Die Katastrophe in Duisburg ist ein verdammt trauriger Anlass sich über die unheilige Allianz von Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn auszulassen. Aber diesbezüglich steht die Stadt am westlichen Rand unseres Ruhrgebietes für die ganze Städteregion, und deswegen ist dieses Desaster unser aller Desaster. Egal ob die Spitze der Kulturhauptstadt das so sieht oder nicht.
Es ist die ewige Tonnenideologie, die Magie der großen Zahl, die schon das alte Ruhrgebiet so berühmt gemacht hat und die uns jetzt in der grauenhaften Form von 21 Toten auf die Füße gefallen ist. Niemand hat diese gewollt. Auch Adolf Sauerland nicht und das kann man ihm trotz seiner offensichtlichen und in ihrer Wirkung so furchtbaren Fehler getrost glauben.
Wer solch machtarrogante Hybris aber in Zukunft vermeiden will, der muss nicht nur dieses tödliche Desaster genau studieren, und natürlich die Schuldigen festmachen und bestrafen, der muss sich fragen was grundsätzlich zu ändern wäre. Dabei sollte allen klar sein, dass sich das Ruhrgebiet unter den gegebenen Bedingungen, und an denen ändert leider auch die Tragödie in Duisburg nichts, auch in Zukunft dem Konkurrenzkampf der großen Ballungsräume zu stellen hat. Wenn damit die Frage nach dem Ob richtig beantwortet ist, dann stellt sich automatisch die Frage nach dem Wie, und dafür kann die Antwort kann nach Duisburg nur lauten: Nicht mehr so wie bisher!
Wie aber dann? Wie konkurriert jemand erfolgreich, wenn er nicht über das verfügt, was zum Standard der Reichen, Schönen und Mächtigen gehört?
Wenn man als Ballungsraum nicht direkt am Meer liegt? Nicht über reihenweise tausendjähriges und zugleich geschichtsträchtiges Gemäuer und schnuckelig Altstadtgassen verfügt? Wenn man keine Hochhausskyline und keine Golden-Gate-Bridge zu bieten hat? Wenn man keine Hauptstadt ist, ja in sich selbst über kein großes allüberragendes Zentrum verfügt? Wenn man zwar viele, dafür aber kaum ein weltbekanntes Theater oder Konzerthaus sein eigen nennt? Wenn man Zigtausende von Studenten aber keine global notierte Universität hat? Wenn man eben nicht reich, schön und mächtig ist?
Wenn man also als Stadt-und Kulturlandschaft ungefähr so viel vom Äußeren hermacht wie als Männertyp Woody Allen in seinen frühen Jahren. Ein Mann, der heute immer noch nicht schön, auch nicht mächtig und auch nicht richtig reich geworden ist, dafür aber weltberühmt und weltweit beliebt und verehrt. Welche kulturellen Produkte respektive Filme produziert man, wenn man kein Geld hat und trotzdem als Regisseur gegen Hollywood antreten will.
Schauen wir uns also die erste Filmgeneration dieses Mannes an, die die Basis seines späteren weltweiten Erfolges darstellen und zu denen eben auch schon weltweit erfolgreiche Filme wie „Manhattan“, „Mach´s noch einmal Sam“ usw. gehören und die er alle in seiner Heimatstadt gedreht hat. Nicht nur, aber vor allem: um Geld zu sparen. Frei nach dem Motto Teddy Roosevelts während der Zeit der großen Krise und des New Deals: Do what you can, where you are, with what you have! Einen Satz, den sich das Ruhrgebiet schon seit längerem auf die Fahnen hätt schreiben sollen.
Bis heute kosten Woody Allen Filme in der Regel nicht mehr als eine einzige Explosionsszene in Bruce Willis Filmen. Aber mittlerweile haben auch Superstars mit dem gleichen Bekanntheitsgrad wie eben dieser Willis in seinen Filmen mitgespielt bzw. würden sie es gerne tun. Was also macht die offensichtlich enorme, wenn auch nicht massenhafte Attraktivität eines typischen Woody Allen Films für Zuschauer und Schauspieler aus? Ich bin kein Film- und Theaterwissenschaftler. Trotzdem glaube ich, dass die folgende Elemente bis heute eine wesentliche Rolle in seinen Werken spielen:
Der Plot und nicht die Ausstattung ist entscheidend.
Selbst das Tragische ist immer auch komisch, wenn nicht sogar idiotisch.
Intellektualität und Intelligenz sind kein Grund zur Überlegenheit sondern immer Teil vergeblicher Selbstüberschätzung.
