Eine internationale Frauen-NGO malt sich Terror schön, Terror gegen Juden. Das deutsche Komitee rudert zurück, dafür mussten erst 1200 Israelis sterben. Am 1. März sollen jetzt Texte „aus Palästina“ gebetet werden, die eines tun, sie beschweigen. Das Ganze erinnert an die Documenta, dem Weltgebet der Frauen ergeht es wie der Weltkunst der Eliten: Beide finden sich in den Dienst autoritären Denkens gestellt, beide finden sich gut darin zurecht.
Im Anfang das Bild, und das Bild ward verhüllt, auf der Documenta 15 war es das von Taring Padi. Drei Tage hing es im Sommer 2022 wie ein Black Painting im Herrgottswinkel der Weltkunst herum, groß wie der Torraum eines Fußballfeldes. Malewitsch‘ Schwarzes Quadrat steht ziemlich am Anfang der modernen Kunst, die Documenta ziemlich am Ende, weil unwillens, das zu sehen, was der Volksgerichtshof, Taring Padis People’s Justice, mit Hingabe entfaltet hat, ein antisemitisches Weltbild, ein geschlossenes. Im Anfang auch ein Bild, das der Ökumenische Weltgebetstag (WGT) im Jahr darauf präsentiert und erst nach Monaten verhüllt: zu sehen eine vormoderne Phantasie wie bei Taring Padi, eine bäuerliche Idylle aus Mutter-Kult und Märtyrer-Verklärung, aus Blut und Boden und Gebet. „Das Rot der Blumen steht für das Blut, das in Kämpfen für Land und Freiheit floss“, heißt es in einer Arbeitshilfe, die der WGT bis heute vertreibt. Mit „Kämpfen“ sind Terrorangriffe auf Zivilisten gemeint.
Im vergangenen Juli dechiffrieren die Ruhrbarone den mörderischen Kitsch. Er stammt von Halima Aziz, geboren im westfälischen Hagen, sie malt Bilder in Serie, auf denen sie Israel ausradiert. Der WGT sieht keinen Grund, das Blut-und-Boden-Bild aus dem Programm zu nehmen, auch kirchliche Beauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus winken es monatelang durch. Ende September stellt der WGT dazu passende Texte vor, allein in Deutschland sollen sie von „rund 800 000“ Christen gebetet werden. Selten habe sie eine derart gut komponierte Gottesdienst-Ordnung erlebt, wird Brunhilde Raiser, Vorstand des deutschen WGT, im pro-medienmagazin zitiert, diese Liturgie sei „theologisch stimmig“, so die Theologin. Auf unsere Anfrage, ob sie dies heute anders sehe, reagiert Raiser nicht. In der Liturgie wird behauptet, „das Land, in dem Jesus gelebt und gelehrt hat“, sei „Palästina“ gewesen. Israel? Eliminiert.
16 Tage später eliminiert Hamas mehr als 1200 Israelis. Am 25. Oktober berichtet dieser Blog erneut über das, was der WGT – der Presseanfragen unbeantwortet ließ – weiterhin zu beten plant und dass sich Aziz, die Künstlerin des Terrortitels, jetzt erst recht bei Hamas untergehakt hat („I stand with Palestine“). Einen Tag später erklärt der deutsche WGT, „wir überprüfen die Vorwürfe“. Und: Der Weltgebetstag sei „wichtiger denn je“.
