Was, wenn Putins Niederlage zu spät kommt?

Zivilsten bereiten sich in Kiew auf den Kampf gegen den russische Armee vor Foto: Yan Boechat/VOA Lizenz: Gemeinfrei

Putin wird auf lange Sicht verlieren. Aber für die Ukraine könnte seine Niederlage zu spät kommen. Und für uns auch.

Warum Putins Grossreich scheitern wird“, „Der Anfang vom Ende des Wladimir Putin“, „Russland wird verlieren“, „Warum Putin verliert, auch wenn er den Krieg gewinnt“: Nur vier der Artikel, die ich heute Morgen im Ruhrpiloten, der täglich in diesem Blog erscheinenden Presseschau, verlinkt habe. Es sind kluge Artikel und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Putin auf lange Sicht der Verlierer des Krieges sein wird, den er begonnen hat. Die wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen werden das technologisch unterentwickelte Russland ruinieren und vom technischen Fortschritt abschneiden. Seine Armee ist schlecht ausgerüstet , die Verluste seiner Truppen beim langsamen Vormarsch durch die Ukraine hoch: In wenigen Tagen könnten die russischen Verluste in diesem Krieg höher sein als beim zehnjährigen Einsatz der Roten Armee in Afghanistan.

Nur das wohlige Gefühl des nahen Sieges mag sich bei mir nicht einstellen. Was hat der Westen davon, Russland in den nächsten Jahren mit Sanktionen zu ruinieren, wenn Putin die Ukraine schlägt und vielleicht schon bald im Baltikum, Moldawien, Polen oder Georgien einmarschiert? Ein Wirtschaftskrieg und nichts anderes führt der Westen, mag zivilisatorisch auf einem höheren Niveau liegen als der Einmarsch in ein Nachbarland mit Panzern aus den 80er Jahren. Aber schnell genug, um die Gefahr zu bannen, die von Putin und seinem Militär ausgeht, ist er nicht. Putin will den Krieg und er hat begonnen, ihn zu führen. Treibt der Westen ihn in die Enge, wird er versuchen, die, die wirtschaftliche Ketten zu sprengen. Würde der Westen ihn gewähren lassen, wäre er in Putins Augen ein leichtes Opfer.

Niemand im Westen will Krieg mit Putin. Den meisten von uns ist diese Idee fremd. Aber es gibt Zeiten, in denen der Kampf die einzige Möglichkeit ist, die Freiheit zu erlangen oder sie zu verteidigen. Im Krieg um die Freiheit verlief die Front 1936 in Spanien, 1940 in der Luft über dem Kanal, 1944 an den Stränden der Normandie, 2001 in Afghanistan und 2017 in Syrien. Heute verläuft diese Front durch die Ukraine. Fällt die Ukraine wird der Krieg nicht vorbei sein: „Wenn es uns – Gott bewahre – nicht mehr gibt, werden die nächsten Lettland, Litauen & Estland sein. Dann Moldawien, Georgien, Polen. Und so werden Sie bis zur Berliner Mauer marschieren. Glauben Sie mir, glauben Sie mir!“ sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Putin fühlt sich weder von der NATO noch von der Ukraine bedroht. Er will das Russische Reich wieder herstellen und hat Angst vor der Demokratie. Es gibt nichts was wir machen können, um ihn dazu zu bewegen, Frieden zu schließen und seine Armeen zurückzuziehen. Er will den Krieg.

Es ist falsch zu behaupten, im Krieg gibt es nur Verlierer. Es gibt beides: Gewinner und Verlierer. Wer den Kampf um die Freiheit verliert, wer einem Diktator ausgeliefert ist, wird zu seinem Sklaven. Ihm wird die Würde genommen. Wer den Krieg will, ist ein Verbrecher. Aber wer glaubt, dem Krieg, den ein Verbrecher führen will, ausweichen zu können, ist geschichtslos und dumm.

