Immer mehr Politiker der unterschiedlichsten Parteien und Ideologien haben es auf die Körper ihrer Bürger abgesehen.
Mit der Parole „Mein Bauch gehört mir“ zogen Frauen in den siebziger Jahren in ganz Deutschland auf die Straße, um für eine Abschaffung des Paragraphen 218 oder zumindest für ein liberales Abtreibungsrecht zu protestieren. Sie sahen es nicht ein, dass über die Frage, ob sie eine Schwangerschaft abbrechen oder nicht, der Staat zu entscheiden hat.
Heute, gut vierzig Jahre später, gewinnt die alte Parole wieder an Aktualität. Zwar ist das Abtreibungsrecht längst liberalisiert und die Debatten von damals fast schon vergessen, aber die Politik hat den Körper der Bürger längst für sich wiederentdeckt.
Er hat nun im Dienst der Gesellschaft zu stehen, soll weniger Kosten verursachen oder seinen Teil zur Verwirklichung der Utopie einer „gesunden Gesellschaft“ beitragen. Die „gesunde Gesellschaft“, und nicht der Islam, war die höchst moderne Argumentation des türkischen Premierministers Rajip Erdogan, mit der er im Sommer weitgehende Alkoholverbote durchsetzen wollte und sich auch deswegen den Zorn der Demonstranten zuzog, die gegen seine immer autoritärere Politik auf die Straßen gingen. Ob jemand Alkohol trinkt oder nicht, das ist für Erdogan keine Privatsache – der Kampf gegen das Bier, Raki und Wein ist für ihn, wie vorher schon bei den von ihm eingeführten Rauchverboten, eine nationale Frage.
Genau so sieht es Vladimir Putin. Als ehemaliger KGB-Agent ist Putin ohnehin ein Freund eines starken Staates und ein Verächter jeder Privatheit. Auch Putin kämpft gegen Alkohol und Zigaretten – und weil es seiner Vorstellung eines gesunden Volkes nicht entspricht auch gleich gegen Homosexualität. Ein schwuler Raucher mit einem Glas Bier in der Hand – das ist für ihn wahrscheinlich die schlimmste denkbare Bedrohung für Russland. Korruption, die Macht der Oligarchen und ein immer größer werdender technologischer und wirtschaftlicher Abstand zu den westlichen und asiatischen Industrieländern scheinen für ihn dagegen hinnehmbar zu sein.
Aber es sind nicht nur Politiker wie Erdogan und Putin, an deren demokratischer Gesinnung man aus guten Gründen zweifeln muss, die ein immer größeres Interesse an den Körpern ihrer Wähler haben. Auch in Deutschland sind die Lebensgewohnheiten des Einzelnen längst Thema der Politik. Die Grünen zogen mit der Forderung nach einem Veggie-Day in die Bundestagswahl und wollten den Bürgern mit Zwang die Freuden einer gesunden und fleischlosen Lebensweise nahebringen. Wer sich der rationalen Lebensführung verschließt, versündigt sich längst nicht mehr nur an der eigenen Lunge oder Leber: Das Helmholtz Zentrum München berechnete im Juli die durch Rauchen verursachten Kosten auf jährlich 35 Milliarden Euro. „Rauchen ist wegen seiner Auswirkungen auf die Volkswirtschaft keineswegs Privatsache.“ mahnten sogleich die die Medien.
Nur einen Monat später berechnete die Arbeiterwohlfahrt, dass Alkohol, Drogen und Zigaretten die Wirtschaft jährlich 60,25 Milliarden Euro kosten, und dies mit zunehmender Tendenz.
Auch wer gerne beherzt in eine Bulette beißt, schädigt die Nation: Nach Berechnungen des Instituts für Gesundheitsökonomik in München um satte 17 Milliarden Euro pro Jahr. Tröstlich für alle Pummel: Sie fallen längst nicht auf, denn sie stellen die Mehrheit der Bevölkerung.
Klar, auch hier greift der Staat ein. Sicher, noch nicht so radikal wie in Australien, wo über die Rationierung von Fleisch und, zur Diabetesprävention, über ein Verbot langen Sitzens nachgedacht wird.
In den USA führt New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg schon lange einen Krieg gegen Burger, Cola und Salz. Und in Deutschland hat der Spiegel im Frühjahr der „Droge Zucker“ eine Titelgeschichte gewidmet, die mittlerweile von zahlreichen anderen Medien in kleinen Varianten weiterverbreitet wurde.
Bei Lichte betrachtet kann die Lage so dramatisch nicht sein: Fast auf der ganzen Welt steigt die Lebenserwartung, und die Wirtschaft hat global eine Dynamik erreicht, die noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen ist. Auch die Deutschen werden immer älter, die Beschäftigtenzahl ist auf Rekordniveau, und selbst 60jährige kleiden sich wie Twens und sehen dabei noch nicht einmal immer lächerlich aus.
Es besteht also nicht zwingend ein Grund, der das Eingreifen des Staates rechtfertigen würde. Keine Landstriche entvölkernde Pest wütet durch das Land.
Woher kommt also der immer stärkere Hang der Politik zu einer autoritären Biopolitik, der Versuch, den Einfluss des Staates auf den Körper auszuweiten? Der französische Philosoph Michel Foucault hat beschrieben, wie der Staat ab dem 17. Jahrhundert immer stärkeren Einfluss auf die Lebensgestaltung der Menschen nahm und er sie nicht mehr entweder leben ließ oder tötete, sondern bestimmen wollte, wie sie lebten, der Staat Normen erstellte. Die Gründe waren die zunehmende Industrialisierung und der Aufbau stehender Heere. Ein Bauer mochte noch so betrunken hinter dem das Geschirr ziehenden Ochsen hertraben – in den immer größer werdenden Fabriken wurde ein solches Verhalten nicht mehr geduldet, und auch das Militär verlangte, nachdem es sich vom Ritter- und Söldnerheer zu Armeen ganzer Völker wandelte, normiertes und fügsames Menschenmaterial.
Die Ideologie dazu lieferte der Protestantismus, der die von Max Weber beschriebene rationale Lebensführung, den Verzicht auf alles Exzessive zum Ideal eines gottgefälligen Lebens erhob – und somit der Politik einen Legitimationsrahmen bot, sich in das Leben der Menschen einzumischen.
