Warum das Schwule Netzwerk NRW Kirchenpräsident Jung nicht ehren sollte

Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN Foto: EKHN
Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN Foto: EKHN

Das Schwule Netzwerk NRW ehrt Kirchenpräsident Volker Jung mit der 14. Vergabe der Auszeichnung „Kompassnadel“, warum das falsch ist und warum der Begriff der Ehe ganz grundsätzlich neu definiert werden muss. Von unserem Gastautor Torsten Dirk. 

In Osteuropa, insbesondere Russland mischt der Patriarch der orthodoxen Kirche kräftig mit, wenn es darum geht was das gläubige russisch-orthodoxe Volk von LGTBQs zu denken hat. Das Oberhaupt der orthodoxen Kirche Russlands begrüßt das mittlerweile bestens bekannte Gesetz zur Homopropaganda. Mit großer Empörung formiert sich dagegen ausgehend von Berlin, in ganz Deutschland und der westlichen Welt Widerstand in verschiedenen Initiativen wie „Enough ist Enough“. Sie versuchen beinahe Herz zerreißend mit Aktionen wie einem „Kiss in“ vor der russischen Botschaft Flagge zu zeigen, die Regenbogenflagge. Das wird kaum was an den Zuständen in Russland ändern, mag man sich denken, aber dagegen sein kann man auch nicht. Ziel ist es ein anderes Weltbild von Lesben und Schwulen in den Köpfen der Bürger zu verankern als es gemeinhin üblich ist. Ein Bild von einem Lesbenpärchen das sich rührend um ihre Kinder kümmert oder ein Bild von Schwulen, die adoptionswillig sind, ihrer Schwiegermutter einen selbstgebackenen Apfelkuchen zum sonntäglichen Klatsch reichen und vom Erfolg auf dem Job erzählen. Dort werden sie auch gar nicht mehr diskriminiert. Im Unternehmen gibt es einen Anti-Diskriminierungsbeauftragten und es wird häufig über Diversity Management gesprochen. Bürgerlicher, ja spießiger als unser Männer liebendes Paar kann ein junges Glück in Deutschland eigentlich gar nicht leben. Gegen diese Paare ist soweit auch gar nichts Verwerfliches zu sagen. Sie machen es einem auch total schwer, wenn, ja wenn es nicht so schlimm wäre, das genau diese konservative Strömung alle anderen Formen menschlichen Zusammenseins einfach kurzerhand ausgrenzen würde.

