Nachdem ich mich am Premierentag vergebens um ein Karte bemüht hatte, gehöre ich am Folgetag, dem 25. September, nicht zu den Leuten, die sich fruchtlos an der Kasse angestellt haben, denn auch am zweiten Abend ist die Aufführung in der über 100 Zuschauer fassenden Schaubude Berlin restlos ausverkauft. Von unserer Gastautorin Rebekka Paschmann.
Es geht in dem in drei Sprachen – arabisch, englisch, deutsch – inszenierten Stück um Krieg, Flucht und Exil – aber vor allem um Farah (der Name bedeutet im arabischen Glück), um ihre Emanzipation von familiären, gesellschaftlichen, patriarchalen Zwängen und um die Frage, ob die Familie noch ein zu Hause bieten kann.
Beim Einlass in den Saal sind alle fünf Akteure bereits ins Spiel vertieft. Außer ihnen gibt es jede Menge Holz auf der Bühne. Teilweise zu Skulpturen aufgestellt, im Mund als Zigarette, in den Händen der Schauspielerinnen oder einfach nur aufgeschichtet als herrenlose Haufen. Ein Knistern in der Luft war nicht schwer zu assoziieren, und diese Spannung sollte während des ganzen Stückes anhalten. Hier ist nichts schwer entflammbar, hier wird alles zu Asche und Trümmern, jeder Darsteller hat seine Art Feuer zu fangen und es an das Publikum weiter zu geben.
Fortwährend wird das Element Holz von allen Protagonisten genutzt: Es wird verschoben, zerbrochen, abgebaut und an anderen Stellen wieder neu arrangiert. Dadurch entstehen auf der niemals kahl wirkenden Bühne immer neue Bilder. Manchmal scheinen sie von einem Photographen perfekt angeordnet zu sein, nimmt doch jeder der permanent anwesenden und die stets als Dialoge geschriebenen Szenen mitgestaltenden Darsteller oftmals genau ein Fünftel des Bildes in Anspruch.
Die Hauptfigur Farah wird bevormundet von Ihrem Freund Ahmed und von ihrem Vater. Die revolutionäre Aktivistin Dunya (Bedeutung in arabisch: die Welt), der Fahra auf ihrer ersten Demonstration gegen das Regime begegnet, hilft ihr, neue Wege zu erkennen und zu gehen. Farah wird misshandelt, wird lebendig begraben – und steht doch in der letzten Szene unbrennbar mit Ihrem Mut auf einem von ihr selbst errichteten Scheiterhaufen. Sie ist kein Opfer der schrecklichen gesellschaftlichen Umstände: Sie entscheidet, wer sie sein und wie sie leben will. Und wer auch immer an Ihrem Leben teilhaben möchte, muss Sie akzeptieren, wie sie ist: eine Frau, die kein Feuer verzehren kann.
Zugleich mündet in dieser beeindruckenden Szene auch die stets mit erzählte Geschichte der syrischen Revolution in unserer Gegenwart. Das Stück spielt 2012, für den Sieg der Revolution und ein baldiges Ende der Gewalt bestand zu dieser Zeit noch Hoffnung, woran die Inszenierung permanent erinnert. Nun berichtet Farah in ihrem Schlussmonolog von ihrer Zukunft und ihrer Entscheidung für ein selbstbestimmtes Ende ihrer Geschichte. Die Nachricht sendet sie an Dunya, doch sie erhält keine Antwort. Eine Rakete schlug nahe von Dunyas Haus ein, vielleicht ist sie tot. Oder sie wurde verhaftet, und nun wird sie gefoltert. Dem Ende der Geschichte von Farah steht ein anderes, bereits grauenvoll wirkliches und schlimmer noch befürchtetes Ende entgegen: von Dunya, der Revolution, der Welt.
Die Zuschauer applaudieren ausdauernd – völlig zurecht!
Die Inszenierung von Theater Arbeit Duisburg – TAD ist nach ihrer Premiere und Folgeaufführung in Berlin noch fünf Mal im Ruhrgebiet zu erleben: von DI 04. bis SO 09. Oktober in Mülheim, Oberhausen, Essen, Bochum und Duisburg.
Termine und Spielorte: www.theater-arbeit-duisburg.de