Wichtig ist auf’m Platz

Die Sportpolitik in Gelsenkirchen ist eine große Baustelle. Foto: Michael Voregger

Nach Kaue und Müll in der Stadt widmet sich die sozialdemokratische Ratsfraktion nun dem Sport in Gelsenkirchen mit einem Positionspapier. Es trägt den hoffnungsvollen Titel „Besser werden, Sportstadt bleiben“. „Die Modernisierung und Erneuerung unserer Infrastruktur ist eine zentrale Zukunftsaufgabe unserer Stadt“, erklärt Lukas Günther, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Gelsenkirchen. „Neben der Schulbauoffensive, der Schaffung eines Bildungscampus und der Sanierung des Rathauses Buer hat die Modernisierung, Erneuerung und Sanierung von Sportstätten für die SPD eine hohe Priorität.“ In dem knapp einseitigen Papier geht es um Kunstrasenplätze, die Strukturen der Sportverwaltung, ein neues Schwimmbad und das Tempo der Umsetzung. „Die ehrenamtlich Aktiven, die Sportlerinnen und Sportler unserer Stadt haben Klarheit verdient“, heißt es weiter. Daniel Siebel ist Sprecher der Gelsenkirchener SPD-Fraktion im Sportausschuss. Er will die Diskussion über die Rolle von Gelsensport bis Ende des Jahres abschließen: „Wichtig ist, dass wir ins Machen kommen.“

Die Verwaltung arbeitet an einem „Kunstrasenbau- und Sanierungsplan“, der bis September 2025 vorliegen soll. Darin wird nachzulesen sein, welcher Verein künftig – also in einigen Jahren – mit einem Kunstrasen rechnen kann. „Die Sportlerinnen und Sportler brauchen Klarheit. Sie sollen mittelfristig wissen, was wann auf ihrer Anlage möglich ist“, sagt Silke Wessendorf, stellvertretende Sprecherin der SPD im Sportausschuss. Ohne Kunstrasenplätze wird 2023 kaum noch Nachwuchsarbeit möglich sein, weil Vereine mit Ascheplätzen für den Nachwuchs unattraktiv sind. Nationalspieler Ilkay Gündogan hat seinem Heimatverein Hessler 06 den Bau eines Kunstrasenplatzes ermöglicht. Der Profi von Manchester City spendete dem Gelsenkirchener Bezirksligisten, für den er zehn Jahre lang in der Jugend gespielt hatte, seine gesamte Meisterprämie. Damit konnte der Verein den Bau des dringend benötigten Platzes im Jahnstadion in Angriff nehmen.

Blick in die Vergangenheit

Sport wird in Gelsenkirchen oft mit Fußball gleichgesetzt, doch die Vereine und Sportarten sind weitaus vielfältiger. Wer nicht gegen den Ball tritt, hat es bei der politischen und finanziellen Unterstützung deutlich schwerer. Der Buersche Hockey-Club wurde 1951 gegründet. Gemessen an der Mitgliederzahl ist der BHC in den 80er Jahren der zweitgrößte Hockeyverein Westfalens. Viele Mannschaften spielen in dieser Zeit in der Ober- und Regionalliga. Vor allem die Jugendarbeit ist erfolgreich und die Mannschaften gewinnen regelmäßig Meisterschaften und Titel. Trotz verschiedener Initiativen wird dem Verein über viele Jahre kein eigener Hockeyplatz zur Verfügung gestellt. Erst 2002 entsteht am Leibniz-Gymnasium in Buer eine moderne Kunstrasenanlage für den Schul- und Vereinssport. Planung und Umsetzung fallen in die Amtszeit von Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU), der den Platz persönlich einweiht. Der EHC ist der Nachfolgeverein der Schalker Haie. Der Schwerpunkt des Eishockeyclubs liegt auf der Jugendarbeit. Seit Jahren steht der Verein jedoch ohne Halle da. Erst war die Eishalle im Sportparadies wegen Corona geschlossen, dann wurde hier das Impfzentrum eingerichtet. Derzeit befindet sich hier die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Im Sommer 2022 wird das Zentralbad Gelsenkirchen abgerissen. Vereine und Schulen sollen bis zum Bau eines neuen Bades im Sportparadies schwimmen können. Dazu wird ein Außenbecken mit einer Traglufthalle überdacht. Die Kosten dafür belaufen sich auf rund eine Million Euro. Bis heute ist die Halle noch nicht in Betrieb und wurde inzwischen wieder abgebaut. Der nächste Anlauf ist für den kommenden Winter geplant.

