Waltrop: Freifunk aus ‚Angst vor Flüchtlingen‘ abgeschaltet? Viel Aufregung um wenig!

Freifunker Michael Kamps. Foto: privat
Freifunker Michael Kamps. Foto: privat

‚Freifunk‘ ist bekanntlich ja eine tolle Sache. Ein kostenloses, unabhängiges Internet in Ballungsräumen nutzen zu können, das erleichtert das Leben vieler Menschen ungemein. In etlichen Städten ist das Projekt daher auch schon länger auf dem Vormarsch.
Nachdem rechtliche Bedenken im Laufe der Zeit mehr und mehr ausgeräumt werden konnten hat sich das Ausbreitungstempo noch einmal deutlichgesteigert. Immer mehr Freifunk-Unterstützer schlossen sich in letzter Zeit in vielen Regionen Deutschlands zusammen. Auch hier bei uns im Ruhrgebiet.

Da kommen Negativmeldungen, wie sie aktuell im Kreis Recklinghausen die Runde machen, natürlich sehr ungelegen. So schreckte nun ganz aktuell eine vermeintlich zunächst eher beiläufige, kleine Nachricht viele engagierte Bürger in der Region auf, welche von der Stilllegung einiger Router im Stadtgebiet berichteten, weil deren bisherige Betreiber diese Router in der Innenstadt von Waltrop ausgerechnet aufgrund der ‚Angst vor Flüchtlingen‘ nun nicht länger betreiben wollten und ihre Router in den letzten Tagen daher kurzerhand rigoros wieder vom Netz genommen hatten.

Und auch wenn es sich dabei bisher wohl nur um Einzelfälle zu handeln scheint, ist das natürlich eine Nachricht bzw. eine bedenkliche Entwicklung, die einen so erst einmal kräftig aufhorchen lässt.

Da berichtet die ‚Waltroper Zeitung‘  heute also davon, dass die betroffenen Ladeninhaber sich vor den vor ihrem Laden stehenden Asylbewerbern so arg geängstigt hätten, dass sie Freifunk nicht länger unterstützen mochten: „Da standen fast täglich Gruppen von fremden Männern vor meiner Tür. Als Frau habe ich Angst, gerade im Dunkeln“, wir da zum Beispiel eine stadtbekannte Wollgeschäft-Betreiberin zitiert.

Aufgeschreckt von diesen Nachrichten habe auch ich heute mal ein bisschen in der Sache recherchiert. Und siehe da, die Geschichte hat auch eine ganz andere Seite, eine, die sich so natürlich nicht ganz so spektakulär ‚verkaufen‘ lässt.

So kann z.B. Michael Kamps, von der örtlichen Freifunker Initiative im östlichen Kreis Recklinghausen, das Ganze so überhaupt nicht verstehen, hält die Berichterstattung in der Lokalzeitung sogar für irreführend: „Diese Nachrichten sind doch eher aberwitzig. Auch wenn wir aktuell mit dieser Begründung tatsächlich zwei Router im Stadtgebiet verloren haben, wachsen wir doch insgesamt stetig. Noch immer! Die beiden angesprochenen Router wurden zuletzt ohnehin gar nicht übermäßig genutzt. Zudem haben wir mit dem örtlichen Rathaus und dem Jugendzentrum ‚Yahoo‘ gerade wichtige neue Standorte dazubekommen.“ Kamps sieht in dieser Meldung vom Tage einen völlig falschen Schwerpunkt, der seinem Anliegen so nur unnötig schadet. „Wir haben die Medien zuletzt mehrfach von Erfolgen in der Sache berichtet. Darüber wurde leider nicht viel geschrieben. Jetzt, wo wir zwei Router aufgrund dieser doch eher unglücklichen Aktionen der Ladeninhaber verloren haben, da wird das völlig überzogen ausgeschlachtet“, berichtet Kamps auf Nachfrage gegenüber den Ruhrbaronen.

In ein ganz ähnliches ‚Horn‘ bläst auch der Vorsitzende der örtlichen Werbegemeinschaft ‚WWG‘, Mirko Ruschmeyer, im heutigen Telefonat mit den Ruhrbaronen.

