„Wer Ja sagt zu mehr Zuwanderung, muss auch Ja sagen zu mehr Wohnungsbau“

VTC Mercedes-Benz in Stuttgart-Untertürkheim Foto: Enslin – Lizenz: CC BY-SA 3.0


Alles soll umsonst werden, die Industrie spielt keine Rolle mehr und bitte nicht so viel Wohnungsbau wegen des Klimas? Auch in der größten Industrieregion Deutschlands wird so gedacht. Von unserem Gastautor  Jendrik Scholz.

Wenige Tage vor der Kommunalwahl in der von großen Produktionsanlagen, unter anderem den drei Großkonzernen Mercedes, Porsche und Bosch, dominierten Stadt Stuttgart, wo eine „ökosoziale Mehrheit“ aus Grünen, SPD, Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS), Linkspartei und diversen Kleinstgruppen im Gemeinderat dem direkt gewählten CDU-Oberbürgermeister Frank Nopper gegenübersitzt, beherrscht den Wahlkampf nicht die Frage, ob es in Stuttgart in zehn Jahren noch Industrie und Industriearbeitsplätze gibt und ob die Stadt sich zum neuen Detroit (am Neckar) entwickelt. Das Ruhrgebiet kennt ähnliche Entwicklungen. Dort resultierte trotz allen Geredes über Strukturwandel, der dann aber nie kam bzw. gelang, aus dem Verlust der industriellen Kerne rund um Kohle, Stahl und Automobil (Opel Bochum) auch der soziale und ökologische Niedergang der Städte.

Industriethemen spielen im Stuttgarter Kommunalwahlkampf keine Rolle. Stattdessen dominieren links der Mitte Bekenntnisse zu Vielfalt, Weltoffenheit, Lebendigkeit und Klimaneutralität. Rechts der Mitte dominieren Sicherheits- und Ordnungsanliegen.

Was bedeutet es für Stuttgart, wenn Mercedes die obere Mittelklasse aufgibt und seine Automobilproduktion zukünftig auf ein schmales und superteures Luxussegment beschränkt? Die Stuttgarter Kommunalpolitik müsste, wenn sie ihre eigenen Klimaziele ernst nehmen würde, die Fertigung eines neuen elektrischen Kleinwagens unter 20.000 Euro Verkaufspreis in Stuttgart auf ihre Agenda setzen – sonst wird der nämlich woanders auf der Welt entstehen.

Die Grünen, die mit zuletzt 26,3 Prozent die größte Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat stellten, wollen „die Innenstadt weitgehend autofrei gestalten“ und die „Stadtautobahnen zu grünen Flaniermeilen machen“. Die städtebaulichen Sünden der Vor- und Nachkriegsmoderne samt autogerechter Stadt und Zerstörung der elektrisch und oberirdisch verkehrenden Straßenbahnen zu korrigieren, ist so richtig wie sympathisch. Dazu sind aber erhebliche Infrastrukturinvestitionen in die Erreichung der Verkehrswendeziele erforderlich. Stattdessen haben die Grünen in einem sehr wohlhabenden und von teuren Altbauwohnungen geprägten Quartier im Stuttgarter Westen die Errichtung eines „Superblocks“, eines Viertels ohne Autos, mit Begrünung und neuen Sitzgelegenheiten, durchgesetzt. Link: https://lust-auf-stadt.de/der-superblock-west-kommt/

Keine Rolle spielen in diesen grünen Umbauplänen die Interessen von abhängig Beschäftigten mit mittleren und kleinen Einkommen, die sich keine Eigentumswohnung in Stuttgart-West leisten können und nicht mit dem Fahrrad ihre schicke Agentur erreichen können, sondern die darauf angewiesen sind, wegen fehlender oder unattraktiver öffentlicher Nahverkehrsangebote frühmorgens zu Schichtbeginn aus einem Vorort (wo die Mieten billiger sind) pünktlich ihren Arbeitsplatz in Untertürkheim, Feuerbach, Zuffenhausen oder der Innenstadt zu erreichen. An den städtischen Wohnungsbau stellen die Grünen zudem die allerhöchsten Qualitätsanforderungen („Plusenergiegebäude“, „Klimaneutralität“), sodass wegen der damit einhergehenden sehr hohen Kosten zu wenige Wohnungen neu gebaut oder saniert werden können.

