Was ist los bei E.on? Demos und Streit in Europas größtem Konzern

Foto: E.on

Bei E.on bieten sich seltsame Bilder vor der Konzernzentrale in Düsseldorf. Menschen ziehen auf, Busse kommen, Transparente. Ein Protest, wie ihn der größte Energieversorger Europas noch nie gesehen hat. Verdi demonstriert gegen ein 1,5 Mrd Euro Sparprogramm. Gegen einen möglicherweise drohenden Stellenabbau von 9000 Mann. Gegen Ausgliederung und zügellose Profitgier. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die früher bei E.on mächtige IGBCE verweigert sich dem Protest. Die Gewerkschaft will nicht demonstrieren und geht statt dessen offensiv gegen die Verdianer vor. Es heißt bei der IGBCE, die Proteste seien töricht, da noch nichts ausverhandelt sei.

Arbeiter gegen Arbeiter. Beschäftigte gegen Unternehmer. Wie konnte es soweit kommen. Manchmal kann man Umbrüche in einem Konzern nur erahnen. In diesem Frühjahr beispielsweise da war so ein Moment, als der E.on-Vize Johannes Teyssen den Fürsten von Monaco in der Düsseldorfer Konzernzentrale empfing – und nicht etwa E.on Chef Wulf Bernotat. Schnell raunten Beobachter von einem frühen Signal für einen anstehenden Wechsel in der Konzernspitze. So als nehme der Kronprinz die Geschäfte des Reiches in die Hand. E.on-intern wird das vehement bestritten. Bernotat sei nur in Japan gewesen, um Anleger für die E.on-Aktien zu begeistern, heißt es. Wie dem auch sei. Wenige Wochen nach dem Teyssen-Empfang gab Bernotat (60) seinen geplanten Rückzug aus der Konzernspitze bekannt.

Seither ist bei Europas größtem Energieversorger nichts mehr, wie es war. Lange verborge Konflikte brechen auf. Im Aufsichtsrat tobt ein Machtkampf zwischen Vertretern der Gewerkschaften IGBCE und Verdi. Insidern gilt der Vorstand gespalten in Bernotat-Gefolgsleuten und Thyssen-Männern, wie ein Aufsichtsrat verrät. Selbst die bislang unbestrittene Rolle von Ulrich Hartmann als E.on Aufsichtsratschef ist nicht mehr sakrosankt. Ihm wird vorgehalten, den Konzern patriarchalisch zu führen. Probleme würden vorab im Zwiegespräch mit E.on-Chef Bernotat besprochen. Und Vorträge im Aufsichtsrat seien zu formalistisch, offene Diskussionen würden kaum stattfinden.

Zu einem offenen Streit aber kam es erst, als sich Wulf Bernotat entschied, ein umfassendes Sparprogramm im Konzern durchzusetzen. 1,5 Mrd Euro sollen gestrichen werden, bei einem Rekordgewinn von 10 Mrd Euro vor Steuern. Die Stimmung im Konzern rutschte in die Frostzone. Die Arbeiter rebellieren. Innerhalb von nur vier Tagen sammelten sie 19.000 Unterschriften gegen das Programm. Vor der E.on Zentrale in Düsseldorf kommt es am Donnerstag zur ersten Großdemo in der Geschichte des Versorgers. Ein Aufsichtsrat sagt. „Bernotat hat nichts mehr unter Kontrolle. Wir warten darauf, dass er geht.“

Wie konnte es soweit kommen? Seit der Liberalisierung der Energiebranche hat E.on eigentlich nur Erfolge vorzuweisen. Die Ausweitung des Geschäftes auf Europa hat geklappt. Selbst nach der gescheiterten Endesa-Übernahme konnte der Konzern seine Tätigkeiten auf Italien, Frankreich, und Spanien erweitern. Gleichzeitig wurde das größte Investitionsprogramm eines einzelnen Unternehmens in der deutschen Industriegeschichte ausgerufen. Innerhalb von nur wenigen Jahren will E.on 60 Mrd Euro in neue Anlagen, Unternehmen und Aktivitäten stecken. Selbst ein äußerst komplizierter Gasdeal in Russland konnte nach jahrlangem Tauziehen unter Dach und Fach gebracht werden. E.on tauschte eine Beteiligung am sibirischen Rohstofflager Jushno-Russkoje gegen Aktien am russischen Staatskonzern Gazprom.

Doch im Glanze des Erfolges zeigen sich jetzt die Risse im Geflecht. Der multinationale Expansionskurs zwingt den Konzern zu einem rigiden Sparkurs. Es geht um eine Verschlankung der Strukturen, um das Unternehmen flott für den Wettbewerb zu halten. Die neuen Ländergesellschaften, über den ganzen Kontinent verstreut, sollen an die deutschen Verhältnisse angepasst werden. Gleichzeitig will Bernotat E.on in Heimatmarkt stärker fokussieren. An die Stelle vieler kleiner Gesellschaften im Bündnis mit kommunalen Beteiligungen sollen zentrale Vertriebseinheiten treten. So will E.on schnell und unbürokratisch auf neue Herausforderungen reagieren. Intern wirbt die Konzernspitze um Vertrauen. „Die europäische und die deutsche Politik will, dass wir uns verändern. Deshalb können wir nicht weitermachen wie bisher. Wir müssen uns erneuern“, heißt es im Vorstandsumfeld.

