Werder Bremen für immer zweite Liga?

Werder Fans in der Ostkurve im Weserstadion Foto: Schlixn Lizenz: CC BY-SA 3.0

Werder ist abgestiegen. Das letzte Mal war das vor 40 Jahren. Es dauerte nur eine Saison und Werder war wieder ganz oben und kämpfte sogar um die Meisterschaft, den wichtigsten Pokal und internationale Ränge mit. Damals aber waren andere Zeiten. Von unserem Gastautor Thomas Hafke.

Der Fußball steckte noch in seinen kommerziellen Kinderschuhen. Heute wird Werder sehr viel mehr Geld brauchen, um wieder aufzusteigen. Mittel, die der Verein in der Bremer Provinz nicht generieren kann. Höchstens noch gut betuchte Investoren wären in der Lage Werder zu helfen. Aber warum soll irgendjemand in einen Verein investieren, der über Bremen hinaus wenig Bedeutung hat und international ein Niemand ist.

Aber vielleicht hat Werder Glück und schafft es doch noch die berühmten Bimbes aufzutreiben und einen erfolgreichen Kader aufzustellen. Oder sogar mit ganz viel Glück einen kostengünstigen, genialen Trainer zu finden, der in der Lage ist aus erschwinglichen Rohlingen Diamanten zu formen und diese zu einem stabilen Team zu verschweißen. Hört sich aber doch alles ziemlich verrückt an. Ungefähr so verrückt, wie die Forderung Tabula Rasa zu machen – meistens „Neuanfang“ genannt – und Führung und Team komplett auszuwechseln. Denn erstens, wer sollte das alles bezahlen, es gibt zum Beispiel Verträge die weiterlaufen, und zweitens wie sollten diese Neulinge sich plötzlich in den Strukturen und der Werder-Kultur zurecht finden.

Wenn das geschehen ist, ist bereits eine Saison vorüber. Also wird die Vereinsführung versuchen wie einst Odysseus zwischen Scylla und Charybdis einen gangbaren Weg zu finden: am Alten und Bewährtem festhalten und notwendige Neuerungen durchführen. Das alles wird die Wutfans natürlich nicht befriedigen, die sich in der Corona-Krise im Internet breit gemacht haben.

Wutfans, die vom Verein Wunder erwarten und Leistungen einfordern, die völlig unrealistisch sind und auf vergangenem basieren. Forderungen, die der Club gar nicht erfüllen kann, um ihn dann bei nicht erreichen der frei erfundenen Ziele umso mehr verurteilen zu können. In der Regel ist es nicht gleich der ganze Verein, meistens wird sich irgendein Sündenbock gesucht, meistens der Trainer. Meist sind die Internetmotzkis auch gar nicht vom Fach und haben zudem ein Problem mit sich selbst, welches sie in den Fußball projizieren.

Ein Problem was da lauten könnte selbst zu viel unter Druck gesetzt worden zu sein und unter den zu hohen Erwartungen zu leiden, die in sie gesetzt wurden und die sie nie erfüllen konnten. Da bricht sich die aufgestaute Wut dann Bahn und es lässt sich ein psychischer Mehrwert auf billige Weise erringen. Beim Fußball, so glauben sie, wäre das probat, dabei ist es einfach nur würdelos und charakterschwach und macht es nicht besser, wenn sie in Massen oder Gruppen auftreten.

Natürlich gab es auch schon solche Fans als Werder noch vor Publikum spielte. Aber da waren eben die Ostkurvenfans des Weserstadions, die ihre Mannschaft unterstützen, auch wenn es schlecht lief. Die genau wussten, dass es der Mannschaft hilft, wenn man sie unterstützt und dass es nicht hilft, wenn man sie beschimpft. Warum auch sollte ein Spieler alles geben, wenn er vom eigenen Publikum ausgepfiffen und beleidigt wird? Dann schwindet auch das Selbstbewusstsein und die Beine werden schwer. Bei einem guten Support werden die Spieler im wahrsten Sinne des Wortes zum Sieg getragen – von 40.000.

Diese Hilfe ist diese Saison nun ausgefallen und ich bin mir sicher, hätte es das Werder-Publikum im Stadion gegeben, wäre Werder Bremen nicht abgestiegen. Aber auch die Unterstützer aus der Ostkurve haben am Ende ihren Beitrag zum Abstieg geleistet, in dem sie alles kritisiert haben, was dem Verein etwas Geld einbrachte, um gute Spieler zu kaufen und zu halten. Da wurde dann gerne die Vergangenheit bemüht, als der Kommerz sich noch in Grenzen hielt und die Spieler sich mit Stadt und Verein identifizierten. Traditionsfan und Traditionsverein nennt man sowas – in Abgrenzung zu Leipzig, Wolfsburg, Hoffenheim und Leverkusen.

