Gleich vorweg: Ich achte den Glauben an Gott, denn er scheint vielen Menschen ein wichtiges Bedürfnis zu sein. Ein Bedürfnis das es offensichtlich völlig unabhängig davon gibt, ob Gott existiert oder nicht. Ein Bedürfnis dessen Befriedigung diesen Menschen spirituelle Orientierung, geistige Werte, emotionalen Trost und nicht zuletzt auch eine sie tragende soziale Gemeinschaft bietet.
Ich habe solche Anliegen auch, aber ich brauche zu ihrer Befriedigung kein höheres Wesen und keinen höheren Sinn. Ich lehne es deswegen ab, an welchen Gott auch immer zu glauben. Die Existenz oder Nichtexistenz eines solchen Wesens ist für meine Lebensführung schlicht irrelevant. Besser gesagt habe ich andere Bezugsgrößen die mir Werte setzen und geistige Orientierung geben, und ich habe darüber hier schon des Öfteren ausführlich und – auf Grund der gegensätzlichen Meinungen – auch heftig diskutiert. Mit gläubigen wie mit nichtgläubigen Menschen.
Es war mir jedoch leider nicht immer möglich, so gelassen und fair zu bleiben, wie es diesem Thema angemessen ist. Deswegen bin ich froh bei Youtube ein Video gefunden zu haben, in dem Jemand meine Position in einer Weise darzustellen in der Lage ist, die eine tragfähige Basis für weitere diesbezügliche Diskussionen in diesem Blog bieten könnte.
Wer also eine Stunde Zeit hat, sollte sich diese Folge der Fernsehserie „ Sternstunden der Philosophie“ zu Gemüte führen. Bei dieser Gelegenheit nochmal Dank an alle, die sich hier zusammen mit mir zum Thema Glaube und Religion immer wieder die Köpfe heiß geschrieben haben.
Ja, lieber Arnold, mehr selbstbewusst-gelassene „Atheisten“ sollten in die öffentliche Diskussion eingreifen. Mir selbst gefällt jedoch der Begriff „Atheist“ überhaupt nicht, weil er (oder jene, die den Begriff benutzen) mich negativ zu stigmatisieren versucht. Wie soll ich aber eine von Menschen erfundene Figur wie „Gott“ negieren? Ich setze mich damit auseinander als kulturhistorische Erscheinung eines tradierten Aberglaubens-Systems, das immer noch Allmachtsphantasien durchzusetzen versucht, mit denen es über „Glauben“/Glaubenszwänge die Entwicklung von Individuen und Gesellschaften rigide einzuschränken versucht.
es ist schon komisch „Atheist“ zu sein. Man definiert sich ja nicht darüber. Ich sehe mich auch nicht als Aesoteriker, nur weil ich auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnis Entscheidungen über Nutzen oder Realität treffe.
Um mich eben nicht so zu definieren, bin ich offiziell Pastafarian. Das macht für mich die ganze Sache auch erträglicher.
Als Barbara Steffens ankündigte, Esoterik als Gesundheitsministerin zu fördern, gabs zurecht öffentlichen Aufschrei… noch blieb es bei der Ankündigung… anders bei Religion, wo die christlichen Kirchen mit meinen Steuerngeldern zugeschmissen werden. Ihren Glauben in Schulen und Universitäten verbreiten dürfen…
ich bin so gelassen, dass das nicht mein Blut in Wallung bringt. Aber nicht so gelassen, dass ich das nicht bei jedem Artikel zur Religion kommentieren müsste. Entweder jegliche Religion so fördern oder noch besser keine. Erst dann werde ich tiefenentspannt bei Religionen sein.
Danke, Arnold, für den Hinweis.
Eine meiner Töchter nebst Lebenspartner sind „bekennende Agnostiker“, insofern ist auch familienintern gewährleistet, daß der Disput über die Existenz Gottes, eines Gottes, über Christentum,Katholizismus nicht zum Erliegen kommt.
Der Disput hat bisher in keiner Weise, zu keiner Zeit, aus keinem Anlaß unser liebevoll – freundschaftliches Miteinander gefährdet;warum auch.