Dabei wäre es falsch, die Politik mit dem Staat gleichzusetzen. Sowie die Kirche immer ein Machtfaktor war, wurden es die unterschiedlichsten politischen Organisationen in der Neuzeit. Gut organisiert trachteten sie danach, Politiker von ihren Vorstellungen zu überzeugen. Und nicht wenige Gruppen erkannten das Feld der Biopolitik als eines, in dem sich Engagement lohnt.
Anderen vorzuschreiben wie sie zu leben haben, dem Lehrer in sich freien Lauf zu lassen, war zu allen Zeiten für Viele attraktiver, als den Nachbarn so leben zu lassen, wie er es für richtig hielt.
Im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland eine breite Bewegung gegen den Alkohol. Die Abstinenzbewegung, gegründet vor allem von christlichen Gruppen, die bis heute noch eine Rolle spielen wenn es um Alkohol-, Drogen- und Rauchverbot geht, wurde zeitweise eine Massenbewegung. In den USA gelang es ihr zumindest zeitweise, ein radikales Alkoholverbot durchzusetzen – dessen Nebeneffekt der Aufstieg der Mafia war. In Irland, Groß-Britannien und Skandinavien konnte die Abstinenzbewegung große Erfolge erzielen und zum Teil bis heute gültige Einschränkungen für trinkfreudige Zeitgenossen durchsetzen. Was zu einem Boom der Schwarzbrennerei in diesen Ländern führte und die Experimentierfreude vor allem der Jugendlichen stärkte: Der einzige Mensch, der mir jemals fachkundig erklärte, wie man sich mit Rasierwasser betrinkt ohne dass einem nach dem ersten Schluck schlecht wird, war ein Norweger.
Die Abstinenzbewegung war eine Reaktion auf die zunehmenden persönlichen Freiheiten der Menschen nach der Französischen Revolution. Die Forderungen nach Alkoholverboten traten jedoch nicht nur in christlich-konservativen Kreisen auf. Auch in der SPD gab es solche Bestrebungen – dem sozialdemokratischen Chefideologen Karl Kautsky gelang es jedoch zu verhindern, dass sie nach der Wiederzulassung der SPD Teil des Parteiprogramms wurden, in dem er die Bedeutung der Kneipenkultur für die SPD betonte.
Heute, knapp 100 Jahre nachdem die Abstinenzbewegung ihre größten Erfolge feiern konnte, erlebt sie ein überraschendes Comeback. Waren die Organisationen noch vor wenigen Jahren weitgehend einflusslose Lachnummern, sitzen sie heute wieder in den Gremien der Weltgesundheitsorganisation und überreichen Politikern wie der Grünen Gesundheitsministerin in Nordrhein Westfalen Preise – unter anderem für ihre Repressionspolitik.
Sie waren auch daran beteiligt, dass die WHO sich auf zwei Definitionen einigte, die von den meisten Staaten übernommen wurden und somit Grundlage staatlichen und gesetzgeberischen Handels wurde.
Gesundheit ist für die WHO „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Eine Droge ist für die WHO alles, was in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag. Das passt auch auf Sauerstoff.
Mit diesen beiden Definitionen im Gepäck hat die Politik nun jede Möglichkeit, in das Leben der Menschen einzugreifen. Der Puritanismus vergangener Jahrhunderte wurde durch die WHO säkularisiert. Wer sich auf die WHO und ihre Definitionen beruft, kann schlagkräftige Gründe für jedwede Verbotspolitik heranführen. Was könnte wichtiger als Gesundheit und der Schutz vor dem Tod sein? Gerade in einer Zeit, in der die Religionen weltweit, auch im arabischen Raum, auf dem Rückzug sind und sich immer mehr Menschen von der Idee eines Lebens nach dem Tod trennen und nun in dem Bewusstsein leben, nichts anderes mehr zu haben als ihre irdische Existenz?
Vor allem in den entwickelten Industriestaaten mit ihren stark ausgebauten Sozialsystemen wird damit die Frage der individuellen Gesundheit zu einer wirtschaftlichen Frage hochstilisiert, welche die gesamte Gesellschaft betrifft.
Wer raucht, schadet der Solidargemeinschaft, wer Alkohol trinkt auch, wer andere Drogen nimmt sowieso und wer zu dick ist liegt mit all seinem Gewicht den anderen auf der Tasche.
Viele sind sich einig, dass gegen solche „asozialen Verhaltensweisen“ vorgegangen werden muss.
Allerdings übersehen ebenfalls nicht Wenige die Folgen einer solchen Normierung. Niemand entspricht dem postulierten Ideal der rationalen Lebensführung. Es war der ideologische Kern einer autoritären Religion und nicht auf das Dies- sondern auf das Jenseits gerichtet. Ihn nun auf das Diesseits auszurichten, ist verheerend.
Auch wer Ski fährt, hat ein höheres Risiko für Beinbrüche, für deren Behandlung die Gemeinschaft aufkommt. Das gleiche gilt für viele andere Sportarten: Skater sehen ihren Chirurgen oft häufiger als ihre Freundin, Drachenfliegen, Fallschirmspringen – alles Risikosportarten. Selbst wer in seiner Freizeit Fußball spielt setzt seine Gesundheit in einem höheren Maße aufs Spiel als die Freunde solch wenig rasanter Sportarten wie Gehen oder Nordic Walking.
Doch diejenigen, die einem riskanten Hobby frönen sind nicht die Einzigen, welche die Gesellschaft wirtschaftlich belasten. Ist dieses Denken einmal verankert, wird es kaum zu begrenzen sein: Eltern, die sich, trotz aller Möglichkeiten der Frühdiagnostik und des Schwangerschaftsabbruchs, für die Geburt eines behinderten Kindes entscheiden, verursachen Kosten. Ebenso ließe sich viel Geld sparen, wenn Schwerstkranke ohne Chance auf Heilung nicht jahrelang gepflegt würden. Und was ist eigentlich mit den Alten? Lohnt es sich, in den letzten Lebensjahren noch viel Geld für Medizin und Rehabilitation auszugeben? Der heutige Außenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Philipp Mißfelder sorgte vor zehn Jahren für Schlagzeilen, als er sich dagegen aussprach, den ganz Alten noch neue Hüftgelenke zu spendieren.
Wenn erst einmal der Körper zum Thema der Politik geworden ist, wenn sich die Macht des Staates auf ihn ausgeweitet hat, wird es kein Halten geben. Jeder, wirklich jeder wird davon betroffen sein.