Die Ausgrenzung funktioniert über noch weiter abseits stehende Lebensentwürfe, die selbst für den normalen Schwulen schwer nachvollziehbar sind wie z. B. dem Lebensentwurf einer selbstbewussten allein erziehenden transsexuellen Person. Das sind seltene Fälle, deshalb setzt sich der bürgerlich konservative Schwule für sie bestimmt nicht ein, er hat genug damit zu tun seine eigene Normalität stets zu rechtfertigen, um damit genügend gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen. Transsexuelle haben es noch dazu verdammt schwer in einem normalen Job. Ein schwuler verpartnerter Lehrer, monogam lebend mit seinem Freund: Ja das geht durch, ist doch völlig normal, da greift neuerdings sogar das Ehegatten-Splitting.  Bei einem allein erziehenden transsexuellen Lehrer sieht das allerdings schon ganz anders aus. Zur fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz gesellen sich finanzielle Nachteile gegenüber Ehegatten mit Kindern. Hier reißt eine immer weiter um sich greifende Intoleranz, teils hasserfüllt, eine riesige Lücke in die von außen scheinbar homogene „LGTBQ-Community“ in Deutschland. Liest man Kommentare in deutschen Nachrichtenportalen wie Zeit Online finden sich schnell Abschnitte wie dieser zum Thema „Vishnu liebt Shiva – Indien kriminalisiert Homosexualität“, Zitat von User Skarsgard: „Da hat Zeit Online ja ein FEIIIIINES Bild zum Thema Homosexualität gesucht und gefunden. Vielen Dank auch…zum Thema heterosexualität erscheinen seltsamerweise keine Klischeebilder von saufenden Bierprolls, oder Typen, die gerade ne Prostituierte auf dem Strich anquatschen. Aber wenn es um Schwule geht, dann werden sie gesucht, die Bildchen von den Fummeltrinen und Ei-Ti-Tei-Transen mit abgeknicktem Handgelenk.“ Es ist wirklich unglaublich beschämend wie versucht wird Transexuelle hier in einem Atemzug auf eine vermeintlich herabwürdigende Stufe mit saufenden Bierprolls zu stellen. Ist ein Bierproll oder eine Transexuelle weniger wert als eine Person in der Mitte der Gesellschaft oder gibt es ansatzweise eine legitimierte Rechtfertigung  eine der beiden Gruppen als stilistisches Mittel zu missbrauchen? Prostituierte werden ebenfalls schlicht verunglimpft. Sie alle sind das versinnbildlichte Schlechte, das es allen Schwulen in der Gesellschaft so schwer macht. Das ist aus meiner Beobachtung heraus leider kein Einzelfall. Zu einer gutbürgerlichen Schwulenidentität gehört die Abgrenzung zu muslimischen Migranten, zu Sinti und Roma oder Transen und allen vom gesellschaftlichen Mittelmaß weiter entfernt stehenden Personen. Historisch gesehen waren es gerade die Transen und Drag Queens, die der Freiheit aus dem Stonewall Inn heraus auf der Christopher Street in New York bereits 1969 mit Kampf begegneten. Sie leisteten den ersten Widerstand und werden heute trotz Christopher Street Day oder Gay Pride von denen in der bürgerlichen Mittelmäßigkeit angepassten Schwulen und Lesben gerne vergessen, wenn es darum geht weitergehende Rechte einzufordern. Heute repräsentieren schwule Männer wie David Berger eine angepasste Mittelschicht-Klientel, mit dem Schrei nach Normalität. Nach einer verklemmten Karriere in der katholischen Kirche, spätem Coming Out of the closet mutierte er mittlerweile zum Paulus der wertkonservativen Schwulen, greift sogar die Kirche an und erhält seinen Platz in Fernsehtalkshows wie Anne Will oder Markus Lanz. Als Chefredakteur der Zeitschrift Männer, die sich intensiv für die bürgerlichen Rechte der anpassungswilligen klassischen Ehebefürworter einsetzt. Er geht wohl nicht in die Darkrooms der schwulen Welt, sondern schlemmt abends lieber Händchen haltend mit seinem festen Freund Häppchen auf Empfängen, um keine Angriffsfläche zu bieten. Kritiker wie der schwule Reisejournalist Robert Niedermeier werden z. B. auf der Facebook Seite des Männer-Magazins gesperrt. Sicher wird nicht die inhaltlich unterschiedliche Meinung als Grund der Sperrung angegeben, sondern die berechtigte Kritik, die nicht immer sanft geäußert wird, wird kurzerhand als Krawall diskreditiert. Kommentare, die sich kritisch mit den Themen auseinandersetzen werden undemokratisch gelöscht. So hat man das bei der Kirche halt vorher gelernt.

