Viele „linke“ Akademiker und Aktivisten sind vom Postmodernismus geprägt. Dessen Ablehnung von Wissenschaft, Vernunft und Freiheit ist jedoch alles andere als progressiv. Von unserer Gastautorin Helen Pluckrose.
Der Postmodernismus stellt eine Bedrohung dar. Nicht nur für die liberale Demokratie, sondern für die Moderne selbst. Es mag eine gewagte Behauptung sein, aber im Postmodernismus stecken eine Vielzahl von Ideen und Werten, die über akademische Sphären hinaus in der westlichen Welt eine große kulturelle Wirkung entfaltet haben. Die irrationalen und identitären „Symptome“ des Postmodernismus sind leicht zu erkennen und werden vielfach kritisiert, das ihm zugrundeliegende Ethos wird jedoch häufig verkannt. Das liegt teilweise daran, dass Postmodernisten sich selten klar ausdrücken. Teilweise liegt es auch an der inhärenten Widersprüchlichkeit einer Denkweise, welche die Existenz objektiver Wahrheiten leugnet. Möchten wir dieser Anschauung entgegentreten, ist es wichtig, ihre Grundgedanken zu verstehen. Diese bilden die Basis heutiger Protestkulturen, untergraben die Glaubwürdigkeit der Linken und drohen, uns in eine tribalistische, prä-moderne Ära zurückzuwerfen.
Im Grunde ist der Postmodernismus eine künstlerische und philosophische Strömung, die mit verwirrender Kunst und noch verworreneren „Theorien“ im Frankreich der 1960er-Jahre ihren Anfang nahm. Er machte sich die surrealistische Kunst und frühe philosophische Ideen Nietzsches und Heideggers zu eigen, um seinen Anti-Realismus und seine Ablehnung des Konzeptes von Einheit und Identität des Ichs zu begründen. Er reagierte damit auf den liberalen Humanismus moderner künstlerischer und intellektueller Bewegungen, denen vorgeworfen wurde, westliche, männliche Mittelschichtserfahrungen zu universalisieren.
Aus demselben Grund lehnte man auch Philosophien ab, die Ethik, Vernunft und Klarheit würdigten: Angegriffen wurde der Strukturalismus, welcher den (etwas zu selbstsicheren) Versuch unternahm, Kultur und Psychologie des Menschen aufgrund konsistenter Strukturen und Beziehungen zu analysieren. Der Marxismus und seine auf Ökonomie und Klassenkonflikten beruhende Gesellschaftsanalyse wurden als ähnlich starr und vereinfachend empfunden. Die Wissenschaft als Ganzes wurde vom Postmodernismus für ihren Anspruch attackiert, objektives und von menschlicher Betrachtung unabhängiges Wissen erlangen zu wollen, da dies nur eine weitere Form westlich-bourgeoiser Ideologie sei. Dezidiert links, hatte der Postmodernismus sowohl eine nihilistische als auch eine revolutionäre Seite. Damit passte er gut zum postimperialen Nachkriegszeitgeist. Im Laufe der Zeit nahm der zu Beginn stärkere Aspekt des Dekonstruktivismus eine zweitrangige Rolle neben der revolutionären „Identitätspolitik“ ein.
„Dem liberalen Humanismus wurde vorgeworfen, westliche, männliche Mittelschichtserfahrungen zu universalisieren.“
Dekonstruktion der Moderne
Ob der Postmodernismus eine Reaktion auf die Moderne ist, ist umstritten. Es ist die Epoche der Moderne, in welcher der Renaissance-Humanismus, die Aufklärung, die wissenschaftliche Revolution und die Entwicklung liberaler Werte und Menschenrechte in Erscheinung traten. Westliche Gesellschaften kamen allmählich zu dem Schluss, Vernunft und Wissenschaft über Glauben und Aberglauben zu stellen und entwickelten dabei eine Vorstellung von Personen als freien und individuellen Mitgliedern der menschlichen Spezies, statt sie als Teile beliebiger Kollektive und starrer Hierarchien zu sehen.
Laut der „Encyclopaedia Britannica“ ist der Postmodernismusin erster Linie „eine Reaktion auf philosophische Annahmen der modernen westlichen (im speziellen europäischen) Geschichte“. Die „Stanford Encyclopaedia of Philosophy“ hingegen hält den Postmodernismus für „eine Fortführung modernen Denkens in einem anderen Modus“. Für welche dieser Sichtweisen wir uns entscheiden, hängt davon ab, wie wir die Frage beantworten, was die Moderne hinterlassen und was sie zerstört hat. Wollen wir die Moderne als Entwicklung von Wissenschaft und Vernunft, sowie Universalismus und Humanismus, verstehen, so müssen wir den Postmodernismus als dem gegenüberstehend betrachten. Halten wir die Moderne für das Ende alter Machtstrukturen wie dem Feudalismus, der Kirche, dem Patriarchat und dem Imperialismus, so ist es ein Anliegen des Postmodernismus, diese Strukturen weiter anzugreifen, mit dem Unterschied, dass die Feindbilder nun Wissenschaft, Vernunft, Humanismus und Liberalismus heißen. Das bedeutet auch, dass die Wurzeln des Postmodernismus politisch sind, wenngleich destruktiver (oder um im postmodernen Duktus zu bleiben, dekonstruktiver) Natur.
Der Begriff „Postmodernismus“ geht auf Jean-François Lyotard und sein 1979 erschienenes Buch „Das postmoderne Wissen“ zurück. Postmodernes Denken bedeutet in diesem Fall „den Meta-Erzählungen keinen Glauben mehr zu schenken“. Eine Meta-Erzählung ist eine breitgefächerte, zusammenhängende Erklärung für umfassende Phänomene. Demnach sind Religionen und andere totalitäre Ideologien Meta-Erzählungen, da sie versuchen Sinn und Bedeutung des Lebens zu deuten beziehungsweise eine Antwort auf die Frage nach der Wurzel allen gesellschaftlichen Übels zu geben. Lyotard plädierte dafür, diese großen Narrative durch Mini-Erzählungen zu ersetzen, welche nur noch kleine, persönliche „Wahrheiten“ umfassen. Er richtete sich damit gegen das Christentum, den Marxismus und die Wissenschaft.
„Indem die Wissenschaft mit Macht und Politik verknüpft wird, wird ihr der Anspruch auf Objektivität entzogen.“
Lyotard meint, es gäbe „eine Kopplung zwischen der Sprachgattung, die sich Wissenschaft nennt, und jener, die sich Ethik und Politik nennt“. Indem die Wissenschaft mit Macht und Politik verknüpft wird, wird ihr der Anspruch auf Objektivität entzogen. Diesen postmodernen Skeptizismus versteht Lyotard als Allgemeinzustand. Er glaubt, dass ausgehend vom Ende des 19. Jahrhunderts eine „innere Erosion der Legitimation des Wissensprinzips“ einen Wandel desselbigen veranlasste. Der daraus resultierende „Zweifel“ und die „Demoralisierung“ von Wissenschaftlern hatte ab den 1960ern „starken Einfluss auf die zentrale Frage der Legitimierung“. Egal wie viele Wissenschaftler ihm erklärten, sie seien weder demoralisiert noch skeptischer, als es sich für Vertreter einer Methode ziemt, deren Resultate und Hypothesen immer vorläufig und niemals erwiesen sind, ihn konnte nichts umstimmen.