Es geht weder um Gesundheit noch um Kosten, es geht um Macht. Kaum jemand hat das deutlicher erkannt als Agnes Heller und Ferenc Feher. In ihrem Buch Biopolitik äußern sie sich zu den autoritären Strukturen, die sie auch in einer radikalen Gesundheitspolitik sehen: „Im Gegensatz zur faschistischen Biopolitik, die am Biertisch und auf der Straße an die Macht kam, befindet sich heute der natürliche Ausbildungsort der Biopolitik im kultivierten Tempel der Wahrheit, in der „Globalen Akademie“. Hier debütieren Biopolitische Militante in Streitereien über Einzelheiten in Lehrplänen und münzen, wenn der „politisch korrekte“ Lehrplan erst einmal eingeführt wurde ihre Siege in gutbezahlte und unkündbare Anstellungen um. Zieht man ihre Bildungsprivilegien und die Schlüsselstellungen in Betracht, die ihnen aufgrund der bedeutenden Medienpräsenz ?? der akademischen Welt in den Gesellschaften, in denen Wissen Macht bedeutet, zukommt, dann wird deutlich, dass die akademischen Militanten der Biopolitik in der Lage sind, genauso als Avantgarde gegenüber den „Massen“ zu handeln wie eine kommunistische Avantgarde vor der Machtergreifung.“ Als Marxisten und Flüchtlinge nach dem Ungarnaufstand 1956 wussten Heller und Feher wovon sie sprachen. Und sie beschrieben die Methoden, die sie 1994 als ihr Buch entstand, aus den USA schon kannten und die längst auch in Europa und Deutschland angekommen sind: „Das ganze Instrumentarium und die verwerflichsten Aspekte der Organisationsschemen des Totalitarismus breiten sich in diesen Bewegungen aus: Angehörige der Außengruppe werden bespitzelt; man hetzt zu einer organisierten Hysterie um den „Feind“ auf; man gebraucht symbolische, verbale und oft auch physische Formen der Gewalt (…) man kultiviert Denunziation als Bürgertugend, Provokation als verdienstvolle Handlung und Rücksichtslosigkeit gegen den Feind als Verwirklichung des Geistes historischer Revanche…“
Die hysterischen Gesundheitsdebatten der vergangenen Jahre, die Stigmatisierung aller, die sich ihnen nicht unterwerfen wollen und der Hass mit dem sie verfolgt werden – all das findet sich in dieser Beschreibung wieder. Es ist das Spiel mit den Ängsten der Menschen. Nichts lieben Anhänger autoritärer Ideen mehr als die Angst, denn sie ist die Grundlage ihrer Herrschaft. Wer Angst hat, liebt die Autorität, wer selbstbewusst ist und sich frei fühlt, verachtet sie.
Der Philosoph Robert Pfaller bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, man müsse sich die Frage stellen wofür man lebe. Ein langes ödes Leben an sich sei kein Wert.
Den Wert der Freiheit über die pseudorationalen Argumente der Vertreter der Biopolitik zu stellen, heißt auch die Debatte wieder zu politisieren – wie bei jeder Form der Politik, geht es auch bei der Biopolitik um Macht. Und was da als Sorge um die Gesundheit daherkommt, ist vor allem ein nützlicher Rahmen, um eine autoritäre Agenda durchzusetzen. Dahinter stecken nicht irgendwelche Verschwörungen, sondern es geht um Jobs, Einfluss und Geld: Die Einführung eines Veggie-Days, Rauchverbote, die Einschränkung von Salz und die Denunziation von Dicken als Volksschädlinge ist eine preiswerte Art, politische Handlungsfähigkeit zu erhalten, und das haben Politiker aller Strömungen erkannt. Es ist viel einfacher, in New York gegen zu große Cola-Becher vorzugehen, als die Zahl der Empfänger von Lebensmittelkarten im Hip-Stadtteil Williamsburg zu senken, wo jeder Vierte von dieser Form der Unterstützung abhängig ist, es ist preiswerter, in NRW das Rauchen in Kneipen zu verbieten, als gegen Krankenhauskeime vorzugehen, das Verbot nächtlichen Alkoholverkaufs in Russland ist leichter umzusetzen, als die Lebensbedingungen der Rentner zu verbessern.
Und weil bei allen Gesundheitsbedrohungen immer im Hintergrund der Tod lauert, sind sie eine wunderbare Legitimation für autoritäre Politik. Wer sonst soll den bedrohten Einzelnen schützen, wenn nicht ein starker Staat? Wie kann jemand angesichts tödlicher Bedrohungen gegen harte und strenge Regeln sein? Warum sollte auf all diejenigen Rücksicht genommen werden, die sich gegen die Gesellschaft und das gesunde Volksempfinden stellen?
Nach dem Ende der großen totalitären Ideologien ist die restriktive Gesundheitspolitik als Feld der Biopolitik der letzte, große verbliebene Bezugsrahmen zur Disziplinierung der Menschen. Es ist eine Verführung, der nur wenige Politiker widerstehen können. Und es ist wieder einmal ein Feld der Auseinandersetzung, auf dem es um nichts weniger als Freiheit und Selbstbestimmung geht.
Der Text erschien in ähnlicher Version bereits auf Novo-Argumente
Die Freiheit, das „Unvernünftige“ zu tun, ist halt vielen ein Dorn im Auge.
Kommt dann eine Autorität ins Spiel, ist das Verbot und dessen konsequente Durchsetzung nicht mehr weit.
Traurig ist in meinen Augen, wieviel Unterstützung diese Haltung findet. Aber vermutlich ist es einfach zu verlockend, einmal als „richtig“ Erkanntes seinem Nachbarn nicht aufzwingen zu wollen.
„Ein langes ödes Leben an sich sei kein Wert.“ ist gut. Aber auch ohne „ödes“ kann man den Satz gut zitieren!
tl;dr
Nur ein kleiner Einwurf bzgl. Fleischkonsum: Ich denke, dass ein Eingreifen nötig wird, wenn ein absehbarer Schaden für die Natur (darauf wird in dem Artikel an keiner Stelle eingangen) oder auch große Bevölkerungsgruppen (bspw. Südamerika) entsteht. Aus Aspekten der „Volksgesundheit“ oder ähnlichem Quatsch zu argumentieren ist natürlich völliger Unsinn. Aber dass es einfach nicht ökologisch gutgehen kann, wenn sich ein Großteil der Bevölkerung in der westlichen Welt 24/7/365 morgens, mittags und abends seine Fleischration gibt, steht für mich außer Frage.