Die Mittel des schwul-bürgerlichen Konservatismus drehen sich also um Aus- und Abgrenzung. Man muss nur genau hinschauen. Da passt die Auszeichnung eines klerikalen, um wieder auf das eigentliche Thema zu kommen nur zu gut ins Bild. Das schwule Netzwerk schreibt: „Kirchenpräsident Jung nimmt die Verleihung der KOMPASSNADEL gerne an. Er betrachtet sie als Auszeichnung, die er stellvertretend für alle erhalte, „die sich in der evangelischen Kirche für neue Formen des verantwortungsvollen Zusammenlebens stark machen..:“. Was bedeutet in diesem Zusammenhang eigentlich ein „verantwortungsvolles Zusammensein“? Das heißt bestimmt nicht, das schwule Männer so viel Sex mit so vielen Partnern wie sie wollen haben und sich in Darkrooms ihre Zeit vertreiben können und sollten, denn wen sollte das auch kümmern? Nein! DAS wäre nicht „verantwortungsvoll“ oder hat Dr. Jung das wohl auch damit gemeint? Was sagte ein schwuler Kanadier zu Reisejournalist Robert Niedermeier auf einer seiner letzten Reise zum Gay Pride in Toronto? „Ich bin vor Jahren von Alberta aus der Provinz nach Toronto gezogen, um hier in der Großstadt meine Freiheit auszuleben. Weißt Du, wie es mittlerweile ist? Wir dürfen in weiß in der Kirche heiraten, aber Ficken und Rauchen im Club sind verboten!“. Es geht auch gar nicht nur um den Darkroom, sondern vielmehr darum andere Benachteiligte nicht von den hart erkämpften Erfolgen auszuschließen. Dazu gehören auch zwei Brüder, die ein Kind groß ziehen. Dazu zählt die allein erziehende Mutter, Großmutter oder der allein erziehende schwule oder heterosexuelle Vater genauso, sie alle werden nicht gleicher maßend anerkannt. Eine geschiedene Frau mit Kind wird von der Kirche heute noch als gescheitert dargestellt.

Die Lebensentwürfe, die sich hier gegenüberstehen sind immer noch die aus dem wertkonservativen Milieu entstammende Idee der kleinbürgerlichen Ehe, dem Bündnis zwischen Mann und Frau mit oder ohne Kinder und nicht einem im menschlichen Sinne frei gewählten Zusammensein egal welchen Charakters und sexueller Zugehörigkeit und ob Sexualität innerhalb dieses Bündnisses überhaupt ein Teil ist. Es geht darum den Ehebegriff aufzubrechen und neu zu definieren. Darüber muss gesprochen werden. Für diese wirkliche und notwendige Gleichheit vor dem Gesetz muss gekämpft werden. Keine Ehe im bisherigen Sinne wird dadurch abgewertet, sondern erfährt im Sinne einer progressiven Modernisierung des Begriffs Ehe als Bedarfsgemeinschaft im Gegenteil eine Aufwertung. Es soll vermieden werden einfach den Radius der bisherigen Definition schlicht zu vergrößern, der Spießigkeit im Sinne einer Ehe fasst und alle anderen Gruppen weiter an den Rand drängt. Dort am Rand wird es sozial immer kälter und schwieriger finanziell einigermaßen gut ausgestattet zu leben und genügend gesellschaftliche Wärme und Akzeptanz zu finden, um eben nicht komplett und allein am Rand der Gesellschaft stehen zu müssen und nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Die Kompassnadel des Schwulen Netzwerk NRW wird also vor dem nächsten CSD am 5. Juli 2014 im Kölner Gürzenich nur von einem Teil bürgerlich eher angepasster Konservativer verliehen, die für sich den Anspruch haben die Gay Community zu vertreten. Die Diversität, Vielschichtigkeit, bleibt dabei leider auf der Strecke. Der Empfänger ist ein wertkonservativer Evangelikaler, dessen Glaubensbrüder in großen Teilen Afrikas weiter missionieren und unter der gleichen Dachorgansiation der Evangelisch-Protestantischen Kirche mit massiver Lobbyarbeit und Duldung dafür sorgen, dass weiterhin Gesetze in Afrikas Unrechtsstaaten erlassen werden, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung in Lebensgefahr bringen. Gerade sind die Gesetze im meist christlichen Teil eher katholisch geprägten Nigeria drastisch verschärft worden. Peter Akinola, der frühere Chef der afrikanischen Bischofskonferenz, lässt sich mit dem Satz zitieren, Schwule seien „minderwertiger als Tiere“. Die BBC berichtete über eine Stellungnahme in 2006, in der die Church of Nigeria der Regierung eine positive Rückmeldung in Form einer Stellungnahme für eine drastische Verschärfung eines Anti-Homosexuellen Gesetzes gab. *1 Homosexuelle werden diffamiert, gefoltert und gemordet, auch unter der duldenden und vielleicht noch mahnenden Haltung der afrikanischen Kirche, die sich hier in Europa scheinheilig ein anderes Gesicht gibt.