Selbstüberschätzung und Selbstmitleid sind zwei Seiten der gleichen Art sich lächerlich zu machen.
Es gibt keine Siege sondern einen ewigen Wettlauf um Platz 2-3 und niedriger.
Das Absurde ist genauso Teil des Alltags wie das Banale.
Die überzeugendste Form der Selbstkritik ist die Selbstironie und die Fähigkeit über sich selbst lachen zu können.
Über alledem liegen zwei unausgesprochene, aber doch in allen Elementen sich widerspiegelnder Leitsprüche, die wohl auch das emotionale und geistige Selbstbild des Regisseurs bestimmen:
Das Spektakuläre und spannende liegt nicht in der Größe und Breite sondern in der Tiefe.
Wer nicht stark und schön ist, hat die heilige Pflicht wenigstens intelligent und witzig und damit auch ohne viel Geld attraktiv zu sein.
Mit der Umsetzung dieser beiden Leitsätze könnte das Ruhrgebiet, mit gebotenem Abstand zu den fürchterlichen Ereignissen in Duisburg, sehr bald anfangen. Zuerst gilt es allerdings eine Zeit lang einfach nur innezuhalten. Die Kulturhauptstadt-Show muss nicht unbedingt weitergehen, als wäre nichts geschehen.
„Wenn er nicht über das verfügt, was zum Standard der Reichen, Schönen und Mächtigen gehört?“
Irgendwas muss das Ruhrgebiet ja gehabt haben wenn der olle Albrecht es so lange hier ausgehalten hat.Immerhin Platz 31 der reichsten Menschen der Welt…
Zusammen sind die Albrechts wohl die ungeschlagene Nummer 1 immer daran denken die sind Euro Milliardäre 😉
Was denen vorschwebt sind Hollywood und Sternchen die will und braucht niemand die Kosten mehr als das sie irgenwas einbringen. Die sollen fröhlich nach Dubai gehen und die Immobilienpreise dort in die Höhe treiben.Menschen die wirklich Reich sind wollen vor allem normalität.
Wow! Endlich mal ein nachdenklicher Artikel im I- Medium zum Thema. Hebt sich wohltuend vom üblichen Bericherstattungsscheiß ab. Kompliment.
@ Arnold Voss
sehr guter Artikel !
mmh, antworte ich doch mal mit Woody Allen zu den Zukunftsaussichten des Ruhrgebiets:
„Alles in allem würde ich ihnen gerne eine positive Botschaft mit auf den Weg geben – ich habe aber keine. Würden Sie eventuell auch zwei negative nehmen?“
Woody Allen
@Arnold Voss
Die ewige Tonnenideologie, die Ruhrstadt muss von Alpen bis nach Fröndenberg reichen. Wir gründen größte Stadt Deutschlands. Die Ruhrstadt durfte auch nicht kleiner ausfallen. Keine Stadt durfte da austreten, weder der Kreis Wesel, noch Hagen.
Die unheilige Kombination von Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn. Stolze Bodenständige Niederrheiner passen da nicht zum Bild des ewig benachteiligten Ruhri. Ruhri, ein furchtbares Kunstwort, eine Kunstprodukt einiger Werbeleute, das die Menschen bezeichnet, die nicht mehr Rheinländer oder Westfalen sind.
Gemäuer und schnuckelig Altstadtgassen? Das haben wir. Xanten, Hattingen, Unna, dort gibt des das allen. Doch es passt nicht in das Bild des Ruhrpott. Das passt nur zum Niederrhein und zu Westfalen. Halden, Zechen müssen da her. Alles andere wir bei Seite geschoben.
Loveparade musste her, Berlin war zu klein. Loveparade, ein Desaster, das auch alle Rheinländer ebenso betroffen macht. Auch sie fuhren am Samstag mit der Bahn, mit der Straßenbahn die wenigen Kilometer zur Nachbarstadt Duisburg. Zu oft wird hier, bewusst, vergessen, das der Westen längst in einem Rhein-Ruhr-Gebiet arbeitet und lebt.
Dear Mr. Voss, garade Duisburg hat (hatte) sehr viel zu bieten auch 1000 Jahre zurück. Es wurde sehr viel kaputt renoviert oder für vermeintlich Neues abgrissen. Siehe gute Beispiele die noch oder teilweise nicht zerstört sind, dazu gehört Ruhrort (zu verdanken das nicht alles zerstört wurde ist es in erster Linie der Familie Haniel). Gehen wir zum Pollmanneck in Marxloh, einfach tolle ehemalige Kaufhäuser und tolle aus der Jahrhundertwende stammende Jugendstilbauten. Ebenso Walsum-Dorf mit der Fisternöllekes Tradition. Selbst Bruckhausen oder Hochfeld hatten vor 80 Jahren Charme.
