Über die Attraktivität und den Sinn bzw. Unsinn gewisser Sportarten wird seit jeher heftig und emotional diskutiert. Ist E-Sport Sport? Darüber haben wir hier im Blog schon debattiert. Was ist mit Schach? Und warum schauen eigentlich so viele Leute Biathlon im TV an?
All diese Fragen sind für Sportbegeisterte grundsätzlich nicht neu. Doch die Tatsache, dass Deutschland in den Tagen zwischen den Jahren mit Darts einen neuen Nationalsport für sich entdeckt hat, hob diese Diskussionen vor wenigen Jahren noch einmal auf eine ganz neue Ebene.
Rund um die Darts-WM in London zieht diese früher vielfach lediglich als Kneipenaktivität und somit eine Art von „Saufspiel“ verbreitete Disziplin Millionen Bundesbürger vor den TV-Bildschirm und sogar live vor Ort in ihren Bann. Zweistellige Marktanteile im TV sind dabei für sich genommen ein markanter Ausdruck des ungewöhnlichen Booms.
Für viele klassische Sportfans und Medienschaffende ist das jedoch alles noch immer nur schwer zu begreifen. Für die Verantwortlichen beim übertragenden Sender ‚Sport1‘ ist es dagegen ein herbeigesehnter Glückstreffer im sonst eher ereignisarmen Livesport-Sendeplan zwischen Mitte Dezember und dem neuen Jahr.
Während die einen also innerlich und äußerlich aufgrund dieser Entwicklung der Sportlandschaft feiern und jubeln, schütteln die anderen nur ungläubig und verächtlich den Kopf. Und egal, wie man dem Darts-Sport auch gegenübersteht, ob man sich dafür erwärmen kann oder nicht, es ist objektiv betrachtet kaum zu verstehen, warum sich seit Jahren in Deutschland auf Vereinsebene fest etablierte und durchaus attraktive Mannschaftssportarten wie Handball, Basketball, Volleyball oder auch Eishockey so schwer tun, größere Sendezeiten und Einschaltquoten im Free-TV zu erkämpfen, während ein solches Darts-Turnier urplötzlich Millionen Zuschauer begeistert.
Nimmt man zum Beispiel den Handballsport: Vor ein paar Jahren wollte Sky ihn zu einem großen Standbein im Sportbereich ausbauen. Erstmals wurde der Teamsport dort auch mit einer Live-Konferenz begleitet, wie sie die Fans bisher nur vom Fußball kannten. Sogar eine eigene Handball-Talkshow wurde ins Leben gerufen. Trotz intensiver Werbung auf dem hauseigenen Nachrichtensender Sky Sport News fand all dies aber kaum Interesse und wurde wieder eingestellt. Inzwischen ist die Berichterstattung auf ‚Dyn‘ gelandet, was ich aber auch erst ergoogeln musste, um ehrlich zu sein. In breiten Teilen der Öffentlichkeit ist die Liga, trotz eines durchaus attraktiven Angebots, also weiterhin kein Thema.
Auch die Deutsche Eishockeyliga (DEL) kommt seit Jahren nicht aus ihrer vergleichsweise kleinen Nische in der Sportberichterstattung heraus. Über deutsches Eishockey diskutiert man fast ausschließlich in Städten, in denen die DEL mit einem Team vertreten ist. Eine Begeisterung wie bei der Darts-WM, die Ende Dezember mit Leichtigkeit Millionen fasziniert, ist für Eishockey in Städten wie Bochum oder Dortmund schlicht unvorstellbar. Warum eigentlich?
Ähnlich ergeht es etablierten Sportarten wie Basketball und Volleyball. Woran liegt das? Kann sich der Zuschauer mit den Darts-Spielern besser identifizieren, weil quasi jeder schon einmal in einer Kneipe gespielt hat? Kann das wirklich ein ernsthaftes Argument sein?
Mir fällt bislang keine überzeugende Erklärung ein. Gut organisierte Sportligen sollten doch eigentlich in der Lage sein, ein größeres Publikum in diesem Land anzusprechen als der Kneipenspaß Darts.