Kirchenpräsident Dr. Jung hat aufgrund dieser selbst nur vermeintlichen Nähe und der Mitgliedschaft im gleichen großen Dachverband keinen solchen Preis verdient. Man stelle sich vor, das selbst eine militaristisch ausgerichtete Nato in einem anderen Mitgliedsland solche Äußerungen machen würde. Das Geschrei wäre sehr groß!

Die Richtung, in die die Kompassnadel zeigt, ist eine rückwärtsgerichtete. Das ist jedem leidenden Menschen, der in Afrika hinter Gittern sitzt, zutiefst respektlos gegenüber, wird einem modernen Begriff von Ehe nicht gerecht, auch wenn er nicht selbst ganz direkt dafür sorgt. Der Kampf für die Gleichheit und Modernisierung vor dem Gesetz darf nicht mit einer wertkonservativen Eheidee aus den Anfängen des letzten Jahrtausends beehrt werden, sondern muss wirkliche DIVERSITY in den Vordergrund stellen. Die Ehe als Schutz für unterschiedlichste Lebensmodelle, für die jeder einzelne auch mal über seinen Tellerrand hinausschauen muss. Das wünsche ich mir für die Zukunft.

*1 http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6362505.stm

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Robert Niedermeier
Robert Niedermeier
10 Jahre zuvor

Die Frage, wie man Widerstand gegen das schwule Establishment organisiert, stellt sich tatsächlich. Das mag historisch sogar ein Fortschritt sein. Vor allem brauchen wir aber eine Antwort auf die Frage, ob LGBT als politischer Block sinnvoll ist. Wir brauchen eine schwule, lesbische, bisexuelle, heterosexuelle, transidente, queere Opposition gegen die Bekloppten. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Geschlechtern, sondern zwischen den Ewiggestrigen und undogmatisch progressiven freien Bürgern.

Robert Niedermeier
Robert Niedermeier
10 Jahre zuvor

Im Prinzip darf es auch gar nicht darum gehen, den „homophoben Kräften“ in Kirche und Politik die Ängste zu nehmen, wir müssen die Ängste der Ewiggestrigen schüren. Den Rollback widersteht man nämlich nicht mit der Anpassung ans Falsche, sondern durch Veränderung.

Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

Niedermeier:

das haben Sie aber schön gesagt 😉 jetzt fehlt mir eigentlich nur noch eine Erklärung, wer denn nun dazu befugt ist festzustellen, wer zu den „Ewiggestrigen“ und wer zu den „undogmatisch progressiven freien Bürgern“ gehören darf? Haben Sie etwa die Deutungshoheit?

Sicher haben Sie auch schon einmal davon gehört, dass der „ewig Gestrige“ ein politischer Kampfbegriff ist, ein Totschlagargument. Man versucht Leute, die nicht jedem politischen Trend hinterherlaufen wollen, als Rückständige oder Fortschrittsverweigerer zu verspotten.

Argumente wären mir lieber als solche Kampfbegriffe…

Robert Niedermeier
Robert Niedermeier
10 Jahre zuvor

Wer die Ewiggestrigen sind, steht doch oben im Text, dazu gehören auch jene, die auf Grundlage klerikaler Dogmen politisch handeln möchten.

