werden. Aber kombiniert man die Pflanzen mit einem gewissen, landwirtschaftlichen Knowhow, also Fruchtfolgen oder dem situativen Einsatz von anderen Pestiziden dann (und das zeigen die Daten) kann man das Auftreten von Resistenzen wirkungsvoll verhindern.
Sebastian Schmalz Interessanter Lesetip, danke.
@Sebastian Schmalz
Danke für die Erklärung! So ergibt das für mich Sinn!
[…] ist man einen Schritt weiter und will den Reis auch für den Anbau in der Landwirtschaft zulassen. Bangladesch erlaubt zudem schon seit Jahren den Anbau von BT-Auberginen. Diese Auberginen enthalten Gene eines Bakteriums, das ganz natürlich in allen möglichen Böden […]
[…] ist man einen Schritt weiter und will den Reis auch für den Anbau in der Landwirtschaft zulassen. Bangladesch erlaubt zudem schon seit Jahren den Anbau von BT-Auberginen. Diese Auberginen enthalten Gene eines Bakteriums, das ganz natürlich in allen möglichen Böden […]