Es ist wie mit einer schweren Krankheit. Leute im Fernsehen, entfernte Bekannte – das sind Menschen, die typischerweise unter schweren Krankheiten leiden. Irgendwen kennt man da bestimmt, aber selbst? Nein. Von unserer Gastautorin Anna Mayr.
Ich kenne Leute, die Leute kennen bei der Financial Times, bei der Frankfurter Rundschau. Ich kenne Journalisten, die nicht wissen wohin mit ihrer Arbeit.
Ich bin Journalistin. Ich glaube, dass ich das schon immer war. Es ist Teil meiner Identität – Schwester, Freundin, Studentin, Journalistin. Aber ich könnte noch umdrehen. Wenn ich jetzt schnell handle, dann kann ich noch Unternehmensberaterin werden, oder irgendwas auf Lehramt studieren. Rosige Aussichten also.
Fast drei Jahre habe ich mit der Westfälischen Rundschau verbracht. Auf die Kürze meines bisherigen Lebens bezogen sind das eine ganze Menge Jahre. Man unterstellt meiner Generation ja gerne, sie könne sich mit nichts länger als 30 Sekunden beschäftigen.
Ich durfte ein Teil der Geschichte dieser Zeitung sein, ich durfte schreiben und lesen, auf Schützenfeste und Geflügelausstellungen und Hunderennen gehen, ich durfte nachfragen und ab und zu mal draufhauen. Dass ich irgendwann auch Teil vom Ende wäre, lag außerhalb jeder Vorstellungskraft.
Dass 120 Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren, ist nicht nur eine grobe Unterschätzung, sondern eine Lüge. Freelancer verlieren die Grundlage ihrer Existenz, ohne auf „sozialverträgliche Lösungen“ hoffen zu können, zukünftige Praktikanten und Volontäre verlieren wunderbare Chancen. Menschen verlieren ein Zuhause.
Seit ich bei dieser Zeitung bin, weiß ich von den roten Zahlen. Und vielleicht sieht die Zeitung der Zukunft nicht so aus wie die WR. Aber der Verlag hat nicht einen Gedanken mit Ernsthaftigkeit an ein neues Konzept verschwendet, nicht einen kreativen Kopf zum Reden kommen lassen. Es war eine unterdrückte Stimmung in der Redaktion, eine bleibende Unsicherheit über Umwerfungen und Neuregelungen, die, galant gesagt, allesamt großer Mist waren. Man hat die Mitarbeiter langsam ausbluten lassen und erwartet nun nicht mehr, dass sie noch einen Mucks machen können. Und jetzt, wo so viele große Zeitungen dicht machen, springt der Verlag auf den Printkrisen-Zug auf und stampft ein Traditionsblatt mit festen Tritten in die Tonne.
Ich habe bei der Westfälischen Rundschau Freunde gefunden. Mentoren, Lehrer, Vorbilder. Redakteure, die mich geprägt und geformt haben – sei es nur mit einem sehr bösen Blick oder einem freundlichen Wort am Telefon.
Seit dieser lächerlichen Pressemitteilung habe ich mich nicht getraut, anzurufen. Oder in die Redaktion zu fahren, die sich früher angefühlt hat wie Zuhause. Was sagt man in so einer Situation?
„Hallo, hier ist Anna. Tut mir Leid, dass Ihr alle Eure Jobs verliert und ab jetzt die Konkurrenz Eure Arbeit macht. Bin ich aber froh, dass ich seit ein paar Monaten raus bin. War echt schön mit Euch. Tschö!“
Diese Menschen können nicht mehr umdrehen. Die Kredite für ihre Häuser, die Ernährung ihrer Kinder, ihr Herzblut, ihre Lebenszeit. Es hängt alles an dieser Zeitung. Das ist Wirtschaft, darf man nun sagen. Wenn ein Unternehmen nicht läuft, dann schließt man es. Aber eine Tageszeitung ist nicht nur ein Unternehmen, sie ist eine gesellschaftliche Institution, ein Monument der Meinungsfreiheit. Wer Zeitung macht, trägt Verantwortung. Vor dieser Verantwortung drückt sich der WAZ-Konzern nun auf die feigste aller Arten.