Reinhard Matern
10 Jahre zuvor

Der Ausgezeichnete und sein innerkirchlich ungewöhnliches Engagement wird so gut wie gar nicht behandelt. Die eingeforderte Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben verliert sich, wenn wertkonservative Kräfte, die sich in geschlechtlicher Hinsicht öffnen, wegen ihres Wertkonservatismus oder Zugehörigkeit zu der Institution, gegen die sich verhalten, verteufelt werden. Es geht schlicht um Verschiedenes: (a) um die Frage nach gesellschaftlicher Akzeptanz, (b) um einen Generalangriff gegen Wertkonservative. Dies nicht zu berücksichtigen, würde die Kritik auf Ideologie (immun gegenüber Argumenten) reduzieren! Glückwunsch! Leichter kann man es den “homophoben Kräften” gesellschaftlich nicht machen.

Arnold Voss
Arnold Voss
10 Jahre zuvor

Die Mehrheit der Menschen,egal welcher geschlechtlichen Ausrichtung, welcher Hautfarbe und welcher Kultur, will eher in der Mitte der Gesellschaft leben als am Rande. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.

Anstatt der Mehrheit einen Vorwurf daraus zu machen sollte man sich deswegen ganz darauf konzentrieren, die Rechte der Minderheiten zu verteidigen. Allerdings das auch nur, wenn diese selbst die Menschenrechte anerkennen. Minderheiten sind nämlich nicht nur deswegen schon im Recht, weil sie keine Mehrheit sind.

Robert Niedermeier
Robert Niedermeier
10 Jahre zuvor

Hätten wir Schwule auf die Mehrheit vertraut, stünden wir in der Tat nach wie vor am Rand der Gesellschaft. Veränderung zum Besseren für alle Bürger, ging noch nie von der Mitte aus. Es geht auch gar nicht darum, Minderheiten zu bevorteilen, sondern dem Mainstream auf den richtigen Kurs zu bringen. Mit der Anpassung ans Falsche, der Bestätigung von konservativen Mustern, ist jedoch nichts zu gewinnen. Es sei denn, man möchte die Missstände unbedingt zementieren, unter denen auch alleine erziehende Mütter oder Senioren-WGs leiden. Und wer redet eigentlich von den vielen Bisexuellen? Die fallen in der ganzen Diskussion um Anerkennung von Homopaaren unterm Altar.
Wofür der Kirchenpräsident ausgezeichnet worden ist, entpuppt sich bei objektiver Betrachtung als Ausgrenzung. Er grenzt nämlich alle aus, die nicht in einer Zweierbeziehung stecken.
„Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft…“ (Frei nach Rosa von Praunheim)
Diesem reaktionären „schwulen Netzwerk“ geht es auch gar nicht um schwule Belange, sondern um die Nähe zur Macht. Sie wollen auch keine Veränderung der perversen Gesellschaft, sondern die Anpassung der perversen Sodomiten an die Werte der Kirche, der sie mit der Ehrung bestätigen, dass sie eine Säule unserer Gesellschaft sei. Und ein Volker Beck hat nichts besseres zu tun als säkulare Republikaner zu diskreditieren. Abstrus ist das alles.
Man muss sich einmal vor Augen führen, welche Art von Schwulenfreundlichkeit das Netzwerk diesem Kirchenfunktionär attestiert. Es geht nicht um Selbstbestimmung und Gleichberechtigung, sondern darum, die solidarische Gesellschaft zu schwächen, indem die Zweierbeziehungskiste auch in Zukunft als Keimzelle der Gesellschaft überhöht und staatlich bevorteilt wird, während man andere Einstehgemeinschaften als gescheitert verunglimpft. Das ist rückwärtsgewandt und entspringt plumpen Konservatismus. Bin mal gespannt wie der Paffe sich über den Wunsch nach legaler Leihmutterschaft der Homoehe-Fans äußern wird. Es ist zum Schlapplachen – fast. Die Frage, wie man Widerstand gegen das schwule Establishment organisiert, stellt sich tatsächlich. Das mag historisch sogar ein Fortschritt sein. Vor allem brauchen wir aber eine Antwort auf die Frage, ob LGBT als politischer Block sinnvoll ist. Wir brauchen eine schwule, lesbische, bisexuelle, heterosexuelle, transidente, queere Opposition gegen die Bekloppten. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Geschlechtern, sondern zwischen den Ewiggestrigen und undogmatisch progressiven freien Bürgern.