Das hat dann auch nichts mit Bevormundung zu tun, sondern einfach mit dem Schutz der Natur und der Menschen, die durch die Auswirkungen von Massentierhaltung und Fleischproduktion nachhaltig geschädigt werden. Allein die ganzen Rohstoffe, die nur für die Herstellung des ganzen Fleisches eingesetzt werden… Führt an dieser Stelle vielleicht zu weit, sollte aber bei der Thematik auch bedacht werden.
Ich glaube ja dass das Gesundheitsthema eher ein Nebenschauplatz ist und zwei andere Auswirkungen des Tabak- und Alkoholkonsums öffentliche Ablehnung deutlich stärker befördern: Gestank und Gepöbel. Wenn meine Klamotten nicht stinken würden nur weil ein Kettenraucher sich im Bus neben mich gesetzt hat (nachdem er vor dem Einsteigen noch schnell die halbgerauchte Kippe auf den Boden geflitscht hat) oder die Garderobe im Lokal zu nah an Toiletten und Hinterausgang ist, und wenn die Pulle Bier in der Hand nicht häufig einher ginge mit gruppenweisem aufdringlichem Verhalten, wäre das viel weniger ein Thema. Aber so hat halt jeder die ein oder andere Erfahrung mit asozialem Verhalten gemacht, das man sich durch ein Verbot abzustellen erhofft. Gesundheit klingt als Grund halt bloss irgendwie abstrakter.
Jetzt dürfen wir in der Kirche heiraten, aber Ficken und Rauchen im Club ist verboten,“ sagte im Sommer ein Schwuler in Toronto zu mir. Anders ausgedrückt: https://www.zitate-aphorismen.de/…/George_Bernard_Shaw/3264
Die enge Verbindung der (reinen) Vernunft, ja ihre Gleichsetzung mit einem guten und richtigen Leben geht schon auf die Griechen und da vor allem auf Platon zurück. Sie ist schon bei ihm verbunden mit einer tief sitzenden Leib- und Lustfeindlichkeit. Sein Staatsmodell ist entsprechend das der Diktatur der Vernünftigen respektive der Vernünftigsten, einer Art leiblosen Geisteselite des reinen Guten.
@ Andi # 4
Als die Raucher in der Mehrheit waren, ist keiner auf den Gedanken der „Asozialität“ gekommen. Ihr Betrachtungen setzen also die Raucher schon als Minderheit voraus, die jetzt natürlich „stinken“ während Sie als Nichtraucher nur Wohlgerüche erzeugen. Genauso funktioniert übrigens Biopolitik.
Der Nichtraucher fühlt sich als überlegen und soll das auch. Der Raucher wird dagegen systematisch abqualifiziert, und wenn er erst eine Minderheit ist, dann kann man darauf setzen, dass die Mehrheit mit Freuden den Rest besorgt, wie man an ihren Aussagen gut studieren kann.
Die Gleichsetzung von Alkoholgenuss und Pöbelei ist übrigens Nonsense. Die Masse des Alkohols wird in Deutschland im vertrauten Kreise ohne Stress und mit Genuss konsumiert. Selbst in den allermeisten Kneipen ist Aufdringlichkeit die Ausnahme.
Ach ja, ich bin Nichtraucher und regelmäßiger Benutzer des öffentlichen Nahverkehrs.
-6-Arnold
Wenn ich mich richtig erinnere, sollte nach Platon diese Elite -der Vernünftigen-allerdings kein leibloses Leben führen. Ihre Mitglieder sollten ihre sexuelle Lust sehr wohl befriedigen können, allerdings dabei frei sein von allen Lasten, Einschränkungen,Ablenkungen, die eine „feste Verbindung“, z.B. die Ehe, mit sich bringt -den Männern waren Frauen „zur Verfügung zu stellen“.
Die Elite hatte sich nach Platon uneingeschränkt nur dem allein von ihrer Vernunft bestimmten und gesteuerten Regieren des Gemeinwesens zu widmen.
Eine Philosophie, der „man“ ja auch heute noch hier und da zu huldigen scheint.
Zum Thema „Bauch“?
Leider oder Gott sei dank, schade oder erfreulich, oder wie auch immer, meine ich feststellen zu können:
Bis heute ist es nicht gelungen, weder Staaten noch Kirchen, weder Ideologien noch Religionen, Menschen so zu erziehen, Menschen notfalls mittels Gewalt zu zwingen, dauerhaft und in ihrer großen Mehrheit so zu leben, wie es der jeweilige Zustand „allgemeiner Vernunft“ zu gebieten scheint.
Und das wird sich- so hoffe ich jedenfalls-ewig bzw. solange es Menschen gibt, nicht ändern.
In unserer Geschichte bis dahin unbekannte Gefahren drohen mittelfristig allerdings in einer ganz neuen Dimension durch die Möglichkeiten, menschliche Bedürfnisse, menschliches Verhalten „punktgenau“ steuern zu können über genetische Manipulationen und / oder mittels der Neuro-biologie.
Vielleicht existiert in X Jahren gar nicht mehr das Gefühl, Hunger zu haben, sich betrinken zu sollen und und………… wenn……………………………………………
@Arnold Voss (#6):
Asozialität mag ein hartes Wort gewesen sein; ich hätte auch „Unhöflichkeit“ schreiben können. Der Punkt ist: Person A zwingt Person B etwas unangenehmes auf, in diesem Fall einen recht hartnäckigen Geruch. Oftmals vermutlich sogar unabsichtlich, weil viele Raucher den Nikotingeruch durch Gewöhnungseffekt anscheinend anders wahrnehmen. Das ist eine negative Erfahrung, die dann schnell auf den Tabakkonsum insgesamt ausgeweitet wird und zur Befürwortung eines Verbots führt. Mehr wollte ich nicht sagen.
Alkoholgenuss und Pöbelei habe ich im Übrigen keinesfalls gleichgesetzt; ich hatte da meines Erachtens deutlich gemacht, dass ich auch hier von bestimmten Erfahrungen sprach, die schnell generalisiert werden. (Negatives merkt man sich halt deutlich besser, das ist wie bei der längsten Kassenschlange die man gefühlt andauernd erwischt.) Mein Kommentar ist inzwischen offensichtlich wieder gelöscht worden, so dass ich das jetzt leider nicht mehr genau belegen kann.