Ich denke auch an Beeck oder Meiderich.
Hi Arnold,
schöner Artikel! Ich hoffe, er regt was an…
Wir bekommen ja gerade mit, wie ein Potemkinsches Dorf zusammenkracht. Für die Zukunft wünsche ich mir – auch in Gedenken an die Opfer der Kulturhauptstadt 2010 – dass die Produktion von Inhalten VOR die von Images gesetzt wird.
Lieber Arnold Voß,
„Klein aber oho“ könnte die an Bescheidenheit gemahnende Quintessenz aus Deiner Reflexion um die Geschehnisse rund um die Love Parade in Duisburg lauten. Du setzt dort, wo es an Macht, Reichtum und Schönheit mangelt, auf Witz und Intelligenz, um „damit auch ohne viel Geld attraktiv zu sein“. Ist „arm aber sexy“ nicht schon vergeben? Überhaupt macht mir der Rekurs auf Leib- und Persönlichkeitseigenschaften zur Charakterisierung einer ganzen Region irgendwie Bauchschmerzen. Am Ende dieser Denkbewegung ist eine „ganze Städteregion“ krank, hat Komplexe und einen Wahn. Mann muss vielleicht Frau sein, um diesem Dilemma in der Betrachtung zu entgehen und den Mut haben, weitgehend unbekannt bleiben zu wollen. Die englische Psychologin Phyllis Krystal beschreibt die Persönlichkeit als einen Flickenteppich aus bisherigen Erfahrungen, auch denen aus den Leben zuvor: „Vielheit als Ganzheit“. Sind wir nicht immer wieder stolz, wenn im Urlaub die Menschen aus dem „Pott“, in diesem Moment wir, als „offen und ehrlich“ bezeichnet werden? Und träumen wir dann nicht auf unserem Zimmer von dem Mond, unter dem wir tatsächlich geboren sind? Apropos Mond: Wäre es wirklich ein Fortschritt, wenn die Spurweite der Mülheimer Straßenbahn nicht mehr mit der der transsibirischen Eisenbahn sondern mit der der Bogestra identisch wäre?
Hallo Ronald,
intelligent und witzig ist nicht gleich arm und sexy. Arm und dabei intelligent und witzig wäre aber schon ganz passabel. Ansonsten habe ich nichts gegen Reichtum, weder privat noch öffentlich, wenn er denn mit rechten Dingen und durch eigene Leistung zu Stande kommt bzw. gekommen ist.
Klein ist das Ruhrgebiet auch nicht, und an einigen Stellen ist es sehr wohl oho. Aber als Ganzes ist es das eben nicht und um diese Gesamtwirkung ging es mir bei meinem Posting.
Was den allseits beliebten „Rekurs auf Leib- und Persönlichkeitseigenschaften“ betrifft gebe ich dir recht. Aber es sind hier ja nur Sinnbilder und Denkhilfen. Nicht mehr und nicht weniger.
Lieber Arnold,
schon seit Jahren dafür, das es einen Umdenkungsgprozess im Ruhrgebiet geben muss; denn das RG ist nunmal keine Metropole.
Zu diesem Thema kann ich einen sehr gut zusammengefassten Beitrag von Thomas Ernst, der zu Recht die zwangsweise Ausrichtung der Region auf den Metropolenbegriff kritisiert, hier zur Verfügung stellen: https://www.thomasernst.net/metropole-ruhr-loveparade-2010-duisburg
Danke Johannes,
wobei wir den sehr interessanten Artikel schon mal bei einem der letzten Ruhrpilote (29. Juli) verlinkt haben.
@Arnold: Das Grundanliegen des Texts ist zweifelsohne sympathisch, aber ich befürchte, dass es gerade an Selbstironiefähigkeit überhaupt nicht mangelt (das gesamte Ruhrgebietskomödiantentum basiert auf Selbstironie; an jeder Ecke stolpert man über „Woanders iss’ auch Scheisse“-Devotionalien). Ohnehin ist es diese logische Allianz aus Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn, die das Ruhrgebiet für die Woody Allens dieser Welt überhaupt erst interessant macht. Ich denke (um mal in Deinem Referenzsystem zu bleiben), mehr als von der gefälligen Selbstironie Allens könnte das Ruhrgebiet von der sperrigen Ernsthaftigkeit Cassavetes‘ profitieren.
