Nein, das hatte man sich in Reihen des FC Schalke 04 sicherlich ganz anders vorgestellt! Nach einer selten peinlichen Abstiegssaison, trennten sich die Wege der Gelsenkirchener Profikicker und der 1. Fußball-Bundesliga im Mai nach rund 30 Jahren wieder einmal.
Wie ein Klub, der noch zwei Jahre zuvor (im Sommer 2018) ausgelassen über die Vizemeisterschaft jubeln durfte, auf eine solch dramatische Art und Weise (durch eine lange sportliche Durststrecke ab Januar 2020) in große Not geraten ist, das suchte in der Geschichte der Liga seinesgleichen. Dass es ausgerechnet die traditionsreichen Schalker waren, die Erinnerungen an die historisch schlechten Fußballer von Tasmania Berlin weckten, war vielen im Revier in der Vorsaison über Monate hinweg sehr peinlich.
Als das Umfeld letztendlich nach und nach akzeptierte, dass der Abstieg ihrer Lieblinge unabwendbar war, fügte man sich in Gelsenkirchen notgedrungen in sein Schicksal, schmiedete aber rasch Pläne für ein schnelles Comeback ins Fußballoberhaus. Der Schmerz, er sollte möglichst rasch weichen.
Kontakte zu Ralf Rangnick wurden bekannt. Dieser sollte den Verein mit seiner Erfahrung und seinen Kontakten zurück zu altem Glanz führen. Doch der ehemalige Coach der Knappen zierte sich lange, entschied sich am Ende gegen eine Rückkehr ins Ruhrgebiet.
Auch andere gehandelte prominente Namen gaben den Königsblauen dem Vernehmen nach einen Korb. Am Ende blieb den Schalkern nur Coach Dimitrios Gammozis, der in der Endphase der Saison 2020/21 wenig Aufbruchsstimmung verbreiten konnte, der andernorts krachend gescheiterte Peter Knäbel und als Neuzugang in der Führungsebene auch nur der einst im fußballerisch eher ‚kleinen‘ Mainz für zu ‚schwach‘ erachtete Rouven Schröder. War das wirklich das Führungsteam, dass den großen Traditionsklub zurück unter die besten Teams des Landes führen könnte?
Inzwischen sind auch schon wieder vier Spieltage in der Spielzeit 2021/22 in der 2. Liga absolviert. Ganze vier Zähler konnten die Königsblauen bisher einfahren. Mit einem einzigen Dreier rangieren die Gelsenkirchener aktuell auf Rang 13 in der Tabelle. Ein Sieg aus vier Auftritten? Das ist sicherlich weit entfernt von den Vorstellungen, die viele Fans vor Saisonstart hatten.
Wer sich die vier Begegnungen der neu formierten Schalker Mannschaft in voller Länge angesehen hat, der wurde dabei zudem auch nur mäßig unterhalten. Insbesondere das 1:4 am vergangenen Wochenende bei Jahn Regensburg war meilenweit von dem entfernt, was ein Aufstiegskandidat zeigen muss. Kein Kampf, kaum Leidenschaft. Auswärts bei einem vermeintlichen ‚No-Name‘ des Unterhauses so unterzugehen, das schmerzte einmal mehr alle, die mit dem Traditionsverein aus dem Pott fiebern.
Klar, es sind auf der anderen Seite halt auch erst vier Auftritte absolviert. Die anderen großen Namen in der Liga stehen in der Tabelle derzeit kaum besser da. Bremen ist aktuell Neunter, der HSV Siebter. Doch genau das ist das Problem. Ein großer Name zählt in Liga 2 seit Jahren kaum etwas.
Aufgestiegen sind in den Vorjahren vielfach regelrechte Fußballzwerge, deren Kader in erster Linie über die Geschlossenheit und den Teamgeist kommt. Nicht zuletzt deshalb stiegen in den vergangenen Jahren häufig eben wirtschaftlich kleine Klubs wie Union Berlin, Fürth, Bielefeld oder auch der VfL Bochum auf. Von ihrem gigantischen Potenzial können sich vermeintlichen Fußballriesen wie Schalke, Bremen und der HSV halt wenig kaufen, wenn sie die entsprechenden großen Leistungen nicht konstant auf den Platz bringen.
Keine einfache Situation also, in der sich die Schalker da aktuell befinden. Ihr neu zusammengebastelter Kader ist weder qualitativ überragend noch eingespielt. Und auch wenn der Saisonausausgang im kommenden Mai zu dieser Jahreszeit noch völlig offen ist, die Beispiele Kaiserslautern und 1860 München zeigen, wie schnell es im Fußball sogar weiter abwärts, in die sportliche Bedeutungslosigkeit gehen kann.
