Unser Gastautor Thomas Weigle erinnert in seinem heutigen Gastbeitrag unter dem Titel „Walther Bensemann und die europäische Fußballjugend“ einmal mehr an die Sport- und Fußballvergangenheit:
Wie ja auch hier bei den Ruhrbaronen schon öfters festgestellt, gehörte die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zumindest bis 1970 zu den besonders trüben Kapiteln, auch und besonders im Fußball, wo es sich besonders zog. Umso erstaunlicher ist der folgende Artikel, der im Sportmagazin 20/48 am 18.5.1948 erschien und den ich hiermit einer interessierten Leserschaft in Auszügen nahe bringen möchte und in dem es um ein jährliches Turnier zu Pfingsten geht.
Unter der Überschrift „Dem Gedenken Bensemann“ erinnert man an den Fußball-Kosmopoliten, der das „Ballraufen der wilden Knaben“ nach Deutschland brachte: „Das große internationale Jugendfußballturnier um den Walther-Bensemann Pokal in Wien erweckt die Erinnerung an den großen deutschen Fußball-Pionier und aufopfernden Freund der Jugend. Das Sportmagazin gibt nachstehend aus der Feder Otto Jenners aus Straßburg, bekannt als „Schang“ ein Charakterbild des berühmten Fußball-Weisen: den Alten als Erinnerung, den Jungen als leuchtendes Vorbild.
Seit 1938 gehört das internationale Jugend-Turnier PRO MEMORIA WALTER BENSEMANN zu den wertvollsten Fußball-Organisationen der kontinentalen Saison.
Wenn unsere Jugendfußballer alljährlich zu diesem Turnier antreten, so wissen in Deutschland die wenigsten, wer eigentlich der Mann war, dessen Namen -WALTER BENSEMANN- das Turnier trägt.
Wenn unsere Jugend heute den schönen Fußball als etwas Selbstverständliches hinnimmt und nicht nach seinem Ursprung fragt, so entspricht dies unserer schnelllebigen Zeit, man darf es der Jugend nicht verargen. Die deutsche Jugend aber durfte sogar nicht einmal das Leben dieses Mannes kennen, so wenig wie die jungen Deutschen, die Musik lieben nicht von einem Mendelssohn“, oder von einem Heine wissen durften, vermerkt der Autor aus Straßburg. Von diesem Turnier, das später um den Namen IVO STRICKER erweitert wurde, habe ich erstmals bei meinen Recherchen für meine Fußballserie hier bei den Ruhrbaronen erfahren, obwohl es Jahrzehnte an Pfingsten abgehalten wurde.
„Schang“ schildert Bensemanns Lebensweg, der in England den Fußball entdeckte und auf den Kontinent brachte und den KICKER gründete. „man hat das schnell vergessen und es ist nun eine selbstverständliche Freundespflicht geworden, uns seiner immer dann mit großer Dankbarkeit zu erinnern, wenn der Termin gekommen ist, das Memorial auszutragen.“ Der Autor bedankt sich bei den Gründern des Turniers, dem damaligen FIFA-Generalsekretär Ivo Stricker, der nicht nur durch die Jahrzehnte äonenweit von einem Blatter entfernt ist, und Herrn Albert Mayer aus Montreux:
„Sie haben sich damit einen unschätzbaren Verdienst um den schönen Fußballsport erworben und wir wollen dieser Männer gedenken im Augenblick, da unsere prächtige Jugend erneut auf den Rasen tritt, um die Spiele dieses Turniers zu bestreiten.“ Natürlich stocken bei den Worten „prächtige Jugend“ ein wenig die Finger, erinnern sie doch zumindest heute übel an die Zeiten, als die Jugend „flink wie Windhunde…“ nach dem Willen eines anderen „Erziehers der Jugend“ sein sollte. Die nächste Worte verscheuchen die trüben Vergleiche: „Unsere Jugendspieler müssen diese Spiele im Sinne der internationalen Sportfreundschaft im FAIR-PLAY austragen, so wie das immer ihr großes Vorbild Walther Bensemann gewollt hat. Nicht allein das Spielergebnis zählt, sondern in noch weit höherem Maße die Art und Weise, wie dieses Spielergebnis errungen wurde.
Walther Bensemann war ein wahrhafter Europäer, der als großer Idealist den Sport und besonders den Fußballsport als ein ideales Bindeglied zwischen der Jugend aller Länder sah und alles daran setzte, um dieses Ideal in die Herzen der Jugend und ihrer Lenker zu setzen.
Er hat immer weit und mit klaren Blicken über die engen Landesgrenzen hinausgeschaut,“ und resümiert, dass die Ideale Walther Bensemanns den Krieg verneinten und „Schang“ mahnt: „Es ist wie eine heilige Pflicht, das Andenken dieses prächtigen Menschen, der in allen Ländern der Welt nur Freunde hatte, solange zu pflegen wie der Ball noch über die Felder rollt.
In diesem Sinne wollen wir die kostbare Tradition des WALTER BENSEMANN-MEMORIAL weiter tragen und uns der Ideale des „Vaters des kontinentalen Fußballs würdig erweisen,“ schließt der Strassburger Otto Jenner, dessen Wunsch für viele Jahre hierzulande wenig Beachtung fand, denn in Deutschland und speziell im DFB hatte Bensemann eher wenig Freunde, so dass er, „der wegen seiner Rasse Vertriebene“, der von „treuen Freunden in der Schweiz“ aufgenommen wurde, in Deutschland für einige Jahrzehnte weitgehend in Vergessenheit geriet, bis u.a. vor allem das CDU-Mitglied Theo Zwanziger als DFB-Präsident entscheidend dazu beitrug, die wegen ihrer Rasse zunächst außer Landes gescheuchten und später ermordeten jüdischen Fußballer dem Vergessen zu entreißen.
Walther Bensemann und die europäische Fußballjugend
Bensemann erfüllte sicherlich ein Bedürfnis: Der Drang junger Männer, Wettkämpfe und Dominanzstreitigkeiten auszutragen, wurde durch die Turnbewegung nicht hinreichend befriedigt. Aber Bensemann käme besser weg, wenn man ihn nicht so angestrengt als eine Art Albert Schweitzer darstellen würde.
In Großbritannien galten die Wettkampfsportarten ganz eindeutig als Vorbereitung auf den Dienst in der Kolonialarmee, wo es dann um andere, größere Wettkämpfe ging. Es wäre interessant, daraufhin auch mal den deutschen Fußball vor 1914 zu prüfen.
@ Rainer MöllerDie englische Fußlümmelei wurde auch in Deutschland durchaus als körperliche Ertüchtigung für das Militär eingesetzt, vor allem nachdem der damalige Kronprinz einen Pokalwettbewerb mit seinem Titel edelte. Nur was änderte das am Wirken Bensemanns und seiner Absichten, die im DFB keineswegs überall auf Begeisterung stießen? Der DFB war durchaus staatstragend und nationalkonservativ bis weit ins letzte Drittel des 20.Jahrhunderts.
Es ist auch bekannt, dass englische und deutsche Soldaten in vorderster Linie an einer Kriegsweihnacht Fußball spielten, was ja durchaus den Absichten Bensemanns entsprach.
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