Lyotards Philosophie liegt ein expliziter erkenntnistheoretischer Relativismus zugrunde. Ein Glaube an persönliche oder kulturelle Wahrheiten oder Fakten, der dafür eintritt, „gelebte Erfahrungen“ über empirische Nachweise zu stellen. Daraus folgt ein Pluralismus, welcher den Ansichten von Minderheiten den Vorzug vor wissenschaftlichem Konsens und liberaler Ethik gibt, da diese autoritär und dogmatisch seien. Dieser Gedanke ist ein zentraler Aspekt postmoderner Theorien.
Sprache als Gewalt
Ähnlich wie Lyotard verfolgt auch Foucault einen relativistischen Ansatz, welcher Sprache in den Mittelpunkt rückt. Aufgrund seiner Analyse geschichtlicher Dokumente nannte Foucault seinen Ansatz „Archäologie des Wissens“. Was „gewusst“ werden kann, wird laut Foucault durch Diskurse bestimmt, welche wiederum in unterschiedlichen Epochen durch verschiedene Formen institutionalisierter Macht festgelegt werden. Demzufolge ist Wissen ein direktes Produkt von Macht. „Einer jeden Gesellschaft und einem jeden Moment liegt nur ein ‚Episteme‘ zugrunde, welches die Bedingungen der Möglichkeit des Wissens bestimmt – egal ob sich dieses in der Theorie oder still in der Praxis ausrückt.“
„Moderne liberale Demokratien erscheinen als ebenso repressiv wie der mittelalterliche Feudalismus.“
Ferner sind Menschen selbst kulturell konstruiert: „Das Individuum, mitsamt seiner Identität und all seinen Charaktereigenschaften, ist das Produkt eines Machtverhältnisses, welches über die Körper, Mannigfaltigkeit, Bewegungen, Begehren und Kräfte herrscht.“ Es bleibt nahezu kein Spielraum für individuelle Autonomie. Mit den Worten Christopher Butlers stützt Foucault sich „auf einen Glauben an die inhärente Bösartigkeit bestimmter Klassen oder beruflicher Rollen, ungeachtet der Moralität ihres individuellen Handelns.“ In diesem Lichte erscheinen moderne liberale Demokratien als ebenso repressiv wie der mittelalterliche Feudalismus, weswegen Foucault zur Kritik an Institutionen aufruft, die – gut verschleiert – „politische Gewalt“ ausüben.
Bei Foucault zeigt sich eine besonders extreme Variante des Kulturrelativismus. Er beschreibt Machtstrukturen, in denen Mitmenschlichkeit und Individualität nahezu gänzlich fehlen. Stattdessen konstruiert sich der Einzelne laut Foucault durch sein Verhältnis zur dominanten gesellschaftlichen Idee entweder als Unterdrückter oder Unterdrücker. Damit beeinflusste Foucault Judith Butlers Queer Theory, die sich mit dem kulturell konstruierten Wesen von Geschlechterrollen beschäftigt, Edward Saids Postkolonialismus- und Orientalismusthesen und Kimberlé Crenshaws Konzepte der Intersektionalität und Identitätspolitik. Was ebenso aus diesem Denken folgt, ist die Gleichsetzung von Sprache mit Gewalt und dem universalistischen Liberalismus mit Unterdrückung.
Es war schließlich Jaques Derrida, der das Konzept der „Dekonstruktion“ entwickelte und damit ebenfalls einen kulturellen Konstruktivismus und Relativismus vertrat. Noch mehr als seine Vorgänger fokussierte Derrida sich dabei auf die Sprache. So beschreibt Derridas bekanntester Ausspruch „Es gibt kein Außerhalb des Texts“ dessen Annahme, Wörter hätten keinen unmittelbaren Bezug zum beschriebenen Gegenstand. Vielmehr sollen wir es nur mit „Kontexten ohne absoluten Ankerpunkt“ zu tun haben.
„Die Intention des Redners ist für Derrida irrelevant. Von Bedeutung ist nur die Auswirkung der Rede.“
Konsequenterweise definiert der Verfasser eines Textes auch nicht dessen Bedeutung. Leser und Zuhörer bilden sich eigene Meinungen, die alle gleichwertig sein sollen. Jeder Text wiederum „erzeugt auf unsättigbare Art und Weise eine unbegrenzte Anzahl neuer Kontexte.“ Derrida prägte den Begriff différance, welchen er aus dem Verb differer herleitete, das sich sowohl mit „verschieben“ als auch „unterscheiden“ übersetzen lässt. Damit sollte darauf hingewiesen werden, dass Bedeutung einerseits niemals abgeschlossen und zum anderen durch Gegensätze konstruiert sei. Ein Begriff wie „jung“ ergäbe nur im Verhältnis zum Wort „alt“ Sinn. In Anlehnung an de Saussure meinte Derrida, dass Bedeutung aus dem Konflikt zwischen wesentlichen Gegensätzen erwächst, die positiv und negativ konnotiert seien. „Mann“ ist positiv, „Frau“ negativ konnotiert. „Okzident“ positiv, „Orient“ negativ. „Wir haben es hier nicht mit einer friedlichen Koexistenz von vis-à-vis zu tun, sondern vielmehr mit einer gewaltvollen Hierarchie. Der eine Terminus beherrscht den anderen (axiologisch, logisch etc.), oder ist ihm übergeordnet. Um den Gegensatz zu dekonstruieren, muss zuallererst die Hierarchie umgestürzt werden.“ Dekonstruktion bedeutet, dass „Frau“ und „Orient“ zu positiv konnotierten Begriffen werden, „Mann“ und „Okzident“ zu negativ konnotierten. Dies soll auf ironische Art und Weise geschehen, um die kulturell-konstruierte und willkürliche Natur dieser ungleichen Gegensatzpaare zu offenbaren.
In Derridas Denken zeigt sich ein kultureller und erkenntnistheoretischer Relativismus, der als Rechtfertigung für Identitätspolitik dient. Dass Unterschiede nicht notwendigerweise Gegensätze darstellen müssen, wird explizit verneint. Dies kommt einer Ablehnung der liberalen Werte der Aufklärung gleich, welche die Überwindung von Unterschieden anstrebte und sich dabei auf universelle Menschenrechte, individuelle Freiheit und Ermächtigung stützte. Bei Derrida erkennen wir den Ursprung „ironischer Männerfeindlichkeit“, des Mantras, es gäbe keinen umgekehrten Rassismus, und der Idee, dass unsere Identität bestimmt, wie wir die Welt sehen. Ebenfalls offenbart sich eine Abwertung von Klarheit in Rede und Argumentation, die uns hilft, die Sichtweise des Gegenübers zu verstehen und Missverständnisse zu vermeiden. Die Intention des Redners ist für Derrida irrelevant. Von Bedeutung ist nur die Auswirkung der Rede. Zusammen mit den Foucault’schen Ideen unterfüttert dieses Denken den modischen Glauben an die zerstörerische Wirkung sogenannter „Mikroaggressionen“ und den Fehlgebrauch von Begriffen, die sich auf Geschlecht, Rasse oder Sexualität beziehen.