Der Rat der Weisen und Gelsensport

Um zu prüfen, ob die Auslagerung der Sportverwaltung an den Verein Gelsensport eine gute Idee war, wurde Deutschlands größte Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) aus Frankfurt am Main beauftragt. Bereits im April 2021 beschloss der Ausschuss für Sportentwicklung die Beauftragung. Nur am Rande sei erwähnt, dass PwC in den letzten Jahren durch die Vermittlung von Cross-Border-Leasing-Geschäften zwischen deutschen Kommunen und US-Investoren und die Unterstützung bei der Umgehung der Ökostrom-Umlage für Unternehmen wie Bayer, Evonik und Daimler kein gutes Bild in der Öffentlichkeit abgegeben hat. Vor zwei Jahren durchsuchten Staatsanwälte und mehrere Hundertschaften der Polizei das Unternehmen wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. Jetzt haben die Frankfurter Berater das Gelsenkirchener Modell der „Zusammenführung von Sportverwaltung und Sportselbstverwaltung“ unter die Lupe genommen. Seit 1994 nimmt Gelsensport diese Aufgabe wahr. In anderen Kommunen ist dafür die Sportverwaltung im Rathaus zuständig.

Ein bundesweit einmaliger Ansatz. „Wir sind stolz auf dieses zukunftsweisende Modell“, heißt es noch heute auf der Internetseite von Gelsensport. PwC empfiehlt in seinem Gutachten, die Kooperation zu beenden. Wer sich in den letzten Jahren mit dem Postengeschacher bei Gelsensport, der Finanzierung, dem Zustand der Sportstätten und der Sportstättenvergabe beschäftigt hat, wird nicht überrascht sein. Warum Politik und Verwaltung dafür eine moralisch fragwürdige und zudem teure Beratungsagentur brauchen, lässt derzeit mehr Fragen als Antworten offen.

Die graue Eminenz der SPD und der Missbrauch des Sports

Günter Pruin (SPD) war lange Jahre nicht nur im Stadtrat der Mann für harte Auseinandersetzungen und verbale Angriffe auf den politischen Gegner. Er war bis 2020 auch Geschäftsführer von Gelsensport – und damit verantwortlich für Finanzierung, Bau und Vergabe von Sportstätten. Als sich die Lage zuspitzte und die Politik über eine Auflösung von Gelsensport nachdachte, kehrte der Pensionär im April 2021 als Leiter der Stabsstelle Sport- und Vereinsentwicklung“ nach Gelsenkirchen zurück. Außer einem Interview in der WAZ ist seitdem nicht viel von seiner Tätigkeit zu spüren: „Wir werden versuchen, das Vertrauen wieder aufzubauen. Aber es ist ein Ammenmärchen, dass alle Vereine Gelsensport kritisieren. Aber es ist einiges schiefgelaufen, und das werden wir aufarbeiten. Bei der Vergabe der Kunstrasenplätze in den Stadtteilen unter seiner Verantwortung spielten auch parteipolitische Aspekte eine Rolle. Sozialdemokratisch dominierte Bezirke hatten in der Regel bessere Karten. Sportpolitik als Wahlkampfveranstaltung für die SPD erscheint als „Hinterzimmerpolitik“ der späten 1970er Jahre. In Gelsenkirchen war dies bis weit in das neue Jahrtausend hinein Realität.