Zu dem Thema ein aktueller Beitrag bei Ahoi Polloi:
https://ahoipolloi.blogger.de/stories/2214286/
Spannende Sendung! Ich kann allerdings als evangelischer Pfarrer den Argumentationssträngen von Schmidt-Salomon zu einem gewichtigen Teil zustimmen. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse müssen sich nicht mit dem Glauben an eine schöpferische Kraft widersprechen. An Gott als ein außerweltliches personales Wesen glaube ich persönlich auch nicht und predige einen solchen Glauben heute auch nicht mehr (auch wenn er sich durch einen Großteil der jüdischen, islamischen und christlichen Theologiegeschichte zieht). Schon die Mystiker haben aber ein vielfach anderes Verständnis von „Gott“ gehabt. Ein säkularer Glauben ist möglich. Religionseinrichtungen, auch der Kirche als Institution stehe ich selbstkritisch gegenüber. Wenn sie aufhört, Glaubensüberzeugungen als allgemeingültige „Wahrheiten“ mit Absolutheitsanspruch zu verkünden, dann wird sie auch wieder glaubwürdiger. Wie Schmidt-Salomon formuliere ich es für mich so, dass auch meine Überzeugungen und die der Kirche fehlerhaft sind und wandelbar sein müssen (stets reformbedürtig sind). Das Bewusstsein und das Wissen der Menchen hat sich erweitert. Alte Bilder, Vorstellungen und Mythologien tragen nicht mehr. Wir brauchen heute ein Verständnis „Gottes“ als evolutionärer Kraft und Energie, die selbst wandelbar ist. Das bezieht das gesamte Universum (oder die „Universen“ mit ein), auch die Akzeptanz, dass es außerirdisches Leben geben kann (und vermutlich geben wird).
Gerne bin ich bereit, darüber einmal mit Vertretern des „neuen Atheismus“ in der Pauluskirche in Dortmund oder auch einem „neutralen“ Ort öffentlich zu diskutieren.
@ Friedrich Laker #5
„Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein missbrauchtes Wort“
Arthur Schopenhauer, „Parerga und Paralipomena I“, 1. Teilband (S. 131 im Diogenes-Taschenbuch)
@ TuxDerPinguin
Dass in Deutschland die Trennung von Staat und Kirche keineswegs vollzogen ist, geht auch mir gegen den Strich. Krankenhäuser z.B habe nichts in der Hand der Kirchen/Religionen zu suchen. Erst recht nicht wenn sie zu 100% vom Staat finanziert werden. Bischöfe z.B. sollen die finanzieren, die zu deren Kirche gehören, und nicht der allgemeine Steuerzahler. Kirchliche Kindergärten ebenfalls. In den Schulen sollte es Ethik statt Religionsunterricht geben. Mit einem Satz: Religion hat Privatsache zu sein.
Aber der Gottesglaube selbst hat die Achtung auch derer verdient, die wie ich, nicht glauben. Vorausgesetzt allerdings, dass in und mit diesem Glauben nicht die allgemeinen Menschenrechte verletzt werden. Respekt ist nun mal keine Einbahnstraße und wer heutzutage aus Glaubensgründen die Menschenrechte mit Füßen tritt, der geht meines Respektes verlustig. Ebenso der, der meinen Unglauben nicht achtet oder als moralischen oder sonstwelchen Mangel abqualifiziert.
Weder der gläubige noch der ungläubige Mensch ist der bessere Mensch. Entsprechend darf es weder für den einen noch den anderen Sonderrechte geben. Das ist für mich die Gundvoraussetzung des gegenseitigen Respekts und des fairen Dialogs und damit auch die gesellschaftliche Basis der Religionsfreiheit. Die Freiheit der religiösen Entscheidung ist nämlich unabdingbar damit verknüpft, dass jeder Mensch selber die Wahl trifft bzw. treffen darf, ob er an Gott glaubt oder nicht.
@ Gerd Herholz
Ich sehe das mit dem Begriff ähnlich wie du. Aber ich habe die gegenteilige Schlussfolgerung daraus gezogen. Die, die nichtgläubige Menschen als Menschen zweiter Klasse ansehen, tun das so oder so. Die die Atheismus mit Nihilismus verwechseln, muss man über den Unterschied aufklären. Für die, die es absichtlich tun, gilt das was für die Gläubigen gilt, die sich per se für die besseren Menschen halten.
Es gilt den Begriff des Atheisten wieder von der Stigmatisierung zu befreien und das tut man am besten wenn an ihn wieder benutzt bzw. sich so nennt, wenn man nicht an welchen Gott auch immer glaubt. Es gilt den Menschen klar zu machen, dass weder der Faschismus noch die sowjetische Diktatur atheistisch waren. Es waren vielmehr Ersatzreligionen die sich des tiefen menschlichen Wunsches nach Glauben und Führung/Orientierung bemächtigt haben um eine neue Herrschaft zu errichten.
Atheismus hat aber für mich nichts mit Herrschaft zu tun. Er ist für mich vielmehr ein Grundbestandteil der Religionsfreiheit. Die Freiheit der Religion ist sowohl die Freiheit sich für welchen Gott auch immer entscheiden zu dürfen als auch die Freiheit jede Art von Gottesglauben für sich selbst abzulehnen. Sie enthält nicht nur die Freiheit für den Glauben sondern auch die Freiheit vom Glauben. Atheismus ist also genauso ein Menschenrecht wie der Theismus, und das ganz unabhängig von der Frage ob es einen Gott gibt oder nicht.
@ Andreas #6
Klingt gut. Aber nur der der genau und sicher weiß ob es Gott, in welcher Form und Pluralität auch immer, gibt, könnte diesen Satz auf seine Richtigkeit überprüfen.