Wir wollen den Krieg nicht, aber werden ihn führen müssen. Heute aus Solidarität mit der Ukraine, in ein paar Tagen, weil wir die Bilder aus Kiew und Charkow nicht mehr ertragen oder vielleicht in ein paar Wochen, weil Putin ein NATO-Land angreift. Helfen wir jetzt der Ukraine mit allen militärischen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, kämpfen wir nicht um das nackte Überleben, sondern gemeinsam mit den Ukrainern um die Freiheit. Der Preis den wir dafür zahlen könnte hoch sein. Aber der Verlust der Freiheit und die Schande, die Ukraine im Stich gelassen zu haben, wären fürchterlicher.

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Christian Scharlau
Christian Scharlau
2 Jahre zuvor

Danke! Vollkommen meine Meinung.

Oki Leucht
Oki Leucht
2 Jahre zuvor

Wie wollen Sie das denn all jenen jungen Menschen (i.d.R. wohl Männern) in Deutschland vermitteln, die für die Realisierung Ihrer markigen Worte zu Tausenden werden sterben müssen, Herr Laurin? Wie erklären Sie das deren Frauen und Kindern? "Hey, wir mussten Russland den Krieg erklären, deswegen ist Papa jetzt tot. War aber für die gerechte Sache!"? Sie selbst dürften ja schon aus Altersgründen darauf hoffen im Falle einer Generalmobilmachung schlechtestenfalls auf irgendeinem nachgeordneten Posten an der Heimatfront Dienst tun zu müssen. Da träumt es sich doch recht bequem und leichtfertig vom Sturm auf Moskau.

Thomas
Thomas
2 Jahre zuvor

@Stefan Laurin : auch Kriege müssen zu Ende gedacht werden. Wer bereit ist kann ja gerne sich in der Ukraine melden bei den Freiwilligenbataillions aber letztendlich stirbt man ohne Sinn.
Wir haben nur eine letzte Möglichkeit diese heisst verhandeln, wirtschaftlicher Druck bis zum äußersten und dann erledigt sich die Personalie Putin von alleine.

Axel
Axel
2 Jahre zuvor

@Thomas
In ihrem Kommentar ist so gut wie alles fahrlässig:
1. lassen sich Kriege nicht zu Ende denken. Das muss der Kriegstreiber Putin gerade selbst erleben.
2. Verhandeln: Ist das Ihr Ernst? Mit wem? Worüber? Putin hat sich in den letzten Wochen als abgefeimter Lügner erwiesen — mit ihm gibt es keine Verhandlungsbasis mehr, wenigstens nicht zu seinen Bedinungen.
3. Wenn Sie tatsächlich glauben, dass sich die Personalie Putin durch wirtschaftlichen Druck erledigt – dann sind Sie ein glücklicher Optimist … aber auch sehr naiv.

Thomas
Thomas
2 Jahre zuvor

Hallo Axel.
zu 1. Kriege zu Ende denken müssen wir als Nato, denn letztendlich droht dann der Nukleare Winter
2. verhandeln müssen wir aus dem Grund damit Rußland das Gesicht nicht verliert
3. ich bin mir sicher das Putin dieses Abenteuer nicht überlebt
4- muss die Bundeswehr endlich wieder Verteidigungsfähig werden- Wir brauchen eine kampffähige Truppe .
5. Putin hält den Westen und uns für schwach dem müssen wir entgegenstehen. Finnland und Schweden sollte die Nato als potenzielle Kandidaten sehen

Angelika, die usw.
Angelika, die usw.
2 Jahre zuvor

@#6
Punkte 1 – 5: So ist es.