@Andi: Mich stört es, wenn jemand mit zuviel Parfum neben mir sitzt. Ich käme nie auf die Idee, dies jemanden zu verbieten, sondern setze mich dann weg. Und es gibt auch Leute, die gesundheitlich negativ auf Parfum reagieren – auch kein Grund, es zu verbieten. Kann man alles so regeln – es sei denn, man hält sich für den Mittelpunkt des Planeten und erwartet, dass alles um einen herum so ist, wie man es sich wünscht. Da aber jeder etwas hat, was andere stört – und wohlmöglich belastet, werden einzelne Verbote zu Verbotsspiralen führen, die kein Ende mehr kennen. Darum geht es in dem Text. Nicht um ihren Narzissmus.
@ Walter Stach # 7
Das war meines Wissens nach Platons Kompromiss mit der realen Welt. Die Fortpflanzung war ja auch für den griechischen Staat von existentieller Bedeutung. Er selbst warnte aber immer wieder vor der leiblichen Lust, weil sie den Menschen von den Idealen der Vernunft abzuhalten in der Lage ist.
Im übrigen haben die Nazis das Elitekonzept Platons genau da übernommen, wo es um die reale sexuelle Befreiung von der Ehe ging, ohne die Ehe selbst aufzulösen. Mit Ausnahme von Hitler selbst, der auf diesem Gebiet eher die platonische Askese gelebt haben soll. Womit ich natürlich Platon nicht zum heimlichen Vorbild der Faschisten machen will. Große Symapthie für militärisch organisierte Diktaturen wie Sparta hatte er allerdings schon.
-11-
Arnold,
auch den ganz großen, hier Platon, geht es nicht anders als den vielen kleineren Philosophoen: Ihre Gedanken bieten, so wie alle geäußerten, die Möglichkeit der Nutzung für Zwecke, die dem Denker fernelagen , inhaltlich – zeitlich-räumlich.
Was die “ sexuelle Lustbefriedigung“ der ausschließlich vernunftgesteuerten Eliten an der Spitze des Staates angeht:
Ich schließe ja nicht aus, daß Platon dabei nicht nur an die Fortpflanzung der Eliten gedacht hat, was naheliegt, sondern mit Blick auf sich selbst registriert hat , daß sich das Bedürfnis nach sexueller Lustbefriedigung nicht mit vernunftbestimmten höheren Zielen und ausschließlich von der Vernunft geleitetem Tun unterdrücken läßt.
Insofern, der Gedanke kommt mir so eben, mag es ja sein, daß z.B. Stefan Laurin demnächst Anlaß sehen könnte einen Kommentar mit der Überschrift zu verfassen:
„Gesundheitsministerin stellt fest:
Zuviel Sex schadet der Gesundheit. Als Erstes soll verboten werden, daß…….“
#5 | Robert Niedermeier
>>>>> Jetzt dürfen wir in der Kirche heiraten, aber Ficken und Rauchen im Club ist verboten <<<<<
Interessanter Aspekt. Was, wenn die vielgeschworene gloriose "Gleichstellung" homosexueller Paare nur das hinterhältige Deckmäntelchen zur Eindämmung des hemmungslosen Sexverhaltens gilt, das Homosexuellen, insbesondere jungen Männern unterstellt wird. Das könnte auch ein Grund sein, warum sich auch ausgerechnet konservative Politiker da aufgeschlossen zeigen können.
Daß junge Heterosexuelle es in jungen Jahren genau so krachen lassen, interessiert keinen mehr.
Das ganze Gleichstellungsgeschwurbel also möglicherweise nur ein Kontrollmechanismus? Damit man auch genau weiß, welcher Mann mit welchem Mann vögelt?
Das lässt sich mit dem Akt der Ehe viel besser kontrollieren, als mit dem Akt im Darkroom, wo u.U. auch noch geraucht werden darf.
Ein weiterer Aspekt zu diesem Thema.
Der gesunde Körper, der einem nicht mehr gehört, soll einem auch nach dem Tod nicht mehr gehören, und man gerät schon in arge Begründungskonflikte, warum man nach seinem Tod in einem Stück beerdigt werden möchte, und sich nicht ausweiden lassen möchte. Um es mal so krass zu benennen.
@#10 | Stefan Laurin
>>>>> es sei denn, man hält sich für den Mittelpunkt des Planeten und erwartet, dass alles um einen herum so ist, wie man es sich wünscht. <<<<<
Das dürfte des Pudels Kern sein. Und auch ein Element, daß wir den Alt-68ern und den Grünen zu verdanken haben.
Die absoslute Verneinung des gesellschaftlichen Gedankens und Überstrapazierung des Begriffs individuellen Freiheit.
Diese seinerzeit stärker geforderte individuelle Freiheit wird nun dazu genutzt, allen anderen, die nicht den gleichen Lebensstil pflegen, die individuelle Freiheit einzuschränken, damit die eigene individuelle Freiheit nicht eingeschränkt wird.
Mit anderen Worten, damit man keine Rücksicht nehmen muss und rücksichtslos nur noch seine eigenen Interessen, oder die der Gruppe, durchsetzen kann.
Bravo Stefan!!
Nur ist Bloomberg nicht mehr BM von NYC
[…] Wenn dein Bauch nicht mehr Dir gehört (Ruhrbarone) – Immer mehr Politiker der unterschiedlichsten Parteien und Ideologien haben es auf die Körper ihrer Bürger abgesehen. […]
@David: Stimmt – der Artikel ist aus dem Sommer 🙂
@ Stefan #10:
Nicht nur Dich stört es, wenn jemand mit zuviel Parfum neben Dir sitzt – es gibt schon eigene Intiativen und Webseiten, die sich mit dem Kampf gegen Parfüm beschäftigen. Der Unterschied von Dir zu diesen Zeitgenossen ist aber ein ganz wesentlicher – Du kommst nicht auf die Idee, Parfüm deshalb verbieten zu wollen.