Selbstentschuldung statt Selbstbefragung
Schon da die irritierende Frage: Je mehr tote Juden, hingeschlachtet von Islamisten, umso wichtiger ein christliches Gebet? Wer was wem? „Ertragt einander in Liebe“ hat sich der WGT als Motto fürs kommende Weltgebet gesetzt, der Appell stammt von dem Apostel Paulus, er richtet sich unzweideutig an Christen, dass sie sich selbst ertragen mögen „durch das Band des Friedens“. Zweifellos sind christliche Claqueure des Suicide Bombings schwer erträglich, es gäbe mithin Grund, sich selber zu befragen, wie es dahin kommt, dass sich christliche Frauen weltweit aufgehoben fühlen in einer plakativen Phantasie von „Märtyrer“-Blut, das Frucht hervorbringe, also immer weiter zu vergießen sei. Der deutsche WGT aber dreht den paulinischen Appell, sich selber „in Liebe“ zu befragen, was in den eigenen Köpfen spukt, sofort von sich weg und richtet ihn auf alles Mögliche, auf „Macht- und Möglichkeitsverhältnisse“ rundherum. „Wann, wenn nicht jetzt?“ lautet die rhetorische Frage des deutschen WGT, und dann gleich noch einmal: „Wann, wenn nicht jetzt?“ müsse durchgebetet werden wie „lange vorher geplant“. Das Massaker? Kurzerhand verzweckt zur Legitimation für das, was eh auf dem eigenen Zettel steht: Die christliche Kumpanei mit dem Terror wandele sich jetzt eben, oh Wunder der Transsubstantiation, in einen „aktiven Beitrag zur friedlichen Konfliktlösung“. Und zwar „für alle Menschen“. Und zwar „weltweit und auch in Israel und Palästina“. Das ganz große Rad.
Der Dreh ist infam. Und durchsichtig: „Nicht erst nach dem Terrorangriff der Hamas auf die Zivilbevölkerung und das Existenzrecht Israels am 7. Oktober 2023 wurde deutlich, dass die Liturgie des WGT nicht in der vorliegenden Form gefeiert werden kann“, heißt es in einer Stellungnahme der westfälischen Landeskirche und deren Frauenhilfe, sie greifen darin die Kritik der Ruhrbarone auf, es gab keine andere vor dem Terrorangriff. Deutlich jetzt aber, nach den Massakern der Hamas, die Familienaufstellung im WGT, man kennt sie von der Documenta her: Das internationale Komitee des World Day of Prayer mit seinen ungenannt vielen Dependancen setzt der Hamas lediglich ein windelweiches Statement entgegen, plakatiert Aziz‘ Terroridylle aber weiterhin. Anders das deutsche Komitee, auch das österreichische, sie ziehen das Terrorbild zurück und „aktualisieren“ die liturgischen Texte. Die Liste der Eingriffe ist lang, das Ergebnis durchwachsen und am Ende fatal. Ein paar Punkte:
- Noch immer wird „Palästina“ – und zwar gleich in der liturgischen Begrüßung und dann erneut im Eingangsgebet – als ein Land vorgestellt, in dem Jesus „gelebt und gelehrt“ habe. Vorweg also ist Galiläa, israelisches Kernland, als „palästinensisch“ markiert, das Existenzrecht Israels nicht nur politisch, auch theologisch bezweifelt. In der Bibel taucht das Wort „Palästina“ kein einziges Mal auf, beim WGT lebt und lehrt Jesus dort, wo er nie war: außerhalb der Thora.
- Die Gründung des Staates Israels wird – diese Kritik hat der deutsche WGT offenbar angenommen – von der „Nakba“ abgesetzt und sie, die palästinensische Katastrophe, nun als „Flucht und Zerstreuung“ von 7 – 800 000 Palästinensern interpretiert: Ursache dieser Katastrophe war eben nicht, wie zuvor vom WGT behauptet, die Gründung des Staates Israels, sondern die Tatsache, dass fünf arabische Staaten einen Krieg gegen Israel losgetreten haben.
- Die „Geschichte von Lina“ – einer von drei palästinensischen Stimmen, die der WGT authentisch zu Gehör bringen will in „Treue gegenüber den Texten“ – ist deutlich redigiert: Lina erzählt von ihrer Tante Shireen Abu Akleh, einer Journalistin, die für Al Jazeera gearbeitet hat und im Mai 2022 bei Anti-Terror-Einsätzen in Dschenin, getroffen von einer israelischen Kugel, ums Leben gekommen ist. Die Bilder von israelischen Polizisten, die selbst noch den Trauerzug mit ihrem Sarg angegriffen haben sollen, gingen um die Welt, die Geschichte dahinter ist eine andere und völlig anders verwickelt. Auch darauf hat der WGT offensichtlich reagiert, auch das ist gut.