Ist die Saison 2020/21 bei den Schalkern also bisher auch eine große Enttäuschung, langweilig ist sie nicht. Und das wird sie in den kommenden Monaten auch nicht werden. Dafür sorgt schon ihre große Bedeutung für die wirtschaftliche Zukunft des angeschlagenen Klubs. Der taumelnde Fußball-Riese, er steht (vielleicht sogar mehr denn je?) am Scheideweg!
Das einzig Bemerkenswerte an diesem Desaster-Fußball: Er harmoniert hervorragend zum Gesamtbild der Stadt, in dem er – im Gegensatz zu den Spielern – beheimatet ist. Statt Mythos, nur noch heisse Luft. Statt Arbeit, kein Zusammenhalt. Aber selbst wenn Schalke bald Drittliga spielt, wird der Veein mehr Artikel in den Gazetten füllen, wie der aufgestiegende Vfl Bochum.
Selbst wenn Fußball die unwichtigste Sache der Welt ist, ist mir Bochum dann doch lieber.
@1: Das ist in der Tat eine spannende Frage, wie ich finde. Wird das Interesse am FC Schalke 04 auf Dauer wesentlich größer sein als das z.B. am VfL Bochum? In der Vergangenheit war es auch hier im Blog immer so, dass Texte über den BVB und Schalke deutlich mehr Interesse bei unseren Lesern hervorgerufen haben. Das war/ist ja auch nicht überraschend, wenn man die Fußballandschaft etwas kennt. Generell liefen Texte zur Nationalmannschaft und zur 1. Liga deutlich besser als zur 2. Liga oder auch zu anderen Sportarten. Wird das nach dem Abstieg der Schalker so bleiben? Auch dann, wenn die Schalker nicht nur in dieser Saison zweitklassig spielen müssen? Ich bin gespannt und beobachte das mit großem Interesse…. Der Bundesliga hatte es vor Corona ja insgesamt trotz aller Unkenrufe nicht geschadet, dass Klubs wie Hoffenheim, Wolfsburg und Leipzig eine feste Rolle übernahmen, einige alte Traditionsklubs dafür absteigen mussten. Die Zahlen der Liga waren immer noch top, in vielen Bereichen sogar besser als früher. Aber der Abstieg der Schalker ist natürlich ein Sonderfall, besonders hier im Ruhrgebiet.
#2. Das kann man natürlich jetzt bis zum Sanktnimmerleinstag psychologisieren. Schalke als Gelsenkirchen-Kennerin ist oder besser war subjektiv ein Ersatz für Erfolg in einer armen Stadt, gepaart mit dem Trugschluss, dass "Arm und Reich" wenigstens im Stadion zusammen stehen. Das war spätestens mit der Gallionsfigur Assauer vorbei. Gewohnt haben auch da bereits die meisten Spieler schon in Düsseldorf. Der Reiz der Extreme zwischen Abstieg und Aufstieg war in GE schon immer härter als woanders. Nicht nur im Fußball.
Wenn der Verein das jetzt nicht mal mehr in der zweiten Liga schafft, gibts aber vielleicht auch eine Chance, sich mit dem realen Leben zu beschäftigen und sich nicht mehr damit herauszureden: Wenigstens den Fußball ham wer noch! Aber solange sämtliche Gelsen-Politiker/innen immer noch den Schal hilflos um den Hals tragen…
Bochum als "graue Maus" kann da viel entspannter mit umgehen. Anfang und Ende eines Mythos gebären und sterben ja auch nicht von heute auf morgen.
@ Autor: "Der taumelnde Fußball-Riese, er steht (vielleicht sogar mehr denn je?) am Scheideweg!"
Eher auf tönernen Füßen. Um mal in der Bildsprache zu bleiben: Ohne Tönnies, ohne das Traditionsvereingerede und die Märchen vom zwölften Mann; ohne die Schönfärberei (Das eine Tor gegen Real war wichtig!) zeigt sich, daß der Kaiser wohl nackt ist. Und böse lächelnd dräut am Horizont die dritte Liga mit den Traditionsvereinen Waldhoff, MSV, FCK,…. Und noch tiefer winken die ehemaligen Vizemeister und Erstligisten.
@DAVBUB Nicht nur Vizemeister /Gründungsmitglied der BL/ Erstligist. Da hat doch gerade ein ehemaliger deutscher Meister und Pokalsieger gegen einen SV Straelen oder so deutlich verloen-da in Liga 4. Da kann einem schon schlecht werden. Und die Mannschft,die den BVB 49 im Endspiel schlug, läuft heuer noch tiefer auf.
[…] engagiert und motiviert präsentierten sich die Königsblauen an diesem Abend und ließen damit den peinlichen 1:4-Auftritt in Regensburg aus der Vorwoche kurzzeitig vergessen, zeigten die von Trainer Dimitrios Grammozis in der vergangenen Trainingswoche […]