Helmut Junge
Helmut Junge
10 Jahre zuvor

@Reinhard Matern,
sehe ich auch so. Sippenhaftung weil der Arbeitgeber anders ist, oder weil die Partei, der man angehört, eine falsche Politik macht, ist nicht überzeugend.
Jeder Mensch muß nach seinen eigenen Taten bewertet werden, hat m.E. auch das Recht dazu.

Torsten Dirk
Torsten Dirk
10 Jahre zuvor

Herr Matern, ich selbst verurteile im Artikel nicht prinzipiell alles Wertkonservative. Zu so einem Leben mit einer Heirat in Weiß, einer Segnung in der Kirche für das Bündnis kann, darf und soll sich jeder entscheiden können, aber er soll andere nicht dadurch benachteiligen, um selbst einen Vorteil daraus zu erhalten. Ich zeige einen aus meiner Sicht entschieden besseren Weg auf, wie sich eine Minderheit (die LGTBQs) in der Gesellschaft, die sie nun mal ist, in die Mitte der Gesellschaft bewegen könnte ohne andere bewusst zu vergessen, sogar noch auf sie zu zeigen, um selbst schneller voran zu kommen. Das ist zutiefst unsozial und muss doch genannt werden dürfen. Dazu musste ich einfach weit ausholen, um es allen verständlich zu machen, die sich mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt haben. Schauen Sie mal hier: https://blog.aidshilfe.de/2014/01/05/konfession-vor-qualifikation/ Haben Mitglieder dieser Institutionen einen Preis verdient? Die Institution fügt nach wie vor Menschen Leid und Unrecht zu! Deshalb ist es mir auch egal, ob jemand im inneren dieser Institution etwas milder tätig ist als ein anderer. Darum geht es mir gar nicht.

paule t.
paule t.
10 Jahre zuvor

Irgendwie ist mir im ganzen langen Artikel die Stelle entgangen, an der steht, was Herrn Jung denn jetzt vorzuwerfen ist. Er setzt sich für Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der Kirche ein, und das ist schlimm, weil … äh …?

Weil er nicht gleichzeitig anonymen Sex im Darkromm genau so super findet wie dauerhafte Partnerschaften? Sorry, aber wenn ich ein Geheimnis verraten darf: Anonymen, unverbindlichen Sex stellen Kirchenleute im Allgemeinen auch bei Heteros nicht auf eine Stufe mit der Ehe. Ja, das ist konservativ in dem Sinne, in dem Verlässlichkeit und freiwillige Verbindlichkeit in Beziehungen konservative Werte sind – für Homos und Heteros gleichermaßen. Der Gleichberechtigung wird damit keinerlei Abbruch getan.

Und weil andere Kirchenleute, hier und in Afrika, nicht für Gleichberechtigung sind? Äh, ja, mag ja sein, aber macht das sein Eintreten für Gleichberechtigung in diesem Umfeld nicht um so wertvoller? Aber, ach so, auch nur eine vermeintliche (!) Nähe reicht ja als Vorwurf. Äh ja.

Ich finde es ziemlich bezeichnend, dass der ganze Artikel völlig ohne irgendein tatsächliches Zitat oder eine konkrete Handlung von Jung selbst auskommt, die vom Standpunkt schwullesbische Gleichberechtigung aus kritisiert würde. Dann ist da wohl auch nix.

trackback

[…] Warum das Schwule Netzwerk NRW Kirchenpräsident Jung nicht ehren sollte (Ruhrbarone) – […]

Ben
Ben
10 Jahre zuvor

„dessen Glaubensbrüder in großen Teilen Afrikas weiter missionieren“ – Das sehe ich auch durchaus kritisch, jedoch ist die Mission immamenter Bestandteil und Grundvoraussetzung der christlichen Lehre.