Linker Autoritarismus
Lyotard, Foucault und Derrida sind nur drei der „Gründungsväter“ des Postmodernismus. Sie teilen sich jedoch Grundmotive mit anderen einflussreichen „Theoretikern“, welche diese Ideen auf immer breitere Bereiche innerhalb der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften anwandten. Im Zentrum steht immer eine Überempfindlichkeit gegenüber Sprache sowie die Vorstellung, dass die Intention eines Redners weniger wichtig ist als die Rezeption, egal, wie weit hergeholt die Interpretation der Aussagen ist. Mitmenschlichkeit und Individualität verkommen zu Illusionen und Menschen zu Initiatoren oder Opfern von Diskursen. Determiniert wird ihre Rolle durch die soziale Identität und nicht durch individuelles gesellschaftliches Engagement. Moral ist für die postmodernistischen Denker ebenso kulturell geprägt wie es die Realität insgesamt ist. Empirische Belege gelten als verdächtig, wie jede kulturell dominante Idee, Wissenschaft, Vernunft und Liberalismus miteingeschlossen. Die Werte der Aufklärung werden als naiv, totalisierend und repressiv betrachtet, weswegen eine moralische Notwendigkeit bestehe, diese zu zerschlagen. Eine viel größere Relevanz wird den gelebten Erfahrungen, Erzählungen und Vorstellungen „marginalisierter“ Gruppen beigemessen, welche über die Werte der Aufklärung gestellt werden müssen, um unterdrückende, ungerechte und willkürliche Konstrukte umzustoßen.
„Die Werte der Aufklärung werden als naiv, totalisierend und repressiv betrachtet.“
Das Streben, den Status quo zu „zerschlagen“, verbreitete Annahmen und mächtige Institutionen herauszufordern und sich für Marginalisierte einzusetzen, ist durchaus liberal. Sich dem entgegenzustellen, ist entschieden konservativ. Erstmals in der Geschichte sind wir jedoch an einem Punkt angelangt, an dem der Status quo durchweg liberal geprägt ist. Der heutige Liberalismus tritt für Freiheit und Gleichheit ein, unabhängig von Geschlecht, Ethnie oder Sexualität. Daraus resultiert eine verwirrende Situation, in der Liberale, welche diesen Status quo erhalten möchten, als konservativ gelten, und jene, die den Konservativismus um jeden Preis bekämpfen wollen, zu Verteidigern von Irrationalismus und Illiberalismus werden. Haben die frühen Postmodernisten noch dem Diskurs den Diskurs entgegengesetzt, folgen heutige Aktivisten postmodernen Ideen zu ihrer logischen Konsequenz und verhalten sich zunehmend autoritär. Die freie Meinungsäußerung ist heute unter Beschuss, da das frei geäußerte Wort als gefährlich gilt. Es wird als derart bedrohlich erachtet, dass Menschen, die sich selbst als Liberale bezeichnen, es für gerechtfertigt halten, es mit Gewalt zu unterdrücken. An die Stelle von Diskussionen, in denen wir versuchen, andere mit vernünftigen Argumenten zu überzeugen, treten heute Verweise auf die Identität („Als lesbische Latina kann ich sagen …“) und schiere Wut.
Trotz der Tatsache, dass Rassismus, Sexismus, Homophobie, Transphobie und Fremdenfeindlichkeit in westlichen Gesellschaften einen Tiefstand erreicht haben, legen linke Akademiker und Aktivisten einen fatalistischen Pessimismus an den Tag. Postmodernes Denken begünstigt Bestätigungsfehler. Für die eigene repressive Macht haben postmoderne Akademiker und Aktivisten kein Bewusstsein. Für Außenstehende ist sie jedoch offensichtlich. So meint Andrew Sullivan zur Intersektionalität:
„Es wird eine klassische Orthodoxie postuliert, welche jede erdenkliche menschliche Erfahrung erklärt, und durch die alle Aussagen gefiltert werden müssen. (…) Wie einst der Puritanismus in Neu-England, kontrolliert Intersektionalität heute die Sprache und darüber hinaus die Bedingungen eines jeden Diskurses.“
Der Postmodernismus ist zur Lyotard’schen Meta-Erzählung, zum Foucault’schen System diskursiver Macht und zur Derrida’schen repressiven Hierarchie geworden.
„Die freie Meinungsäußerung ist heute unter Beschuss, da das frei geäußerte Wort als gefährlich gilt.“
Logische Widersprüche
Fortwährend konfrontieren Philosophen den Postmodernismus mit seinem logischen Problem der Selbstreferentialität. Die Postmodernisten sind darauf bisher nur unbefriedigend eingegangen. Wie schon Christopher Butler herausstellte, „appelliert Lyotards Behauptung des Rückgangs von Meta-Erzählungen im 20. Jahrhundert letztendlich an den kulturellen Zustand einer intellektuellen Minderheit.“ Anders ausgedrückt, ist Lyotards Behauptung ein direktes Resultat seines diskursiven Umfeldes: der kleinen bourgeoisen akademischen Seifenblase. Darüber hinaus ist sie eine Meta-Erzählung, was er nicht im Entferntesten kritisch reflektiert. Genauso kann man sagen, dass Foucaults Argument, Wissen sei historisch bedingt, selbst historisch bedingt ist. Man kann sich auch fragen, warum Derrida sich dazu veranlasst sah, die unendliche Formbarkeit von Texten zu erklären, wenn man sein komplettes Werk als Geschichte über süße Häschen auslegen könnte und dieselbe Autorität zugesprochen bekäme.
Natürlich ist dies nicht die einzige Kritik am Postmodernismus. Von Philosophen und Wissenschaftlern ist sein eklatanter erkenntnistheoretischer Kulturrelativismus bemängelt worden. In seinem Werk „Challenging Postmodernism“ meint der Philosoph David Detmer:
„Nehmen wir Erazim Kohaks Beispiel: ‚Versuche ich erfolglos, einen Tennisball in eine Weinflasche zu quetschen, so benötige ich aufgrund von Mills Methoden der Induktion nicht mehrere Tennisbälle und Weinflaschen, bevor ich zur Hypothese gelange, dass Tennisbälle nun mal nicht in Weinflaschen passen.‘ (…) Wir können nun den Spieß [gegenüber dem postmodernen Kulturrelativismus] umzudrehen und die Frage stellen: ‚In welcher Weise untergraben mein Geschlecht, meine historische und räumliche Position, meine ethnische und meine Klassenzugehörigkeit etc. die Objektivität meines Urteilsvermögens, wenn ich zu dem Schluss komme, dass Tennisbälle nicht in Weinflaschen passen?“
Postmodernisten, die ihre Denkweise erläutern konnten, traf Detmer nicht an; stattdessen erfolgte eine befremdliche Diskussion mit der postmodernen Philosophin Laurie Calhoun:
„Als ich die Möglichkeit hatte, sie zu fragen, ob Giraffen tatsächlich größer seien als Ameisen, antwortete sie, es sei kein Fakt, sondern vielmehr ein Glaubenssatz unserer Kultur.“
„Ich bange um die Zukunft der Geisteswissenschaften.“
Wissenschaft unter Beschuss
In ihrem Buch „Eleganter Unsinn: Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaft missbrauchen“ beschreiben die Physiker Alan Sokal und Jean Bricmont das Problem aus naturwissenschaftlicher Perspektive:
„Wer, außer den Anhängern weitaus weniger plausiblerer Erzählungen wie dem Kreationismus, würde heute ernsthaft das ‚große Narrativ‘ der Evolution in Frage stellen? Und wer zweifelt heute noch ernsthaft an der Wahrheit der Grundlagen der Physik? Die Antwort lautet: ‚ein paar Postmodernisten.‘“
und
„Die Annahme, der Suche nach Gesetzmäßigkeiten oder dem Streben nach verifizierbaren Thesen, beispielsweise in der Frage, ob Atome tatsächlich den Regeln der Quantenphysik gehorchen, liege etwas ‚Eurozentrisches‘, ‚Maskulinistisches‘ oder gar ‚Militaristisches‘ zu Grunde, ist überaus eigenartig.“
Wie sehr bedroht der Postmodernismus die Wissenschaft? Es gibt zweifelsohne ernstzunehmende Attacken. Kürzlich skandierten Demonstranten bei Protesten gegen einen Vortrag des umstrittenen Politikwissenschaftlers Charles Murray:
„Die Wissenschaft wurde schon immer genutzt, um Rassismus, Sexismus, Klassizismus, Ableismus und Homophobie zu legitimieren – alles als rational und faktisch verpackt und durch den Staat legitimiert. Heutzutage gibt es so gut wie nichts, das wir als Fakt betrachten können.“
Als die Initiatoren des March for Science in einem Tweet verkündeten: „Kolonialismus, Rassismus, Migration, die Rechte Eingeborener, Sexismus, Ableismus, Queer-, Trans- und Intersexphobie sowie soziale Gerechtigkeit“ seien „Angelegenheiten der Wissenschaft“, wurden sie für ihre Politisierung der Wissenschaft und ihr Einlenken gegenüber der intersektionellen Ideologie kritisiert. Die in Südafrika unter den Hashtags #ScienceMustFall und #DecolonizeScience laufende Studentenbewegung verkündete, die Wissenschaft sei nur eine akzeptierte Möglichkeit, die Welt zu verstehen. Die Hexerei sei eine gleichwertige Alternative.
