Was wir können und was nicht

Am Freitag gingen wir mit dem Lokalteil Dortmund online. Wir wurden – auch von den Kollegen der Ruhr Nachrichten – freundlich begrüßt, der Start lief besser, als wir es erhofft hatten. Zeit, sich ein paar Gedanken darüber zu machen, was wir mit diesem Lokalteil schaffen können und was nicht, wo die Grenzen und die Chancen dieses Projekts liegen.

Jedem, der sich auch nur ein wenig mit Medien auskennt, ist klar, dass das was wir von den Ruhrbaronen mit dem Lokalteil-Dortmund am Freitag begonnen haben, nie ein Ersatz für den Lokalteil einer Tageszeitung sein kann und wir haben das auch an jeder Stelle betont. Die DJV-NRW-Geschäftsführerin Anja Zimmer hat es auf wdr.de eigentlich auf den Punkt gebracht:

„Was die Ruhrbarone auf jeden Fall böten, meint sie, sei eine zweite Meinung. Bisher sei es in Dortmund so gewesen, dass die Ruhr-Nachrichten als eher konservativ und die Westfälische Rundschau als eher links gegolten haben. Dieses Gefüge sei durch das Ende eigener redaktioneller Inhalte in der Rundschau auseinandergebrochen. „Egal, wo sie jetzt nun stehen, es gibt eine Alternative“, meint Zimmer.“

Nun gut, wir werden nicht nur eine zweite Meinung sein, sondern natürlich haben wir als Journalisten den Anspruch, auch aufzuklären und zu enthüllen und sind uns sicher, dass wir auch den einen oder anderen Scoop werden landen können, dass es uns gelingen wird, Hintergründe zu liefern. Aber es ist auch klar, das unsere Möglichkeiten beschränkt sind, denn wir werden nicht

schaffen können, was sehr guter Lokaljournalismus schaffen kann. Die Arbeit zum Beispiel, die der Kollege Rolf Hartmann bis vor kurzem, er ist jetzt in Rente, bei der WAZ in Bochum leistete. Hartmann war für mich immer ein Beispiel für hervorragenden Lokaljournalismus und dass er Wächterpreisträger ist, zeigt ja schon seine Qualität.

Wenn ich zusammen auf Pressekonferenzen mit Hartmann saß, hörte ich ihm immer sehr genau zu: Durch seine jahrzehntelange Erfahrung wusste er mehr als wir anderen zusammen, meistens auch deutlich mehr als die Politiker. Hartmann hatte die Erfahrung von hunderten Rats- und Ausschusssitzungen. Er erinnerte sich bei einem Thema sehr genau daran, was die Stadtverwaltung vor ein paar Jahre dazu sagte und was sich jetzt geändert hatte. Und er fragte nach – beharrlich und ruhig. Jede Pressekonferenz, die ich mit Rolf Hartmann erlebte, war für mich eine Lehrstunde zum Thema Lokaljournalismus und dass er jetzt nicht mehr bei der WAZ Bochum arbeitet, ist für diese Zeitung ein schwerer Verlust.

Seine Arbeit konnte Rolf Hartmann so gut machen, weil er die Zeit hatte, die vielen Sitzungen und Pressekonferenzen auch zu besuchen, wenn am Ende nur eine kleine Meldung abfiel. Aber wenn dann einmal etwas wichtiges und spannendes passierte, konnte er auf sein so erworbenes Wissen zurückgreifen. Zeit, sich mit Themen auseinanderzusetzen ist eine der wichtigsten Grundlagen für guten Journalismus. Hartmann hatte diese Zeit – über Jahre. Und er bekam sie bezahlt.

Wir werden diese Zeit nicht haben, denn wir können es uns nicht leisten, unbezahlt Stunden über Stunden in Rats- und Ausschusssitzungen zu verbringen. Die meisten bei den Ruhrbaronen sind freie Journalisten. Davon leben wir, damit verdienen wir unser Geld. Und ich zum Beispiel möchte auch gar nicht ausschließlich lokal arbeiten. Das Blog machen wir nebenbei, es ist eine zeitintensive Leidenschaft, die kein Geld bringt: Einmal im Jahr gibt es eine Party, dort verfeiern wir den Gewinn. Ein paar hundert Euro kostet das und viel teurer darf es auch nicht werden.

Wird sich das durch den Lokalteil Dortmund ändern? Nein, ich glaube nicht. Natürlich war ein Grund dafür den Lokalteil zu gründen, dass wir mit dem Blog Geld verdienen wollen. Aber es ist unrealistisch zu glauben, dass wir damit auch nur eine Redakteursstelle finanzieren können. Wenn die von uns, die am meisten arbeiten, am Ende mit 400 – 500 Euro im Monat nach Hausen gehen, wäre das ein schöner Zuverdienst. Das Blog wäre dann einer von mehreren Kunden, kein großer, aber vielleicht an dauerhafter. Das ist, grob umrissen, unser wirtschaftliches Ziel und wir hoffen, es in den kommenden Monaten erreichen zu können.