Diese „Zeitgenossen“ funktionieren dann nach dem gleichen Prinzip, wie die Anti-Raucher, und das klingt dann so: „Sicherlich noch mehr Menschen haben sich von der Parfümindustrie vereinnahmen lassen und sind zu fanatischen Parfüm-Konsumenten geworden. Doch der Werbeslogan eines Herstellers „Die Brise, die Ihr Leben verändert“ ist nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die von der Parfümlobby geleugnet und bekämpft werden, genauso wahr, wie der vom Gesetz inzwischen vorgeschriebene Warnhinweis auf Zigarettenschachteln. Obwohl der Parfüm-Hersteller mit seinem Slogan den falschen Eindruck erwecken will, eine mit seinen Chemikalien kontaminierte Umwelt wirke sich positiv auf das Leben der Konsumenten seines Produkts aus, haben viele Menschen die leidvolle Erfahrung gemacht, dass Parfüm ihr Leben in negativer Weise verändert, weil es ihren Körper nachhaltig schädigt.“
Die Methoden sind ähnlich wie beim Tabak – man erweckt den Eindruck, es gehe nur um angebliche Gesundheitsgefährdungen, statt um Antipathie gegen über Parfümgerüchen. Wir kennen ja alle diese Strategien schon ….
Naja… es ist aber schon ganz schön krass, wenn man sich ansieht, was z.B. in einer Packung Zucker alles so drin ist.
respekt: ganz großes kino!
das ist das beste, was ich seit gefühlter ewigkeit auf ruhrbarone und von stefan laurin gelesen habe! ich verstehe jetzt auch endlich, was in der vergangenheit der antrieb für die endlosen diskussionen um rauchverbot und kneipensterben war! und ich bin überzeugt! ich hatte das nicht in diesem großen kontext gesehen, der zwar etwas verschwörungstheoretisch daher kommt, aber mir dabei sehr plausibel scheint… einzig: aus rücksicht vor den nicht-rauchern kann man schon draußen vor der kneipe rauchen. aber das ist meine meinung und verändert die bedenken nicht, die hier geäußert werden und die ich so unterschreiben kann.
ich hatte den ruhrbaronen schon fast den rücken gekehrt. jetzt guck ich erstmal wieder öfter vorbei! danke!
@Stefan Laurin #10
Soviel man hört gibt es in den USA bereits Parfum-freie Zonen, z. B. in Büros, und wer schonmal in Büro betreten hat, in dem sich 5 verschiedene – womöglich moschuslastige – Parfums einen beinharten Wettbewerb liefern, kann das kurzfristig sogar verstehen.
Trotzdem läßt sich das Problem bestimmt anders lösen als mit einem Parfum-Verbot.
Aber an alle, die sich über „Gestank“ erregen, ja genau, Andi, u. a. Sie sind gemeint: Es dürfte wesentlich öfter vorkommen, daß ich im Sommer in öffentlichen Verkehrsmitteln von Schweißgeruch belästigt werde, im Winter vom Geruch nasser, ungewaschener Klamotten und zu allen Jahreszeiten von ekligen Parfums und Rasierwässerchen.
ANDERE MENSCHEN SIND IMMER EINE ZUMUTUNG, ZUMINDEST FÜR MISANTHROPEN, IHR ÜBRIGENS AUCH! FINDET EUCH DAMIT AB!
Und, lieber Andi, es gibt durchaus Menschen, die alkoholische Getränke nicht zu sich nehmen, um sich restlos die Kante zu geben, und ich bin auch schon von Leuten angepöbelt worden, die vollkommen nüchtern waren.
Aber so haben Sie das ja nicht gemeint. Sie meinten nur die Exzesse.
Aber auch da gibt es einen interessaten Punkt, den Sie vermutlich irgenwie übersehen haben: Besonders gefährdet in Punkto Alkoholsucht sind nicht nur Kinder von Alkoholikern – sondern auch Kinder von Abstinenzlern!
Aber um auf den Kern zurück zu kommen:
Lt. WHO ist Gesundheit mehr als die Abwesenheit von Krankheit? Gesundheit ist demnach die vollkommen Glückseeligkeit in körperlicher, seelischer und sonstiger Hinsicht?
War das nicht schon immer die Legitimation knallharter Theokratien?
Der Staat soll die Bürger vor dem Tod schützen? Ja, genau das spukt vermutlich den Gesundheitsaposteln im Hinterkopf herum.
Das ist ein ganz interessanter Punkt, besonders in Zeiten abnehmender Religionsgläubigkeit. Wenn ich mir den ganzen Gesundheitszirkus so ansehe kommt es mir vor, als wenn da langsam eine Art Ersatzreligion geschaffen wird.
@Puck #22:
Um mit dem Kern anzufangen:
Lt. WHO ist Gesundheit „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“.
Die Definition ist für die WHO bezeichnend (allumfassender Gesundheitsanspruch) und deshalb problematisch:
•
Gemäß der Definition der WHO ist Gesundheit ein ideal-utopischer Zustand
•
Wer kann ein vollständiges (körperlich-geistig-soziales) Wohlergehen für sich beanspruchen?
•
Gesundheit wird mit dem höchsten Gut gleichgesetzt, nicht aber als Ermöglichung für einen geglückten Lebensentwurf.
•
Konsequenz: Die medizinische Wissenschaft wird in die Verantwortung für den gesamten Lebensentwurf gedrängt
Was auch die Frage aufwerfen könnte: ist ungewollte Kinderlosigkeit eine Krankheit und muss deshalb behandelt werden?
Gleichzeitig eröffnet diese Art der Definition der Gesundheit der WHO die Einmischung in alle privaten Lebensbereiche.
In den USA und Kanada gibt es bereits Parfumverbote in Büros und öffentlichen Gebäuden. Es wird aber (ähnlich wie bei Rauchverboten) nicht in erster Linie mit Geruchsbelästigungen argumentiert, sondern damit, dass Allergiker durch Düfte gesundheitlich eingeschränkt würden (natürlich ist nicht abzustreiten, dass es solche Einschränkungen bei manchen geben kann, nur springen jetzt auch alle Parfum-Hasser auf diesen Zug auf).
https://www.csn-deutschland.de/blog/2012/01/13/keine-parfums-und-duftstoffe-wahrend-der-arbeitszeit/
Davon abgesehen läßt sich wohl kaum ein einverträgliches Zusammenleben auf der Grundlage von individuellen Geruchsempfindungen oder -Abneigungen führen.