Die WR-Redakteure haben mich groß gemacht, mir alles beigebracht, was ich über meinen Beruf weiß. Sie sind eine sichere Insel in einer Zeitungswelt, in der junge Journalisten für viele nicht zuerst Schüler, sondern Konkurrenz sind.
Ist das jetzt das Zeichen, mein eigenes Lenkrad herumzureißen und so schnell wie möglich die Spur zu wechseln?
Früher hätte man gesagt, gehen Sie doch rüber, wenn es Ihnen hier nicht gefällt, aber das Drüben hat man ja abgeschafft.
Andere würden vielleicht sagen, eine privatwirtschaftlich geführte Zeitung soll dem Eigentümer Rendite bringen und nicht den Redakteuren als soziale Kuscheldecke dienen. Wenn alle so denken, wie Sie wundert es niemanden, dass das Blatt keine schwarzen Zahlen schreibt.
Ich dagegen versichere Ihnen und Ihren Kollegen meine Solidarität, womit Sie aber auch nicht Ihre Miete bezahlen können.
Meine einzige Hoffnung ist, dass der eine oder andere betroffene Journalist eine Lehre aus seinen eigenen Erlebnissen zieht und bei Wirtschafts- und Sozialthemen nicht mehr ganz so unkritisch den neoliberalen Schwachsinn nachbetet, den man in den letzten 30 Jahren auch in den Blättern lesen konnte, die gerade dicht gemacht werden.
klingt irgendwie gut!!
Reichlich egomanische Sichtweise des Begriffs Meinungsfreiheit.
Welche Existenzberechtigung hat den Journalismus den immer weniger Menschen lesen und bezahlen wollen ?
Anstatt der analogen Zeit nachzutrauern wäre es doch gerade an Journalisten mal nachzudenken, über so Dinge wie : Was ist mein Produkt, was ist eine Nachricht im digitalen Zeitalterund was ist der beste Weg zur Übermittlung, Kommentierung und Analyse dieser Nachricht.
Wo offensichtlich ihr Leben davon abhängt sollten sie diese Gedanken nicht einer Verlegergeneration überlassen, für die das Internet nur ein Vertreibskanal für analoge Produkte ist. Das ist bequem und feige.
Schöner Artikel – ganz ohne Tamtam – und auch kluger Kommentar von Moondog.
Schön.
Hallo Anna, sehr schön, bewegend und treffend be- bzw. geschrieben. Kann man dir etwas anderes raten als auf Lehramt umzusatteln? Nicht wirklich, oder? Jedenfalls wenn du auch mal Familie gründen und dein Häuschen abbezahlen willst. Es wird Geschäftsmodelle auch für dich geben. Aber bewegen die sich irgendwo zwischen Hungertuch und Existenzminimum? Keine Ahnung. Keine Lösung. Warum, 68er (naja, bei dem Namen kein Wunder), eure Fraktion aus allem ein Neoliberalismus-Bashing macht, muss ich nicht wirklich verstehen. Die Zeitungskrise, Griechenland, das Wetter – an allem ist der Liberalismus schuld. Diese Zeitungskrise hat ja wohl eher etwas mit einer technologischen Entwicklung zu tun, aus der vermutlich irgendwann in ferner Zeit auch wieder tragbare Geschäftsmodelle entstehen. Und wenn wir Glück haben ein sehr vielfältiger Journalismus, bei dem Anna dann mitmischt.
Mist –
erstmal – ich meinte 68er eben –
(ohne moondog was zu wollen -g-)
und (tortist)
> … wäre es doch gerade an Journalisten mal nachzudenken,
> über so Dinge wie : Was ist mein Produkt …
eben das macht frau Mayr – und sie macht es mit Wehmut
und das –
das ist ihr gutes Recht -g-
GEZ -gebühren auch für verlage die berichten, genau wie das fernsehen oder der hörfunk. annocen-gelder einnehmen sicher, machen die bla-bla-bla sender auch.