Aber was soll man sagen, so gesehen ist der Abstieg in die 2. Liga eigentlich folgerichtig, denn nun erwarten Werder jede Menge Traditionsderbys und Traditionsvereine wie HSV, St. Pauli, Hannover und womöglich Kiel. Was kann man sich als Traditionsfan also mehr wünschen als jetzt abzusteigen, auch der Kommerz wird weniger werden. Und auf der anderen Seite wird man vielleicht auch diese Wutfans wieder los, die sich scheinbar Werder nur als eine Art Bayern München vorstellen können. Bleibt zu hoffen, dass es nun nicht auch noch innerhalb des Vereins zu Schwierigkeiten kommt und Wontorra und Co. sich durchsetzen, die irgendwo in der Vergangenheit des Fußballs hängen geblieben sind. Die würden Werder endgültig den Rest geben und ihn zu einer ähnlichen Lachnummer wie den HSV degradieren. Und es gibt noch einen weiteren Gewinn des Abstiegs. Erfolgreiche Vereine ziehen gerne Profilneurotiker an, die durch Arroganz und Dummheit auffällig werden. Auch diese dürften jetzt ihr zeitliches segnen. Ich freue mich auf die 2. Liga, die zu Bremen passt, wie das Dorf mit Straßenbahn.

Thomas Hafke ist Diplom Sozialwissenschaftler und seit über 32 Jahren in der Jugendarbeit tätig. 30 Jahre davon war er im Fan-Projekt Bremen aktiv, wo er mit Jugendlichen Werderfans (Kutten, Hooligans und Ultras) beschäftigt war. Wobei er zwischenzeitlich beim VfB Oldenburg mit Fußballfans und in Delmenhorst mit Skinheads arbeitete. Hinzu kam die Begleitung der Fans der Deutschen Nationalmannschaft ins Ausland. In Oldenburg hatte er das Glück mit Rudi Assauer zusammenarbeiten zu dürfen. Außerdem hat er in dieser Zeit diverse Lehraufträge an der Universität und Hochschule Bremen und an der Hochschule für öffentliche Verwaltung (Studiengang Polizei) durchgeführt. Heute ist er in der Jugendwohngruppenarbeit tätig, wo er mit Risikojugendlichen betraut ist. Sein Gebiet ist die Jungenarbeit.

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Pater Busoni
Pater Busoni
3 Jahre zuvor

Der vom Autor beispielhaft benannte HSV ist doch ein Paradebeispiel dafür, dass ein Abstieg eben nicht die Abzocker, Selbstdarsteller und Profilneurotiker abschreckt. Genauso wenig wie Wutfans.
Da ziehen alle an einem Strick, der Vorstand, der großzügig sich selbst aus der Kasse versorgt, ebenso wie Spieler, die ganz schnell lernen, dass die Kohle auch ohne Leistung kommt, der Trainer, der gerne auf etwas Gehalt zugunsten der Vertragslaufzeit verzichtet und nicht zuletzt die Fans, die jeden Mist glauben, solange er nur ins Weltbild passt.
Der Ablauf ist dann immer der gleiche.
Am Anfang der Saison wird ein Trainer verpflichtet, der schon in seiner Jugend in der Bettwäsche des Wunschvereins geschlafen hat, als Spieler kommen selbstverständlich nur solche, die wahlweise Bayern, Dortmund, Real oder Liverpool auf dem Zettel hatten.
Die Wutfans feiern bereits den sicheren Aufstieg.
Solange es läuft, werden auch "schlechteste" Siege schön geschrieben, nimmt das Ganze bedrohliche Formen fliegt zuerst der Wunschtrainer mit 3-Jahresvertrag. Er wird durch einen noch geeigneteren Kandidaten ersetzt, der unglücklicherweise vor der Saison nicht zur Verfügung stand.
Die Wutfans sind wieder beruhigt.
Lässt sich dann kurz vor knapp nichts mehr beschönigen explodiert alles. Zwei Wochen wird alles niedergemacht, dann ist die Saison zuende.
Nach kurzer Funkstille wird ein Trainer verpflichtet, der schon in seiner Jugend….
Wer diese Zecken einmal im Verein hat, wird sie, wenn überhaupt, nur durch einen Kraftakt sondergleichen wieder los.

JuppSchmitz
JuppSchmitz
3 Jahre zuvor

Jetzt hat es also auch den "neuen" Bundesliga-Dino erwischt. Immerhin sind wir ja seit dem Abstieg des Ha-Es-Vau das Team mit der längsten Ligazugehörigkeit gewesen. Irgendwie klar, dass auch dieser Titel irgendwann an die Münchner fällt. Ist ja auch egal.
Ja, für "Traditionsfans" sieht die nächste Saison nicht schlecht aus, und wenn man S04 einbezieht, ersteht die 2. Liga Nord fast schon wieder auf; nur ohne Ernst Huberty.