„Es ist einfacher auszudrücken, was man fühlt, statt gründlich nach Beweisen zu suchen.“
Trotz alledem verschwindet die wissenschaftliche Methode nicht. Sie kann nicht einfach einem erkenntnistheoretischen Relativismus oder „alternativen Formen des Wissens“ „angeglichen“ werden. Sie kann allerdings öffentliches Vertrauen und damit staatliche Unterstützung verlieren, was eine ernsthafte Bedrohung darstellt. In einer Zeit, in der führende Politiker am Klimawandel zweifeln, Eltern befürchten, dass Impfungen Autismus verursachen, und Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen sich Homöopathie und Alternativer Medizin zuwenden, ist es hochgefährlich, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die empirische Wissenschaft weiter zu untergraben.
Die Sozial- und Geisteswissenschaften wiederum laufen Gefahr, bis zur Unkenntlichkeit entstellt zu werden. Bei einigen sozialwissenschaftlichen Disziplinen ist dies bereits der Fall. Kulturanthropologie, Soziologie, Kulturwissenschaften und Gender Studies, um nur einige Beispiele zu nennen, sind beinahe gänzlich einem moralischen wie erkenntnistheoretischen Relativismus erlegen. Meiner Erfahrung nach folgt auch die englische Literaturwissenschaft einer postmodernen Orthodoxie. Wie wir gesehen haben, ist die Philosophie gespalten. Das gleiche gilt für die Geschichtswissenschaft.
Häufig kritisieren Postmodernisten die empirischen Wissenschaften für den Anspruch, wissen zu wollen, was in der Vergangenheit geschehen ist. Christopher Butler beschreibt einen skurrilen Fall. Die Historikerin Diane Purkiss beschuldigte ihren Kollegen Keith Thomas, Frauen abzuwerten, als dieser darauf hinwies, dass der Hexerei beschuldigte Frauen häufig machtlose Bettlerinnen waren. Vermutlich hätte er besser gegen jede Faktenlage behaupten sollen, es habe sich um reiche Frauen, oder noch besser um Männer, gehandelt. Butler weiter:
„Es scheint, als wären Thomas’ empirische Behauptungen schlicht und ergreifend mit Purkiss’ rivalisierenden Geschichtsparadigma zusammengeprallt, welches in erster Linie dem Empowerment von Frauen dienen soll.“
„Es setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass sich auch die extreme Rechte zunehmend der Identitätspolitik und des erkenntnistheoretischen Relativismus bedient.“
Als ich versuchte, über Rasse und Geschlecht zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu schreiben, stieß ich auf das gleiche Problem. Ich stellte die These auf, dass Shakespeares Publikum Desdemonas Liebe für den schwarzen Othello durchaus hätte nachvollziehen können, da Vorurteile aufgrund der Hautfarbe erst im späten 17. Jahrhundert durch den atlantischen Sklavenhandel an Bedeutung gewannen und religiöse oder nationale Differenzen weitaus wichtiger waren. Ein angesehener Professor sagte mir, diese Ansicht sei problematisch. Er frage sich, wie schwarze Communities im zeitgenössischen Amerika zu meiner Behauptung stehen würden. Die unausgesprochene Folgerung: Wenn es die Gefühle von Afroamerikanern verletzt, kann es entweder nicht wahr sein, oder es sollte aus moralischen Gründen keine Erwähnung finden. Christopher Butler meint:
„Der Postmodernismus sieht Kultur als eine Vielzahl miteinander konkurrierender Narrative, deren Wirksamkeit weniger von einem unabhängigen Beurteilungsstandard abhängt, als von dem Anklang, den sie innerhalb der Gemeinden finden, in denen sie kursieren.“
Ich bange um die Zukunft der Geisteswissenschaften.
Vereinnahmung von Rechts
Der Postmodernismus bedroht jedoch nicht nur akademische und aktivistische Sphären der Gesellschaft. Relativistische Ideen, extreme Sprachsensibilität und ein Fokus auf Identität statt Menschlichkeit oder Individualität verbreiten sich in weiten Teilen der Gesellschaft. Es ist einfacher auszudrücken, was man fühlt, als gründlich nach Beweisen zu suchen. Die Freiheit, die Wirklichkeit gemäß den eigenen Werten zu „interpretieren“, befeuert die zutiefst menschliche Eigenschaft, Bestätigungsfehler zu begehen.