@ tortist: Beinahe wohl gesetzte Worte (wenn da nicht das Problem Orthographie wäre), nur: Wo ist ihr Sinn? Ich kann ihn nicht finden.
Wer trauert einem analogen Medium nach? Frau Mayr? Keineswegs. Denn um analog vs. digital geht es bei dem aktuellen Vorgang WAZ/WR (ihr) gar nicht; es hätte vermutlich niemand, auch Frau Mayr nicht, etwas dagegen, wenn die mehr als 120 WR-Beschäftigten in einem DIGITALEN Nachrichtenmedium der WAZ-Gruppe weiterbeschäftigt würden statt ins Bodenlose gestoßen zu werden. Und nebenbei: Einem alten, weil mittlerweile wohl ausgestorbenen, meinetwegen „analogen“, Verleger-Ethos nachzutrauern, bringt zwar nix (schon gar keine Rendite), rückt aber vielleicht ein wenig die Dinge ins rechte Licht.
Was die WAZ-Gruppe tut, hat nun sicher nichts mehr mit dem o.e. Verleger-Ethos zu tun. Hier zählt nurmehr die Rendite. Ihr Beitrag tut letztlich nichts Anderes, als dieser (WAZ-)Position indirekt auch noch zuzustimmen – die Forderung „mal nachzudenken, über so Dinge wie : Was ist mein Produkt, was ist eine Nachricht im digitalen Zeitalterund was ist der beste Weg zur Übermittlung, Kommentierung und Analyse dieser Nachricht“ ist letztlich wenig wert, denn am Ende dieser Überlegung könnte durchaus die Antwort stehen: ein meinungsmutiges Printmedium wie eine (Tages-)Zeitung. Womit wir fast wieder am Ausgangspunkt wären: Das will die WAZ-Gruppe so nicht mehr, denn was nach dem WR-Aus kommt, hat mit Journalismus im eigentlichen Sinn nicht mehr zu tun?
Welche „Existenzberechtigung“ hatte der seinerzeit noch junge Buchdruck – als „lesen zu können“ noch ein Privileg nur weniger war?
Im Übrigen würde mich Ihre Definition von nicht egomanischer „Meinungsfreiheit“ interessieren …
Nehmen Sie Ihre Chancen selbst in die Hand Anna. Sie sehen ja wie sich im digitalen Zeitalter die Strukturen ändern, und viele neue Chancen online entstehen. Da drängt sich die Parallele zum Online Handel mit seinem enormen Wachstumspotenzial auf und denen die diese Entwicklung völlig verschliefen.
Seit Jahren entstehen digitale Anzeigenmärkte, die früher die Wochenendausgaben der Regional-Zeitungen mit Einnahmen versorgten, was ich seit Jahren als ein Zeichen mangelnden Geschäftssinns (bzw. Verantwortung) der Chefs zu Lasten der Belegschaften ansehe.
Also Chefs, wie 5# Herr Westerhoff treffend beschreibt, mit Sendungs-Bewusstsein aber wenig konstruktivem Verstand, ohne Talent im medialen Strukturwandel mit Logik Lösungen zu gewinnen, sondern traditionelle linke, soziale Folklore aufzuspielen bis die Auflagen völlig im Keller sind.
Wer will denn neben dem „Deprigeknatsche der Öffentlichen Beschaller“, noch mal einen weiteren Aufguss in einem Revierblatt, was einer SPD die Hofhaltung besorgt? Kein Wunder wenn besagter Eumann dem SPD-Presse-Imperium Steuergelder zufließen lassen will, wo ein Absatz keine Nachfrage mehr findet, da ist das Produkt, das Angebot nicht mehr gefragt.