@Nansi
Habe mir den Link durchgelesen – und die Kommentare der Leser! – wie soll denn das gehen? In jedem Schampoo, in jeder Seife, in jeder Creme sind Duftstoffe enthalten! Und zwar nicht erst seit neulich, sondern schon immer, z. B. weil auch ganz natürlich und traditionell gesiedete Seife keinesfalls „von Natur aus“ einen angenehmen Duft hat.
Es scheint tatsächlich so zu sein, daß einige Duft- und „Wirk“stoffe in Kosmetika allergen sind, allerdings meines Wissens nur, wenn sie auf die Haut aufgetragen werden, nicht beim Einatmen.
Da sind schon wieder die Hysteriker busy, ähnlich der Zeitgenossen, die inzwischen ihre Gesundheit in Gefahr wähnen, wenn in der Nachbarwohnung geraucht wird.
Daß wir ständig von einem Chemiecocktail umgeben sind, ist wahrscheinlich nicht gut für die Gesundheit. Aber werden etwa Chemikalien in Textilien, Waschmitteln oder – noch schlimmer – Lebensmitteln verboten? Nö. Da sei die Lobby vor. Für die Zutatenliste auf Lebensmitteln muß man die Lupe mit in den Supermarkt nehmen.
Ich selbst reagiere übrigens auf einige Stoffe allergisch – allerding nicht, wenn ich mich mit jemandem unterhalte, der seine Klamotten mit dem falschen Waschmittel gewaschen hat oder eine Bodylotion benutzt hat, von der ich Ausschlag bekomme wenn ich mich selbst damit einschmiere.
Publikationen wie „Öko-Test“ sind da Fluch und Segen zugleich. Einerseits kann nach der Lektüre jeder selbst entscheiden, was er sich so zumuten will. Andererseits werden da z. B. Parfums negativ eingestuft (nicht wegen des Duftes, sondern wegen der Inhaltsstoffe!), die seit 100 Jahren auf dem Markt sind… das ist dann mal wieder Hysterie pur.
Hier noch ein treffender Kommentar von Harald Martenstein („Zeit“) mit dem Titel: „Über freiheitsliebende Deutsche, die Verbote fordern“
https://www.zeit.de/2014/01/martenstein
Zitat: „Es ist meiner Ansicht nach wissenschaftlich erwiesen, dass 64 Prozent der Deutschen geisteskrank sind. Darauf müssen Politik, Medien, Kirchen und Gewerkschaften sich einstellen. Die Allensbacher Meinungsforscher haben im Auftrag des John Stuart Mill Institutes eine Umfrage durchgeführt. Thema: Was soll schnellstens verboten werden, also wohl am besten schon 2014? Weit vorne, mit 64 Prozent, sind „ungesunde Lebensmittel“. 64 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, dass „ungesunde Lebensmittel“ verboten werden müssen.“
Wikipedia schreibt zu den Kosten des Rauchens:
„Durch die Verringerung der Lebenserwartung hat das Rauchen einen deutlich entlastenden Effekt auf das Rentensystem. Weiterhin sinkt aufgrund der geringeren Lebenserwartung von Rauchern der Kostenaufwand, den diese voraussichtlich für das Gesundheitswesen durch teure Behandlung von altersbedingten Erkrankungen und vor allem für die Pflegeversicherung im Alter durch zunehmend dementen Zustand verursachen. Die Studie „The Health Care Costs of Smoking“ sagt dazu: „Falls alle Raucher aufhören würden zu rauchen, würden die Gesundheitskosten zuerst niedriger sein, aber nach 15 Jahren würden sie höher sein als in der Gegenwart.“ Andere Studien kommen jedoch zum gegenteiligen Ergebnis.“
Alle Studien, die über die Kosten des schädlichen Rauchens negative Bilanzen ermitteln, machen m.E. eben genau den Fehler, den alle Kurzzeitanalysen machen. Sie denken die Sache nicht zu Ende. In der realen Welt haben Raucher ihre Krankheiten eben früher als Nichtraucher, dafür ist wg. ihrer hohen Sterblichkeit auch ihr Anteil unter den Seniorenheimbewohnern deutlich niedriger. Bei pflegebedürftigen Demenzlern kommen sie so gut wie gar nicht mehr vor.
Ähnliches dürfte auch für übergewichtige Personen gelten. Kosten im alter verursachen nur die hageren sportlichen Typen, die immer gesund gelebt haben.
Wenn man also argumentiert, daß gewisse verhaltensweisen einzelner deshalb zur Belastung der Allgemeinheit führen, weil sie für diese Allgemeinheit Kosten verursachen, müßte man eigentlich die drahtigen Sportlertypen als Hochsicherheitsrisikokostenfaktoren für Seniorenheime einstufen. Und das kostet!!!
@Nansy #24
Ungesunde Lebensmittel verbieten … ja, das hat natürlich Charme! Da muß ich mir dann nicht selbst überlegen, ob ich mir eine Curry-Wurst oder ein Pommes gönne, die Frage stellt sich gar nicht, weil verboten.
Sehr spannend dürfte allerdings der Streit werden, was denn nun „ungesund“ ist.
Besonders fette Lebensmittel? Tja… das träfe dann auch Nüsse, die aber bekanntermaßen gesund sind.
Zucker? Was? Keine Schoki mehr? Schon gar nicht die mit Nüssen? Oder ist Trauben-Nuß wieder erlaubt, weil Trauben und Nüsse gesund sind?
Oder Süßes nur zu bestimmten Jahreszeiten? Das wäre insofern begrüßenswert, als in diesem Falle nicht die ersten Schoki-Weihnachtsmänner und Spekulatius ab Ende August im Supermarkt neben den Sonderangeboten der übrig gebliebenen Sonnenmilch angeboten würden – aber das ist ein anderes Thema.
Zu viele chemische Lebensmittelzusätze? Oh, oh, oh, da kommen wir auf ganz schwieriges Terrain. Das trifft dann womöglich all die angeblich gesunden Lebensmittel mit vermindertem Fettanteil oder die in letzter Zeit mit karnickelartiger Vermehrungsgeschwindigkeit in den Supermarktregalen auftauchenden „Veggie-Produkte“. Da stellt man schnell fest (falls man zufällig die Brille dabei hat und die Zutatenliste lesen kann), daß bei ersteren nicht nur die eingesparten Kalorien auf wundersame Weise, häufig durch Zucker, wieder „aufgeholt“ werden, sondern bei beiden Produktgruppen auch noch einige äußerst obskure Zusätze Geschmack imitieren sollen.