„Es besteht die Gefahr, dass wir in die Zeit vor der Aufklärung zurückfallen.“
Es setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass sich auch die extreme Rechte zunehmend der Identitätspolitik und des erkenntnistheoretischen Relativismus bedient. Selbstredend war die Rechte schon immer für irrationale und antiwissenschaftliche Sichtweisen anfällig und nutzte Rasse, Geschlecht und Sexualität, um die Gesellschaft zu spalten. Der Postmodernismus hat es jedoch geschafft, für solche Sichtweisen eine breite Öffentlichkeit zu schaffen. Der britische Publizist Kenan Malik beschreibt diesen Wandel folgendermaßen:
„Als ich (…) darauf hinwies, die Idee ‚alternativer Fakten‘ berufe sich auf Vorstellungen, ‚die in den vergangenen Jahrzehnten radikale Bewegungen … genutzt hatten‘, wollte ich damit nicht behaupten, Kellyanne Conway, Steve Bannon oder gar Donald Trump hätten Foucault oder Baudrillard gelesen, oder das Ziel der postmodernen Linken läge darin, Lügen akzeptabel zu machen, wie dies für Conway, Bannon und Trump gilt. Es ging mir lediglich um den Hinweis, dass Teile der Intellektuellen und Linken in den letzten Jahrzehnten beim Entstehen einer Kultur halfen, in der relativistische Haltungen zu Fakten und Wissen nicht als beunruhigend gelten. So erleichterten sie es der reaktionären Rechten nicht nur, sich ihre eigenen reaktionären Ideen wieder anzueignen, sondern auch, für diese zu werben.“
Es besteht die Gefahr, dass wir in die Zeit vor der Aufklärung zurückfallen, als sich die Vernunft dem Glauben unterwerfen musste und gar als Sünde galt. So bezeichnet James K. A. Smith, reformierter Theologe und Professor für Philosophie, den Postmodernismus als „frische Brise des Heiligen Geistes, gekommen, um den trockenen Gebeinen der Kirche neues Leben einzuhauchen“. In “Who’s Afraid of Postmodernism?: Taking Derrida, Lyotard, and Foucault to Church” schreibt er:
„Eine vorsichtige Auseinandersetzung mit dem Postmodernismus kann uns dazu bringen, zurück zu blicken. Wir werden erkennen, dass sich die postmoderne Philosophie vielfach auf antike und mittelalterliche Quellen stützt und prämoderne Arten des Wissens, des Handelns und des Seins rehabilitiert.“
und
„Der Postmodernismus kann der Kirche helfen, den Glauben wiederzugewinnen – nicht als System der Wahrheit und Vernunft, sondern als Geschichte, die Augen zum Sehen und Ohren zum Hören benötigt.“
„Als Linke sollten wir besorgt sein, was ‚unsere Seite‘ hervorgebracht hat.“
Als Linke sollten wir besorgt sein, was „unsere Seite“ hervorgebracht hat. Natürlich ist nicht jedes Problem der heutigen Gesellschaft auf das postmoderne Denken zurückzuführen. Dies anzunehmen wäre alles andere als hilfreich. Der aktuelle Anstieg von Populismus und Nationalismus stützt sich auf bestehende rechte Strukturen sowie auf Islamisierungsängste, die die Flüchtlingskrise hervorgebracht hat. Die Linke ist nicht für die religiöse Rechte, Rechtextremismus oder säkularen Nationalismus verantwortlich. Man kann ihr aber durchaus zum Vorwurf machen, dass sie auf begründete Sorgen nicht vernünftig reagiert hat. Die entzweiende, moralistische Art der Linken, sowie ihre innere Zerstrittenheit, lässt selbst die extreme Rechte vergleichsweise kohärent und geschlossen erscheinen.
Möchte die Linke ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, muss sie sich wieder zu einem starken und schlüssigen Liberalismus bekennen. Daher müssen wir die postmoderne Linke angreifen. Wir müssen für die universellen Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit eintreten. Anstatt den Menschen ständig Rassismus, Sexismus, Homophobie oder verbale Gewalt vorzuwerfen, müssen wir berechtigte Sorgen über Migration, Globalisierung und autoritäre Identitätspolitik ernstnehmen. Wir können dies tun, und uns trotzdem der autoritären Rechten und ihren Vorurteilen gegenüber Frauen, Homosexuellen und ethnischen Minderheiten entgegenstellen.
Wir haben es nicht mit einem Konflikt zwischen Links und Rechts zu tun, sondern mit einem Konflikt zwischen Kohärenz, Demut und universalem Liberalismus auf der einen und Inkohärenz, Irrationalität und prämodernem Autoritarismus auf der anderen Seite. Ob die postmoderne Linke oder die postfaktische Rechte aus diesem Konflikt als Sieger hervorgeht, ist irrelevant. Für die Anhänger von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit sind beide Optionen gleichermaßen trostlos. Diejenigen von uns, die an die Werte der liberalen Demokratie, der Aufklärung, der wissenschaftlichen Revolution und der Moderne glauben, müssen für eine bessere Option sorgen.
Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Rausch. Dieser Artikel ist zuerst beim Aero Magazine erschienen.
Der Artikel ist in schrecklicher Weise populistisch, auch wenn ich die Stoßrichtung gegen eine Wissenschaftsfeindlichkeit durchaus verstehe. Was sind z.B. 'objektive Wahrheiten', wenn sogar Mathematik und Physik um Fluss sind, ca. 95% des physikalischen Universums schlicht unbekannt ist. Durch eine pauschale Behandlung von Moderne und Postmoderne kommt man nicht weiter. Ich halte beide Worte einfach für bezugslos.
#1
Sie sind ein teuflisch gutes Beispiel für die Postmoderne.
Dass die Mathematik und die Physik im Fluss sind, halte ich für die abenteuerlichste Behauptung der Woche. Zudem: was bitteschön hat der Bekanntheitsgrad des Universums damit zu tun?
Zitat:
„Nehmen wir Erazim Kohaks Beispiel: ‚Versuche ich erfolglos, einen Tennisball in eine Weinflasche zu quetschen, so benötige ich aufgrund von Mills Methoden der Induktion nicht mehrere Tennisbälle und Weinflaschen, bevor ich zur Hypothese gelange, dass Tennisbälle nun mal nicht in Weinflaschen passen.‘ (…) Wir können nun den Spieß [gegenüber dem postmodernen Kulturrelativismus] umzudrehen und die Frage stellen: ‚In welcher Weise untergraben mein Geschlecht, meine historische und räumliche Position, meine ethnische und meine Klassenzugehörigkeit etc. die Objektivität meines Urteilsvermögens, wenn ich zu dem Schluss komme, dass Tennisbälle nicht in Weinflaschen passen?“
Zitat Ende
An dieser Stelle wäre die Frage, ob hier der Versuch unternommen wird, Verwirrung zwischen Empirie und Interpretation zu stiften. Selbstverständlich ist es fragwürdig wie objektiv oder überhaupt objektiv eine Interpretation sein kann und wie groß der subjektive Anteil ist, welcher selbstverständlich nicht unabhängig vom Betrachter ist, in welcher Epoche, mit welchem Vorkenntnissen oder Vorurteilen. Das Bild das aufgrund empirischer Forschung gezeichnet wird hängt ebenso vom Blickwinkel ab, der Fragestellung, dem Studiendesign (Scheinwerfermodell der Erkenntnis). Interpretationen sind Modelle, keine Wahrheiten. Naturwissenschaften lassen sich darüber hinaus auch schlecht mit Geisteswissenschaften vergleichen. Die Interpretation und Erfahrungswelt ist in den Geisteswissenschaften viel wesentlicher und viel schwerer dingfest zu machen. Auf der anderen Seite sind geisteswissenschaftliche Thesen wohl schwer zu widerlegen. Natürlich wird es holprig die Herangehensweise der Naturwissenschaften auf die Geisteswissenschaften zu übertragen (so wie auch umgekehrt), wie im Folgenden gezeigt:
Zitat:
Postmodernisten, die ihre Denkweise erläutern konnten, traf Detmer nicht an; stattdessen erfolgte eine befremdliche Diskussion mit der postmodernen Philosophin Laurie Calhoun:
„Als ich die Möglichkeit hatte, sie zu fragen, ob Giraffen tatsächlich größer seien als Ameisen, antwortete sie, es sei kein Fakt, sondern vielmehr ein Glaubenssatz unserer Kultur.“
„Ich bange um die Zukunft der Geisteswissenschaften.“
Zitat Ende
Eristische Dialektik. 🙂 Keine Postmodernist*innen getroffen zu haben, "die ihre Denkweise erläutern konnten"* ist kein Beleg dafür, dass es sie nicht gibt. Zudem ist es fragwürdig wie der Detmer festgestellt haben will, dass die Erläuterungen nicht "objektiv" verständlich waren. Korrekt müsste es heißen, er hat die Erläuterungen nicht verstanden und fragt sich nun ob es ein generelles Problem sei. Zweitens taugt eine skurrile Anekdote nicht zur Verallgemeinerung. Ich bezweifle aufgrund der ganzen Polemik die Ernsthaftigkeit des Anliegens.