Eine andere Frage bleibt auch, ob in einer vergreisenden Gesellschaft der Print-Juornalismus nicht schon seinen Gipfel hinter sich hat und eine digitale Zukunft verstärkt zu einer Demokratisierung durch Blogs und Liberalisierung tradierter Meinungshoheiten führen wird, wo sich Journalisten und Leser begegnen und sich gegenseitig akzeptieren.
Ich denke ja, dieser Prozess existiert längst und ist weit informativer als tradierte Medienmacher erkennen.
Kann bitte damit aufgehört werden, von einem defizitären Blatt zu sprechen. Niemand wusste von roten Zahlen! Wo kann man die bitte einsehen? Macht der WAZ-Konzern seine Finanzen transparent? Seit wann? Der Konzern macht allenfalls Gewinn, ich habe etwas von zweistelliger Rendite gelesen. Viel interessanter ist doch, dass es vor geraumer Zeit einen Eigentümerwechsel gegeben hat. Da musste ein Frau ziemlich viel Geld in die Hand nehmen. Und Banken sind eben böse, die wollen Zinsen, Tilgung. Und als Millardärin muss man eben auch schauen, wo man bleibt.
Hier werden ja ganz schoen schwere Geschuetze aufgefahren, so richtig mit ‚Demokratie‘, ‚Meinungsvielfalt‘ und ‚Geburtsstunde der BRD‘. Wir sprechen hier aber immer noch von einer Regionalzeitung die zu einem der groessten Verlagshaeuser gehoert, oder? Ich war echt baff, als ich las, dass die Zeitung ueberhaupt 120 Leute beschaeftigt hat, denn auch bei der FR-Diskussion klang an, dass der Wasserkopf Redaktion einen nicht unerheblichen Beitrag zum Niedergang beitrug, so wichtig es auch ist kritisch auf den Verlag zu schauen und seine ‚Sparmassnahmen‘ zu hinterfragen. Mich nervt die journalistische Selbstgefaelligkeit teilweise schon, wenn getan wird als ob jetzt das Ruhrgebiet untergeht, weil den Maechtigen keiner mehr auf die Finger schaut mit lokapolitischer Hofberichterstattung. Aber ich bin ja belehrbar: Vielleicht koennen Mitleser mal ein paar Links zu exklusiven WR Recherche-Artikeln verlinken. Wo viel Muehe und Zeit drinsteckt, wo man sich als Journalist in ein paar Themen hineinfuchsen musste und man ‚den Maechtigen‘ damit ganz schoen auf die Nerven ging und was nicht bloss im tagespolitischen ‚Laerm‘ versandete. Den Rest kann ich ueberall anders auch finden. Gedruckte Tageszeitungen muessen sich damit abfinden, dass ihr Alleinvertretungsanspruch nicht mehr gilt-dafuer gibt es viele Gruende, aber der Verlust fuer das demokratische Gemeinwesen wird sich in ueberschaubaren Grenzen halten…
@Teekay: Klaus Brandt hat in seiner Zeit bei der WR in Dortmund den Envio-Skandal fast im Alleingang aufgeklärt – den größten Umweltskandal der vergangenen Jahre.
Danke, Stefan. Das ist hilfreich. Was macht Klaus Brandt jetzt?
@Teekay: Klaus ist jetzt in der Recherche-Abteilung der WAZ-Mediengruppe. Aber wer weiß welcher der Kollegen die jetzt ihren Job verlieren als nächster so eine Geschichte gehabt hätte?
[…] Ein sehr persönlich gehaltener Beitrag bei den “Ruhrbaronen”: https://www.ruhrbarone.de/westfaelische-rundschau-du-bist-zeitungskrise/ […]
Im Oktober letztes Jahr war ich zu einem Redaktionsbesuch bei der Frankfurter Rundschau. Die Stimmung in der Redaktion war schon auf dem Tiefpunkt – wenige Wochen später kam die Nachricht über die Insolvenz. Da macht man sich langsam angesichts des langsamen aber sicheren Zeitungssterben zurecht ernsthafte Sorgen um die mediale Vielfalt – und das gilt genauso, wenn eine Zeitung ihre Lokalredaktion aufgibt. Und zwar ganz analog zu der Vorstellung, dass viele verschiedenen Stimmen aus unterschiedlichen Quellen zusammen ein relativ vollständiges Bild ergeben und man auf dieser Grundlage sich dann eine eigene Meinung bilden kann.