Ruschmeyer bestätigte zwar den Vorfall grundsätzlich, tatsächlich seien Router mit der Begründung ‚Angst vor Flüchlingen‘ im Stadtgebiet jüngst vom Netz genommen worden, doch habe er im persönlichen Gespräch mit den betreffenden Ladenbetreibern dann jeweils durchaus nachvollziehbare Gründe mitgeteilt bekommen. Er sei natürlich über die Außendarstellung nun sehr unglücklich, schließlich habe er z.B. grundsätzlich Verständnis dafür, dass Geschäftsleute vor Ort den Eingangsbereich vor ihrem Ladenlokal gerne frei halten möchten, damit Kunden stets ungehindert in das Geschäft gehen können. Das sei aber natürlich in der Praxis eben nicht immer ganz so einfach, so Ruschmeyer, wenn die Personen zum Beispiel nur Arabisch sprechen.

Er hätte sich daher doch vielmehr gewünscht, dass die betroffenen Ladeninhaber zuerst etwa das Gespräch mit der Werbegemeinschaft gesucht hätten, oder vielleicht auch die Flüchtlingshilfe vor Ort um Rat gefragt hätten. Er selber wolle nun kurzfristig das Gespräch mit den Geflüchteten suchen, darum bitten zukünftig die Eingangsbereiche der Läden freizuhalten, damit solche Spannungen zukünftig dann gar nicht erst wieder so hochkochen können.

Warum dies im aktuellen Fall nicht geschehen ist, das vermochte sich heute in Waltrop so niemand wirklich zu erklären. Genauso wenig, warum die Lokalzeitung offenkundig mit einem solch sensiblen Thema so unsensibel umgegangen ist. Und schließlich habe auch die Freifunk-Initiative vor Ort so doch lediglich zwei ihrer insgesamt immerhin schon 44 Router verloren. Einige weitere Standorte sind derzeit schon wieder in Planung. Hier werde daher aktuell wohl eher sehr viel ‚heiße Luft‘ diskutiert, so der Werbegemeinschaftsvorsitzende.

Der Schaden der so allerdings der Flüchtlingsdebatte und dem Freifunk-Projekt zugefügt worden ist, den bedauerten heute sowohl Freifunker Michael Kamps als auch der WWG-Vorsitzender Mirko Ruschmeyer im Gespräch mit diesem Blog.

Diese Meldung hatte am Ende somit wohl wirklich nur Verlierer: die Asylbewerber vor Ort, die Freifunk-Unterstützer, die im Bericht namentlich genannten Ladeninhaber die ihre Router aus ‚Angst vor Flüchtlingen‘ jüngst stillgelegt haben, und wohl auch die Lokalzeitung selber, die mit einer solchen Meldung wohl unnötig die Stimmung am Ort aufheizte.

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kE
kE
8 Jahre zuvor

Freies WLAN ist toll. Es kommt aber auch an seine Grenzen, wenn die Reichweite nur sehr gering ist, d.h. die Nutzer zwangsläufig in der Nähe der Hotspot bleiben müssen.

Hier stellt sich dann auch die Frage, an welchen Stellen ein Hotspot wirklich sinnvoll ist. Wer möchte schon gerne MEnschenansammlungen, die meistens auch mit Müll etc. verbunden sind, vor der Haustür/ vor dem Eingang haben?

Es ist also eine Folgeerscheinung, dass Menschenansammlungen vor der Tür sein könnten. Aber ohne Flüchtlinge etc. lässt sich wohl keine Story mehr verkaufen.

In Cafes, an Bänken in den Strassen etc. ist es sinnvoller. Aber im Winter sind da auch die Grenzen schnell erreicht.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

Die Lösung ist doch einfach – die Freifunker sollen den meckernden Ladenbesitzern eine Runde WLAN-Repeater ausgeben, schon braucht Niemand mehr direkt an der Ladentür die letzten paar dB Rauschabstand abzukratzen, wenn die Ladenrouter angeblich so schwach sind.

Oder ist die Sache mit den "blockierenden" Flüchtlingen wegen WLAN-Zugang vielleicht doch nur vorgeschoben?

Anne Hoffmann
Anne Hoffmann
8 Jahre zuvor

Dem kann ich mich nur anschließen,, Flüchtlinge wegen WLAN ,, lächerlich ist eigentlich bekannt das in der Röster noch Läden zu finden sind ?