- Was der WGT beschweigt: Dass ihm „Handala“, das Massaker-Maskottchen, als „Ausmalbild“ für Kinder untergejubelt worden ist, das Bild wurde still und leise aus dem Verkehr gezogen. Kein Wort über den abgründigen Vertrauensbruch, den das palästinensische Komitee verübt, wenn es Kinder hinterrücks anstiftet zum Massaker-Maskottchen-Malen im Kindergottesdienst.
- Kein Wort auch über das Blut-und-Boden-Bild der Halima Aziz, der deutsche WGT hat es zurückgezogen mit der Begründung, die Künstlerin sei tatsächlich – wie seit Monaten bekannt – „Hamas-freundlich“. Und ihr Bild? Hamas-freundlich beschweigt der WGT die Frage, was er selber hineinphantasiert hat in Aziz‘ muttererdigen Mystizismus. Darüber nachzudenken, hieße beten.
- „Wir beten für Jüdinnen und Juden, die sich hier in Deutschland nicht sicher fühlen …“ Die Fürbitte am Ende des Gottesdienstes ist neu, umso beschämender, dass sich im epischen Vorwort – das sich selber in einen liturgischen Rang aufschwingt – kein einziges Wort findet, das Mitgefühl ausdrücken würde für die, die Hamas in Israel hingeschlachtet hat und zu Tausenden verletzt. Die „Terrorakte“ werden eingangs „unfassbar und grausam“ genannt und „scharf verurteilt“, nirgends aber ein Moment der Erschütterung, kein Gedanke an Angehörige, keine Bitte für die, die in Angst vergehen um ihre Liebsten, von Hamas als Geisel genommen. Ebensowenig ein mitfühlendes Wort für palästinensische Familien, die Hamas in die Schusslinie zwingt, dazu verurteilt, todesgeilen „Märtyrern“ als Schutzschild zu dienen. Stattdessen liest man beim WGT von „jüngsten Ereignissen“, die vor „besondere Herausforderungen“ stellten, ein „Bedeutungsrahmen“ habe sich „verschoben“, das Beten müsse „kontextualisiert“ werden, es benötige „Einordnung“ … Derart kalt ist dieses liturgische Vorwort, dass es die „Sehnsucht“ blamiert, die es beschwört. Reine Selbst-Rechtfertigung. Im weiteren Ablauf der Liturgie ist denn auch nur noch eine „Zeit des Schweigens“ eingetaktet „für alle, die seit dem 7. Oktober 2023 in Israel und Palästina unter Terror, Not und Krieg und sexualisierter Gewalt leiden“.
Weltgebet war gestern
Wer den Terror gepredigt, die sexualisierte Gewalt ausgeübt, den Krieg begonnen hat? Und diesen Terror partout nicht beendet? „Informiert beten“ lautet die WGT-Idee, tatsächlich ist es das Schweigen, das um sich greift im Weltgebet, es ist Hamas-freundlich wie Aziz, Hamas selber dagegen nur eingangs kurz erwähnt und nur soweit nötig, um vergessen zu machen, wie sehr man selber den Terror verklärt hat, die „Widerstandskraft“, das „Durchhalten und Standhalten“ und „Kämpfen“. Gegen Hamas? Gegen Israel. Gegen Terror? Gegen Demokratie.
Der WGT, eine äußerst schlank aufgestellte NGO mit einem eigentlich eher mütterlichen Stil, keinem kämpferischen, einem eigentlich zugewandten Denken, keinem dogmatischen, dieser WGT stellt gerade nach, was die Documenta 15 aufgeführt hat: „Weltkunst war gestern“, hat Hito Steyerl kürzlich über die Bildende Kunst nach der Documenta geschrieben, der Satz dürfte ähnlich fürs Weltgebet gelten. Die ab 1989 entstandene Erzählung vom „Zusammenwachsen einer geeinten ‚Welt‘“, so Steyerls Argumentation, sei mittlerweile „völlig unglaubwürdig“. Kunst und Kultur, gleichsam Vorboten eines Weltbürgertums, seien viel zu oft an die Kandare „antidemokratischer, teils fundamentalistischer, xenophober Kräfte“ gelegt, „die oft überraschend präzise Vorstellungen davon haben, wie sie Kunst und Kultur für ihre Zwecke instrumentalisieren“. Wer heute Weltoffenheit fordere, schreibt die international hochrenommierte Filmkünstlerin, unterschlage diesen dramatischen Wandel: „Offen, gern – aber für wen?“ Wenn nicht für diejenigen, „die sich gegen reaktionäre Fundamentalisten weltweit einsetzen.“
In der Tat, dass Bildende Kunst, die „hippe Lingua franca einer globalisierten Kulturelite“, so gar keine Formen findet, um sich autoritärem Denken zu entziehen, markiert das Ende von „Weltkunst“ als Idee. Hito Steyerl war die einzige unter rund 1500 Künstlern, die ihre Arbeit von der documenta 15 zurückgezogen und sich geweigert hat, mitzutun beim stummen Ausstellen von Judenhass.