Und zur WR: Hier gab es durchaus gute Berichterstattung, z.B. Brandt über den Envioskandal oder Albachs Kultur-Artikel, wie auch gute bissige Kommentare usw. Also nicht alles über einen Doof-Kamm scheren. Lokales ist für die meisten Leute wichtig, weil es einen ziemlich unmittelbar betrifft – mir wäre wohler, wenn möglichst viele darüber berichten und nicht am Ende nur noch die Anzeigenblätter.
@ alle: Es ist doch gar nicht die Frage, ob irgend jemand einen Alleinvertreter-anspruch hat und erst recht nicht, ob eine analoge oder eine digitale Zeitung besser oder zeitgemäßer ist – das ist doch alles längst entschieden. Irgendwann wird es nur noch digitale Medien geben. Aber damit das medium am Ende nicht ganz allein als die message dasteht, sondern auch die Nachricht diesen Umbruch übersteht, sollten doch im Interesse aller die Inhalte weiterhin gut geschrieben, professionell gemacht und sorgfältig recherchiert sein. Nur dann kann langfristig von der so gerne zitierten „Vierten Gewalt“ gesprochen werden – immerhin in dieser Funktion ein wesentlicher Teil von Demokratie.
Aber ob die Nachrichten am Ende in Pixeln oder in Druckerschwärze übermittelt werden, daran wird sich die Frage der Meinungsvielfalt nicht entscheiden. Am Geld aber könnte sie scheitern – warum also sollte Information nichts kosten? Journalismus ist schliesslich kein Ehrenamt. Also her mit den Bezahlschranken!
[…] Westfälische Rundschau: “Du bist Zeitungskrise” | Ruhrbarone Seit ich bei dieser Zeitung bin, weiß ich von den roten Zahlen. Und vielleicht sieht die Zeitung der Zukunft nicht so aus wie die WR. Aber der Verlag hat nicht einen Gedanken mit Ernsthaftigkeit an ein neues Konzept verschwendet, nicht einen kreativen Kopf zum Reden kommen lassen. Es war eine unterdrückte Stimmung in der Redaktion, eine bleibende Unsicherheit über Umwerfungen und Neuregelungen, die, galant gesagt, allesamt großer Mist waren. Man hat die Mitarbeiter langsam ausbluten lassen und erwartet nun nicht mehr, dass sie noch einen Mucks machen können. […]
[…] Westfälische Rundschau: “Du bist Zeitungskrise” (Ruhrbarone) – Eine ehemalige Mitarbeiterin der WR erinnert sich. […]
in einer zeit, in der der papierjournalismus fast ausschließlich die nachrichten der großen nachrichtenagenuren nachplappert, der neoliberalen politik das wort redet und aus spiegel und blöd als ‚leitmedien‘ zitiert und oftmals unreflektiert deren meldungen aufgreift und verwertet, braucht er sich nicht zu wundern, wenn das geld der leser ausbleibt.
journalismus ist eben kein geschützter bereich, der sich auf das geld zahlender kunden verlassen kann.
vielleicht kommen ja auch einige der entlassenen, nicht nur die der wf, in den genuss, sich persönlich mit den machenschaften und gepflogenheiten der arbeitsagenturen oder gar der argen auseinanderzusetzten. und vielleicht kommen einige dann auch zur einsicht, welche unwarheiten und welche staatspropaganda sie als journalist so leichtfertig verbreitet.
