Acht Monate nach Erscheinen seines Erstlingswerks ‚Die Abtaucher’ hat Thomas Schweres mit ‚Die Abräumer’ seinen zweiten Kriminalroman vorgelegt.
Wieder spielt die Geschichte im Ruhrgebiet, und wieder sind es die bekannten Haupt-Protagonisten: Der Gelsenkirchener Kriminalkommissar Georg Schüppe, genannt der Spaten, der als Schalke-Fan im Dortmunder Polizeipräsidium Dienst tut, und der TV-Reporter Tom Balzack aus Essen, den es der Liebe wegen ebenfalls in die Westfalenmetropole verschlagen hat. Der Ermittler wird von einem Beamten mit Migrationshintergrund und einer jungen Polizistin unterstützt, die an Lisbeth Salander erinnert. Der Journalist Balzack und sein Team arbeiten mal mit, mal gegen einen BILD-Reporter mit einer ausgeprägten Vorliebe für Chemie-Klos.
Schnellschreiber Schweres, der behauptet, als langjähriger Crime-Reporter müsse er sich für seine Romane nicht viel ausdenken, nur Erlebtes und Recherchiertes neu zusammensetzen, erschafft ein ganzes Sammelsurium an Personen, die gleichzeitig skurril und lebensnah sind. Alle haben ihre persönlichen Schicksale und Probleme, die angerissen, aber nicht in epischer Breite ausgewalzt werden. „Ich wollte keinen weiteren Dortmunder ‚Tatort’ schreiben, bei dem man als Zuschauer immer nur genervt denkt: Wann springt dieses Psycho-Wrack Faber endlich vom Dach?“, sagt Schweres. Entsprechend kommt bei seinen Krimis neben reichlich Sarkasmus und (Selbst-)Ironie auch der Humor nicht zu kurz. Wenn mal wieder Panhas am Schwenkmast ist, sprechen seine handelnden Personen gern mal ‚Originalton Ruhr’. Ein typischer Regionalkrimi also? Der Autor guckt gequält. Kommissare, die politischen Druck aus der Behörde bekommen, Boulevard-Reporter, die unter den Anforderungen ihrer Redaktionen leiden, Migranten, die die deutsche Gleichgültigkeit gegenüber der Zerstörung ihrer ersten Heimat durch ISIS nicht verstehen können, Stadtverwaltungen, die durch Schlampigkeit und Gleichgültigkeit Millionen in den Sand setzen, Banken, die sich das in der Finanzkrise verzockte Geld bei ihren Kunden wiederholen wollen – das alles gebe es nicht nur im Ruhrgebiet, sagt Schweres. „Irgendwo muss ein Roman ja spielen Aber hier im Revier gibt es die gesellschaftlichen Probleme der Republik in konzentrierter Form. Und ich kenne mich nur hier aus.“ Klingt da ein Bedauern durch? „Nun ja, wenn ich zwischendurch romantische Urlaubslandschaften an Nord- oder Ostseeküste schildern würde, hätte ich es bei den LeserInnen sicherlich leichter. Ich habe für die Romantik nur den Steinbruch an der Hohensyburg und die Phönix-Pfütze zu bieten. Und die Dortmunder Nordstadt. Aber dort kann es auch ziemlich exotisch sein.“
Anders als bei ‚Die Abtaucher’, wo zunächst die handelnden Personen eingeführt wurden und die Handlung erst langsam Fahrt aufnahm, geht es bei ‚Die Abräumer’ direkt rasant los und steigert sich dann sogar noch. Es beginnt mit zwei Banküberfällen mit Geiselnahme, der erste geschah 1999, der zweite passiert in der Jetzt-Zeit. Die Bankräuberin überlebt ihn nicht lange. Doch sind die Bank und die Geisel wirklich unschuldige Opfer, aus welchen Motiven handelt die Täterin? Der Reporter und der Kommissar recherchieren und ermitteln die aktuellen Zusammenhänge, sie stoßen auf krumme Immobiliengeschäfte (nicht nur) am Phönix-See und Unterschlagungen in einem Bezirksverwaltungsamt. Wem speziell dieser Handlungsstrang bekannt vorkommt, der liegt nicht ganz falsch, er ist eng an einen aktuellen Skandal in der Dortmunder Stadtverwaltung angelehnt.
Gestalten aus Balzacks Vergangenheit schleichen sich in einem zweiten Handlungsstrang heran, spielen irgendwie eine Rolle. Es geschehen weitere Morde, und erst beim überraschenden und furiosen Showdown in einer Bochumer Anwaltskanzlei wird (fast) alles aufgeklärt.
Ein guter, ein spannender Krimi, flüssig geschrieben. Auch wenn man ihn konzentriert lesen muss, wegen der Fülle der handelnden Personen und Nebenthemen: Mir haben ‚Die Abräumer’ besser gefallen als der erste Band. Thomas Schweres hat die Hürde des zweiten Teils erfolgreich genommen. Wird es eine Fortsetzung geben? „Mir schwebt eine Mini-Serie vor, bei der man jeden Teil für sich versteht. Aber als LeserIn an manchen Stellen nur wissend grinsen kann, wenn man die vorherigen Folgen kennt. Eine Serie, bei der Protagonisten mal verschwinden, später wieder auftauchen. Sich entwickeln, nie nur ganz böse oder ganz gut sind. Und alles nah dran an der Realität“, sinniert der Autor.
Wie es mit seiner Reihe um Schüppe und Balzack weiter geht, weiß Schweres angeblich noch nicht. „Vielleicht ziehe ich im nächsten Teil mal über die Neonazis her. Es ist ja fast peinlich, das zuzugeben, aber sie haben mir immer noch keine ihrer Todesanzeigen für Journalisten gewidmet. Vielleicht gelingt mir das dann als Autor. Obwohl, dafür müssten sie das Buch ja lesen, und lesen bildet. Mit einem Mindestmass an Bildung ist man aber kein Nazi mehr und kann also keine Todesanzeigen für Nazi-Gegner mehr aufgeben. Dann thematisiere ich vielleicht doch besser das Medienbashing anlässlich des Flugzeugabsturzes der 4U9525. Oder noch etwas ganz anderes. Die Themen liegen ja auf der Straße.“
Wir sind gespannt.
Die Abräumer, Grafit Verlag Dortmund 03/2015
kt., 254 Seiten EUR 9.99, E-Book EUR 9.99
ISBN 978-3-89425-456-8
Die Abtaucher, Grafit Verlag Dortmund 07/2014
kt., 221 Seiten EUR 9.99, E-Book EUR 9.99
ISBN 978-3-89425-445-2