Bernd Schäfer
Bernd Schäfer
8 Jahre zuvor

„Aber ohne Flüchtlinge etc. lässt sich wohl keine Story mehr verkaufen.“

Das scheint so zu sein. Ist halt Lokalpresse, könnte man vermuten, stimmt allerdings nicht so ganz, da die Waltroper Zeitung (WZ) ansonsten doch sehr seriös und engagiert berichten kann. Und wer nach vielen Jahren WAZ-Lektüre bei ihr landet, wird doch oft sehr positiv überrascht. Diesmal leider nicht.

Im Gegensatz zum Bericht der WZ ist die differenzierende Aufarbeitung vom Robin Patzwald doch sehr gelungen. Danke! Ein paar kleine Anmerkungen hätte ich allerdings noch:

Es ist nicht korrekt, im Plural über die Abschaltung von Freifunk-Routern, im Zusammenhang mit Flüchtlingen, zu berichten. Das wird schon in der WZ besseren Wissens und fälschlicherweise behauptet. Nach derzeitigem Informationsstand wurde nur ein Router wegen „Angst vor Flüchtlingen“ vom Netz genommen. Bei dem anderen angesprochenen wird von der Betreiberin explizit darauf hingewiesen, dass die Entscheidung nichts mit Flüchtlingen zu tun habe.

Bei der Chore geht es also um einen Router von 44! Sieht tatsächlich nach „viel Aufregung um wenig“ aus. Für den Ortskundigen stellt sich allerdings die Frage, warum sollten Flüchtlinge ausgerechnet vor diesem Wollladen in einer Nebenstraße stehen, unweit von einem Begegnungsplatz mit Sitzbänken und einem leerstehenden Laden mit großzügiger Unterstellmöglichkeit bei schlechtem Wetter? Der Freifunk-Empfang ist auch an beiden alternativen Plätzen bestens.

Nun, darüber kann man jetzt nur spekulieren. Tatsache allerdings ist, dass die Wollladenbetreiberin Karin Becker, sie wird im WZ-Artikel beim Namen genannt, deshalb übernehme ich das mal, offensichtlich eine Anhängerin der AFD ist. Wir erinnern uns, das ist die Partei, in der über den Schießbefehl auf Flüchtlingsfrauen und -kinder diskutiert wird. Karin Becker teilt nämlich auf ihrer privaten Facebook-Seite Inhalte der AFD, verlinkt zu einschlägigen rechten Seiten und verbreitet rassistisch motivierte Fälschungen.

Da stellt sich nun die Frage, ob man den Aussagen einer Frau trauen soll, die beispielsweise solche Sätze postet: „Dafür, dass wir im angeblich tollsten Land der Welt leben, sammeln ganz schön viele Leute Pfandflaschen aus Mülleimern, um zu überleben. Währenddessen lassen Flüchtlinge in Markenklamotten sich mit ihren Smartphones die Wege zu den Ämtern navigieren.“ Das ist eindeutig diskriminierend gemeint und die Aussage von Frau Becker zu den Flüchtlingen vor ihrem Laden diskreditiert sich offensichtlich von selbst.
Ist allerdings damit die im WZ-Artikel konnotierte Drohkulisse von sich zusammenrottenden Männern, als Teil der öffentlichen Wahrnehmung, vom Tisch?

Ich denke, Ansammlungen von Männern sind für Frauen grundsätzlich immer eine potenzielle, und teilweise leider auch reale, Bedrohung. Zum Vatertag, beim Schützen- und/oder Oktoberfest, beim Fasching und natürlich insbesondere jetzt auch nach den manifesten sexualisierten Gewaltattacken zu Sylvester in Köln und in anderen deutschen Städten. Darüber müssen Auseinandersetzungen geführt werden. Das kann aber nicht vernünftig gelingen, wenn Journalisten, wie hier im aktuellen Beispiel, aufreißerisch hysterische Grundstimmungen kolportieren und somit multiplizieren. Es geht also um mehr, als nur um die Abschaltung eines Routers. Und darüber müssten wir uns viel mehr aufregen.

kE
kE
8 Jahre zuvor

Der folgende Verweis passt nur ansatzweise:
Die Abmahnindustrie zeigt, wie sich Geld machen lässt: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/fluechtlinge-tappen-in-abmahnfallen-a-1080499.html

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