Dem Postmodernismus nun die Lügentaktik der Rechten und Rechtsaußen anzulasten ist noch so ein Blödsinn. Braucht eins wirklich den Postmodernismus zu bemühen um zu erklären warum manche Menschen Sachverhalte verdreht darzustellen? Trivial.
#2 Die Physikals Wissenschaft ist _nicht_ im Stillstand begriffen. Das war so als die Newton'sche Mechanik ein neues Fundament durch Relativitätstheorie und Quantenmechanik bekam, und als Belege für das Higgs Boson gefunden wurden und das würde wieder so sein, wenn Schleifenquantengravitation oder Stringtheorie belegt werden würden. Was ist daran Postmodern oder "nicht im Fluss"?
Oder meinst du, dass andere meinen, dass sich die physikalischen Gesetze (also die wahren Gesetze, nicht unsere Modelle) ändern?
Die zentralen Thesen des Postmodernismus waren und sind durchaus Erkenntnis-fördernd. Leider haben die Linken sich dabei primär auf die (doch eher fabulierenden) französischen Apologeten gestürzt, und bspw. Niklas Luhmann und Heinz von Förster weitgehend gemieden. Ein fatales Versäumnis, da gerade deren "systemtheoretische" und "radikal-konstruktivistische" Modelle auch einen Ausweg aus der postmodernen Selbstreferentialität bieten und insofern auch (quasi auf einer Metaebene) ermöglichen, sich immer auch selbst beobachten zu können. Ich denke, das aktuelle Problem der postmodernen Linken ist also primär ein intellektuelles: Sie verstehen Ihre eigenen Thesen und deren Konsequenzen einfach nicht. Too dumb to be left.
@ 2 / Es tut mir leid, dass Sie kein Wort verstanden haben, aber dafür kann ich nichts! Wenn 95% der physikalisch relevanten 'Bausteine' unbekannt sind, Ihr Hinweis auf Verbreitungsgrade trifft überhaupt nicht, Worte 'dunkle Energie' und 'dunkle Materie' letztlich nur logische Möglichkeiten offerieren, weiterhin völlig unklar bleibt, um was es sich handelt, dann ist die Physik etwa nicht im Fluss? Leben Sie etwa noch im Newtonschen Zeitalter? –
@ 5 / Danke für den Hinweis auf "radikal-konstruktivistische" Modelle, aber in einer anderen Weise, als es Ihnen lieb sein wird. Die Ausschließung von sprachlichen Bezügen verbindet leider jene Modelle mit den französischen Fantasten. Mehr als sprachliche Bedeutungen haben sie nicht anzubieten. Das ist aus sprachlicher Sicht unwissenschaftlich, auch wenn das, auf das man sich beziehen könnte, Erkenntnisbedingungen unterworfen ist, sowohl Bedingungen der Wahrnehmungsorgane als auch der jeweiligen Gehirne. Dies ist ein Grund, weshalb eine Abgrenzung 'der Postmoderne' Schwierigkeiten macht. Den Radikal-Konstruktivisten ließe sich anbieten, einmal im Wattenmeer zu übernachten … 😉
Reinhard gut dass du jetzt andeutest, dass du unser Wissen um die Naturgestze und nicht um die Naturgesetze selbst meintest, die im Fluss wären. Die Physiker wissen natürlich nicht alles, sondern stellen in aller Bescheidenheit Fragen an die Natur meist in Form eines Experimentes, aber auch spekulativ theoretisch. Manchmal ist die Natur gnädig, und lässt durchblicken, dass eine liebgewordene Theorie nicht zu einem neuen Experiment passt. Das bedeutet, dass dieTheorie eben für diese Fragestellung ungeeignet ist, also nicht stimmt. Das sind dann Glücksfälle für die Physiker, denen eine Erklärung gelingt, was dann eine neue Theorie ist. Die wird meist schnell zum Allgemeingut, bis sie irgendwo wieder nicht passt. Zeitweise existieren also auch in der Physik Denkschulen nebeneinander, so wie in Geisteswissenschaften.Aber eben nur Zeitweise. Wenn der Fall geklärt ist, verschwinden diese Denkschulen im Nichts. Darin unterscheiden sich Naturwissenschaften von Geisteswissenschaften, wo Denkschulen fast ewig nebeneinander bestehen können. Naturwissenschaften haben die unerbittliche Natur als Richterin. Diese Natur ändert sic nicht, aber unsere Vorstellung von ihr. Und unser Wissen über sie ändert sich manchmal sprunghaft. Ob das als ein Fliessen gesehen kann? Ich weiss es nicht.
Die Natur verändert sich nicht, lieber Helmut? Schau dir mal die geologischen Veränderungen in der Erdgeschichte an, die Klimaschwankungen, den Vulkanismus. Im Fluss sah ich eingangs jedoch nicht die Natur, sondern die menschlichen Auffassungen, die Physik und Mathematik. Das ist doch nichts Schlimmes 😉
Die Natur verändert sich nicht. Ob ein Stern zur Supernova wird, oder ob ein Fluss über die Ufer tritt, ist im physikalischen Sinne die gleiche Natur mit ihren Gestzen. Du sprichst doch über die Physik?
Für Physiker hat der Begriff Natur eine andere Bedeutung als für andere Menschen. Wenn Physiker über die Natur reden, meinen sie ihre Wissenschaft, die Naturwissenschaft eben. Und wenn du über Physik sprichst, solltest du das berücksichtigen, dass es sich nicht um Geologen, oder um Förster handelt.
Du irrst Dich, Helmut, Du verwechselt Physik mit Metaphysik. Die Natur – wie wir sie auf der Erde kennen -, wozu z,B. auch die Gravitation zählt, ist auf unserem Mond oder auf dem Mars völlig anders. Deshalb sind Gedankenspiele über eine Auswanderung zum Mars z.B. wichtig: Es gibt Biologen, die eine Veränderung der Menschen hin zu kängurugähnlichen Lebewesen erwarten, aufgrund der unterschiedlichen Gravitation. – Hast Du mal einen Film über Astronauten gesehen, die über den Mond 'sprangen' und dabei derbe sangen?
Zudem ist auch 'die Natur' entstanden, übrigens wie wir Menschen, derzeit würde man wohl sagen z.T. beim Urknall …. Du unterschätzt die Dynamik im Weltall.
Reinhard guck mal bei Wiki unter dem S tichwort Natur nach. ÜBRIGENS HABE ICH SEIT MEINER JUGEND UNTER Physikern gelebt, einige naturwissenschaftliche Veröffentlichungen als Koautor geschrieben, u nd ungezählte Dikussionen mit Naturwissenschaftler geführt. Nein ich weiss worüber ich rede. Allerdings habe ich mich meist mehr für Philosophie und Politik interessiert.
Auch auf dem Mars gelten die gleichen Naturgestze wie auf der Erde. Die Gravitation dort unterscheidet sich deshalb, weil die Masse des Mars kleiner ist. Das ist eben das Schöne an den Naturgestzen, dass sie für das gesamte Weltall berechenbar sind. Wir Menschen wussten lange bevor wir technisch so weit waren, den Mars anzufliegen, wie gross dort die Schwerkraft ist, und wMachtieviel Schub die Landeraketen haben müssen. Das ist das Universale an den Naturgestzen. Jeder Ort im gesamten Universum, abgeshen vom Mikrokosmos, unterliegt denselben Gesetzen. Nur im Bereich der Grösse der Kernteilchen gilt die Quantenphysik. Die Newtonsche Physik gilt unter den Bedingungen des Alltags auf der Erde bis auf vernachlässigbare Winzigkeiten immer noch bis in alle Ewigkeiten. Abenteuerlich spannend wird es nur in winzigsten oder in riesigen Grössenordnungen. Aber ich binzu müde, darüber noch mehr zu schreiben. Später gerne mehr.