@fiedel: Erklär doch mal warum es mit der Frankfurter Rundschau und der Westfälischen Rundschau gerade zwei Medien geschreddert hat, die nun wirklich keine Prediger des Neoliberalismus waren…
@ Stefan Laurin @ Fiedel
Die WR habe ich nie gelesen. Bei der FR lag der Untergang unter anderem auch daran, dass diese ehemals dezidiert linksliberale Zeitung am Schluss eigentlich gar keine Linie mehr vertreten hat. Das war zum Schluss teilweise so oberflächlich und beliebig, dass es einem um das Papier leid tat, das da verschwendet wurde.
Mein letztes Zeitungsabo hatte ich Ende der 90er in Berlin, als die Berliner Zeitung noch Gruner+Jahr gehörte und dort versucht wurde, eine niveauvolle überregionale Zeitung zu etablieren. Damals hat Gruner+Jahr, weil irgendwelche hochintelligenten Kulturfachleute im Kartellamt den Verkauf an Holtzbrinck untersagten, die Zeitung an diesen Hedgefond verkauft und sein Geld lieber in so erfolgreiche Blätter wie die FTD gesteckt.
@stefan: differenziert kann ich dir deine frage nicht beantworten. mein obiger beitrag war verallgemeinernd, subjektiv und spiegelt meine meinung zum zeitungsjournalismus wieder. sowas, was ich beschrieben habe braucht kein mensch, ist aber gang und gäbe. dafür reichen tagesschau und rtl-nachrichten oder hörfunk. ich persönlich brauche dererlei gar nichts. lieber lese ich auf blogs wie diesem hier.
ich bin mir aber sicher, das selbst die fr als auch die wr, wie jede andere zeitung auch, voll mit reuters-, dpa-, blöd- und spiegelmeldungen war. wenn auch, wie du beschrieben hast, teilweise anders reflektiert.
warum es nun gerade diese zeitungen erwischt hat, kann ich wie gesagt, nicht beantworten. ein weiter eventueller grund den viele zeitungsleser beklagen, ist der immer weiter schwindende lokalteil, der unter den überhand nehmenden internationalen agenturmeldungen leidet. zumindest ist das hier in sachsen-anhalt so. ich kenne, bis auf meine eltern, niemand mehr der ein tageszeitungsabo hat. und selbst die schimpfen.
es wird bestimmt noch lichter im blätterwald. da bin ich mir sicher.
Liebe Anna Mayr, eins habe ich beim Lesen nicht so ganz kapiert, vermutlich weil es nicht so richtig erklärt werden sollte?? Sie schreiben zunächst, Sie haben „fast drei Jahre mit der Westfälischen Rundschau verbracht“, später dann, dass Sie „seit ein paar Monaten raus“ sind. Warum sind Sie dort weg?
„Fast drei Jahre“ heißt ja auch, dass Sie die Auswirkungen des ersten redaktionellen Kahlschlags des WAZ-Managements von 2009 direkt miterleben „durften“. War das evt. ausschlaggebend, nicht mehr weiter bei der WR zu bleiben?
@#8 | Klabautermann: Wenn ich die Ausgüsse von derwesten lese, dann trauere ich massiv dem analogen Medium hinterher. Einem Netzveteran wie mir, der vor vielen, vielen Jahren die Papierleserei durch den Monitor ersetzte (nach Abo-Genuss *beider* Dortmunder Blätter), bedeutet die völlig mangelhafte technische Umsetzung, die völlig intransparente Vermischung von Inhalten und Autoren-Kennzeichnung zwischen Essener Content-Desk und Lokalredaktionen und die Yellow-Press-Aufmachung von derwesten einfach nur Bauchschmerzen und Augenkrebs.
Im Übrigen wurde ja von Reitz & Co. vor einem Jahr die Rückführung der WAZ-Online-Titel auf Einzelportale angekündigt und – wie so vieles an Ankündigungen im Online – außer bei ein paar Logo-Verschiebereien nicht umgesetzt. Ich frage mich auch vor dem Hintergrund der ganzen 2009er Diskussionen immer noch, ob es das Unvermögen des Konzerns oder eher das Unwillen der Redaktionen war, dass Online so gar nix vernünftig geht bei WAZ&Co.
