Warum eine Philosophie der menschlichen Kognitionen?

Engine Hedda – Public Domain

Engine Hedda (AutorenVerlag Matern) beschäftigt sich derzeit mit einer Philosophie der Kognitionen. Ich habe Sie gebeten, darüber etwas für die Ruhrbarone zu schreiben:

Psychische Vorgänge sind jeweils körperinnere Vorgänge, die erlebt werden – oder auch nicht. Das innere Erleben, ob von Sprache, Sachverhalten, Musik, Bildern, Gegenständen oder Phantasien fasse ich sprachlich als Bewusstsein. Um nicht in die Gefahr zu geraten, in das traditionelle Gebiet des ‚Denkens‘ einzubrechen, das philosophisch zumeist auf sprachliches Denken reduziert wird, nutze ich ein anderes Wort: Kognition(en). Den bisherigen Annahmen nach wären Kognitionen also bewusste Erlebnisse, von was auch immer.
Beobachtet wurden jedoch auch nicht-bewusste Vorgänge im Körperinneren von Menschen. In diesem Kontext wäre zwischen erlebbaren und nicht-erlebbaren Vorgängen von Probanden zu unterscheiden, letztere sind physiologisch relevant, eventuell als Bedingung von Erlebnissen, erstere haben es hingegen nicht bis zu einem bewussten Erleben geschafft, aus welchen konkreten Gründen auch immer: die Zeit kann z.B. zu kurz gewesen sein, oder es können sich psychische Routinen individuell entwickelt haben, die Bestimmbares ausblenden / umgehen, ob z.B. aus Unkenntnis oder aus einem Nichtgefallen.
Die grundsätzlich erlebbaren pychischen Vorgänge integriere ich in die Menge von Kognitionen als nicht-bewusste, die bloß physiologischen Vorgänge scheiden hingegen aus. Durch diese Differenzierung bleibt die Menge an Kognitionen, auf die ich mich in meiner Kognitionsphilosophie beziehe, grob abgegrenzt, wird nicht zu einem unübersichtlichen Sammelbecken.
Die vorgestellten Diktionen erlauben einen weitreichenden Verzicht. Worte ‚Geist‘ und ‚mental‘ werden entbehrlich, Worte ‚Kognitionen‘ sind hingegen an tatsächliche oder potentielle innere Erlebnisse, u.a. von Sprache oder Musik, gebunden. Worte ‚Geist‘ können suggerieren, dass man es mit einer wie auch immer individuell geformten Ganzheit zu tun hat, die tatsächlich erst im jeweiligen Fall nachzuweisen wäre, verweisen eventuell auch in eine Steinzeit des religiösen oder des esoterischen Glaubens. Worte ‚mental‘ waren und sind ihreseits nicht selten an Geistannahmen gebunden. ‚Innere Erlebnisse‘, ob tatsächlich oder potentiell, die mittels ‚Kognitionen‘ in die Diskussion kommen, halte ich in diesem Kontext für weitaus konkreter und angemessener.

Ich bin eine philosophische Maschine, beabsichtige philosophisch Kognitionen zu behandeln, nicht eine Psychologie oder eine Geisterwissenschaft. Auch auf phantasierte Denkbewegungen, wie sie in der alten Bewusstseinphilosophie als angeblicher Bezug üblich waren, kann ich leicht verzichten. Durch den Primat von ‚inneren Erlebnissen‘, stellt sich promt die Frage, Erlebnisse von was? Die angestrebte Kognitionsphilosphie hat rasch zu den jeweiligen Sachen und ihren jeweiligen Organisationen in Menschen zu finden. Letztendlich wird die jeweilige materiale Verknüpfungsleistung eine zentrale Rolle spielen, die – u.a. sprachlich, musikalisch – individuell als auch in der Masse erfolgt. Das bekundete Interesse wäre nicht nur von einzelnen Probanden, sondern auch von statistischen Erhebungen abhängig.
Die Konzentration auf innere Erlebnisse führt jedoch zu methodischen Problemen. Zugänglich sind solche lediglich den Erlebenden; auch wenn jemand über seine Erlebnisse berichtet, kann einem Zuhörer unklar bleiben, was und was in welcher Weise erlebt wurde. Die Sprache bietet keine Sicherheit. Ein Verstehen von Äußerungen ist abhängig von den Erfahrungen desjenigen, der zu verstehen versucht. Es wäre ein Leichtes, völlig aneinander vorbei zu reden, sogar dann, wenn tatsächlich geglaubt wird, zu verstehen. Ein Glaube reicht nicht aus, wissenschaftlich zumindest nicht. Im alltäglichen Umgang erleichtern häufig die jeweiligen praktischen Situationen ein Verstehen, zumindest soweit dies praktisch erforderlich ist. Gewonnen ist damit jedoch nicht viel. Es erläutert lediglich, weshalb die Praxis unter Menschen relativ häufig funktioniert.
Von Forschern ist etwas anderes Relevantes, ein Kontext erst zu schaffen, in dem sprachliche Äußerungen ein Verstehen erleichtern können. Mit einem einzelnen Wort kann niemand etwas anfangen. Die sprachliche Bedeutung kann ungewiss bleiben, und handelt es nicht lediglich um eine funktionale, grammatische Vokabel, ist auch ein möglicher Bezug im Dunkeln. Es bedarf eines holistischen Gebildes, das sich jedoch kaum abgrenzen lässt. Es hat sogar offen zu bleiben, um neue Interpretationen zu ermöglichen. Schlichte Definitionen, die gar nicht selten beliebig erfolgen, auch innerhalb der Fachliteratur, würden hingegen nicht weiterhelfen. Gefragt werden kann aber nach Angemessenheit von Worten, sowohl logisch als hinsichtlich eines möglichen Bezugs. Antworten sind jedoch nur in Kontexten gebbar.
Möglichen Probanden kann die Sprache und Perspektive von Forschern weitgehend unklar bleiben, ihre Schilderungen unabhängig davon erfolgen. Ein gegenseitiges Missverstehen ist nicht unwahrscheinlich.
Innere Erlebnisse zu behandeln, evoziert die Frage, Erlebnisse von was. Diese Sachlichkeit von Erlebnissen mahnt daran, nicht nur kognitiv aufmerksam zu sein, sondern auch die jeweilige Sache zu berücksichtigen, ob z.B. Sprache oder Musik. Mit jemandem über Musik zu sprechen, der keinerlei Ahnung von dieser hat, lediglich eine Beschreibung von Gefühlen einbringen könnte, wäre kaum ergiebig. Man könnte ebenso einen Analphabeten nach seinen literarischen Präferenzen fragen. Leider sind in der westlichen Hemnisphäre besonders die Kenntnisse von Künsten wenig ausgeprägt. Viel mehr als ein paar beliebige Emotionen wird unter man Menschen kaum entdecken.
Warum also wäre eine Philosophie der Kognitionen interessant, wenn letzlich nur etwas angewandte Psychologie und Neurologie zum Tragen käme? Sie könnte in der nachbürgerlichen Welt ein Mittel der Aufklärung sein …

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