Einer der interessantesten Artikel, den ich seit langem gelesenhabe.
Danke, Ruhrbarone
Ich würde allerdings auch einen strikten Unterschied zwischen "der Natur" und den Naturgesetzen machen wollen, ähnlich wie man zwischen einem konkreten Hausdesign und den bauphysikalischen Grundlagen für dessen Errichtung differenziert.
Die Natur eines anderen Planeten unterscheidet sich in den Ausprägungen, in der *Anwendung* von Naturgesetzen von anderen Planeten schon allein durch die Tatsache, dass zwei Planeten an ein und derselben Position innerhalb eines Sonnensystems unmöglich existieren und schon kleinste Positionsunterschiede andere Natur-Phänomene erzeugen können.
Letztlich zeigt sich aber unsere fast komplette Unkenntnis über die wahren Regelmäßigkeiten innerhalb unseres Universums in der weiterhin völlig offenen Wissenschaftsdiskussion über die Frage "To Urknall or not to Urknall", welche momentan ja eher gegen die Existenz eines Big Bang zu tendieren scheint (wenn man die Funde von galaktischen Filamenten, Mauern und Hyperclustern sowie Kältezonen trotz bewiesener Rotverschiebung (https://www.heise.de/newsticker/meldung/Physiker-belegen-dass-kein-Galaxien-Loch-den-kalten-Fleck-erklaert-3719140.html) zu erklären versucht).
Was sind denn Naturgesetze? Vielleicht so etwas wie: Lauf nicht über eine rote Ampel? Eine Liste, die einem Buch gesammelt wurde? Naturgesetze sind – seit den 20er Jahren des 20. Jhds. -, nichts anderes als statistische Wahrscheinlichkeiten über (zukünftige) Abläufe, Angaben z.B. über die jeweilige Gravitation gehören dazu, Natur verhält sich unter verschiedenen Bedingungen einfach anders. Die Newtonsche Physik ist schlicht vorbei …
Klaus Lohmann, ich habe da gar nichts gegen von Naturgesetzen zu sprechen. Aber Physiker versuchen die Kräfte zu verstehen, die hinter den sichtbaren Ereignissen stehen und diese Ereignisse verursachen. Und dann sagen sie nun einmal, dass sie Fragen an die Natur stellen. Wenn ich mit Physikern oder über die Physik spreche, muss ich das berücksichtigen, oder man spricht aneinander vorbei. Nochmal zur Definition des Wortes Natur, siehe Wikipedia. Natur. Da steht schon drin, dass der Begriff unterschiedlich gebraucht wird.
Die Newtonsche Physik ist vorbei und ich kann immer noch nicht ohne Hilfsmittel fliegen. 🙁 …. Aber vielleicht rede ich mir das ja auch nur ein. 🙂
Aha, Reinhard, jetzt lässt du die Katze aus dem Sack. Deine Relativierung der Gültigkeit von Naturgesetzen rückt dich in die Nähe der härtesten Postmodernisten, wie sie im Artikel Abschnitt Wissenschaft unter Beschuss vorgestellt werden.
Und ich hatte gedacht, dass mich der ganze Themenkreis gar nicht anginge! Aber Wissenschaftsfeindlichkeit geht mich sogar sehr viel an, denn ich will nicht im geistigen Mittelalter enden. Ich muss mir als etwas überlegen, was ich gegen diesen Trend tun kann. Denn es scheint ja ein Trend in diese Richtung zu sein. MEine Güte!
@Reinhard Martern – 15
Makroskopisch braucht man statistische Wahrscheinlichkeiten nicht bemühen. Der Vergleich mit "juristischen" Gesetzen unserer Gesellschaft ist natürlich lächerlich. Naturgesetze treffen Vorhersagen. Auf Grund von ihnen können wir sagen voraussagen, wie sich die Natur verhalten wird. Man gebe die entsprechenden Rahmenbedingungen an und erhält das Ergebnis. Die Gravitationsgesetze sind auf dem Mars nicht anders als auf der Erde. Es gilt das gleiche Gesetz, in dem lediglich andere Rahmenbedingungen (hier Masse des Planeten) geändert werden müssen. Wir müssen keine neue marsphysik entdecken, um die Gravitation dort zu bestimmen. Auch dort wird weiterhin gelten, dass Massen sich gegenseitig anziehen.
Wesentlicher Unterschied zu allen behaupteten Thesen von Pseudo-Wissenschaften ist doch, Physik liefert überprüfbare Messergebnisse. Fährt z.B. jemand mit dem Auto exakt 100 km/h zu einem 50 km entfernten Ort, so benötigt er dafür immer eine halbe Stunde Zeit. Offensichtlich gilt v = s / t. Es ist dabei egal, ob die Strecke in Berlin, Paris, Sydney oder gar auf dem Mars zurückgelegt wird.
Physikalische Thesen sind also messbar, überprüfbar, wiederholbar, berechenbar und somit auch falsifizierbar. Wenn Größen berechenbar sind, weil sie untereinander in einem mathematischen Zusammenhang stehen, zum Beispiel v = s / t , so stellen sie ein Naturgesetz da. Wenn Thesen falsifizierbar sind, dann handelt es sich um wissenschaftliche Thesen.
Weshalb fortlaufend Unterstellungen. Lukas hat Recht damit, dass physikalische Thesen / Gesetze überprüfbar sein müssen. Eine Bedingung dafür ist jedoch, dass sich die Thesen bzw. Gesetze überhaupt auf etwas beziehen können. Der Bezug wäre zu prüfen! Werden grundlegend keine Bezüge zugelassen, etwas, das im Kontext von Zeichen leicht passieren kann, worauf sollte sich z.B. ein Zeichen '2' beziehen, auf eine metaphysische Zweiheit (?), ist zu klären, um was es der Sache nach für eine Anzahl geht. Formulierungen wie 'dunkle Materie' und 'dunkle Energie' sind wenig hilfreich. Im Unterschied zu mythischen Wesenheiten lässt sich mit den Unbekannten physikalisch jedoch rechnen. Der radikale Konstruktivismus, der das Vorhandensein einer Außenwelt leugnet, wäre hingegen im Nachteil, ebenso wie die französischen Fantasten, die die Welt in Schrift auflösen.
Wenn sich aber die Bedingungen an verschiedenen Orten und Zeiten unterscheiden, haben auch die Thesen / Gesetze die Bedingungen zu berücksichtigen. Die Gravitation hat z.B. massive Auswirkungen auf Knochenbau, Bewegungen ….
Zahlen und logische Zeichen sind die Art von Text den die Apostel der Postmoderne meiden. Sie lassen sich in der Regel nicht dekonstruieren, sondern nur symbolisch aufladen. Ernst, im Sinne von genau, nehmen sie sie nur, wenn sie auf ihren Rechnungen und sonstigen Geldmitteilungen stehen. Dann rechnen sie sogar selbst nach, wenn sie noch über die entsprechenden Fertigkeiten verfügen.