In Stuttgart fehlen nach Berechnungen des Mietervereins aktuell bereits 30.000 Wohnungen. Außer in den mit Migrationseinschränkungen verbundenen Pandemiejahren lag nach Daten des Statistischen Amts das Wanderungssaldo, d. h. der Überschuss der Zu- bzw. Fortzüge nach Stuttgart, immer bei über 6.000 im Jahr, während gleichzeitig kaum mehr als 2.000 neue Wohnungen fertiggestellt wurden.

Auch aus diesem Missverhältnis resultieren Angebotsverknappungen mit steigenden Mietbelastungen, Wohnungsnot und Obdachlosigkeit. Die wachsende Stadt Stuttgart hat heute knapp 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner mehr als 15 Jahre zuvor. Die Stadtverwaltung geht in ihrer Einwohnerprognose aus dem Jahr 2019 von einem weiteren Anstieg der Bevölkerung um 38.000 Personen bis zum Jahr 2030 aus. In ihrer Wohnungsbedarfsanalyse, die weiterhin starke Migrationsbewegungen einpreist, beziffert die Stadtverwaltung einen zusätzlichen Bedarf von 22.400 Wohnungen bis zum Jahr 2030.

Nichtsdestotrotz warnt Hannes Rockenbauch (SÖS) in der Stuttgarter Zeitung am 31. Januar 2022 vor zu viel Wohnungsbau: „5000 Wohnungen pro Jahr sind zu viel“. Er begründet seine ablehnende Haltung gegenüber Wohnungsbau klimapolitisch. Der geplante Wohnungsbau sei „nicht nachhaltig und klimaverträglich“. Eben diese fragwürdige Argumentationsfigur bemüht Rockenbauch, der zunächst zu Recht sowohl die zeitlich befristete Deckelung von Miethöhen als auch die öffentliche Subventionierung der privaten Vermieter im sozialen Wohnungsbau kritisiert, Ende Mai 2024 als „roter.rocki“ bei TikTok: „Und das ist wahnwitzig: Wie soll man denn 300 Wohnungen pro Jahr bauen? Der Planet ist endlich. Gerade in Stuttgart im Talkessel gibt es nicht so viel Raum zu bauen. Und wir brauchen den auch für Frischluft, für die Bodenfunktion. Wir kommen in ein ökologisches Desaster nach dieser Logik.“

Obwohl in Stuttgart zehntausende Wohnungen fehlen, sind für Rockenbauch bereits 300 neue Sozialwohnungen im Jahr zu viel. Er arbeitet dabei mit einem rückschrittlichen Nachhaltigkeitsbegriff, der anschlussfähig ist an den Neoliberalismus und seine Politik der Austerität mitsamt „Degrowthing“. Dieser Nachhaltigkeitsbegriff ist auch verteilungspolitisch gefährlich und sozial ungerecht, weil die unteren Schichten einseitig mit den Kosten des ökologischen Umbaus belastet werden würden.

Die Klimawende wird aber nur dann ein Erfolg und gewinnt Akzeptanz, wenn es dabei gerecht zugeht. Ökologische und soziale Fragen müssen gleichberechtigt zusammengedacht statt gegeneinander ausgespielt werden. Innovationen, Wachstum und ökonomischer Erfolg in Stuttgart sind die Grundvoraussetzungen dafür. Aus einem fortschrittlichen Nachhaltigkeitsbegriff im Sinne des Green New Deal und der Keynesianischen Tradition ergibt sich dagegen die Notwendigkeit höherer öffentlicher wie privater Investitionen beispielsweise in Wohnen und Mobilität.