Zu fettes Essen? Sahne, Butter… hat schonmal jemand ein französisches Kochbuch studiert? Da wird gebuttert, mit Sahne abgeschmeckt und mit Ei legiert und Käse unter 60% Fett i. T. einfach ignoriert. Bei Analyse der meisten Rezepte muß man zu dem Schluß kommen, daß 90% der Franzosen adipöse Fettsäcke wären und mindestens 10 Mal so häufig an Herzinfarkt sterben wie Deutsche – ist aber nicht so. Komisch… woran könnte das liegen?
Einige sagen, das läge am Rotwein. Aber ist Alkohol nicht auch wieder ungesund?
Ich habe einen Verdacht, woran das liegen könnte.
Man muß sich mal Franzosen beim Essen ankucken und zum Vergleich Deutsche. Ich rede jetzt hier nicht von Besuchern von Gourmet-Tempeln, die sich mit Designer-Besteck ein „Gemälde“ vom Teller zuzzeln. Ich rede von ganz normalen Leuten in einem Gasthof z. B. Auch wenn sich die Sitten in D langsam lockern und die Maximen „Beim Essen wird nicht geredet“ und „der Teller wird leer gegessen“ der Vergangenheit angehören kann einem nicht entgehen, mit wieviel mehr Lebensfreude und purem Vergnügen am Genuß Franzosen sich zum Essen niederlassen. Und man darf vermuten, auch mit mehr Qualitätsbewußtsein…
Weil gutes Essen als Teil der Kultur begriffen wird.
Und Kultur entzieht sich bekanntlich rigiden Nützlichkeitserwägungen.
Interessant ist in dem Zusammenhang auch, daß zwar eine Mehrheit in Deutschland für ein Verbot ungesunder Lebensmittel ist, aber offenbar wenig sensibel reagiert, wenn in Käse Schimmel und Mäusekot gefunden wird, mehrere Jahre altes Gammelfleisch auf dem Markt auftaucht, oder via Etikett auf Geschnetzeltem Ratten ein Hirschgeweih angedichtet wird…
Wie wäre es denn mal mit der Forderung, in solchen Fällen hart durchzugreifen und vor allem Namen zu nennen? Ach, das hätte womöglich wirtschaftliche Folgen für diese Unternehmen? Ja, da möchte ich auch drum bitten! Das würde im günstigsten Fall dazu führen, daß die Ehrlichen nicht immer die A…Karte haben.
Und wenn man gerade dabei ist, wäre es auch vorteilhaft, wenn man die Zutatenliste auf abgepackten Lebensmitteln in einer lesbaren Schriftgröße abdruckt. Dann bleibt auf der Packung natürlich weniger Platz für phantasievolle „Qualitätssiegel“, aber das muß ja kein Nachteil sein (Unvergessen die TV-Sendung, in der Björn Freitag den Herren vom DLG in einer Blindverkostung vom DLG prämierte Lebensmittel servierte, worauf die Herren sichtlich Mühe hatten, ihr Frühstück bei sich zu behalten…).
Irgendwas läuft hier grauenhaft falsch.
@Helmut Junge #26:
Es wird immer wieder versucht, die Kostenfrage für „ungesunden Lebenswandel“ (was auch immer das sein soll) auf die Agenda zu setzen – meistens geht das aber in die Hose.
Schon vor Jahren titelte „der Spiegel“ (ausgerechnet der!): „Schlanke Nichtraucher kommen den Staat teurer als Dicke und Raucher“. Der Grund: Die längere Lebenserwartung der Gesunden und Schlanken kommt den Staat letztlich teuer.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/gesundheitskosten-schlanke-nichtraucher-kommen-den-staat-teurer-als-dicke-und-raucher-a-533257.html
Natürlich hält das die Ideologen (z.B. DKFZ) nicht davon ab, immer wieder auf das „richtige Endergebnis“ getrimmte Studien zu publizieren.
Ihr Pech ist nur, dass selbst einfache Gemüter erkennen, dass diese Behauptungen einfach nicht stimmen können.
Man wird aber weiter versuchen, uns mit den angeblichen volkswirtschaftlichen Kosten von Alkohol, Übergewicht und Rauchen zu beeinflussen…
Nansy, es ist immer Heuchelei, gegen die logische Begründungen meist einfach abprallen. Insofern ist Aufklärung vielleicht wenig erfolgreich.
Aber ich muß die Heuchelei ja nicht unterstützen.
Darum nochmal in kürzester Form und ohne Schönfärberei: Raucher und Übergewichtige arbeiten oft bis zum Ende und haben dann häfig, nach kurzer Krankheit, einen relativ schnellen Abgang, während Gesundheitsfanatiker normalerweise lange Rente beziehen, dann als Pflegefälle Stufe 1, dann Stufe 2 in den Seniorenheimen dahinsiechen. Der Alterungsprozeß ist aber trotzdem nicht aufzuhalten. Krank werden die oft genug, und später, wenn sie bettlägrig, sind, müssen sie mehrfach am Tag umgedreht werden, weil sie erst sterben, wenn alle Organe gleichzeitig am Ende sind. Das ist doch kein erstrebenswertes Leben, oder? Warum wollen uns andere Menschen zwingen, so etwas mitzumachen?
Übrigens habe ich 1985 aufgehört zu rauchen und bin dann übergewichtig und Diabetiker geworden, habe also die Fallgruppe gewechselt. Das geschieht mit vielen Rauchern. Es wäre jetzt konsequent, solche Typen per Kamera in der Wohnung zu überwachen, wie lange sie sitzen, wieviel sie essen usw. Kommt noch. Warten wir es mal ab. Dann drillen, bis sie alle gleich gut rennen können.
Lebensmittelkarten einführen, Zwangsarbeit und Medikamentenentzug sind vielleicht schon angedacht.
Und alles, um uns zu helfen! aber genau das glaube ich nicht. Ichglaube, dass manche Politiker, um vergessen zu machen, dass sie nicht mal fähig sind einen winzigen Bruchteil ihres eigenen ökologischen und politischen Anspruchs zu verwirklichen, auf solche Themen ausweichen. Das ist als Ablenkung gedacht und funktioniert ganz gut. Wenigstens zeitweise. Bleibt aber verlogen!