Werbeverbote stinken

Homepage von Pinks Stinks Screenshot: Ruhrbarone
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Das geplante Verbot vermeintlich sexistischer Werbung würde die Autonomie der Verbraucher und die Gestaltung von Reklame unzulässig beschränken. Dahinter steckt Bevormundungslobbyismus der NGO-Szene. Von unserem Gastautor Christoph Lövenich.

Die Bundesregierung will verbliebene Reservate der Tabakreklame abschaffen, außerdem soll sexistische Werbung verboten werden. Ersteres kommt aus dem Ressort von Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) und wurde schon vom Kabinett abgesegnet, beim letzterem handelt es sich um einen Vorstoß von Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD). Dass man wieder plant, etwas zu untersagen, vermag nicht zu überraschen, schließlich gilt für die ganze Regierungsarbeit der Großen Koalition das Mantra, das Kabinettskollegin Barbara Hendricks (Umwelt, SPD) mal bei einem ihrer Gesetzgebungsprojekte formuliert hatte: „Es wird nichts ermöglicht, was bislang verboten ist. Im Gegenteil: Es wird vieles verboten, was bislang möglich ist“.

Während dem Maas-Verstoß Gegenwind von Werberat, einigen Verbänden, FDP und vielen medialen Kommentatoren entgegenweht, lässt die meisten kalt, dass mit einem Verbot von Tabakwerbung auf Plakaten und im Kino Wettbewerb in dieser Branche noch weiter beschnitten würde – zugunsten der Marktführer und zulasten der Verbraucher sowie der kleineren Anbieter. Diese Thematik, die bis hin zu Finanzierungsproblemen für Buswartehäuschen reicht, haben wir bei Novo an anderer Stelle bereits unter die Lupe genommen.

Also zurück zum Gespenst des Sexismus. „Wie viele Gesetzesinitiativen zur Bekämpfung von irgendetwas hat Bundesjustizminister Heiko Maas im letzten Monat angekündigt?“, fragt sogar ein BGH-Richter öffentlich. Diesmal – schreibt der Spiegel – „setzt Maas einen Beschluss der SPD-Parteispitze um, die in Reaktion auf die sexuellen Übergriffe der Silvesternacht in Köln ein ‚moderneres Geschlechterbild‘ im Land etablieren will.“

„Es liegt am Adressaten, ob er eventuell sexuell getönte Botschaften amüsant findet oder primitiv“

Aha. Die Straftaten nahe des Kölner Hauptbahnhofs resultierten also daraus, dass junge Männer nordafrikanischen Migrationshintergrunds offenbar zu viele einschlägige Werbeanzeigen in Deutschland gesehen haben müssen, auch diejenigen, die extra aus dem Ausland zur Jahreswende in die Domstadt gereist sind. Dann hätten sie stattdessen eigentlich einen Trip in den Schwarzwald unternehmen müssen. Denn ein dortiger Tourismusverband hatte auf einem Plakat mit einer Frauensilhouette und dem Text „Große Berge, feuchte Täler & jede Menge Wald“ um Touristen geworben, was als besonders sexistisch gebrandmarkt wurde.

Nun mögen Teile der Bundesregierung einem bestimmten „‚Geschlechterbild‘“ folgen, insbesondere Justizminister Maas, der sich – auch beim Thema Quote – gerne als ‚Frauenversteher‘ inszeniert. Daraus leitet sich aber kein Mandat ab, die Werbemöglichkeiten Dritter einzuschränken. Hier geht es um die Ausdrucksfreiheit der Unternehmen und nichtkommerzieller Initiativen, ihre Produkte bzw. ihre Anliegen mit Mitteln künstlerischer Gestaltung so zu präsentieren, wie sie es für angemessen halten. Es liegt dann am Adressaten, ob ihn die Reklame anspricht, ob er eventuell sexuell getönte Botschaften amüsant findet oder primitiv. Und welche Kaufentscheidung er trifft. Eine ideologische Zensur durch Politiker, eine Geschmackskontrolle durch staatliche Stellen haben nicht stattzufinden.

„Der Entwurf von Maas sieht vor, dass künftig Plakate oder Anzeigen unzulässig sein könnten, die Frauen oder Männer auf Sexualobjekte reduzieren“, heißt es in der Zeit. „Im Streitfall würde ein Gericht die Entscheidung treffen.“ Eine vage Formulierung, die allerhand Abmahner, Rechtsanwälte, gehässige NGOs und Hobby-Denunzianten auf den Plan rufen und die Gerichte über Gebühr beschäftigen wird. Oder noch schlimmer: Man setzt gleich die Schere im Kopf an, um Scherereien zu vermeiden.

