Westfalenhalle schüttelt für Seeed ihren Speck

Seeed bei ihrem Auftritt in der Dortmunder Westfalenhalle. Foto: Johannes Hülstrung

Lauter Bass, schwingende Hüften und einmal Gänsehaut mit Ansage: Schon im zweiten Monat in Folge gastiert Seeed in der Dortmunder Westfalenhalle. Die erste Tour nach dem Tod von Demba Nabé ist besonders emotional, aber weiterhin so tanzbar, wie man es von den Berlinern gewohnt ist. Das mobile Reggae-Sondereinsatzkommando beweist, dass es auch gegen Ende der Tour zum Album „Bam Bam“ noch lange nicht müde ist. Von unserem Gastautor Johannes Hülstrung.

Das gilt offenbar auch für einen Edelfan, für den die Show in der Westfalenhalle zwar eine von vielen, aber dann doch das Konzert seines Lebens war. Frontmann Pierre Baigorry alias Peter Fox verlässt schon beim ersten Lied „Ticket“ die Bühne. In der ersten Reihe hat er den besonderen Fan entdeckt. „Du bist doch schon zum 15. Mal auf der Tour“, ruft Baigorry halb erstaunt, halb amüsiert. „Wird es dir nicht langsam langweilig?“ An diesem Montagabend definitiv nicht, denn Baigorry lässt den jungen Mann vor vollem Haus kurzerhand ein paar Takte in sein Mikrofon singen.

Es sind diese kleinen Momente, die aus einem einfachen Teil einer penibel getimten Tournee einen besonderen Konzertabend machen. Dazu gehört auch, wenn mal ausnahmsweise nicht alles glatt läuft. So gibt es Probleme mit dem Drumset im dritten Lied „Wonderful Life“. „Alles wieder okay, Basti?“, fragt Baigorry seinen Bruder Sebastian Krajewski. Der auch „Based“ genannte Schlagzeuger bejaht. Und das ist gut so, denn jetzt kann die Party richtig losgehen. Nicht nur weil nun Frank Dellé, dem zweiten verbliebenen Vorsänger der Band, so heiß geworden ist, dass er sein Sakko auszieht.

Nach Dellés Jacke fällt im vierten Lied auch endlich der Vorhang, der das Bühnenbild verdeckt. Frei machen für „Lass das Licht an“, das Baigorry als „ganz komischen Schlafzimmersong – andere würden auch Sexlied dazu sagen“ anmoderiert. Verstärkung gibt es von Porky. Anders als zwei Abende zuvor in Hamburg steht der Deichkind-MC dabei aber nicht selbst auf der Bühne, sondern lässt sich auf der Videowand einblenden. Wie später auch Ex-SXTN-Mitglied Nura bei „Sie is geladen“.

Bei all den Hip-Hop-Einflüssen geht nie unter, dass Seeed weiterhin für tanzbaren Dancehall-Reggae steht. So scheucht die Band ihre Fans mit diebischer Freude durch den Innenraum. Bam, nach links, bam, nach rechts, und jetzt hochspringen. Baigorry erklärt noch geduldig die Aussprache des Albumtitels („Bam Bam, nicht Bäm Bäm und auch nicht Bum Bum“). Nach dem siebten Song „Schwinger“ verkündet er: „Das war nur das Warm-up!“

Gänsehaut im Smartphone-Zeitalter

Dass da auf der Bühne einer fehlt, ist aber trotzdem zu spüren. Fans berichten von einer seltsamen Mischung aus Trauer über den Tod von „Boundzound“ und Erleichterung, dass Seeed weiterhin live zu sehen ist – wenn auch nur noch mit zwei Frontmännern. „Es muss weitergehen und ich denke, das ist auch in seinem Sinne“, sagte Dellé damals mit Blick auf den verstorbenen Nabé über das Fortbestehen der Band.

Jetzt begibt sich Dellé an den äußersten Bühnenrand, schaut nach oben und ruft: „Demba, das ist für dich!“ Im Song „You & I“ erklingt Nabés Stimme. Tausende Smartphone-Taschenlampen bilden die Kulisse dazu. Auch wenn diese Szene auf der Tour regelmäßig zu sehen ist und selbst beim ersten Auftritt in Dortmund im Oktober schon beinahe identisch so ablief – die Gänsehaut ist geblieben.

Und so wird der zweite Auftritt von Seeed in der Westfalenhalle ohne Nabé ein weiteres Mal zur Ehrerweisung seitens der 11.500 Zuschauer. Die zum Teil sogar noch an der Abendkasse Schlange gestanden haben. Denn „produktionsbedingt“ sind auf den letzten Drücker noch ein paar Karten für das eigentlich ausverkaufte Konzert verfügbar geworden, wenn auch nur für Plätze mit eingeschränkter Sicht. Die Fans freut es trotzdem.

Grußkarte ans Ruhrgebiet

Ebenfalls zur Freude der Fans dürfen natürlich auch die großen Hits aus der Solokarriere von Peter Fox nicht fehlen. Es beginnt mit „Schwarz zu blau“, einer Liebes-Hass-Erklärung (mit überwiegender Liebe) an die Bundeshauptstadt. Baigorry sagt es passenderweise als „Grußkarte aus Berlin ans Ruhrgebiet“ an. Später folgen noch „Schüttel deinen Speck“ (was sich die Zuschauer nicht zweimal sagen lassen) und „Alles neu“. Vor allem die damals erste Single-Auskopplung aus Fox’ „Stadtaffe“ überzeugt im typischen Seeed-Gewand.

Generell ist es für Bands nie leicht, wenn Fans auf Konzerten nur die großen Hits hören wollen. Für Seeed aber kein Problem; es gibt immerhin genug Auswahl. „Ding“ beschließt den Abend fürs Erste. Dass sich Dellé, Baigorry und Co dann vielleicht etwas zu viel Zeit lassen, nehmen die Fans ihnen nicht übel. Hits gibt es auch in den drei Zugaben. Verständlich, dass sich mancher Song, der einfach zu oft gespielt worden ist, auch mal anders präsentieren möchte. So wird der Text von „Dickes B“, Seeeds Durchbruch 2001, in die Melodie von Justin Timberlakes „Sexy Back“ gepresst.

Zum Schluss heißt es dann: „Aufstehn!“ und raus aus der Halle. Nach der letzten Zugabe müssen sich auch die Fans auf den Oberrängen von ihren Sitzen erheben – wenn sie nicht ohnehin schon längst ihren Speck geschüttelt und ihre Teile geschwungen haben.

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