Wie muss unser Land wirtschaften und wann müssen sie den Bürgern Rechenschaft für ihr Tun abliefern? Politiker und Ökonomen sind seit jeher uneins darüber – und schwanken mit ihren Meinungen dazu. „Grundsätzlich sollte ein Staat solide wirtschaften und die Verschuldung begrenzen.“ Das sagt Manuel, der sich auf Instagram ›Sparbuchfeinde‹ nennt – und mit Wissen und Expertise Meinungen zu finanzpolitischen Ereignissen verbreitet.
Wie jeder Betrieb habe sich ein Staat vor hohen Schulden zu hüten, wolle er keine Pleite riskieren. Was ist daran richtig und was gehört eher ins Reich des gefährlichen Halbwissens? Manuel antwortet: „Da wir in Europa mittlerweile faktisch Eurobonds haben, sehe ich nicht, wieso sich Deutschland zurückhalten sollte. Es ergibt keinen Sinn zu sparen, während in Frankreich und Italien weiter Schulden gemacht werden und wir irgendwann für alles haften müssen.“ Eurobonds sind europäische Staatsanleihen, bei denen die Staaten der Eurozone gemeinsam Geld an internationalen Finanzmärkten aufnehmen und für diese Schulden gemeinschaftlich für Zinsen und Rückzahlung haften.
Mit Finanzen kennt Manuel (seinen Nachnamen möchte er nicht nennen) sich aus. Er ist 32 Jahre alt, von Beruf ist er strategischer Einkäufer in einem DAX-Konzern. Nach der Ausbildung zum Industriekaufmann folgte ein Bachelor- und Masterstudium für Betriebswirtschaftslehre in Deutschland und England. „Ich war lange reiner Konsument von irgendwelchen Internetseiten. Irgendwann habe ich mit Sorge beobachtet, dass immer mehr Amateure irgendwelche Accounts eröffnen und dort gehypte Einzelaktien oder Krypto-Währungen bewerben.“
Ihm war sehr schnell klar, dass „Privatanleger Schaden nehmen werden.“ Als BWLer mit Master-Abschluss und mehr als zehn Jahren Börsen- und Berufs-Erfahrung hatte Manuel eine andere Intention: „Ich wollte es besser machen und seriösen Finanz- und Wirtschaftspolitik-Content anbieten. Gleichzeitig wollte ich auch auf politische Missstände hinweisen, wie etwa die massive Besteuerung von Arbeitnehmern in Deutschland, die den Vermögensaufbau für weite Teile der Mittelschicht extrem schwierig macht.“
Untere und mittlere Einkommen müssen steuerlich entlastet werden
Haushalte mit einem hohen Einkommen profitieren nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) deutlich stärker von den bereits erfolgten (und noch geplanten) Entlastungsmaßnahmen, als Haushalte mit einem geringen Einkommen. Das berichtete die Funke-Mediengruppe Mitte Oktober unter Berufung auf die ihr vorliegenden Berechnungen. Wie könnte man hier mehr Gerechtigkeit walten lassen? Manuel überlegt kurz und holt dann aus: „Die Steuern- und Abgabenlast für untere und mittlere Einkommen müssen sinken. Beispielsweise darüber, dass der Steuerfreibetrag auf 20.000 Euro pro Jahr erhöht wird. Das ist eine einfache Lösung, die vermeidet, dass Haushalte mit geringem Einkommen gegen Haushalte mit hohem Einkommen ausgespielt werden.“
So viel zur Steuer-Belastung und Entlastung. Aber warum ist in Deutschland nie genug Geld zur Hand, um beispielsweise die Armut zu beenden oder so etwas wie Bildungsgerechtigkeit zu schaffen? „Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem.“ Die Antwort vom ›Sparbuchfeinde‹-Macher überrascht. Er erklärt: „Der Großteil des Bundeshaushalts geht für die Umverteilung drauf. Dieses Geld fehlt für Bildungsausgaben. Dinge wie, ein neues Kanzleramt für 770 Millionen Euro und andere Prestige-Objekte, sollten viel besser überdacht werden.“
Eine Mehrheit im Bundestag hat die Einführung des Bürgergelds und die Erhöhung der monatlichen Zahlungen beschlossen. Ist das eine gute oder schlechte Nachricht? Für Manuel liegt dieser Fall klar auf der Hand: „Das Bürgergeld ist ein Schlag ins Gesicht für alle Bezieher niedriger Einkommen. Diese Menschen werden sich berechtigterweise fragen, wieso sie eigentlich noch arbeiten gehen sollen.“ Seinen Lösungsansatz betont er dann nochmal: „Es würde helfen, die Steuerfreibeträge für niedrige Einkommen zu erhöhen.“
„Der Großteil des Bundeshaushalts geht für die Umverteilung drauf.“ Richtig. Damit das aufhört, muss eine Vermögenssteuer her. Und wenn das „Bürgergeld“ ein „Schlag ins Gesicht für alle Bezieher niedriger Einkommen“ sein soll, empfehle ich die Erhöhung der bislang niedrigen Einkommen. Ist doch einfach.
