Was Sie schon immer über die IHRA wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

Antisemitische Demonstration in Bochum Bochum Foto (ARchiv): Wessel

Am Donnerstag wird der Bundestag mit wahrscheinlich große Mehrheit eine Antisemitismus Resolution beschließen, die sich auf die IHRA bezieht. Doch was steht in der eigentlich drin?

Sie gilt als „umstritten“, obwohl über 30 demokratische Staaten sie unterstützen, die sich der International Holocaust Remembrance Alliance angeschlossen haben und als scharfes Schwert der Zensur, die es nicht mehr ermöglicht, Netanjahus Regierung zu kritisieren. So schreibt die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer in einer Stellungnahme zur von den Fraktionen der Ampel und der Union verfassten Antisemitismus-Resolution: „Die IHRA-Definition, auf die der Resolutionstext unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundestages von 2019 anknüpft, intendiert, dass auch Kritik an der Regierung Israels – im Verständnis des Staates Israel als jüdisches Kollektiv – als Antisemitismus gelten kann.“ Stephan Detjen vom Deutschlandfunk dichtet über die IHRA, sie würde „von der israelischen Regierung propagiert, weil sie vor allem dazu dient, Kritik an israelischer Kriegsführung und völkerrechtswidriger Besatzung zu delegitimieren.“ Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, beauftragte den Verfassungsrechtler Christoph Möllers sogar mit einem Gutachten. Der hatte verfassungsrechtliche Bedenken, was nicht verwundert. Schon die „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“, die sich dafür einsetzte, dass Antisemiten auch weiterhin Staatsgelder bekommen, bedankte sich bei Möllers für seinen fachlichen Rat.

Die IHRA-Definition würde oft verdammt und selten gelesen, schrieb Jürgen Kaube gestern in der FAZ. Damit hat er sicher recht. Liest man sie sich durch, wirkt sie nicht wie ein von Dämonen verfasstes Papier. Und besonders lang ist sie auch nicht, weswegen wir sie hier noch einmal in Gänze veröffentlichen:

Im Geiste der Stockholmer Erklärung, welche ausführt: „Da die Menschheit noch immer von … Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit gezeichnet ist, trägt die Völkergemeinschaft eine hehre Verantwortung für die Bekämpfung dieser Übel“, hat der Ausschuss für Antisemitismus und Holocaustleugnung das IHRA Plenum in Budapest 2015 aufgefordert, die nachstehende Arbeitsdefinition von Antisemitismus anzunehmen.

Am 26. Mai 2016, entschied das Plenum in Bukarest:

die folgende nicht rechtsverbindliche Arbeitsdefinition von Antisemitismus anzunehmen:

„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“

Um die IHRA bei ihrer Arbeit zu leiten, können die folgenden Beispiele zur Veranschaulichung dienen:

Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten. Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden. Antisemitismus umfasst oft die Anschuldigung, die Juden betrieben eine gegen die Menschheit gerichtete Verschwörung und seien dafür verantwortlich, dass „die Dinge nicht richtig laufen“. Der Antisemitismus manifestiert sich in Wort, Schrift und Bild sowie in anderen Handlungsformen, er benutzt unheilvolle Stereotype und unterstellt negative Charakterzüge.

Aktuelle Beispiele von Antisemitismus im öffentlichen Leben, in den Medien, Schulen, am Arbeitsplatz und in der religiösen Sphäre können unter Berücksichtigung des Gesamtkontexts folgendes Verhalten einschließen, ohne darauf beschränkt zu sein:

 

  1. Der Aufruf zur Tötung oder Schädigung von Jüdinnen und Juden im Namen einer radikalen Ideologie oder einer extremistischen Religionsanschauung sowie die Beihilfe zu solchen Taten oder ihre Rechtfertigung.

 

  1. Falsche, entmenschlichende, dämonisierende oder stereotype Anschuldigungen gegen Jüdinnen und Juden oder die Macht der Jüdinnen und Juden als Kollektiv – insbesondere aber nicht ausschließlich die Mythen über eine jüdische Weltverschwörung oder über die Kontrolle der Medien, Wirtschaft, Regierung oder anderer gesellschaftlicher Institutionen durch die Jüdinnen und Juden.

 

  1. Das Verantwortlichmachen der Jüdinnen und Juden als Volk für tatsächliches oder unterstelltes Fehlverhalten einzelner Jüdinnen und Juden, einzelner jüdischer Gruppen oder sogar von Nichtjüdinnen und Nichtjuden.

 

  1. Das Bestreiten der Tatsache, des Ausmaßes, der Mechanismen (z.B. der Gaskammern) oder der Vorsätzlichkeit des Völkermordes an den Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland und seine Unterstützer und Komplizen während des Zweiten Weltkrieges (Holocaust).

 

  1. Der Vorwurf gegenüber den Jüdinnen und Juden als Volk oder dem Staat Israel, den Holocaust zu erfinden oder übertrieben darzustellen.

 

  1. Der Vorwurf gegenüber Jüdinnen und Juden, sie fühlten sich dem Staat Israel oder angeblich bestehenden weltweiten jüdischen Interessen stärker verpflichtet als den Interessen ihrer jeweiligen Heimatländer.

 

  1. Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.

 

  1. Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird.

 

  1. Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.

 

  1. Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.

 

  1. Das kollektive Verantwortlichmachen von Jüdinnen und Juden für Handlungen des Staates Israel.

Antisemitische Taten sind Straftaten, wenn sie als solche vom Gesetz bestimmt sind (z.B. in einigen Ländern die Leugnung des Holocausts oder die Verbreitung antisemitischer Materialien).

Straftaten sind antisemitisch, wenn die Angriffsziele, seien es Personen oder Sachen – wie Gebäude, Schulen, Gebetsräume und Friedhöfe – deshalb ausgewählt werden, weil sie jüdisch sind, als solche wahrgenommen oder mit Jüdinnen und Juden in Verbindung gebracht werden.

Antisemitische Diskriminierung besteht darin, dass Jüdinnen und Juden Möglichkeiten oder Leistungen vorenthalten werden, die anderen Menschen zur Verfügung stehen. Eine solche Diskriminierung ist in vielen Ländern verboten.

 

Wer der Ansicht ist, durch die IHRA in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt zu werden, hat ganz offenbar ein Problem mit Antisemitismus und ist so erfolglos, dass er von staatlichen Geldern abhängig ist. Um mehr geht es in der Resolution nicht, die sich auf die IHRA bezieht und die der Bundestag am Donnerstag wahrscheinlich mit großer Mehrheit beschließen wird.

 

 

 

 

 

 

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