Heute Abend findet das WDR5-„Stadtgespräch“ in Dortmund statt. Thema der Live-Sendung ist „Was stoppt rechte Hetze?“. Eigentlich sollte die Veranstaltung vor Publikum stattfinden, die Karten waren mittlerweile schon knapp geworden. Heute Morgen überraschte der WDR allerdings mit einer Meldung. Das „Stadtgespräch“ müsse ohne Publikum stattfinden, weil sich die „gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Linksautonomen“ in den letzten Tagen zugespitzt hätten. Der WDR setzt hier Neonazis, die in Dortmund fünf Menschen umgebracht haben, mit ein paar jugendlichen Antifas gleich. Was hat sich denn zugespitzt? Am Montag verlief eine Kundgebung der Partei „Die Rechte“ nicht ganz störungsfrei. Augenzeugen berichten, dass einzelne Gegenstände auf die Nazis geflogen seien. In der Nacht zum Dienstag wurde das Büro der Piratenpartei Ziel eines Anschlags (unser Bericht). Und am Dienstag Abend gab es bei einer weiteren Nazi-Kundgebung kleine Zwischenfälle (unser Bericht). Das alles sind keine Vorfälle, wegen denen der WDR um die „Sicherheit“ seiner Hörer besorgt sein muss.
In Dortmund finden im Wochentakt Veranstaltungen zur extremen Rechten statt, ob die Reihe BlackBox oder die Ausstellung zu David Schravens „Weisse Wölfe“ am Schauspiel Dortmund, das Antifa-Café im Nordpol oder kürzlich eine Veranstaltung der Linkspartei zum „NSU“. All diese Veranstaltungen fanden statt, wurden nicht gestört oder sonstwie bedroht. Wenn der WDR es sich hätte einfach machen wollen, hätte er im Vorhinein ausgeschlossen, dass Personen aus der rechten Szene zur Veranstaltung kommen. Aber auch ohne so einen Ausschluss hätte es am Abend vermutlich keine Probleme gegeben.
Dass für eine Veranstaltung unter dem Motto „Was stoppt rechte Hetze?“ der Extremismustheoretiker Prof. Dierk Borstel (über Borstel berichteten wir zuletzt vor knapp einem Jahr) eingeladen und das Publikum aufgrund von Panikmache vor „Linksautonomen“ ausgeladen wird, lässt tief blicken. Mit den Verhältnissen in Dortmund scheint sich die Redaktion nicht auseinandergesetzt zu haben. Sind es nicht eben jene „Linksautonomen“, die an jedem verdammten Montag gegen Nazis auf die Straße gehen? Waren es nicht hunderte „Linksautonome“, die das Camp von syrischen Flüchtlingen bei seinem Umzug begleitet haben? (unser Bericht über das Camp)
WDR 5 hat mit dieser Veranstaltung dem Kampf gegen Nazis einen Bärendienst erwiesen. Die Extremismustheorie ist wieder auf dem Tisch, und die Nazis werden sich freuen, dass sie ohne auch nur eine Störung anzukündigen, dass Publikum aus einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Senders ausschließen können. Gut, dass in Dortmund auch andere Organisationen Veranstaltungen zum Thema Neonazismus organisieren. Auf den WDR kann man sich in diesem Themenfeld offensichtlich nicht verlassen.
Es gerüchtet, dass Giemsch und Brück ihr Kommen angekündigt hätten bzw. sie sogar eingeladen wurden, um im Publikum zu sitzen. Habt Ihr da eventuell nähere Infos?
@Martin: Kenne ich seit gestern Abend auch als Gerücht. Aber die beiden hätte man rein lassen können oder wie im Artikel vorgeschlagen einfach in der Einladung/ Ankündigung ausladen.
Hier gibts dafür sogar ein How-To: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41610/guter-rat-wenn-nazis-stoeren?p=all
"Am Montag verlief eine Kundgebung der Partei „Die Rechte“ nicht ganz störungsfrei. Augenzeugen berichten, dass einzelne Gegenstände auf die Nazis geflogen seien."