Der Grund für diesen Realismus ist die Entwicklung der letzten Jahre. Nicht die viel geschmähte Gratis-Kultur im Internet ist das Problem, sondern der Verlust des der Bedeutung der Werbeflächen in den Medien. Niemand muss heute mehr in Zeitungen oder Online-Medien schalten, wenn er werben will. Er kann es in der digitalen Welt überall tun. Die Werbeflächen haben sich vervielfacht und damit sind die Preise gesunken. Ein Beispiel gefällig?

Vergleicht man die Seitenaufrufe und die Leserzahlen der Ruhrbarone, liegen wir deutlich über allen Zahlen des 2005 eingestellten Stadtmagazins Marabo, bei dem ich Redakteur war – und das auch, wenn wir auf die Zahlen aus den „guten Zeiten“ Anfang bis Mitte der 90er Jahre schauen. Die Zahl der Marabo-Seiten x drei imaginären Lesern x Auflage: Das ernährte mal an die 15 Leute mit vollen Stellen, dazu gab es Geld für die Druckerei und die Auslieferungsfahrer und etliche Freie Mitarbeiter. OK, das Geld beim Marabo kam nicht regelmäßig, aber wir schlugen uns durch.

Die Ruhrbarone sind größer als es Marabo je war, wir sind relevanter und werden häufiger zitiert – und es reicht für ein paar Biere an einem Abend im Jahr.

Im Lokalen, sagen uns sie Kollegen von den Prenzlauer-Berg-Nachrichten, sei die Lage etwas besser und so hoffen wir auf ein Mehr an Umsatz. Zur Finanzierung einer Redaktion wird es allerdings nicht reichen. Das ist undenkbar.

Wir müssen also sehr schnell damit beginnen, neue Finanzierungswege von Journalismus zu finden. Dortmund hat mit den Ruhr Nachrichten nur noch eine Redaktion? Hoffen wir, dass es die noch ein zehn Jahren hat. Viele Städte haben heute schon keine eigene Lokalredaktion mehr und die Entwicklung hat erst begonnen.

Die Krise und unsere Existenzangst hat den Staat auf den Plan gerufen. Er wird versuchen sich als Retter aufzuspielen und Rettungsringe zu verteilen. Aber diese Rettung wird nicht umsonst sein, sie wird ihren Preis haben und dieser Preis wird unsere Unabhängigkeit sein.

Ich bin nicht bereit, diesen Preis zu zahlen – wir müssen also nachdenken: Stiftungen? Vereine? Genossenschaften? Die Gemeinnützigkeit des Journalismus? Wie kann Journalismus künftig finanziert werden – bislang hat niemand eine Antwort auf diese Frage gefunden. Wir sollten an ihrer Beantwortung arbeiten – denn bislang gibt es kein funktionierendes Geschäftsmodell, wie Journalismus zu finanzieren ist.

Crosspost: Der Text erschien bereits auf dem Blog Charly & Friends

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Klpe
Klpe
11 Jahre zuvor

An dieser auch von meiner Seite herzlichen Dank für euer Engagement für eine Meinungsvielfalt in Dortmund.
Dafür lässt sich nichts kaufen, ich weis.
Beobachte jetzt neben der „alten“ auch die neue RB-Seite regelmäßig und bin gespannt auf die weitere Entwicklungen.
Müsste doch machbar sein, als Pendant zum neuen Monopolisten ein finanzierbares Oligopolistendasein zu errichten. Insbesondere in einer Stadt von der Grössenordnung wie Dortmund.
Oder;)?
Viel Erfolg

Tobias
Tobias
11 Jahre zuvor

Wochenzeitung für Dortmund

Eine Perspektive für eine neue tägliche Lokalzeitung zu sehen fällt mir schwer, wenn ich mir die Artikel zur Finanz- und Erlössituation in der Zeitungslandschaft durchlese.

Vielleicht wäre aber eine neue lokale Wochenzeitung (print + digitale apps) ein Modell für Dortmund? Schwerpunkt Reportagen und Hintergrundberichte aus Dortmund + die ein oder andere regionale Geschichte. Erscheinungstag vor dem Wochenende.

Organisation & Betrieb über ein Genossenschaftsmodell?

Möglicherweise als Genossenschaftsmodell

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[…] Was wir können und was nicht (Ruhrbarone) – Über den Dortmunder Lokalteil der Ruhrbarone, der zum 1. Februar 2013 startete. […]

Helmut Junge
Helmut Junge
11 Jahre zuvor

Viel Erfolg

Novinky Schleich
11 Jahre zuvor

Viel Erfolg!

Die Idee mit der Wochenzeitung ist gut. Zumindest hätte man da etwas mehr Platz für ein paar längere Reportagen und die Leser hätten wieder einen Grund, ihre Zeitung auch zu lesen und vor allem zu kaufen.

In den letzten Jahren ist der Platz für soetwas -zumindest in der WR- leider immer weiter zusammengestaucht worden. Wo früher locker noch 140 Zeilen möglich waren blieben nach dem letzten Layoutrelaunch noch maue 80 Zeilen übrig.

heike
heike
11 Jahre zuvor

naja die einseitigkeit in bezug auf doofmund bemerkt man schon lange hier 🙁

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