Nach dem Loveparadedesaster mehren sich die Stimmen, die „Bigness“ für gescheitert erklären und stattdessen fürs Kleine-Brötchen-Backen votieren. Das spezifisch Enttäuschende des bisherigen Kulturhauptstadtjahres ist aber nicht die alte Sucht nach der Großen (meist hohlen) Zahl, sondern seine Wohlgefälligkeit respektive intellektuelle Harmlosigkeit – im Großen wie im Kleinen (klar, es gibt Ausnahmen). Die Loveparade mag zwar ein Beleg für Größenwahn und die attestierte Tonnenideologie sein, mehr noch steht sie jedoch für das Fehlen tatsächlich großer und ernsthafter Ambitionen. Und btw: In Duisburg sind nicht 21 Menschen gestorben, weil das Ruhrgebiet keine Metropole ist – wer dies glaubt, bewegt sich in der Logik von Gorny und Co. („eine richtige Metropole kann das stemmen“): Tödliche Inkompetenz ist nichts, das nur Provinzstädten vorbehalten bleibt.
@Johannes Brackmann (#9): Es ist schlicht nicht notwendig, sich am ohnehin nicht satisfaktionsfähigen Begriff „Metropole Ruhr“ abzuarbeiten. Dieses bindet Energien, die an anderer Stelle wesentlich sinnvoller einzusetzen wären.
Wer sich wo abarbeiten sollte/müsste, darüber lässt sich trefflich streiten. Ich habe mich seit Anfang an gegen die zwangsverordente Metropolendefinition gewandt, die richtigerweise wohl auch nicht dauerhaft „satisfaktionsfähig“ ist. Es gibt nämlich schon einen Zusammenhang zwischen Duisburg und dieser Debatte; der im Vorfeld von unterschiedlichsten Stellen aufgebaute Druck, das abgehalfterte, und aus der Metropole Berlin (souverän) verbannte Spass- und MC-Fit-Marketingevent Loveparade unbedingt durchführen zu müssen (O.Ton Fritz Pleitgen: Wir brauchen die Loveparade im Ruhrgebiet), hat mit dazu beigetragen, das bestehende erhebliche Sicherheitsbedenken von den Duisburger Verantwortlichen im Vorfeld zur Seite gewischt wurden. Um nicht missverstanden zu werden: ich habe grundsätzlich nichts gegen Großevent – auch wenn sie kommerziell genutzt und veranstaltet werden. Ich denke, dass Sie ihre Funktion und auch ihre Bedeutung haben. Dann aber bitteschön auch unter entprechenden, souverän gestalteten Rahmenbedingungen.Richtig ist auch, dass ein solches Unglück möglicherweise auch in einer anderen Stadt hätte passieren können. Von daher ist der Umkehrschluss (Dirk Haas): „In Duisburg sind nicht 21 Menschen gestorben, weil das Ruhrgebiet keine Metropole ist“ tatsächlich Blödsinn; aber weder ich noch sonst jemand hier hat das behauptet. Nachzudenken ist aus meiner Sicht nun darüber, wie die Kultur vor den vermehrten Zugriffen wirtschaftlicher Verwertungszwänge und Marketingstrategien bewahrt werden und ihre eigentliche Aufgabe warnehmen kann: nämlich sowas antiquiertes wie Sinnstiftung, Gemeinschaftsbildung, Partizipation und Emanzipation.
@ Dirk:
Für das Ruhrgebietskomödiantentum hast du zweifellos recht. Wobei ich nicht glaube, dass z.B. die Parole „Woanders iss auch Scheisse“ je wirklich ironisch war. Auf jeden Fall hat sie nicht das Niveau auf das ich mit Woody Allen anspielen wollte.
Für die Elite der Region bzw. für die Menschen, die sich dafür halten gilt die Fähigkeit zur Selbstironie noch viel weniger. Viele von denen wären sehr gerne woanders in der gleiche Funktion und schämen sich insgeheim dafür, dass sie z.B. in Hamburg, Berlin oder München keiner haben wollte.
Ich bin auch nicht generell gegen Bigness. Die Gemeinden des Ruhrgebiets hätten in räumlicher und logistischer Kooperation die Loveparade sehr wohl stemmen können. Erst recht wenn sich sich von Anfang an auf einen gemeinsamen Ort bzw. eine Kombination von Außenräumen hätten einigen können und wollen. Aber das ist jetzt Schnee von gestern.