@ Arnold Voss #9
Das vollständige Zitat lautet so:
„Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein missbrauchtes Wort, ein Unbegriff, eine contradictio in adjecto, ein Schiboleth für Philosophieprofessoren, welche, nachdem sie die Sache haben aufgeben müssen, mit dem Worte durchzuschleichen bemüht sind.“
Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena I, Fragmente zur Geschichte der Philosophie, § 13 Noch einige Erläuterungen zur Kantischen Philosophie
Schopenhauer lässt sich vereinfachend so zusammenfassen, Zitat Wikipedia:
„Arthur Schopenhauer (1788–1860) kritisierte ‘Pantheismus’ als ‘Euphemie für Atheismus’“
Und Friedrich Laker präsentiert in Kommentar #5 eine Form von „Pantheismus“, also letztlich „Atheismus“, wenn man Schopenhauer folgt.
Ich habe mein ganzes Leben lang auf übelste Art über den christlichen Glauben gelästert. Den armen Gemeindepfarrer fast zur Verzweiflung gebracht. Nie hat mir jemand auch nur den geringsten Vorwurf der Intoleranz oder gar Hetze gemacht. Vor einigen Jahren habe ich dann mal das Thema gewechselt, auf einmal ist alles anders. Komische Welt.
Hat was gedauert, bis ich die Stunde Zeit hatte mir das anzuschauen.
Bei zwei Punkten kann ich Schmidt-Salomon zustimmen:
1. Mit Philosophie und Kunst und Wissenschaft kann man für sich persönlich erreichen, was Religion (meistens?) erreichen möchte/sollte.
2. ab 56:39
Den Rest halte ich für erstaunlich schwach für einen Philosophen, wobei man ihm zugute halten kann, daß Fernsehen für Philsosophie nur sehr begrenzt ein taugliches Medium darstellt.
Trotzdem, die Moderatoren haben brav die Stichworte zur Darstellung seiner Position geliefert und er hört sich eher platt und unvorbereitet an. (Wenn er z. B. über den Unterschied von Handlungsfreiheit und Gedankenfreiheit spricht, sollte er vielleicht vorher mal seinen Standpunkt zu libertas und arbitratus klarstellen, bevor er die zeitgenössische Philosophie runterputzt. Seine Definition von Religion ist willkürlich und handgestrickt und nicht auf dem Stand der Wissenschaft. Wieso läßt er sich ein gut Teil seiner Zeit über Marketingstrategien aus? …)
Historisch ist er sogar von einer erstaunlichen Ahnungslosigkeit, die man als antiwissenschaftlich bezeichnen kann (Deschner als Historiker anzudienen ist ein Witz). Nicht nur an dieser Stelle zeigt sich Schmidt-Salomon (und mit ihm die GBS) eher als Anhänger sektirischer Verschwörungsphantasien, denn als Aufklärer. (Darum konnte ich auch mit einer gewissen Erheiterung sein Eiermodell der Gesellschaft zur Kenntnis nehmen, auch wenn der Befund als solcher eher beunruhigend wirkt.) Man kann also konstatieren, daß er meinen 1. Punkt der Zustimmung selbst bestenfalls in Teilen erreicht hat.
Recht hat er darum wieder mit dem Satz, „Wir brauchen Aufklärung“.
Nur kann nach meinem Dafürhalten mit „Aufklärung“ heute keinen Zustand mehr beschreiben den man erreicht, sondern nur als einen Prozeß in dem man sich fortlaufend befindet, an dem man fortlaufend aktiv teilnimmt und ihn sogar durch öffentliche Frage- und Infragestellung mitgestaltet.
Eine Sternstunde der Philosophie war diese Sendung m. E. jedenfalls nicht.
In der Pauluskirche in Dortmund planen wir für den 10. Oktober 2013 ein philosophisches Forum: ein Abend, an dem der Pfarrer der Gemeinde mit einem Atheisten, einer Philosophie-Lehrerin und einem Buddhisten über die Frage spricht, ob der Glaube „noch Berge versetzt“, also noch relevanz für unser Leben hat. Es soll eine freie Diskussion sein, die mehr Fragen stellt als fertige Antworten gibt, in der sehr unterschiedliche Positionen gleichberechtigt nebeneinander stehen. Ein Moderator führt durch den Abend. Meinungen des Publikums werden genauso aufgenommen wie die über Facebook, Twitter und Mail. Es sollen u.a. viele junge Leute erreicht werden (durch die Zusammenarbeit mit Philosophie-Kursen an Gymnasien, Gesamtschulen, Berufsschulen, Uni). Es ist ein öffentlicher Abend. Wir suchen noch einen Vertreter für die atheistische Position, der auf dem Podium mitdiskutiert. Hat jemand eine Idee und einen Vorschlag? Bitte Kontakt zu mir aufnehmen: friedrich.laker@pauluskircheundkultur.net