Etwas davon wäre auch dem Weltgebet zu wünschen: dass es zumindest eine Kirchengemeinde gäbe oder ein paar mehr, die öffentlich erklärten, ihre Kirchen nicht fürs Weltgebet zu öffnen, weil sie kein Gebet mitsprechen wollten, das sich weigert, zwischen Terror und Demokratie zu unterscheiden. Auch keines, das es darauf anlegt, ein „Ende der israelischen Besatzung“ einzufordern bei Gott – Gaza ist seit 2007 von der Hamas besetzt – , dabei aber Hamas und Islamischen Dschihad, PFLP und Fatah usw. nicht einmal erwähnt, geschweige denn verflucht, geschweige denn von ihnen verlangt, den Terror einzustellen, die Geiseln freizugeben, die Killer-Kommandeure auszuliefern. Als sei ein Ende des Terrors unzumutbar für Gott.
Kein Gebet ohne Hoffnung, Hito Steyerl lässt eine hinüberschimmern aus der Welt der Künste, diese: dass sich „aus Herkünften jeglicher Art so gut wie keine Rückschlüsse mehr auf politische Positionen und Forderungen ableiten“. Identitäres Denken, das Blut und Boden und Gebet verpappt, kommt an sein Ende, in Deutschland wissen Christen eigentlich aus erster Hand, wie schön es ist, dass es die Deutschen Christen nicht mehr gibt. Davon allerdings ist in den Texten und Materialien, die das deutsche Komitee des WGT austeilt, rein nichts zu spüren, Palästinenser werden nahezu durchgehend als Monolith besehen, beispielhaft dieser Satz: „Es ist bekannt, dass sich die Palästinenser*innen immer wieder gegen die Besatzung wehrten, so zum Beispiel in der Ersten Intifada …“ Das war die, in der „die Palästinenser*innen“ mehr als 200 Israelis ermordet haben, in der zweiten „Intifada“ waren es deutlich über 1000, sie saßen in Restaurants, kauften im Supermarkt ein, fuhren in Linienbussen, tanzten abends in der Disco. Nach dem 7. Oktober reichte der WGT jetzt immerhin ein Infoblatt zum Download nach über „Die Hamas“, darin wird deren eliminatorischer, religiös unterbauter Judenhass deutlich erwähnt, der Schlusssatz lautet: „Als politisch-religiöse Bewegung (…) ist die Hamas trotz allem und nach wie vor stark in der palästinensischen Bevölkerung in Gaza verankert.“
Für wen beten, für was? „Dutzende palästinensischer Kinder haben am Mittwoch in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens gegen die Hamas protestiert“, berichtet Mohammed Altlooli, Gründer des Gaza Youth Movement. Es gab ein paar solcher Berichte zuletzt, nicht viele, sie lassen sich nicht lesen, ohne sie zu beten.
14. Juli 23: Weltweit beten Frauen für „Palestine 2024“. Für Israelhass gleich mit?
25. Okt. 23: Weltgebetstag: Absagen!
30. Okt. 23: Stellungnahme des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit
3. Nov. 23: „Weltgebete“ und „Weltoffenheit“: Touch Turn Terror
9. Nov. 23: Hamas-Promo stoppen? Ja, sagt der Weltgebetstag. Und nein