Annalena Baerbock (Grüne) sagte bei ihrem Wahlkampfauftritt in Bochum, dass das Ruhrgebiet ein Beleg dafür sei, dass ein erfolgreicher Strukturwandel gelingen könne. Auch beim Wahlkampfauftakt der SPD wurden die Fortschritte im Revier beschworen und Armin Laschet (CDU) sieht die Region gar als Vorbild für Deutschland. Würde ich in Bayern, Hessen oder Baden-Württemberg wohnen, bekäme ich es jetzt mit der Angst zu tun.
Das Ruhrgebiet ist sicher keine Wüste. Man kann hier preiswert wohnen, es gibt Kneipen, Clubs und Kultur. Und ja, es ist grün hier. Aber das ist es, weil die Industrie weg ist. Wir haben nun Gestrüpp und Birken statt Arbeitsplätze. Und da sind wir an dem Punkt, an dem die Prophezeiungen für den Rest Deutschlands war werden könnten: Die Chancen stehen gut, dass ganz Deutschland nach der „großen Transformation“, dem Umbau der Wirtschaft mit dem Ziel der CO2-Neutralität, dem Ruhrgebiet ähneln wird: Deindustrialisiert und an einen starken Staat gewöhnt, der seine großspurigen Ziele nur selten erreicht. Und viele Menschen haben sich daran gewöhnt und aufgegeben. Die Arbeitslosigkeit ist hier fast doppelt so hoch wie um Bundesdurchschnitt. Wer durch die Innenstädte von München, Stuttgart, Frankfurt und Düsseldorf geht und die Menschen die er dort sieht mit jenem vergleicht, die er im Ruhrgebiet trifft, erkennt die Armut des Reviers. Die Autos sind hier älter, die Häuser häufig nicht renoviert, die Parks heruntergekommen und die Schulen oft in einem traurigen Zustand. Wie ein Region mit schwachem oder ausbleibendem Wirtschaftswachstum aussieht, kann man hier anschauen.
Vorbild Ruhrgebiet? Könnte hinkommen, aber schön wird das nicht.
Als Ruhrpottler kann ich die meisten Ihrer Befunde über das Ruhrgebiet bestätigen. An den vielen Tausend Berufspendlern in Richtung Düsseldorf und Köln sieht man gut, wo die Masse der gut bezahlten und qualifizierten Jobs ist – im Ruhrgebiet ist sie es leider viel zu selten.
Und dennoch möchte ich auch daran erinnern, wie das Ruhrgebiet in den 1980ern und 1990er Jahren aussah – im Vergleich zu heute. Einfach mal alte Bilder googeln. Sie werden feststellen, in den letzten 20 Jahren hat sich unglaublich viel zum Guten verändert im Revier. Ich kenne auch nur noch sehr wenige ungenutzte oder nicht verplante Brachflächen. Doch so ein Strukturwandel braucht seine Zeit, und mit ein paar Jahren ist es niemals getan.
Ja, schön wird das nicht, aber besser, als veraltete Industrien künstlich mit Steuergeldern am Leben zu erhalten ist es allemal.
#1
"…Doch so ein Strukturwandel braucht seine Zeit, und mit ein paar Jahren ist es niemals getan…"
öm …
Wann schlossen die Zechen usw. usw.?
ZECHE NEUMUEHL HAT 1966 oder1967 ZUGEMACHT. Das ist etwas her, aber es gibt noch Zeitzeugen.
Alles wahr. Leider. Das passiert, wenn man sich einfach weigert, Realität anzuerkennen. Sie beißt dich, wie der Amerikaner sagt. Reality bites. Aber dann ist es meist längst zu spät. Und wir schauen schon seit Jahren haarscharf an der Realität vorbei. Besser nicht drüber reden. Sondern neue PR-Floskeln finden. Wird schon alles gut, wenn alle es sich doch so doll wünschen.
"Die Autos sind hier älter"
Sind sie nicht. Der Ruhrpott ist eine Hochburg der Tuning- und Poserszene. Eher scheinen mir manche über ihre Verhältnisse zu konsumieren, sich für nichts wenigstens belohnen zu wollen. Das große Auto, früher Statussymbol wenn man etwas geschafft hatte, gehört hier zum Anspruchsdenken. Unterstützt wird dieses durch provinzielle Verkehrsplaner, die ihnen im Gegensatz zu den angesagten Metropolen das Gefühl vermitteln, sie müssten ihr Revier wirklich nicht mit Menschen teilen, die mit der Bahn oder dem Fahrrad zur Arbeit fahren.
Ich habe genau das Gleiche gedacht – gelungener Strukturwandel, wie bitte?!
Aber solange es nicht genug Menschen im Pott mit Bürgersinn solchen Aussagen widersprechen, mehr noch, in die Schönfärberei mit einstimmen, werden Politiker sie weiter von sich geben.
Schönes aktuelles Beispiel (heute im Kulturteil der WAZ): Die lit. ruhr habe, so Essens OB Kufen, ein eigenes Profil, sei "kein Ableger von, keine Variante von" irgendetwas. Als Beleg wird genannt, dass Autoren wie Sven Regener "das Ruhrgebiet selbstverständlich auf die Tourkarte setzen".
Na ja.
Kann mich meinen Vorrednern insbesondere Jens Walter nur anschließen: Allerdings ließen sich einige Kleinigkeiten leicht verbessern: Mal ne Sitzgelegenheit mehr zwecks Aufenthalt einrichten,Unverschämtheiten einfach mal lassen, z B die Toilettenhäuser, die man abgerissen hat oder als Kunstorte ( an denen aber gar nix passiert) umgewidmet hat u die Menschen zwingt, sich nun massenhaft in die Büsche zu schlagen, oder die Verlogenheit abstellen : Man lässt die Parkbänke über Jahre vergammeln ( „ kein Geld für Streichen u Reparieren) , schnorrt sich dann aber neue Bänke für Bochum PR wirksam zusammen , propagiert die schlunzige Mentaalität Mit „1000 neue Bänke für BO „ im WAZ SPD – Partei- Blatt und veräppelt/ verdummt den Bürger. Das Menschenbild unserer Nomenklatura müsste sich deutlich ändern, aber unser naiv – eindimensional ( vgl H. Marcuse) strukturierter OB ( Man lese sich mal in seine Vita ein ) grinst weiterhin frohgelaunt und optimistisch ob der seiner Ansicht nach kongenialen Aktionen in die Kameras und führt die Stadt wie einen Kindergarten, den der mit billiger PR Propaganda u hohlen wie sinnfreien Sprüchen ( von hier aus … Bock auf BO… überall Dinos etc ) überzieht , derweil sich die Immobilienkonzerne , die die Stadtverwaltung steuern, die Flächen bis auf den letzten Meter zupflastern: „ Leider total verbaut..“ .. es is noch schlimmer gekommen, Herbet, Und das Bluesquare Programm läuft auch nicht mehr …
Weil die, die n bisschen was inner Birne haben, nach Do, Essen oder Düsseldorf abwandern ( sollen)?
Re: "DIe Autos sind hier älter"
Doch sind sie. Einfach mal durch die Straßen gehen und Teslas zählen und das selbe Spiel in Düsseldorf, Münster und München wiederholen.
Ein getunter 3er BMW ist ja kein neues Auto.
Zustimmung zum Verhältnis von Auto, Bahn und Rad.