Die Gegenwart

„Die notwendigen Standards sind leider längst nicht auf allen Sportanlagen gegeben“, sagt Lukas Günther, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. „Wer in Sportstätten investiert, investiert nachhaltig in die Zukunftsfähigkeit der Vereine.“ Mit der Realität haben die schönen Worte wenig zu tun. Ein Beispiel. Das Gelände des Reitvereins ETuS Gelsenkirchen 1996 liegt versteckt zwischen Netto und Frischemarkt an der Dessauerstraße in Ückendorf. Hier war lange Zeit auch der Fußballverein ETuS Gelsenkirchen beheimatet. Anfang 2022 rückte das Gelände in den Fokus der Öffentlichkeit. Gelsensport und die Wirtschaftsförderung überzeugten die Fußballer, 2019 in das Südstadion am Haidekamp umzuziehen. Die dort beheimatete SG-Eintracht hat die neuen Partner gerne aufgenommen. Damit verbunden war die Zusage der Stadt, das Südstadion nach dem Umzug zu sanieren und dort unter anderem eine Flutlichtanlage zu installieren. Der Vorstand der SG – Jens Polleit – wurde aufgefordert, ein Konzept mit den notwendigen Maßnahmen vorzulegen: „Das habe ich auch gemacht, aber seitdem ist nichts passiert. Inzwischen hatten wir neben Bürgermeisterin Karin Welge fast alle Stadträte hier auf der Anlage, die ihre Unterstützung erklärt haben“. Laut Kämmerer Luidger Wolterhoff sind die Mittel für die Sanierung im Haushalt eingestellt, aber „verwaltungsinterne Probleme“ verhindern die Umsetzung. Der Rasenplatz ist von einer bröckelnden Tribüne umgeben, die nicht betreten werden darf. Wegen der fehlenden Beleuchtung kann hier nur im Sommer bis zum Einbruch der Dunkelheit gespielt werden. Beide Vereine haben derzeit sechs Senioren- und 12 Jugendmannschaften gemeldet. Bei der SG-Eintracht fühlt man sich von der Stadt verschaukelt – im Ruhrgebiet gibt es dafür noch deutlichere Worte.

Ähnlich verhält es sich mit dem Reitverein ETuS Gelsenkirchen an der Dessauer Straße. Verwaltung und Wirtschaftsförderung wollten das Gelände für eine gewerbliche Nutzung vorbereiten. Der Verkauf ist gescheitert und das Gelände wartet weiter auf einen Interessenten. Der Tag der offenen Tür im Mai war ein voller Erfolg, viele Menschen aus dem Stadtteil nahmen daran teil. Aus der Politik hat sich niemand blicken lassen. Auch von der SPD hat niemand bei den beiden Vereinen nachgefragt, bevor „Besser werden, Sportstadt bleiben“ entwickelt und geschrieben wurde.

Der Kommentar

Schon die Formulierung „Besser werden, Sportstadt bleiben“ macht das Problem der Genossen deutlich. Der Ist-Zustand wird nicht in Frage gestellt, sondern der Blick nach vorne gerichtet. Wer die eigene Situation falsch einschätzt, scheitert nicht nur im Sport. Seit 1946 wird die Politik in Gelsenkirchen von der SPD dominiert. Es gab nur ein kurzes Intermezzo der CDU mit ihrem Oberbürgermeister Oliver Wittke im Jahr 1999. Deshalb sind die Partei und ihre Sportfunktionäre wie Günter Pruin für die desolate Lage der Vereine und Sportstätten verantwortlich. Das Positionspapier der SPD-Fraktion wirkt wie ein Appell an die Verwaltung, endlich die richtigen Entscheidungen zu treffen und schnell umzusetzen. Offenbar wedelt in Gelsenkirchen der Schwanz mit dem Hund. Die Verwaltung hat die Vorgaben der Politik – also des Rates und seiner gewählten Vertreter – umzusetzen und nicht umgekehrt. Der zuständige Sportpolitiker Daniel Siebel spricht vom „Machen“, aber die politisch Verantwortlichen lassen die Möglichkeiten dazu ungenutzt. Wer es in vier Jahren nicht schafft, im Südstadion die gemachten Zusagen einzuhalten, verspielt das Vertrauen der Bürger und beschädigt die Demokratie. Zwei Jahre für ein teures und überflüssiges Gutachten, ein Kunstrasenentwicklungsplan bis 2025 und ein nicht vorhandenes Schwimmbad sind leider die Realität in der Sportstadt Gelsenkirchen. Mit „Klarheit“, „Schnelligkeit“ und „Handeln“ hat das nichts zu tun. Es wäre eine gute Idee gewesen, die ehrenamtlich Aktiven in den Vereinen einzubeziehen und zu fragen, was sie wollen und was ihnen wichtig ist. Diese Chance wurde wieder einmal vertan. So darf es auf keinen Fall bleiben – weder sportlich noch politisch.

Der Beitrag ist in ähnlicher Form bereits bei dem Stadtteilmagazin isso erschienen. Der Artikel ist mit der deutschen KI-Anwendung deepL überarbeitet worden. Dabei ging es darum einen besseren und verständlichen Text zu formulieren.

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