Es ist übrigens keineswegs der „Schrei nach Normalität“, den angepasste Schwule verspüren, sondern die Tatsache, dass sie kaum medial repräsentiert werden. Schwulsein ist in Deutschland medial fast durchweg verbunden mit Exotismus und den damit verbundenen Blicken auf Schwule. Dadurch schafft man Stereotype und perpetuiert Vorurteile.

Ich mag Transen, Drag Queens und alle Spielarten des queeren Lebens. Aber als konservativ angehauchter Schwuler möchte ich nicht durchweg so repräsentiert werden. Sondern eben so wie ich bin: Ein gewöhnlicher Mensch wie meine Hetero-Arbeitskollegen und kein exotischer Paradiesvogel.

Torsten Dirk
Torsten Dirk
10 Jahre zuvor

Hallo Ben, in der deutschen Medienlandschaft kann ich wirklich keine mangelnde Präsenz gewöhnlicher LGTBIQs fest stellen. Sie fallen doch auch nicht so auf und das wollen sie doch so. In Sendungen wie Verbotene Liebe, Lindenstraße u.v.w. kommen sie alltäglich vor. Normalität und Langeweile sind eben nicht gerade der Hingucker um dem Leser einer Printausgabe oder dem User des Onlineangebots bei der Stange zu halten, um es hier mal platt zu sagen. Schicke ich für ein schwul/lesbisches Straßenfest 5 Fotos an einen Verlag und davon ist eine kreischende, bunt angezogene, groß gewachsene Transe prostend mit Sektchen in der Hand angebildet und auf den anderen werden jeweils für den Redakteur „öde“ händchenhaltende Paare gezeigt, wird er einen Artikel mit dem Bild der Transe aufmachen. Auf dem Fest selbst laufen nur 5 wohlmöglich halbwegs gut bezahlte Transen rum, dann fallen die eben mehr auf als die 20.000 schnöden normalen Besucher, die einfach da rumlaufen und ihren Tag genießen. Das ist also verkaufsfördernd und tut sogar dem Straßenfest gut, denn durch das bunte Bild wird vermittelt das dort viel los sein wird. Da geht es ab. Es geht eben nicht ab wenn ein normaler Mann in eine Bockwurst beißt und ihm Senf im Mundwinkel hängt. Das wird sich so schnell nicht ändern. Vergleichbares gibt es bei vielen anderen Artikeln doch auch. Achte mal darauf, sobald die Bild Zeitung einen Artikel über schwule Männer bringt, wird sie Fläche des Artikels in zartrosa hinterlegen. Grüße!

Tim
Tim
10 Jahre zuvor

Vielen Dank für diesen Artikel.

Nigeria ist für Gays die Hölle! Richtig.
Die Spießigkeit scheint sich in der „Community“ langsam durchzusetzen, weil die Sehnsucht vieler Gays nach „Normalität“ gesellschaftsbedingt endlich Realität zu werden scheint. Das muss nicht von Jedem gelebt/geliebt und als Fortschritt gesehen werden und ob die nach aussen gelebte Spießigkeit eines Normallebens tatsächlich, wie auch so oft bei den Heten, im Hintergrund nicht doch nur Schein sein soll, um die wahren Wünsche zu verdecken, lasse ich mal im Raum stehen 😉 .
Was das alles nun aber mit der Kritik an der diesjährigen Verleihung der Kompassnadel an Jung zu tun hat, fällt mir (als Kirchenkritiker) doch schwer, nachzuvollziehen!
Es wird die Person geehrt, weil er für Gays in der Gesellschaft etwas getan hat, Punkt.

