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Eine neue Weltordnung entsteht, seit Trump die USA in die Bedeutungslosigkeit einer Regionalmacht zu führen angetreten ist. In den kommenden Wochen wird in lockerer Folge beleuchtet, was das auf einer größeren Ebene bedeutet: Welche Machtstrukturen entstehen? Wer füllt das geopolitische Vakuum? Wer schützt Polen, und was ist mit Europa? Zum Einstieg schauen wir darauf, wie Trump die USA vom Hegemon zum neuen Atlantic City macht.
Die Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump und Vizepräsident J.D. Vance verfolgen eine isolationistische Politik, die die geopolitische Landschaft neu ordnet und das Machtgefüge zwischen Europa, Russland und China verändert. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg steht Europa vor der realen Möglichkeit, ohne die USA als Schutzmacht dazustehen. Die transatlantische Beziehung wird zunehmend zu einer transaktionalen Partnerschaft degradiert – eine Entwicklung, die sich bereits in wirtschaftlichen und militärischen Bereichen manifestiert.
Der wirtschaftliche Bruch zwischen den USA und Europa ist nicht mehr theoretisch, sondern Realität. Unlängst verhängte Trump eine 25 %ige Strafzollregelung auf europäische Stahl- und Aluminiumimporte – ein protektionistischer Schlag, ein Schlag gegen freien Markt und liberale Wirtschaft, der über Nacht Hunderte Millionen Euro an zusätzlichen Kosten für europäische Exporteure verursachte. Eine Marktverzerrung, wie man sie aus der freien Welt kaum gewohnt ist. Das transatlantische Handelsvolumen, das 2023 noch bei 1,6 Billionen Euro lag, beginnt sich zu reduzieren.
Trump hat wiederholt gefordert, dass Taiwan seine Verteidigungsausgaben auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts erhöht – eine Vervierfachung des aktuellen Budgets. Gleichzeitig drohte er mit hohen Zöllen auf Halbleiterimporte, um die heimische Chip-Produktion zu fördern. Taiwans Präsident Lai Ching-te reagierte darauf mit dem Versprechen, die Investitionen in den USA zu erhöhen und die Kommunikation zu intensivieren, um die Handelsbeziehungen zu stabilisieren. Dahinter steht die blanke Angst, dass die Trump-USA Taiwan nicht vor China schützen wollen.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sorgte US-Vizepräsident J.D. Vance für Unruhe, als er die Meinungsfreiheit in Europa infrage stellte und eine Zusammenarbeit mit populistischen bis rechtsradikalen Parteien wie der AfD vorschlug. Diese Aussagen stießen bei europäischen Politikern auf scharfe Kritik und wurden als Einmischung in innere Angelegenheiten gewertet. Von deutscher Seite fand zumindest Verteidigungsminister Boris Pistorius klare Worte gegen die Ausführungen des Hillbillys aus Ohio.
Vance versuchte dabei auch, europäische Regierungen gegen die Digital Services Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) Regelungen der EU aufzuhetzen. Besonders die Verpflichtung für Plattformbetreiber, Fake News und manipulative Inhalte konsequenter zu moderieren, sei ein Eingriff in die „Redefreiheit“, die Washington nicht hinnehmen werde. Das Angebot zwischen den Zeilen: Wer sich den Trump-amerikanischen Vorstellungen anpasst, kann mit besseren Beziehungen zur Trump-Regierung rechnen.
Auch die Ukraine-Politik der USA passt in die isolationistische Neuordnung. Während die europäischen NATO-Staaten militärische Unterstützung aufrechterhalten wollen, plädiert Washington für eine rasche diplomatische Lösung – selbst um den Preis territorialer Zugeständnisse an Russland. Interne Dokumente definieren einen „strategischen Rückzug aus kostspieligen Konflikten“ als neue Doktrin.
Trump tut, was er immer tut: ein großes Erbe übernehmen und es verschleudern. In den 1980ern ruinierte er das Familienunternehmen, indem er seine Casinos in Atlantic City mit absurden Krediten finanzierte, die er nie zurückzahlen konnte. Aber bereits da ließen sich genug Leute einreden, dass das alles „tremendous“ sei. Jetzt läuft es genauso: Trump erbt die geopolitische Vormachtstellung der USA, verwettet sie in einem politischen Casino und glaubt, die Bank schlagen zu können. Doch die Weltordnung funktioniert nicht wie ein Immobiliendeal, und irgendwann gibt es niemanden mehr, der ihm noch Geld hinterherwirft. Bis dahin haben gleichwohl Trump und seine Kamarilla sich ihre Pfründe gesichert. Die USA werden das neue Atlantic City – eine leere, heruntergewirtschaftete Fassade, deren einstige Strahlkraft niemanden mehr beeindruckt.
Wenig charmantes Gegenszenario: eine Teilung der Welt, in der USA, Russland und China sich stillschweigend arrangieren und ihre jeweiligen Einflusszonen akzeptieren. Europa und Taiwan wären in diesem Szenario schlicht Verhandlungsmasse. Washington würde dann Kanada und den gesamten Nordpolarraum dominieren, Russland dürfte Osteuropa „stabilisieren“ und China hätte freie Hand im Pazifik. Wobei es nicht danach aussieht – auch, da China sich gegenüber Russland vom Partner zum dominaten Part abgesetzt hat, und Konflikte vorhanden sind, die aber meist, vor dem Hintergrund des gemeinsamen Feindes des Westens, verdeckt verhandelt werden.
Die Konsequenz: Europa steht vor einer sicherheitspolitischen Realität, auf die es nicht vorbereitet ist, die es nicht wahrhaben wollte. Allerdings: Polen und die baltischen Staaten investieren massiv in ihre Verteidigungsbudgets. Polen strebt an, bis 2035 mit 300.000 Soldaten die drittstärkste Armee in Europa – nach Russland und der Türkei – zu haben. Die Bundeswehr bleibt einstweilen unterfinanziert und strukturell ineffektiv. Frankreich signalisiert Bereitschaft zur Führung, doch eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie existiert bislang nur auf dem Papier. Die EU ist gezwungen, schneller als geplant geopolitische Verantwortung zu übernehmen; und dabei auch im diplomatischen neue Wege zu gehen. Und ja, in Kriegswirtschaft überzugehen, ein längst überfälliger Schritt, der aber immer noch nicht vollzogen wurde. Es braucht eben auch eine europäische Armee.
Die USA verabschieden sich aus der Weltpolitik als dominanter Akteur und gutmeinender Hegemon. Was bleibt, ist ein militärisch weiterhin überlegener, aber strategisch selektiver Akteur mit begrenzter Bereitschaft zur internationalen Stabilisierung. Europa steht vor der Wahl: sich eigenständig verteidigungsfähig zu machen oder in einer geopolitischen Lücke zurückzubleiben, die andere Akteure füllen werden.
Der nächste Teil dieser Serie widmet sich der Frage, wie Europa auf den Rückzug der USA reagiert, reagieren kann und sollte: Welche wirtschaftlichen und diplomatischen Hebel stehen zur Verfügung – auch gegen die USA? Gibt es eine realistische Alternative zur bisherigen transatlantischen Sicherheitsarchitektur?