Nicht ganz störungsfrei. Das klingt unfreiwillig ironisch. Und dann die nicht näher beschriebenen Gegenständen, die nicht etwa geworfen wurden, sondern 'geflogen' sind. Ich kann jedenfalls ganz gut nachvollziehen, warum die vom WDR nicht in einem Raum zusammen mit rechten und linken Extremisten sein wollten. Hatten vmtl. Angst in die Flugbahn 'nicht ganz leichter' Gegenstände zu geraten, wenn die beiden Gruppen aufeinander los gegangen wären.
Am Montag wurde niemand verletzt. Weder Nazis noch Linke waren einem Steinhagel ausgesetzt. Und wie geschrieben finden in Dortmund ständig Veranstaltungen zum Thema statt. Und das völlig ohne Probleme.
@Gerd: Der WDR hatte noch nie irgendwelche "Ängste", wenn es z.B. darum ging, rivalisierende Hools/rechte Ultras oder Straßengangs in Beiträgen zu porträtieren. Da fliegt im realen Leben wesentlich mehr über die Straße (oder Wiese). "Angst" wäre also für für diesen Berufsstand ein sehr lächerliches Gegenargument.
[…] WDR: Öffentlich-rechtliche Einknicker (Ruhrbarone) – Die Sendung "Stadtgespräch" von WDR 5 fand unter Ausschluss der […]
Hatte ja überlegt, beim Stadtgespräch meine Erfahrungen einzubringen, wie toll sich Dortmund gegen die Nazis wehrt. So aus der Perspektive von jemanden, der nicht auf jede Demo geht und sich nur sporadisch engagiert. Habs dann aber sein lassen, als die Veranstaltung sich schon im Voraus als eine komplette Farce heraus gestellt hat.
Ich pack meine vorformulierte (bin kein guter freier Redner) Aussage mal hier rein, vielleicht interessiert es ja doch den ein oder anderen.
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Ich habe leider das Gefühl, dass sich in Dortmund Teile der Polizei und der Stadtverwaltung mit den Nazis abgefunden haben.
So habe ich z.B. bei der letzten Kommunalwahl der Stadt Dortmund etwa 40 Plakate von "Die Rechte" gemeldet, die Vorschriftswridig angebracht waren. Teilweise waren Verkehrsschilder verdeckt, fast immer wurde der vorgeschriebene Mindestabstand zwischen den Plakaten einer Partei nicht eingehalten. Das hatte zur Folge, dass im Zentrum von Dorstfeld fast so viele Nazi-Plakate hingen, wie von allen anderen Parteien zusammen.
Ich hatte gehofft, dass die Stadt schnell einschreitet und die Nazis entweder dazu zwingt die Plakate selber ab zu hängen oder dies für sie macht und der Partei dafür eine dicke Rechnung schickt.
Leider ist nichts dergleichen geschehen und die Plakate hingen Teilweise sogar noch Wochen nach der Wahl, obwohl ich meiner Mail sogar noch hinterher telefoniert habe.
Mein zweites Beispiel ist eine Demo gegen Antisemitismus, die es in Dorstfeld kurz nach Sylvester gab. Die Demo war eine Reaktion darauf, dass die Nazis in der Sylvesternacht ein Denkmal für die Synagoge, die es in Dorstfeld vor dem Krieg gab, geschändet haben.
Die Polizei hat es hier tatsächlich fertig gebracht, dass die Bürger, die sich gegen Antisemitismus stellen, nicht zu dem Denkmal durften. Dafür durften dort die ganze Zeit die paar ortsansässigen Nazis rumlaufen, die sich die Antisemitismusdemo angeschaut haben.
Es wäre ein leichtes für die Polizei gewesen die paar Nazis etwas zu "verlagern" und es den Bürgern zu ermöglichen, das Denkmal zu erreichen. Aber nichts dergleichen ist geschehen.
Es ist klar, dass Stadt und Polizei den Nazis nicht einfach alles verbieten können aber das Mindeste, was man erwarten kann, ist dass man denen das Leben so schwer wie legal möglich macht.