Mal weg von der Debatte hier, fände ich es klasse, wenn Anna Mayr eine Ruhrbaronin würde, auch wenns dafür kein Geld gibt. Sie kann jedenfalls supergut schreiben, wäre eine Bereicherung für diesen Blog und es wäre sehr schade, wenn sie Lehrerin werden müsste 😉
[…] kreativen Kopf zum Reden kommen lassen. Es war eine unterdrückte Stimmung in der Redaktion. Aus: Ruhrbarone b. Es geht auch ohne tote Bäume Selbstverständlich sind Medienumbrüche oft mit unangenehmen […]
[…] Thema empfehle ich auch diesen Artikel auf ruhrbarone.de und diesen Text im […]
Das ist doch pfiffig. Auf „www.derwesten.de“ findet man unter dem WR Logo einen Bericht über die geplante Schließung der Lokalredaktionen, in dem der Betriebsratsvorsitzende mit den Worten zitiert wird, man wolle „versuchen zu kämpfen“.
https://www.derwesten.de/wr/region/kahlschlag-bei-westfaelischer-rundschau-mitarbeiter-protestieren-id7488912.html
Wow, da bekommen die Verantwortlichen bei der WAZ-Gruppe aber Angst, wenn sie nur mit dem VERSUCH eines Kampfes rechnen müssen.
Der Gipfel der Ironie ist aber, dass der Bericht unter „Lokales“ zu finden ist und als Quelle die „dapd“ angegeben ist. Das zeigt doch eigentlich, dass es auch ohne Lokalredaktion geht.
Wenn die Lokalredaktion ein wirtschaftlich relevanter Mehrwert ist, und die Redakteure wenigstens untereinander solidarisch wären, würde die Redaktion doch bei einer wirklich freien Medienwirtschaft sicherlich mit Kusshand von der FR oder der „Süddeutschen „als Lokalteile übernommen.
Tatsächlich gibt es aber keine freie Medienlandschaft, vielmehr wird diese vom Kapital, den Parteien und von denen bestimmt, die Geld haben oder die Druckereien besitzen. Deshalb gibt es ja auch seit Jahrzehnten nirgendwo in Deutschland die Gründung einer relevanten neuen unabhängigen Tageszeitung.
Als ich ins Ruhrgebiet gezogen bin, habe ich mir mal ein Probeabo der WAZ gegönnt und war entsetzt über die niveaulose Papierverschwendung. Heute kaufe ich sie nur, wenn meine Tochter das Sudoku machen oder die Comics lesen will. Als Unterlage unters Streu im Meerschweinschenkäfig tut sie auch hilfreiche Dienste.
Die angemessene Reaktion auf die angekündigte Schließung der Lokalredaktionen wäre nicht solch ein zum Scheitern verurteilter Trauermarsch sondern der Ruf nach konsequenten Alternativen:
Vor 45 Jahren rief die Jugend: Enteignet Springer!
Heutzutage informiert und kommuniziert die Jugend selbstreferentiell in asozialen Netzwerken wie „facebook“ „twitter“ etc. und wird sich nach meiner Erfahrung wohl eher nicht via Flashmob an der WR-Demo beteiligen.