„Hier haben wir es mit politischem Verbotslobbyismus von oben zu tun“

Zu den einschlägig empörten NGOs wird auf jeden Fall Pinkstinks zählen, eine Organisation, die seit Jahren für ein solches Werbeverbot wirbt und die laut Spiegel den Bundesminister bei diesem Projekt beraten hat. Dabei handelt es sich um „eine Kampagne gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstrategien, die Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen“. Man mag eine so formulierte Zielstellung sympathisch finden; legitim ist sie allemal. Das Problem liegt dabei woanders – wie so oft beim zeitgenössischen Aktivismus: Weder wird der Protest von signifikanten Teilen der Gesellschaft aktiv getragen noch wird er mit freiheitlichen Mitteln verfolgt.

Pinkstinks Germany ist ein Ableger einer britischen Organisation, die Chefin ist selbst deutschbritische Gender-Dozentin, als Unterstützer des Werbeverbotsprojekts fungieren diverse Institutionen wie Frauenvereinigungen, SPD-Parteivereinigungen oder das Deutschland-Komitee der UN Women, großteils staatsnahe und öffentliche geförderte Einrichtungen. Deren Absicht liegt denn auch nicht im gesellschaftlichen Diskurs, in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, im Kämpfen und Werben für die eigenen Anliegen, im Überzeugen der Menschen. Nein, hier haben wir es mit politischem Verbotslobbyismus von oben zu tun, aus abgehobenen Sozialmilieus, die in elitären Zirkeln agieren und der sich im Wesentlichen (wie die Unternehmenslobbyisten auch) unmittelbar an die politischen Machthaber richtet. Was uns nicht passt, muss verboten werden – nicht nur in Großbritannien, sondern auch im Umfeld maasloser Minister ein unterhinterfragter Leitgedanke.

Ein Pinkstinks-Unterstützer, der „linke“ Musiker Dirk von Lowtzow (Tocotronic), sagt in diesem Zusammenhang ganz offen: „Ich werbe für einen leisen Hauch von Tugendterror.“ Welche Tugend diesem Terror zugrunde liegen soll, sei dahingestellt. Toleranz, Liberalität oder Vertrauen in die Autonomie des Bürgers sicher nicht. Worin für den Einzelnen der Schaden beim Anblick angeblich sexistischer Reklameanzeigen überhaupt bestehen soll, bleibt ohnehin im Unklaren. Dann soll eben irgendeine stellvertretende Ortskassiererin der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen daran Anstoß nehmen, wen kümmert‘s? Das erinnert fatal an die Angriffe auf die Meinungs- oder Kunstfreiheit mit dem Argument, bestimmte Gefühle würden verletzt und manche Positionen seien nun einmal inakzeptabel. So verabschiedet man sich von einer aufgeklärten Gesellschaft.

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Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

Früher hatten wir den Volkswartbund, die Älteren werden sich erinnern und schmunzeln. Der war aber nix gegen die heutige Armee der Benimmbeauftragten, die immer und überall mahnend den Finger heben und Benimmgesetze formulieren und verabschieden, die "Tugend" zum alleinigen "Maasstab" erheben. Aber auch "Tugendwächter" herrschen nicht ewig, wie uns die Geschichte lehrt….

Frohsinn
Frohsinn
8 Jahre zuvor

"… deutschbritische Gender-Dozentin …"

Halt Frauen, da muss man als Mann einfach nachsichtig sein.

paule t.
paule t.
8 Jahre zuvor

Es ist die Aufgabe von Politik, Regeln für das Handeln in der Gesellschaft zu bestimmen. Dazu können selbstverständlich auch Verbote gehören. Im konkreten Fall muss dann natürlich darüber diskutiert werden – wiederum Aufgabe von Politik -, ob die ins Auge gefassten Regeln oder Verbote sinnvoll ist, und dabei auch, welche Grundrechte betroffen sind und wie sie miteinander abgewogen werden sollten (hier: Gleichstellung und Menschenwürde vs. freies wirtschaftliches Handeln). Eine sachliche Diskussion darüber wäre sehr willkommen.

Eine ultraliberalistische Haltung, die einfach nur Verbote per se für doof erklärt wie in diesem Artikel, völlig egal, worum es geht, geht an dieser Funktion von Politik einfach vorbei und nützt nur denen, die in den entsprechenden Auseinandersetzungen ohne Regelungen die größere Macht haben. Das sind hier einerseits diejenigen, die sich in einer Gesellschaft, in der andere Menschen (in der Regel eben Frauen) zu Sexualobjekten reduziert werden, ganz wohl fühlen; und diejenigen, die mit oder durch entsprechende Werbung Geld verdienen.