Das Ruhrgebiet ist ist nun mal einfach groß. Früher auch, was seine ökomomische Kraft, heute immer noch, was seine schiere Ausdehnung und Menschenansammlung betrifft. Es sollte nicht nur deswegen auch weiter große Ambitionen haben. So wie sie auch Woody Allen immer hatte und sie in den Filmen der letzten Jahre auch im tragischen Fach bewiesen hat.
Deepness anstatt Bigness verbunden mit einer ironischen Selbstreflektion die nicht nur lustig und witzig sondern auch ernsthaft ist, das scheint mir die richtige Richtung sein. Aber wo sind hier die Personen, die dazu fähig und bereit sind?
Bei Ruhr2010 sehe ich sie auf jeden Fall nicht. Die haben mir heute wieder mal einen ihrer Newsmails zugesandt und, obwohl es das erste nach der Katastrophe ist, dazu k e i n e i n z i g e s Wort geschrieben.
Zur tiefen Selbstironie gehört eben auch die Fähigkeit zur tiefen Trauer. Gerade wenn man durch eigenes Zutun großes Leid bei anderen verursacht hat. Stattdessen lassen die die 2010 Karawane einfach weiter ziehen, als wäre nichts gewesen. Ein paar Distanzierungs- und Beileidsfloskern inbegriffen, die das Ganze für die Betroffenen nur noch schlimmer machen.
@Johannes Brackmann (#12): Die Artikel, in denen das Loveparadedesaster auf die Provinzialität des Ruhrgebiets zurückgeführt wird, habe ich nicht gezählt (beispielhaft: ein FAZ-Artikel, mit dem Tenor „unzählige Kirmesplätze, aber keine Theresienwiese“).
Ansonsten: „Metropole Ruhr“ ist simples Voodoo, keine zwangsverordnete Metropolendefinition.
Dass ein Paradigmenwechsel notwendig ist, da bin ich ganz bei Ihnen.
@Arnold (#13): Nach 30 Jahren Postmoderne meine ich sagen zu können: Ironie wird überschätzt.
Deine Kritik am „weiter so“ der Kulturhauptstadt teile ich natürlich.
Dirk, die Postmoderne aber auch. Denn Ironie gab es schon weit vor der Moderne und wird es weit nach der Postmoderne immer noch geben.
Arnold, Dirk.
Zur verflossenen Postmoderne erinnere ich nur an Heiner Müller:
„Es gibt nichts Modernes bei der Post.“
@Arnold: Da sind wir jetzt ein wenig hintendran: die Ausstellung zum Schicksal der Ironie ist bereits im letzten Monat zu Ende gegangen.
https://www.artnet.de/magazine/dossier/kai10/
Dafür gibt’s nun ein erklärtermaßen postironisches Ausstellungsprojekt im Essener Folkwang Museum:
https://www.hacking-the-city.org/
@Thomas: D’accord, an HM sollte (sich) man des Öfteren erinnern.
Lieber Arnold, ein kleine „Vertiefung“ zur Einordnung meines Standpunktes in die Gesamtdiskussion sei erlaubt. Grundsätzlich halte ich eine Inanspruchnahme individualpsychologischer Modelle für die Erläuterung von Prozessen in Großsystemen nicht für verwerflich. Für kritisch halte ich die Beschränkung auf, im übertragenen Sinne moderne, tiefenpsycholgische Modelle und den Zeitpunkt des „Versagens“. Obwohl dieses Vorgehen natürlich sehr plakativ ist. Für heuristisch wertvoller hielte ich die Verwendung, Richard Davids Prechts Frage „Wer bin ich – und wenn ja wieviele?“ lässt grüßen, so genannt postmoderner Persönlichkeitsmodelle von Patchwork-Identität bzw. interner Pluralisierung. Deren Übertragung könnte m. E. hinsichlich der Ideen zu Großsystemen fruchtbar zur Konstruktion von Gedanken-Modellen zur Binnendifferenzierung, Abgrenzung und „Einheit in der Vielheit“ ermöglichender Zentralisierung sein: Polypsychismus als Modell von „Polypolen“. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich das Persönlichkeitsmodell der so gennanten Postmoderne durchaus mit archaischen Persönlichkeitsmodellen der europäischen Geistesgeschichte deckt,in denen menschliches Erleben kaum zentralisiert noch abgegrenzt war. Zu prüfen wäre ggfs., was denn dann auch raumplanerisch „alles schon mal da gewesen“ ist.