Gruß aus Köln
Rudi
„Der Großteil des Bundeshaushalts geht für die Umverteilung drauf.“ Die Länder tragen den Großteil der Bildungsausgaben; 2021 rund 12 gegen rund 117 Milliarden Euro.
Wenn es um Halbwissen geht, ist Manuel Sparbuchfeind aber auch ganz vorne dabei.
Eurobonds bedeuten ja nicht, dass die Bundesrepublik Kredite, die Frankreich aufnimmt voll oder nur anteilig für Frankreich zurückzahlen muss. Wer so etwas suggeriert, verbreitet Fakenews. Nur wenn Frankreich zahlungsunfähig würde, müsste Deutschland mit den anderen Eurobond-Ländern für einen Ausfall mithaften. Das ist im Falle Frankreich aber äußerst unwahrscheinlich.
Und auch der Tanz um die schwarze Null hat eher etwas mit Woodo und Aberglaube zu tun oder mit dem wirtschaftlichen Unwissen der imaginären schwäbischen Hausfrau als mit Wirtschaftswissenschaften. Wer glaubt, man könne eine Gesellschaft, die vor mehreren tiefgreifenden Veränderungen steht, mit den nicht vorhandenen Euros aus dem Sparstrumpf finanzieren, der ist entweder naiv oder verfolgt Ziele, die nicht der Mehrheit der Bevölkerung zugute kommen.
Wenn wir eine gute Bildungspolitik als Gesellschaft auf die Beine stellen wollen, müssen wir dafür entweder in anderen Bereichen Entbehrungen in Kauf nehmen, so wie viele Familien unter Verzicht in die Bildung ihrer Kinder investieren oder man muss, so wie es z. B. in vielen angloamerikanischen Staaten üblich ist, Kredite aufnehmen, um die Bildung der Kinder zu finanzieren. In den allermeisten Fällen zahlen sich der Verzicht oder Kredite dann später aber aus und übertreffen die zuvor gezahlten Zinsen.
Da unsere Gesellschaft aber große Probleme auch mit der Generationengerechtigkeit hat, wurde der Verfall der Schulen von vielen einfach in Kauf genommen.
Es gibt einen Spruch, der lautet: „Wer nichts wird, wird Wirt. Und ist ihm das auch nicht gelungen, macht er in Versicherungen.“
In der Gastronomie sind viele Aushilfen ohne zugehörige Ausbildung zu außerordentlichen Arbeitszeiten tätig. Die Löhne sind unattraktiv. Die Arbeitgeber haben das Geschäftsrisiko an die Arbeitnehmer ausgelagert. Nach Corona gab es die Quittung für hire and fire. Von Fachkräften zu sprechen, obwohl Aushilfen gemeint sind, ist schlicht bewusste Irreführung.
Im Übrigen finde ich das Angebot eintönig. Es gibt zu viele Dönerbuden. Wer in Weltstädte wie Amsterdam fährt, sieht anderswo eine größere Produktpalette. Aber dafür bräuchte es Hintergrundwissen. Die Unterfinanzierung im Bildungswesen ließe sich mit angemessenen Steuern auf das Kapital gegenfinanzieren. Insbesondere leistungsloses Einkommen, sprich Erbschaften, könnten mehr zur Gemeinwesen beitragen als gegenwärtig.