Für "meinen" ruhmreichen SVW befürchte ich aber, dass es nur eine Zwischenstation sein wird und "nie mehr zweite Liga" eher auf Galgenhumor hinweisen dürfte. Die Misere aus der Spätphase von Allofs/Schaaf mit den diversen Fehlergriffen hat das Fundament für die heutigen finanziellen Unzulänglichkeiten gelegt. Die aktuelle Vereinsspitze hat auch nicht wirklich was auf die Reihe bekommen. Und wie doof kann man eigentlich sein, vor dem letzten Spieltag noch mal schnell den Trainer zu wechseln? Thomas Schaaf in allen Ehren, aber nach seinem Abgang 2013 hatte er anderswo auch nicht mehr überzeugt. Warum dann diese Selbstbeschädigung?

Dazu kommt, dass Bremen und umzu auch keine potenten Geldgeber aufbieten kann. Wer soll denn die Kohle locker machen? Die EWE? Die Sparkasse? Die Beluga Reederei? (Scherz)
Wo also geht die Reise hin? Zum Betzeberg, befürchte ich.

CV
CV
3 Jahre zuvor

Sind nicht Clubs wie Freiburg und Mainz, inzwischen sicher auch Union, vielleicht auch Bielefeld und auch Augsburg, Beispiele dafür, dass es auch heute noch in der "Provinz" und ohne das große Geld mit der ersten Liga klappen kann? Geben nicht Vereine wie Bochum und Kiel Hoffnung, dass es mit kompetenter und solider Arbeit auch im modernen Fußball Erfolg geben kann? Ja, die vom Autor genannten Kunst- und Werksvereine sind eine Gefahr für den Sport (und dabei gehts nicht immer nur um Tradition, die haben meine Beispiele am Anfang auch nur bedingt), und leider auch ja, Geld schießt meist doch mehr Tore, aber eben auch gallische Dörfer können überleben. Früher war Werder für andere ein Vorbild, das haben sie verloren. Nun müssen sie die Vergangenheit endlich abschütteln, sich der Realität stellen und selbst mal auf andere (s.o.) schauen. Dann kann es auch wieder klappen mit Olympia- und Westfalenstadion und muss nicht zwingend auf den Betze oder an die Wedau führen.

Lars
Lars
3 Jahre zuvor

Der Niedergang des SV Werder war absehbar und verdient. Sportliches Missmanagement seit der Endphase von Allofs. Und gerade in den erfolgreiche hat man es versäumt Kontakte in die Wirtschaft aufzubauen. Werder spielte über Jahre den attraktivsten Fussball der Bundesliga und hatte Deutschlandweit eine Fanbase die nur von Bayerr, BVB und Schalker übertroffen wurde. Das Uefa Pokal Finale 2009 habe ich in einer Kneipe im Bochumer Bermudadreieck geschaut. Da saßen und standen mitten im Ruhrpott 80 Werder Fans im Trikot und fieberten mit der Mannschaft. Tut mir leid, Thomas. Einer der großen Fehler von Werder Bremen ist sich immer klein zu reden und zu denken. Bremen hat 550 000 Einwohner und gehört zu den größten deutschen Städten. Das Stadion ist immer voll, die Stimmung grandios. Das Phänomem Werder zu vermarkten scheitert aber immer wieder an dem kleinkarierten Denken der Verantwortlichen. Wer sich als 4x Meister und 6x Pokalsieger auf einer Ebene wie Augsburg, Mainz oder Freiburg sieht, hat den Schuss nicht gehört und bekommt halt Wiesnhof als Trikotsponsor. Der Verein ist viel größer und bedeutet mehr Menschen in Deuschland als im Kommentar angenommen. Große Vereine haben überregionale Sponsoren gewonnen und pflegen den Kontakt zur Wirtschaft. Da spielen doch lokale Mäzen nur eine unterordnete Rolle. Schalke wird doch auch nicht von der Emscher Lipper Energie finanziert. Diese ewige klein reden von Werder nervt nur noch und ist für mich nur eine gewollte Entschuldigung für das Missmanagement. Werder und Fussball Provinz – das ich nicht lache. Deutschland hat nicht mal eine hand voll Vereine, die erfolgreicher waren.

Martin
Martin
3 Jahre zuvor

Ich schließe mich Lars an! Werder gehört zu den erfolgreichsten Vereinen der deutschen Fussballgeschichte. Die Strahlkraft von Werder geht weiter über die Stadtgrenzen hinaus. Egal wo man auswärts hinkommt, der Werderblock ist voll!
Ich (wohnhaft im Rhein-Neckar Dreieck) kenne unzählige Werder Fans in der Region. Warum Werder angesichts seiner ruhmreichen Zeiten der 80er, 90er und 00er Jahre nicht mehr Sponsoren an Land zieht erschließt sich mir nicht. Ich denke Werder täte keine Beratung gut aus der Wirtschaft. Werder gehört vom Fanpotenial, von der Stadtgrenze und der Geschichte definitiv in die erste Liga.

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