„es wäre sehr schade, wenn sie Lehrerin werden müsste“… eine Platitüde aus dem Tal der Ahnungslosen. Aus dreijähriger Umsteigererfahrung traue ich diesen extrem tollen, erfüllenden! (im Gegensatz zur heutigen Zeitungsmache), aber gleichzeitig mental wie geistig extrem anspruchsvollen Beruf KEINEM der mir bekannten Feld-Wald-Wiesenjournalisten zu, und nach 19 Berufsjahren kenne ich so einige. Journalisten sollten sich übrigens mit Recherche auskennen – niemand mit einer Spur Verantwortungsgefühl wird heutzutage ernsthaft jungen Menschen raten, ein Lehramtsstudium zu beginnen, es sei denn auf Physik oder Informatik – und selbst in diesen Hypermangelfächern rückt die Landesregierung kaum noch eine Stelle raus. BItte erst mal informieren!!! Aktuell stehen gerade im Sek.II-Bereich Hunderte frisch examinierter Referendare verzweifelt auf der Straße und haben noch nicht einmal Anspruch auf Alg I, d.h. sie rutschen geradewegs in Hartz IV durch. Die Situation wird sich im Sommer noch ungleich verschärfen. Das Zeitfenster, in dem Seiteneinsteiger (auch aus dem Journalismus) mit Kusshand in den Lehrdienst übernommen wurden, hat sich spätestens mit Beginn des aktuellen Schuljahrs fast komplett geschlossen. Deshalb ist die Wahl zwischen Journalismus und Lehramt perspektivistisch eine Alternative zwischen Pest und Cholera.
– Und „Lehrer kann ja jeder“? Nein. Feld-Wald- und Wiesenjournalismus kann eher schon „jeder“. Dazu genügt allemal gesundes Halbwissen. Wie der Blick in jede x-beliebe Lokalzeitung offenbart.
Also mal aus der reinen Sicht eines durchschnittlichen, oberflächlichen Lesers betrachtet:
Ich brauche diese Lokalteile nicht, ich brauche die ganz Zeitung nicht.
Das überregionale morgens in der Zeitung ist altes Zeug, dass habe ich abends schon gewusst. Und die Lokalseite ist Müll, da steht nur liebloses Zeug vom Kaninchenzuchtverein und vom Gebetswochenende. Wirklich interessante Berichte vom richtigen Leben sehen da schon lange nicht mehr drin.
@#30 | Lisettken: Sorry, aber Artikel über SPD-Ortsverein-Forderungen nach Sozialwohnungen als fördergeld-politisches Feigenblatt am Phoenix-See, über einen sinnlosen Wechsel an der GF-Spitze des Abgabengrabs Flughafen oder über einen möglichen, politisch als 180-Grad-Wendung wertbaren Wechsel an der Spitze des Rechtsdezernats verstehe ich nicht als Berichte über „Kaninchenzuchtverein und vom Gebetswochenende“.
Was Ihr „richtiges Leben“ als „oberflächlicher Leser“ angeht – da gibt es doch noch die „Bunte“ oder den „Stern“.
@Klaus Lohmann:
Da sieht man mal wieder, es kommt darauf an, wo man sich befindet.
Hier auf dem platten Land steht nur “Kaninchenzuchtverein und vom Gebetswochenende” drin. Wenn es wenigstens diese von Ihnen genannten Themen gäbe. Gibt es hier aber nicht. Nur Kinder, Küche, Kirche.
Und Verein, heute: Angelvererein, Turnverein, Gesangsverein, Pastorenkommentar. Lokalpolitik NULL, „Bunte“ und „Sternthemen“ auf lokaler Basis NULL. Weil Wochenende ist immerhin 2 Seiten, sonst idR nur EINE Seite
Ich modifiziere meine Aussage daher folgendermaßen:
ICH brauche HIER keine Lokalzeitung.
[…] Westfälische Rundschau: “Du bist Zeitungskrise” | Ruhrbarone Seit ich bei dieser Zeitung bin, weiß ich von den roten Zahlen. Und vielleicht sieht die Zeitung der Zukunft nicht so aus wie die WR. Aber der Verlag hat nicht einen Gedanken mit Ernsthaftigkeit an ein neues Konzept verschwendet, nicht einen kreativen Kopf zum Reden kommen lassen. Es war eine unterdrückte Stimmung in der Redaktion, eine bleibende Unsicherheit über Umwerfungen und Neuregelungen, die, galant gesagt, allesamt großer Mist waren. Man hat die Mitarbeiter langsam ausbluten lassen und erwartet nun nicht mehr, dass sie noch einen Mucks machen können. […]