Doch bei den Arbeitnehmern in Deutschland kommt das nicht gut an. Ihnen missfallen die harten Fakten hinter den schönen Worten: „Die Zentralisierung machen wir nicht mit“, sagt ein Aufsichtsrat. Zum Beispiel stößt auf, dass die E.on-Gesellschaft Thüga mit über hundert kommunalen Beteiligungen verkauft werden soll. Oder dass im Projekt „regi.on“ die bislang weitgehend unabhängigen Regionalgesellschaften verschmolzen werden. Oder dass im Projekt „Perform-to-Win“ bis zu 9000 Arbeitsplätzen abgebaut oder ausgelagert werden sollen. Selbst dem Versprechen auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, misstrauen die Arbeitnehmer. „Wir mussten den Demoaufruf bremsen“, sagte ein Verdi-Vormann. „Sonst wären ein paar tausend Mitarbeiter mehr gekommen.“

Vor allem in Bayern ist der Unmut groß. Hier in München liegt die Zentrale der Eon Energie AG. Vor der Fusion mit Veba zu E.on der Sitz des selbstbewussten bayrischen Versorgers Viag. Im Rahmen von "Perform to win" wird überlegt Aufgaben aus der bayrischen Hauptverwaltungen der E.on Energie in andere Stellen des Konzerns nach Düsseldorf oder Essen zu verlagern. Das bedeutet, Mitarbeiter verlieren ihren angestammten Arbeitsplatz. Sven Bergelin, Energie-Experte der Gewerkschaft Verdi und Eon-Aufsichtsrat, sagt: „Wir wehren uns gegen überzogene Sparprogramme allein zur Sicherung der Dividende.“ Der Kulturbruch bei E.on könnte nicht größer sein.

Bei der Suche nach den Ursachen stößt man auf einen lange schwellenden Konflikt im Aufsichtsrat des Versorgers. Mir liegt eine interne so genannten Board Review des Unternehmensberaters Florian Schilling vor. Dieses Dokument wurde im Auftrag des Aufsichtsrates erstellt. Jeder Kontrolleur durfte hier seine Meinung zum Konzern sagen, zu der Arbeit im Aufsichtsrat, zu den Vorständen zu der Stimmung im Konzern. Die Studie ist geheim. Sie betrifft die intimsten Details des Konzerns.

Bei einem Blick in das Dokument wird der tiefer Graben unter den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat beschrieben, der bei der Demo in Düsseldorf derzeit aufbricht. Auf der einen Seite die Gewerkschaft IGBCE und auf der anderen Seite Verdi.

Bis vor wenigen Jahren hat die Bergbau und Chemiegewerkschaft die Arbeitnehmerbank im Kontrollrat dominiert. Noch immer ist der IGBCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt Stellvertreter des allmächtigen Aufsichtsratschef Hartmann. Die Gewerkschaft gilt im Konzern wegen ihrer Kompromissbereitschaft als zahm und Vorstandsfreundlich. Nach dem Verkauf der Degussa und der Viterra ist die Bedeutung der IGBCE allerdings geschwunden. Zudem wird der 64-Jährige Schmoldt im Herbst als IGBCE-Chef pensioniert. Seinen Posten im E.on-Aufsichtsrat wird er dann aufgeben müssen. Als Nachfolger ist ein Vertreter der rabiateren Verdi-Konkurrenz designiert. Die Dienstleistungsgewerkschaft vertritt mittlerweile rund 75 Prozent der E.on-Mitarbeiter.

In der Board Review bestätigt ein Vertreter der Kapitalbank im Aufsichtsrat den Konflikt: „Die vertretende Gewerkschaft hat jetzt natürlich einen starken Konkurrenten in Verdi bekommen und verdi ist ja im Prozess, über die Mehrheit auf der Arbeitnehmerbank, hier in eine große Verantwortung reinzukommen und das verändert offensichtlich das Spiel. Das hat schon Auswirkungen auf die Aufsichtsarbeit in den letzten Monaten gehabt.“ Ein anderer Kapitalvertreter sagt: „Ich sehe da die große Gefahr, dass Geschäftsentscheidungen verbunden werden mit Gewerkschaftsinteressen.“

Mit den Problemen der Arbeitnehmer hört das Konfliktpotential nicht auf, wie aus der Board Review hervorgeht. Ein Kapitalvertreter moniert die intransparente Suche nach neuen E.on-Vorständen durch den Aufsichtsratschef Hartmann. „Das ist wie bei der Papstwahl – ich bin noch nicht ganz dahinter gekommen.“ Die mangelhafte Diskussionskultur im Spitzengremium wird angegriffen. „Das schlimmste an diesen AR-Sitzungen ist das Vorgelese. Es ist so was von leblos und jegliche Diskussion abtötend. Das müssen wir echt abschaffen“, sagt ein E.on-Vorstand. Selbst vor der Rolle Bernotats wird nicht Halt gemacht. Zwar bescheinigen im die Aufsichtsräte eine „hochintelligente“ Unternehmensführung. Allerdings sagt ein Arbeitnehmervertreter. „Manchmal habe ich so den Eindruck allerdings, er ist nicht so richtig in unserer Welt.“ Und ein Kapitalvertreter sagt: „Ich glaube auf der Ecke Softfaktoren, das ist nicht unbedingt seine Stärke.“

In den kommenden Wochen wird E.on Vorstand Johannes Teyssen nach und nach mehr Macht übernehmen. Wie viel, ist jetzt noch offen. Ein E.on-Sürecher sagt, Bernotat werde nicht vorzeitig seinen Hut nehmen.

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