VRR hat Verspätung bei der Korruptionsbekämpfung

Stadtbahn Foto: Bogestra


Verkehrsverbund Rhein Ruhr müht sich, Millionen Menschen täglich mit Bussen und Bahnen nach Fahrplan zu befördern. Mit den Regeln zur Führung des Unternehmens tut man sich indes schwer.

Der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) ist ein Koloss: Über 46 Millionen Zugkilometer wurden auf 51 Linien in seinem Auftrag 2016 zurückgelegt. Zusammen mit den Bussen und Bahnen seiner Mitglieder wie die der Rheinbahn und der Bogestra waren es über 234 Millionen Kilometer. Über 1,1 Milliarden Euro Einnahmen konnte der VRR 2016 verbuchen, seine Ausgaben lagen bei über 1,6 Milliarden Euro, über eine halbe Milliarde mussten die Städte dazu schießen, damit die Räder nicht stillstehen. Beeindruckende Zahlen, viel Geld, das erst nach Ausschreibungen ausgegeben werden kann. Zum Beispiel für S- oder Regionalbahnen. Politiker in einer Verbandsversammlung, einem Verwaltungsrat und verschiedenen Ausschüssen lenken und kontrollieren den VRR politisch und bilden einen Machtfaktor im Ruhrgebiet und im Rheinland, der oft übersehen wird.

Was es nicht gibt, ist ein modernes System, das die Einhaltung aller Regeln und Richtlinien kontrolliert, das die ethischen Standards im Blick hat, die beim VRR gelten können, das Korruption bekämpft und an das sich Mitarbeiter vertraulich wenden können, wenn ihnen Regelverstöße auffallen. Compliance nennt sich das und gehört mittlerweile zum Alltag vieler Unternehmen. „Die großen Dax 30 Unternehmen wie Bayer oder Thyssenkrupp sind, was Compliance betrifft, mittlerweile gut aufgestellt“, sagt Holger Berens, Leiter des Studiengangs Compliance und Corporate Security an der Rheinischen Fachhochschule Köln.
Die Mittelständler hätten oft noch Nachholbedarf, ihnen sei aber längst klar, dass Compliance für sie ein wichtiges Thema ist. Und dann sei da noch der Öffentliche Dienst: „Mit dem haben wir in Deutschland ein grundsätzliches Problem.“

Zum Beispiel beim VRR, der, im Gegensatz zu anderen öffentlichen Unternehmen wie dem Flughafen Köln/Bonn oder der NRW Bank, kein Compliance System aufgebaut hat. Man habe, teilt der VRR auf Anfrage mit, „ein umfassendes Regelwerk, das in Satzungen und Geschäftsordnungen hinterlegt ist.“  Als „juristische Person des öffentlichen Rechts“ sei man aber nicht zur Einrichtung einer Compliance-Organisation verpflichtet.

Der VRR setzt auf die Kontrolle durch die Politik. Vor allem, wenn es um die Auftragsvergabe geht: „In der Satzung der VRR AöR ist für die Entscheidung in Vergabeverfahren ein besonderes Organ, der Vergabeausschuss, zuständig. Der Vergabeausschuss ist politisch besetzt und besteht ausschließlich aus Mitgliedern, die von den Verbandsversammlungen (…) entsandt werden.“ Doch so ganz scheint das System in der Wirklichkeit nicht zu funktionieren. So zahlte das Unternehmen seinem Vorstandssprecher Martin Husmann 2015 die Feier seines 60. Geburtstages. Nach Angaben des VRR auf Wunsch der Politiker, die beim VRR darauf achten sollen, das mit dem Geld vernünftig gehaushaltet  wird. Der Vergabeausschuss erhält nach Informationen dieses Blogs nur verkürzte Meldungen über Vergabevorgänge, in denen steht, welches Unternehmen einen Auftrag erhalten hat, was das Unternehmen auf Anfrage bestreitet.  Details zur Auftragsvergabe erhalten die Mitglieder des Vergabeausschusses nach Angaben eines VRR-Mitarbeiters erst einmal nicht. Auch warum wer angestellt oder befördert wird, ist den Politikern nur bei leitenden Angestellten bekannt. Die Kontrolle durch die  politischen Gremien, sie ist löchrig wie ein Sieb.

Auch Compliance-Experte Berens hält das für nicht ausreichend: „In diesen Gremien sitzen doch keine Experten, sondern diejenigen, die das richtige Parteibuch haben.“ Eine gute Compliance-Organisation würde die Kultur eines Unternehmens verändern und für mehr Sensibilisierung bei Themen wie Korruption, Vetternwirtschaft und Vorteilsnahme sorgen. „Der VRR“, sagt Berens, „verkennt die Brisanz und Wichtigkeit von Compliance.“

Auch Michael Terwiesche von der Kanzlei GTW Rechtsanwälte in Düsseldorf rät dem VRR zu mehr Engagement. Terwiesches Texte zum Thema Compliance bei öffentlichen Unternehmen und Verwaltungen haben in den Ministerien des Landes seit Jahren fast den Rang von Gesetzen. Auch wenn man rechtlich nicht gezwungen ist, sollte man sich an sie halten: „Die Erfahrung zeigt, das politische Gremien gar nicht so tief in die Prüfung einsteigen, wie es nötig ist.“ Man müsse spezialisierten Compliance-Abteilungen die Mittel geben, um das notwendige durchzusetzen: „Dazu gehört die Rotation von Verantwortlichen, dass es üblich ist, keine Geschenke anzunehmen, das Vier-Augen-Prinzip. Ich kann dem VRR nur raten, solche Maßnahmen einzuführen.“

Der VRR, aufgeschreckt durch die Anfrage, hat zumindest begonnen, sich dem Thema Compliance zu öffnen. Im nicht öffentlichen Teil der Verwaltungsratssitzung am 26. Januar wurde der Vorstand gebeten, sich mit Compliance zu beschäftigen. Immerhin.

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