Dass es in diesem Artikel so ist, sieht man einerseits daran, dass das entsprechende Abwägen zwischen den verschiedenen legitimen, weil auf Grundrechte bezogenen Interessen kaum stattfindet, sondern die eine Seite einfach delegitimiert wird ("kein Mandat") und gegen Verbote an sich polemisiert wird – indem nämlich, andererseits, auch Beispiele herangezogen werden, die völlig anders gelagert sind, wie das Verbot von Tabakwerbung und sogar die Diskussion von Fracking zur Erdgasgewinnung (ja, ich habe nachgeschaut, aus welchem Zusammenhang das Hendricks-Zitat kommt). Wie soll man einen Diskussionsbeitrag ernst nehmen, der so völlig beliebig und zusammenhanglos ein Zitat aus einem völlig anderen Politikbereich herankarrt mit dem einzigen verbindenden Moment, dass Verbote an und für sich und immer doof sein sollen?

Christoph Lövenich
Christoph Lövenich
8 Jahre zuvor

paule, es fällt schon auf, dass die Bundesregierung auf vorhandene (oder zumeist: nicht vorhandene) Anlässe geradezu reflexhaft mit ständig neuen Verbotsanträgen reagiert, insofern ist der Kontext des Hendricks-Zitats in der Tat mittlerweile austauschbar. Prostitutierten"schutz", Sexualstrafrechtsverschärfungen, Tabakwerbung, Legal Highs, anonyme SIM-Karten, hohe Barzahlungen, und und und. Absurde Freiheitseinschränkungen ziehen sich wie ein roter Faden durch diese Politik, ohne dass dies bestimmten Parteien alleine anzulasten wäre – die Bundestagsopposition macht da eifrig mit.
Zur Frage der "sexistischen" Werbung: Kein reales Problem, bei dem jemand Schaden erleidet, sondern ein Verbotsvorstoß obskurer Lobbys. Verständlich, dass ein Minister Maas auf diese reinfällt, schließlich verbringt er mehr Zeit mit so was als mit den Sorgen und Nöten normaler Menschen.

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[…] Werbeverbote stinken von Gastautor in Politik […]

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Ich dachte, daß es im Leben immer verschiedene Blickwinkel gibt, unter denen Frauen sich selber sehen und gesehen werden, von Frauen und Männern. Und das sogar unter jeweils verschiedenen Voraussetzungen.
Dazu gehören verschiedene Rollenbilder. Natürlich auch das Rollenbild als Sexualobjekt, des Objektes der sexuellen Begierde. sowohl von Männern als auch seltener von Frauen. Daraus ein Politikum zu machen, scheint mir eine künstliche Konstruktion zu sein. Und es sind ja beileibe nicht DIE Frauen, die Herrn Maas beraten, sondern Frauen, die nach meiner Vorstellung mit hoher Wahrscheinlickeit nie heterosexuellen Sex beteiben wollen. Deshalb ist deren Definition so einseitig gegen Heterosexualität von Männern ausgelegt, so daß Sexismus, wie sie das auslegen, ausschließlich Männern, die sexuelles Interesse an Frauen haben, zugeordnet werden kann. heterosexuelle, auch homosexuelle Frauen und homosexuelle Männer betrifft das nicht. Vielleicht verstehe ich das aber auch nur falsch, weil ich niemals Werbung gucke. (Ton aus, und schnell was Anderes machen, Rücken zur Flimmerkiste bis die Sendung weitergeht).
Was die bisher beschrieben Beispiele betrifft, überzeugt mich keines. Da fehlt es wirklich an einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion.

discipulussenecae
discipulussenecae
8 Jahre zuvor

Ein sehr kluger und bedenkenswerter Artikel mit vielen wunderbaren Polemiken, die ich mir merken werde!

"Eine vage Formulierung, die allerhand Abmahner, Rechtsanwälte, gehässige NGOs und Hobby-Denunzianten auf den Plan rufen und die Gerichte über Gebühr beschäftigen wird."

Und wenn dann "irgendeine stellvertretende Ortskassiererin der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen daran Anstoß … (nimmt) …, wen kümmert‘s?"

Die hat dann wahrscheinlich ganz andere ProblemInnen und gar nicht begriffen, welchen Gegnern und Gegnerinnen sie da Geld in die Kassen spült …

abraxasrgb
abraxasrgb
8 Jahre zuvor

Guy Debord (für die, die ihn nicht kennen: ein Linker 😉 ) :
Verbieten verboten.

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