Wenn das Einhorn juckt: Bei den Grünen in NRW wächst der Unmut über den Parteivorstand

 

Schulministerin Sylvia Löhrmann Foto: © MSW NRW/Christof Wolff

Sven Lehmann ist ein Mann der klaren Worte – wenn es ihm nutzt. Nach der krachende Wahlniederlage für die NRW-Grünen fand er schnell die Schuldigen: „Eindeutig hat uns die Schulpolitik geschadet“, zitiert der Kölner Stadtanzeiger den Parteichef der Grünen in NRW. Und Lehmann meint damit die bisherige Schulministerin Löhrmann. Auch der scheidende Umweltminister kriegt sein Fett weg. Und natürlich der Wähler. In einer Pressemitteilung der Grünen vom 15. Mai heißt es: „Wir haben es nicht geschafft, (die Wähler) für diese notwendigen Veränderungsprozesse zu gewinnen“. Der Wähler, das bockige Wesen?! Das Wesen, das sich in der Bildungspolitik nicht auf einen Veränderungsprozess einstellen wollte, sondern sich lieber über den massiven Unterrichtsausfall aufregte, über eine völlig misslungene Inklusion, über ein Chaos in der Bildungspolitik, das vielleicht nur noch mit Berlin vergleichbar ist – und deshalb die Grünen abwatschte?

2 Tage nach der Wahl geht bei den Grünen die Geschichtsklitterung los und an vorderster Stelle steht Sven Lehmann. Kritik muss jeder einstecken, bei dem es ihm nutzt. Nur etwa der Totalausfall von Gesundheitsministerin Steffens im Wahlkampf blieb von Lehmann völlig unerwähnt. Warum nur? Genauso wenig stellt er den Totalausfall der Landesgeschäftstelle und des völlig verunglückten Wahlkampfes in den Fokus seiner Kritik. Maßgeblich verantwortlich ist hier nämlich: Sven Lehmann und sein Co-Vorsitzende Mona Neubauer selbst.

Sven Lehmann

An der Basis der Grünen rumort es deshalb gewaltig gegen den eigenen Parteivorstand. „Ich habe noch nie so einen bescheuerten Wahlkampf erlebt wie 2017“, klagt ein altgedienter Grünen-Kämpfer aus dem Rheinland. „Jetzt kritisiert Sven Lehmann, dass die Schulpolitik an der Wahlniederlage verantwortlich ist – das wussten wir schon vor 2 Jahren“, klagt eine Parteifunktionärin aus dem Münsterland. „Doch als Parteichefs haben Sven Lehmann und Mona Neubaur all die Jahre nichts gemacht, sondern die Fokussierung auf Löhrmann weiter vorangetrieben. Die Probleme sind ja nicht neu – doch manche haben sich eher mit Einhörnern beschäftigt und all die Zeit geschwiegen“, sagte ein Parteifunktionär aus dem Ruhrgebiet. Es ist der Seitenhieb gegen Lehmann, der sich auf Twitter gerne mit einem entsprechenden Knuddel-Emoji schmückt.

Der Frust ist groß an der Basis, denn es ist klar, dass viele Wählerschichten den Grünen den Rücken gekehrt haben, die einstmals als Stammwählerschaft galten – und viele fürchten, dass diese Wähler den Grünen bei der nächsten Kommunalwahl fern bleiben. „Wenn der Parteivorstand Schuldige sucht, dann soll er mal bei sich anfangen“, klagt ein Abgeordneter der Grünen, der künftig nicht mehr im Parlament sitzen wird und er wird noch drastischer: „Scheiß Plakate, scheiß Slogan, scheiß Themensetzung, scheiß Fokussierung auf den Internet-Wahlkampf“.

In der Tat fehlte dem Wahlkampf der Grünen alle Elemente einer professionellen Strategie: Während die SPD das Thema Gerechtigkeit für sich reklamierte, die CDU auf die innere Sicherheit und die FDP auf Christian Lindner hatte die Öko-Partei keinen roten Faden. „Herz statt Hetze“ war die einzige Antwort, die der Landesvorstand auf die drängenden Fragen der Menschen im Land anzubieten hatte. „Das war Waldorfpädagogik vom Feinsten. Hat aber nichts mit einem Wahlkampf zu tun“, kritisierte ein Grüner vom Niederrhein. „Die Leute wollten Antworten – Wir hatten nur Phrasen.“

Selbstreflexion beim Lehmann und Mona Neubaur? Fehlanzeige! Rücktritte, weil sie die Verantwortung mit übernehmen? Fehlanzeige! Muss auch gar nicht, denn Lehmann hat einen sicheren Listenplatz für den Bundestag und ist damit gut versorgt – anders als viele Grüne-Abgeordnete, die in NRW ihren Sitz im Landtag verloren haben. Ob sich der Frust der Basis auf dem Kleinen Parteitag am Wochenende in Mülheim entlädt, ist nicht klar. Es ist nur die grüne Funktionselite, die sich hier trifft, nicht die Basis. Doch das Rennen um die Posten in Fraktion und Partei ist schon eröffnet: Die Fraktion soll eine Doppelspitze aus Monika Düker und Arndt Klocke anführen, heißt es. Für den vakanten männlichen Parteivorsitz wird Stefan Engstfeld gehandelt. Ob sich Co-Chefin Mona Neubaur sich weiter aus der Verantwortung stehen kann, wie sie das bisher gemacht hat, ist offen. „Es ist erstaunlich, wie wenig selbstkritisch der Vorstand ist. Ehrlicherweise müsste auch Mona ihren Rücktritt anbieten“, fordert ein Mitglied des Linken-Flügels der Grünen. „Doch dafür fehlt ihr wohl die Haltung.“

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Ruprecht
Ruprecht
7 Jahre zuvor

Mal sehen, ob die Leute, die hier anonym bei den Ruhrbaronen ihre Kritik geäußert haben, dies auch öffentlich tun werden. Ist ja möglich in so einer Partei, ne? Und wäre ja jetzt auch die Zeit dafür, ne? Rücken gerade machen, Mund aufmachen, aus der Deckung hervorkommen.

thomas weigle
thomas weigle
7 Jahre zuvor

Ruprecht ist ja jetzt nicht unbedingt ein Klarname, ne?

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