Mit ihrem „Stuttgarter Innenentwicklungsmodell“ (SIM) und seinem Prinzip „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ hat die Stuttgarter Kommunalpolitik sich in ihrer politischen Handlungsfreiheit selbst und ohne Not eingeschränkt. Mit einer derartigen apodiktischen Festlegung ist es überhaupt nicht möglich, in Stuttgart in nennenswerter Zahl neue Wohnungen zu errichten. Nachverdichtungen im Innenraum sind richtig, aber es entstehen dabei nur sehr wenige neue Wohnungen, und derartige Projekte sind mit hohen Kosten und viel Bürokratieaufwand verbunden. In Stuttgart könnten genügend freie Flächen im Außenbereich entlang bestehender Stadtbahntrassen für den Wohnungsbau erschlossen werden. Dafür fehlt aber parteiübergreifend jegliche kommunalpolitische Bereitschaft. Die Stuttgarter CDU unterstützt immerhin die Idee, an ÖPNV-Außenästen wie in Stuttgart-Hausen Wohnungsbau zu ermöglichen. Die Union meidet aber ein Bekenntnis zur Stärkung des kommunalen Wohnungsbaus. Stattdessen legt sie ihre alte Schallplatte von der „Wohnungseigentumsförderung für Familien mit mittlerem Einkommen“ wieder auf.

Die Not-In-My-Backyard-Politik (NIMBY) gut situierter und kompetenter Nachbarschaftsinitiativen, die zudem erfolgreich mit den neuen und direktdemokratischen Beteiligungsformaten operieren, richtet sich andernorts gegen Investitionen in Wohnungsbau- und ÖPNV-Vorhaben in unmittelbarer Nachbarschaft. In Stuttgart mit seinem „Innenentwicklungsmodell“ müsste „Backyard“ ersetzt werden durch „Nicht in meinem grünen Außenbereich“.

Hannes Rockenbauch (SÖS) begründet seine Ablehnung von Wohnungsbau denn auch mit vorgeblich fehlenden Flächen dafür, was in Stuttgarts Topografie begründet sei. Die Stuttgarter Stadtverwaltung hat dagegen nach einer Anfrage von CDU-, SPD- und Freie-Wähler-Gemeinderatsfraktionen im Jahr 2020 erfolgreich geeignete Bauflächen identifiziert, u. a. für 1.520 Wohnungen in Mühlhausen, 3.600 Wohnungen auf dem Birkacher Feld, 530 Wohnungen in Stammheim, 610 Wohnungen in Degerloch oder 540 Wohnungen in Möhringen.

Die Stuttgarter Linkspartei vermeidet wie auch die Grünen und SÖS vor der Kommunalwahl ein klares Bekenntnis zum Wohnungsneubau. Sie teilt lediglich schmallippig mit: „Mehr kommunale Wohnungen sind das effektivste Mittel, um die hohen Mieten in Stuttgart wieder zu senken.“ Zwei Absätze weiter wird dann die Enteignung des Immobilienkonzerns Vonovia gefordert.

Offenkundig will die Stuttgarter Linkspartei ihr Ziel einer größeren Zahl kommunaler Wohnungen nicht mit dem Neubau eben dieser erreichen, sondern mit der Enteignung privater Wohnungskonzerne. Mit einem Eigentümerwechsel wäre aber noch keine einzige neue Wohnung entstanden. Mögliche Entschädigungszahlungen, die mit einer Enteignung verbunden wären, wären besser in den Bau neuer kommunaler Wohnungen angelegt.

SÖS und Linke ist zuzustimmen, dass der Schwerpunkt der Wohnungspolitik auf dem Aufbau größerer kommunaler Wohnungsbestände liegen sollte. Grotesk und kontraproduktiv wäre es aber, auf die großen Potenziale der privaten Bau- und Wohnungswirtschaft und private Wohnungsbauinvestitionen zu verzichten. Jede neu entstehende Wohnung, deren Bau privat finanziert wird, lindert die Wohnungsnot und entspannt den Wohnungsmarkt.

Die Grünen fordern in ihrem Kommunalwahlprogramm mehr „Vielfalt“, die Linkspartei fordert „Geflüchtete integrieren, Rassismus bekämpfen“. Abseits der woken Rhetorik: Wer Ja sagt zu mehr Zuwanderung, muss auch Ja sagen zu mehr Wohnungsbau. Ansonsten drohen wegen der Verknappung des Wohnungsangebots steigende Mieten und mehr Wohnungsnot. Davon würden auch die Rechtspopulisten profitieren.

Wenn keine neuen Wohnungen entstehen, können die Geflüchteten die Schulturnhallen nicht räumen. Dann fällt beispielsweise Sportunterricht weiter aus. Von der Stuttgarter Kombination schwachen Wohnungsbaus trotz starker Zuwanderung profitieren besonders private Wohnungs- und Hauseigentümer und die Erbengeneration mit Wertsteigerungen ihrer Objekte, und sie können höhere Mieten durchsetzen.