Psychologe
Psychologe
2 Jahre zuvor

"verhandeln müssen wir aus dem Grund damit Rußland das Gesicht nicht verliert"

Russland hat sich zunächst mal aus eigenem Antrieb in eine perspektivlose Lage gebracht, die auch durch "Verhandlung" nicht trivial zu überwinden ist. Denn abgesehen von der Frage, worüber zu verhandeln sein soll (Putin hat die Parameter derart eingeengt, dass kaum Spielraum bleibt), gibt es noch eine Größe, die nicht durch politische Verhandlungen adressiert werden kann: Das Vertrauen der Investoren.
Investoren benötigen Planungs- und Rechtssicherheit. Nun haben wir nicht erst seit gestern den Zustand, dass in Putins Reich das Risiko für Investoren darin besteht, wahlweise mit der Oligarchenmafia, der korrputen Justiz oder aber dem Label "ausländischer Agent" ein Problem zu bekommen.
Was ist nun noch ein Wirtschaftsstandort Wert, in dem noch nicht mal das Wort des Präsidenten ("es wird keinen Krieg geben") etwas Wert ist?
Welcher Investor soll dort Milliarden ins Land bringen? Die Ampeln dürften überall auf Rot stehen.

Das ist der Preis, wenn man meint, ein Paradies der Oligarchencamorra bedienen zu müssen und das Volk als Ersatz für Wohlstand, Freiheit und (höchstens herbei halluzinierte) nationale Größe sich an einer nationalistischen Heim-ins-Reich-Politik besaufen lässt.
Eine runtergerockte Bananenrepublik, die dachte, einen auf dicke Hose machen zu müssen.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
2 Jahre zuvor

Zu spät für was?

Jedenfalls steckt Europa in einer Chamberlain-Falle: ein von imperialen Phantasien gelenkter Diktator inszeniert sich als Mehrer des Reiches und die benachbarten Staaten haben militärisch derart abgewirtschaftet, daß Skrupellosigkeit als Kompetenz in Machtfragen erscheint. Jedenfalls müssen wir Putin z.Z. mehr oder weniger gewähren lassen.
Angeblich möchte er auch bei den großen Jungs mitspielen und nicht als vernbachlässigbarer Diktator über ein "Obervolta mit Atomraketen" dastehen.
Letzteres kann nicht gelingen, dafür hat er zu dumme Fehler gemacht. Wir wissen:
Putin ist ein notorischer Lügner.
Putin ist nicht vertragstreu.
Putin ist ein Gewohnheitsmörder.
Putin wäre gerne ein Napoleon ist aber der andere Kleine, ein Capone, der sich einen Staat zur Beute gemacht hat und Schutzgeld gegen die Bedrohung, die er vorallem mal selbst darstellt, eintreibt. Putin ist der Zeck im Fell Russlands und verhindert die Entwicklung des enorm chancenreichen Landes, ökonomisch völlig unfähig wie er ist, in kaum fassbarer Weise.
Putin hat nicht mehr als die Unterlassung seines Terrors zu bieten.
Dafür kann man ihn bezahlen.
Oder man ist wehrhaft und nicht erpressbar.
Schon allein kaufmännisch ist die zweite Variante attraktiver, da man dabei eine recht effektive Eindämmungspolitik zumindest versuchen kann. Wunder darf man dabei nicht erwarten, aber was hat die UdSSR den Westen groß beim Wirtschaften gestört?
Das Politikkonzept von Putin ist für Loser, da hat S. Bartoschek am 19.2. schon recht gehabt. So steht der informierte Teil der eigenen Bevölkerung gegen den Krieg protestierend auf der Straße. Putin droht, das würde im Wiederholungsfall auch beruflich für diese zutreffen. Was wenn diese junge Elite denkt, dann arbeite ich halt woanders. Sie sprechen Deutsch und/oder Englisch? In Deutschland hätten wir Verwendung für gut geschulte Leute, England auch, Polens Wirtschaft entwickelt sich ebenfalls in einer Weise, daß auch dort bald Fachkräfte Mangel herrscht…

Was Putin schon lange betreibt, ist ein staatlicher Selbstmord auf Raten.
Ich befürchte wir sind womögllich Zeugen eines extrem erweiterten Selbstmordes einer verkrachten, scheiternden Existenz, die sich in eine Phantasiewelt über die eigene Größe verabschiedet hat. Wenn dem so sein sollte, verschafft uns die Ukraine gerade etwas Zeit, um bei diesem Selbstmord nicht (völlig) mitgerissen zu werden.