Wie seine Meinung zu Leihmüttern ist, kann ich dem umfangreichen Artikel nicht entnehmen!
Wie seine Meinung zu Sex in Darkrooms ist, kann ich dem Artikel nicht entnehmen!
Ob Jung sich schon einmal kritisch oder zustimmend zu der Haltung der „evangelikalen Filiale“ in Nigeria zur Homosexualität geäussert hat, auch dazu finde ich keinen Beleg in diesem Artikel!

Zugegeben, auch ich habe ein Problem mit der Kompassnadel-Verleihung an einen Kirchenvertreter, aber wenn ich Kritik dagegen lese, möchte ich die gerne fundiert haben. Jeder darf seine Meinung offen kundtun, aber einfach nur seine persönliche Meinung belegfrei in den Raum zu werfen, ist für mich noch lange kein Anlass, der Kritik zuzustimmen.

Bis dahin sehe ich Jung als Person mit diesem Preis ausgezeichnet, die versucht, in einem, ansonsten nicht homofreundlichen Umfeld, mutig für mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber Gays (LGBT) einzutreten. Und natürlich ist das eine Auszeichnung wert!

Ich wechsle gerne die Seite, wenn ich Belege vorgelegt bekomme, die mir klar machen, dass Jung diesen Preis nicht verdient hat. Die finde ich aber, wie oben erwähnt, in diesem Artikel nicht!

Torsten Dirk
Torsten Dirk
10 Jahre zuvor

Hallo Tim,

dein Kommentar lässt bei mir auch Fragen aufkommen. Zunächst möchte ich sagen, dass ich gefragt wurde einen Gastkommentar zu schreiben. Ein Kommentar muss auch Belege bringen, aber doch nicht so fundiert sein, wie eine empirische Arbeit. Mein Bauchgefühl spielt zugegeben eine Rolle, die meine Haltung beeinflusst.

Ich frage mich aber, warum Du schreibst, dass ich dich überzeugen müsste die „Seite zu wechseln“, wo Du doch selbst schreibst ein Problem mit der Auswahl zu haben. Deine eigenen Gründe vermisse ich auch. Was hast Du denn für ein Problem mit der Auswahl?

Meine Denkanstöße sind doch klar beschrieben: Ich habe ein Problem damit, dass Dr. Jung im gleichen Dachverband tätig ist wie radikale fundamentalistische Christen. Ich habe ein Problem damit, dass er NUR einem kleinen Teil der LGTBIQs, nämlich denen, die das Modell 2-er Ehe, dass ich für überholt halte leben wollen seinen „Segen“ ausspricht und sie in den Kreis der gewollten Hetero-2-er Ehe einholt. Alle anderen fallen hinten runter, alle anderen Lebensgemeinschaften, die in unserer Gesellschaft Gemeinschaften bilden und die für einander (auch finanziell, aber auch moralisch,sozial stützend) einstehen.

Ich denke es damit genügend begründet zu haben. Vielleicht wird das in dem recht langen Text nicht deutlich genug, mag sein.

Was er also für Schwule ( und alle LGTBIQs) so besonderes getan? Nur weil jemand einem alten Schwulen über die Straße hilft, hat er keinen Preis verdient. Das wäre für mich eine alltägliche und normale Selbstverständlichkeit, eine schöne Geste. Für eine Auszeichnung sehe ich da aber noch keinen Anlass.

Liebe Grüße
Torsten

paule t.
paule t.
10 Jahre zuvor

@ #15 | Torsten Dirk
„Alle anderen fallen hinten runter, alle anderen Lebensgemeinschaften, die in unserer Gesellschaft Gemeinschaften bilden und die für einander (auch finanziell, aber auch moralisch,sozial stützend) einstehen.“

Gibt es für die Behauptung, dass Jung anderen dauerhaften, füreinander einstehenden Lebensgemeinschaften nicht positiv gegenüberstünde, irgendeinen Beleg?

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