Auch im Innenbereich kommen in Stuttgart sinnvolle Bauprojekte nicht voran. Die Stadt wirkt wie gelähmt, die Kommunalpolitik lethargisch. Im Stuttgarter Osten am Stöckach scheiterte bislang der geplante Bau von 800 Wohnungen, weil ein Ankauf der freiwerdenden Flächen des Energiekonzerns EnBW der Stuttgarter Kommunalpolitik bisher als zu teuer erschien und zur Finanzierung deswegen ein Nachtragshaushalt erforderlich gewesen wäre.

Auf dem Gelände der seit 15 Jahren leerstehenden ehemaligen IBM-Zentrale in Stuttgart-Vaihingen scheitert seit Jahren kommunaler Wohnungsbau, weil es der Stadt Stuttgart nicht gelingt, das Areal von den privaten Eigentümern zu erwerben. Stattdessen prüft nun das Land Baden-Württtemberg, dort eine Landesaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete zu errichten. Dies wäre sicher der Worstcase und Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten.

Trotz aller Nachhaltigkeitsrhetorik lässt Stuttgart seine lebenswichtige Verkehrsinfrastruktur verfallen statt sie beizeiten zu sanieren: Die Rosensteinbrücke, die die Stuttgarter City und Bad Cannstatt verbunden hat und neben Autos auch der Stadtbahnlinie 13 die Neckarquerung ermöglicht hat, musste im Frühjahr 2022 gesperrt werden, weil sie einsturzgefährdet war. Erst im Jahr 2031 soll eine neue Brücke errichtet sein. Bis dahin entsteht zusätzlicher Autoverkehr mit klimaschädlichen Abgasen, und die ÖPNV-Qualität verschlechtert sich durch die Umleitungen.

Weil in der wachsenden Stadt Stuttgart gerade im Berufsverkehr die Stadtbahnwagen meist heillos überfüllt sind und das ÖPNV-System vor dem Kollaps steht, hat sich die Stadt Stuttgart entschieden, den Takt der auf der Ost-West-Achse durch die gesamte Stadt verlaufenden Linie 1 nicht von zehn auf fünf Minuten zu verbessern, sondern die Bahnsteige entlang der Strecke zu verlängern, damit mehr Waggons angehängt und eine höhere Auslastung erreicht werden kann. Allerdings mit fatalen Folgen für die künftige Leistungsfähigkeit des ÖPNV in Stuttgart: Die Haltestelle am Augsburger Platz in Bad Cannstatt soll aufgegeben bzw. verschoben werden. Dann wäre in der Zukunft aber keine Verknüpfung mit der unterhalb der Stadtbahngleise kreuzenden Schusterbahn Kornwestheim-Bad Cannstatt-Untertürkheim möglich, die für den Personenverkehr reaktiviert werden soll, um den Verkehrssinfarkt in Stuttgart abzuwenden und eine Ausweichsstrecke („Tangentialverbindung“) für den neuen Hauptbahnhof zu schaffen.

Kern der Programmatik von SÖS und Linkspartei in Stuttgart ist die Forderung nach Umsonstpolitik (in anderen Großstädten wie Berlin existieren ähnliche Bewegungen). SÖS will „kostenlose Kinderbetreuung“ und „Bus und Bahn kostenlos“. Die Linkspartei haut in dieselbe Kerbe. Bei den Umsonstforderungen handelt es sich um Rosstäuscherei. Die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen der Daseinsvorsorge wie Kindergärten oder Busse und Bahnen ist stets mit Kosten verbunden: „There is no such thing as a free lunch“ (Milton Freedman). Die politische Frage lautet daher: Wie werden die Kosten gerecht verteilt? Die Stuttgarter Kindergärten sind unterfinanziert. Für eine bessere Betreuungsqualität, mehr Personal, längere und verlässlichere Öffnungszeiten, bessere tarifliche Bezahlung des Personals und die dringend nötigen baulichen Verbesserungs- und Sanierungsmaßnahmen sind erheblich höhere finanzielle Mittel erforderlich als derzeit dafür aufgewendet werden.

