Welches Deutschland hätten Sie gerne? Und wie viele?

Björn Höcke in Arnstadt Foto: Antje Jelinek


Die Wahlen in Thüringen und Sachsen sind eine Zäsur. Sie sind mehr als eine verdiente Abstrafung der Ampel. Die Wähler haben sich in der Mehrheit gegen das politische System der Bundesrepublik gewandt. Der Westen muss sich Gedanken darüber machen, wie er auf die Gefahr aus dem Osten reagiert.

Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk sagte dem Tagesspiegel: „Wir werden über kurz oder lang ein autoritäres Staatssystem auch in Deutschland erleben.“ Die gestrigen Wahlen in Thüringen und Sachsen zeigen, das Kowalczuks Sorgen berechtigt sind. In Sachsen und Thüringen geht nichts mehr ohne die AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht. Parteien, die den Westen verachten regieren künftig mit. Das BSW ist wie die AfD eine Gefahr für die Demokratie. Wer sie für die Retterin vor der AfD hält, sollte das Essay von Kowalczuk über Wagenknecht in der Zeit lesen:

„Oft wird behauptet, Wagenknecht sei nicht mehr jene fanatische DDR- Anhängerin, als die sie sich in den 1990er-Jahren zeigte. Damals antwortete sie auf die Frage, ob sie lieber in der Bundesrepublik oder der DDR leben möchte: tausendmal lieber in der DDR. Viele glauben heute, sie bewundere nicht mehr Stalin und Ulbricht, wie sie das in den 1990er-Jahren offen zur Schau trug, sondern sei nun Anhängerin von Ludwig Erhard. Das war und ist eine Fehlwahrnehmung. Weil viele Beobachter das große Ziel der Sahra Wagenknecht offenbar aus den Augen verloren hatten, was ihr selbstredend nicht passiert. Ihr politisches Engagement läuft weiterhin auf ein kommunistisches Gesellschaftsexperiment auf nationaler Grundlage hinaus, von dem zumindest fraglich ist, wie es mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sein soll.“

Sarah Wagenknecht Foto: Roland W. Waniek

Es ist nicht auszuschließen, dass die Welle aus Hass, Rassismus und Westablehnung irgendwann in die alten Bundesländer herüberschwappt, auch wenn das auf absehbare Zeit nicht wahrscheinlich ist, denn Demokratie und Freiheit sind im Westen tiefer verankert als im Osten. Gewonnen haben in Ostdeutschland mit AfD und BSW Parteien, die Deutschland an Russland ausliefern und Putin dabei helfen wollen, die Ukraine zu unterjochen. Es sind Parteien, die unsere Gesellschaftsordnung verachten, ablehnen und bekämpfen.

34 Jahre wurde der Osten mit Billionenbeträgen aus dem Westen hochgepäppelt. Mittlerweile sind die Städte und die Infrastruktur in einem besseren Zustand als in Westdeutschland, denn das Geld, das in den Osten geschickt wurde, fehlte in Städten wie Duisburg, Wilhelmshaven und Pirmasens, und auch in Hamburg, Frankfurt und München könnten ohne den finanziellen Aderlass besser aussehen.

All das Geld, die Reise- und Pressefreiheit, das Recht, zu demonstrieren, reichten nicht aus, um aus der Mehrheit der Ostler Demokraten im westlichen Sinn zu machen. Der Soziologe Steffen Mau stellt in seinem Buch „Ungleich vereint“ fest: „Ostdeutschland mangelt es bis heute an einem robusten sozialmoralischen und sozialstrukturellen Unterbau, der Toleranz, ein emphatisches Demokratieverständnis und ein Bekenntnis zu den Prinzipien der liberalen Ordnung tragen könnte.“ Und Ilko-Sascha Kowalczuk schreibt in „Freiheitsschock“: „Wahlforscher geben an, dass sich über die Hälfte der Ostdeutschen vorstellen könnten, die AfD zu wählen. Nimmt man noch die Prognosen für BSW und auch die Linkspartei hinzu, so steht das Wählerpotential für autoritäre, antiwestliche und kremlnahe Parteien in Ostdeutschland aktuell bei deutlich über zwei Dritteln. (…) Wir haben im Osten eine autoritäre Tradition, die über Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und DDR fortwirkte.“

Ja, die Wahl gestern war auch eine mehr als verdiente Abstrafung der Ampel, die das Land deindustrialisiert, die Sicherheit der Energieversorgung aus ideologischen Gründen riskiert, die weder eine gelungene und notwendige Einwanderungspolitik organisiert bekommt und es auch nicht schafft, gegen illegale Migration vorzugehen, aber das alles erklärt nicht allein den so großen Erfolg autoritärer Parteien, die nicht die Ampel ablehnen, sondern das demokratische System der Bundesrepublik. Das wird deutlich, wenn man sich die Wahlergebnisse im Osten anschaut: Seit Jahrzehnten stimmen dort immer mehr Menschen für die Feinde des Westens, wählten SED, DVU, NPD AfD und jetzt auch BSW:


Uns muss klar werden: Eine Mehrheit der Menschen im Osten teilt nicht unser westliches Wertesystem.

Und nun kommen wir im Westen zu dem Punkt an dem wir uns fragen müssen, ob wir weiterhin mit ihnen in einem Land leben wollen und ob es nicht besser wäre, sich zu trennen. Ist uns Einheit wichtiger als die Freiheit? Ist für uns der Osten, den über 60 Prozent der Westdeutschen noch nie besucht haben, so bedeutend, dass den Osten die Demokratie im ganzen Land gefährden lassen? Putin erlauben, die Ukraine zu vernichten und NATO und EU zu schwächen? Wir im Westen müssen darüber reden, was uns wichtiger ist: Freiheit oder Einheit, ein Teil des Westens zu bleiben oder eine Kolonie Russland zu werden. Mit jedem Ostland, das sich gegen die Freiheit und den Westen stellt, wird die Beantwortung der Frage dingender.

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Kristin
Kristin
3 Monate zuvor

Wie soll die Scheidung vom Osten denn konkret durchgeführt werden?

Woher die Zuversicht kommt, die AfD und das BSW würden im Westen nächsten September nicht annähernde Erfolge verbuchen können, ist mir ein Rätsel, wenn ich sie auch gerne selber hätte.

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