Manni
Manni
2 Jahre zuvor

"dass Putin auf lange Sicht der Verlierer des Krieges sein wird"

So wahrscheinlich es ist, so drängend ist die Frage, wie lange wohl die "lange Sicht" sein mag. Die Chance, dass es bis dahin ununterbrochen Krieg geben wird, ist groß. Putin will nicht nur das Russische Imperium wiederherstellen, er will es bis Byzanz ausdehnen. Das ist der alte Großmachtstraum der orthodoxen Imperialisten, und wer ihn verwirklicht, der wird heilig gesprochen, d.h. unsterblich werden.
Klingt absurd? Ja, das ist es. Trotzdem war das der Grund für Nikolaus II. den Weltkrieg voranzutreiben. Und die russisch-orthodoxe Kirche spricht traditionell ihre großen Imperatoren heilig (Zaren gab es nur bis 1721). Auf jeden Fall ist die wahnwitzige Phantasie vom Dritten Rom.
Dazu Zitat J. Himmelreich (NZZ 2015):"So bildet die historische, orthodoxe Herrschaftsideologie auch heute wieder den Goldgrund für Putins autokratisches Regime und seinen wiederbelebten russischen Expansionismus".
So wie er heute handelt, scheint ihm aus irgendeinem Grund die Zeit davonzulaufen (oder nur, dass er es befürchtet). Daher die katastrophale Logistik und die Angriffe auf Zivilisten. Und daher die schnell gespielte A-Karte. Deren Einsatz ist angesichts des Protagonisten nun wahrscheinlicher denn je.

@#2,OKI:"Hey, wir mussten Russland den Krieg erklären"

Nein, müssen wir nicht. Wenn ihn jetzt niemand stoppt, dann geht's weiter mit Kasachstan, Moldau, Finnland, dem Baltikum und Polen. Spätestens bei Polen haben wir den Bündnisfall.

@#8, Psychologe:"worüber zu verhandeln sein soll"
Über den Einsatz von Atomwaffen. Es muss klar sein, dass es keine russischen Städte mehr geben wird, wenn er als Erster diese Waffen einsetzen lässt.

@#9, Wolfram:"wir sind womögllich Zeugen eines extrem erweiterten Selbstmordes einer verkrachten, scheiternden Existenz"
Ich fürchte, Sie haben Recht, im besten Fall. Im schlimmsten Fall sind wir die Opfer ohne selbst etwas bewirkt zu haben. Dann wird hier allerdings nur noch wenig intakt sein.

Beenden kann das Drama jedenfalls nur das Russische Volk selbst.

Thomas Schweighäuser
Thomas Schweighäuser
2 Jahre zuvor

Zur Bildunterschrift "Zivilsten (sic!) bereiten sich in Kiew auf den Kampf gegen den russische Armee vor": Die "Zivilisten" tragen Sturmgewehre, Tarnkleidung und Muntionsgurte. Wen möchte der Autor für dumm verkaufen?

SvG
SvG
2 Jahre zuvor

@ Thomas Schweighäuser:
Ich sehe auf dem Photo drei nicht einheitlich gekleidete Menschen: Der Mann im Vordergrund trägt offensichtlich Arbeitshandschuhe zu einem handelsüblichen Parka, wie ich ihn schon bei Anglern sah. Die Frau im Hintergrund eine schwarze Hose, evtl. Jeans und Schal. Der Mann in der Bildmitte als einziger eine komplette Uniform. Es gehört schon einiges an schlechtem Willen dazu, da reguläre Armeeangehörige erkenn zu ollen.

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