Eine Abschaffung der Kindergartenbeiträge wie von SÖS und Linkspartei gefordert würde umgekehrt nicht zusätzliche Mittel mobilisieren, sondern erhebliche finanzielle Löcher aufreißen. Zudem sind arme Eltern und Eltern mit Einkommen unter 70.000 Euro Jahreseinkommen bereits jetzt entweder von der Entrichtung des vollen Kindergartenbeitrags oder ganz oder teilweise davon befreit. Von einer Abschaffung der Kindergartenbeiträge würden mithin besonders reiche Eltern mit hohen Einkommen profitieren. Die Forderung der Stuttgarter Linkspartei in ihrem Kommunalwahlprogramm nach „Reichtum umverteilen“ würde in ihr Gegenteil verkehrt. Im Sinne progressiver Kommunalpolitik wäre eine progressivere Gestaltung der Kindergartenbeiträge abhängig vom Einkommen der Eltern. Beispielsweise könnte die arbeitnehmerische Mitte stärker entlastet, Eltern mit hohen oder sehr hohen Einkommen stärker belastet werden, und dabei könnten noch Mehreinnahmen erzielt werden, mit denen Qualitätsverbesserungen finanziert werden könnten.

Bei Umsetzung der Umsonstpolitik von SÖS und Linkspartei wären die tarifpolitischen Forderungen der Gewerkschaften nach besserer Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher oder der Busfahrerinnen und Busfahrer nicht mehr refinanziert. Die Politik von SÖS und Linkspartei in Stuttgart schwächt daher objektiv die Interessen und Verhandlungsmacht der abhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften.

Auch im ÖPNV sind erheblich höhere Investitionen in seine Attraktivität und Zuverlässigkeit erforderlich, wenn die Verkehrswendeziele erreicht werden sollen. Busse und Bahnen dürfen mit Umsonstforderungen nicht auf Diät gesetzt werden, sondern benötigen eine bessere Finanzausstattung.

Parallel gilt für beide Bereiche und auch den kommunalen Wohnungsbau: Land und Bund verweigern sich auch wegen ihrer restriktiven Schuldenbremsenregeln einer besseren Ausfinanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge. Es ist deswegen richtig, auf diesen Zusammenhang in Kommunalwahlkämpfen – wenn auch folgenlos – hinzuweisen, was alle Kräfte in Stuttgart aber unterlassen. Solange auf Bundes- und Landesebene keine bessere Finanzausstattung der Kommunen erfolgt, haben Umsonstforderungen auf der kommunalen Ebene wie in Stuttgart ausschließlich negative Effekte: Sie begünstigen Wohlhabende, rufen Qualitäts- und daraus folgend Akzeptanzprobleme hervor und schädigen die Gewerkschaften.

Nichtsdestotrotz haben Linkspartei und SÖS – im Gegensatz zu SPD und Grünen, die sich dabei wegdrücken – bei einem Stuttgarter Megathema Recht:

Die Fertigstellung des Projekts Stuttgart 21 droht die Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs nicht zu verbessern, sondern erheblich zu verschlechtern und sich zu einem wesentlichen Hindernis für die Erreichung der Klima- und Verkehrswendeziele in Deutschland zu entwickeln. Eine Kombilösung aus neuem Tief- und altem Kopfbahnhof, die auch die aus Zürich nach Stuttgart fahrenden Gäubahnzüge aufnehmen könnte statt sie wie von der Bahn geplant zukünftig am Vaihinger Vorortbahnhof enden zu lassen, wäre verkehrspolitisch vernünftig.

Wohnungspolitisch dagegen – und darin besteht ein weiterer Widerspruch – würde diese Variante, auf die auch die Klage der Deutschen Umwelthilfe auf Weiterbetrieb der Gäubahn abzielt, insbesondere für die an sich guten Pläne der Stuttgarter SPD, auf den freiwerdenden Gleisflächen im neuen Rosensteinviertel Wohnungen zu bauen, den Supergau hervorrufen.

Bisher sind dort lediglich bis zu 5.800 neue Wohnungen vorgesehen. Viel zu wenig! Eine so pragmatische wie innovative Lösung aus diesem Dilemma könnte den Weiterbetrieb einiger Gleise und ihre Überbauung mit Wohntürmen mit 10.000 Wohnungen kombinieren.

Jendrik Scholz lebt in Stuttgart – Bad Cannstatt.

 

 

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