Zitat:
Linker Autoritarismus
[…]Empirische Belege gelten als verdächtig, wie jede kulturell dominante Idee, Wissenschaft, Vernunft und Liberalismus miteingeschlossen. Die Werte der Aufklärung werden als naiv, totalisierend und repressiv betrachtet, weswegen eine moralische Notwendigkeit bestehe, diese zu zerschlagen. Eine viel größere Relevanz wird den gelebten Erfahrungen, Erzählungen und Vorstellungen „marginalisierter“ Gruppen beigemessen, welche über die Werte der Aufklärung gestellt werden müssen, um unterdrückende, ungerechte und willkürliche Konstrukte umzustoßen.
„Die Werte der Aufklärung werden als naiv, totalisierend und repressiv betrachtet.“
Das Streben, den Status quo zu „zerschlagen“, verbreitete Annahmen und mächtige Institutionen herauszufordern und sich für Marginalisierte einzusetzen, ist durchaus liberal. Sich dem entgegenzustellen, ist entschieden konservativ. Erstmals in der Geschichte sind wir jedoch an einem Punkt angelangt, an dem der Status quo durchweg liberal geprägt ist.
Zitat Ende
>> "Empirische Belege gelten als verdächtig"
Nicht sicher ob das ein Strohmann ist, vielleicht sind hier auch der Blickwinkel, Interpretationen bzw. Schlussfolgerungen gemeint. Aber selbstverständlich ist es auch für empirische Befunde angeraten, die Erhebung oder das Experiment zu wiederholen um Replizierbarkeit zu gewährleisten, von unterschiedlichen Gruppen, so wie auch die Anfertigung von Metastudien.
>> Erstmals in der Geschichte sind wir jedoch an einem Punkt angelangt, an dem der Status quo durchweg liberal geprägt ist.
"Durchweg liberal" Den Spruch sollte ich mir vielleicht rahmen lassen. Das denken Konservative immer, zu jedem beliebigen Zeitpunkt. 😀
Auf so eine Idee kann man auch nur kommen, wenn man A) seine persönlichen Ziele erreicht hat, ohne an die Anderen zu denken oder B) keine Visionen mehr hat.
Ich spare mir an dieser Stelle aufzuzeigen was alles noch längst nicht liberal ist, wobei ich eigentlich sagen muss, dass ich schon mit dem Begriff "liberal" nicht allzuviel anfangen kann, beziehungsweise das was ich mir darunter vorstelle nichts mit dem zu tun hat was sich andere scheinbar darunter vorstellen. Es wird hier jedenfalls so als positives Ziel verkauft das angeblich erreicht sei, ohne dass gesagt wird was eigentlich genau damit gemeint ist.
Das selbe gilt auch für den Vernunftbegriff. Was mir vernünftig erscheint, muss es für andere noch lange nicht. Ist es beispielsweise vernünftig oder "liberal" die Erde und die Menschen in Staaten aufzuteilen und mit Regierungen auszustatten? Für mich nicht, für andere offenbar schon. Regierungen sind immer autoritär, sonst wären es ja keine. Daran schließt sich dann auch die Frage der Moral an. Ich finde es unmoralisch Menschen so etwas wie Staaten und Regierungen aufzuzwingen, andere halten diese Vorgehensweise für das Ei des Kolumbus. Andere finden es auch moralisch die Gesetze dieser Staaten vom Votum einer Mehrheit abhängig zu machen, während ich denke, jedes Individuum sollte am Besten selbst über sich entscheiden, statt über andere, was die Ausübung von Gewalt und Zwang ausschließt. Prinzipiell will ich einfach in Ruhe gelassen werden mit diesem ganzen Müll. Aber nein, das wäre doch unmoralisch und unvernünftig und schlicht nicht liberal! Jetzt bringe ich auch mal das Argument, dass ich bisher noch keine überzeugenden Argumente gehört habe die mich umstimmen könnten. Mich regt das auf jeden Fall auf, wenn versucht wird mir so einen autoritären Schrott als liberal zu verkaufen. Wobei, ich erwarte ja bei der Bezeichnung liberal schon gar nichts mehr.
Wenn man den Befürwortern der Postmoderne zugesteht, dass sie selber wirklich glauben was sie behaupten, stellt sich doch die Frage, warum sie sich dafür wissenschaftlich basierender Technologien ( Internet, Computer, Elektrizität ) bedienen? Wasser predigen, aber selber Wein trinken?
Helena # 23
Regierungen sind i m m e r autoritär, Helena? Schon mal die Regierungen dieser Welt Revue passieren lassen ? Der erste Schritt zur Vernunft ist der systematische Vergleich. Egal ob das Jemand gut findet oder nicht. 🙂
>> Regierungen sind i m m e r autoritär, Helena? Schon mal die Regierungen dieser Welt Revue passieren lassen ? Der erste Schritt zur Vernunft ist der systematische Vergleich. Egal ob das Jemand gut findet oder nicht.
@#25 Ich habe nie gesagt, es gäbe keine Unterschiede. Unterstelle mir bitte auch nichts gegenteiliges.
Das Ausmaß der Unterschiede ist allerdings so gross, dass dieser Begriff die Wirklichkeit nicht angemessen beschreibt.
@Arnold, durch deine Definition von Autorität wird die Behauptung zur Prämisse. Aus meiner Sicht behauptest Du, die Unterschiede zwischen den Autoritäten seien so groß, dass die "modernen" gar nicht mehr wirklich als Autoritäten anzusehen seien. Klar gibt es Graustufen, aber das Prinzip einer Autorität unterworfen zu sein ist dennoch das Prinzip von Regierungen im allgemeinen. Ich schätze auch diese nach-unten Vergleiche nicht sonderlich: Kuck mal, da war's aber schlechter! Ich argumentiere vom Standpunkt aus, was im Essay als 'durchweg liberal' verkauft wird. Das ist keine nebensächliche Einordnung, sondern ein ziemlich absolutes Statement.
zu #21 Reinhard Matern > Zitat: "Der radikale Konstruktivismus, der das Vorhandensein einer Außenwelt leugnet…"
Das ist nicht richtig. Schon in Ihrer Replik zu meinem Post haben Sie das nicht richtig erfasst. Der radikale Konstruktivismus unterscheidet sich vom Solipsismus eben genau dadurch, dass er eine Außenwelt nicht leugnet, sondern den objektiven (!) Zugang des Menschen zu der Realität in Frage stellt. Insoweit geht er d'accord mit dem Postmodernismus. Der Postmodernismus bleibt aber an diesem Punkt stehen und dekonstruiert lustig vor sich hin – bis zum infiniten Regress. Der radikale Konstruktivismus (wie auch Luhmanns Systemtheorie) stellt aber auf einer höheren Abstraktionsebene die Frage, wie trotz der Unmöglichkeit für den Menschen, letztgültig wahre (!) Aussagen über die Realität (!) zu treffe, Aussagen über die Realität möglich sind, die "funktionieren", also viabel sind. Das macht den radikalen Konstruktivismus ja so interessant: Er liefert vor dem Hintergrund einer jeweils gesetzten Prämisse (Wie kann man Erkenntnis gewinnend Mathematik betreiben? Auf was muss sich die "2" beziehen, damit entsprechende Aussagen möglich sind? usw.) Regeln für einen Erkenntnis bringenden Diskurs. Im Rahmen derartiger Diskurse kann man auch Sprache einbeziehen: Wie funktioniert Sprache (bei Luhmann noch weiter gefasst: Kommunikation) und reziprokes Verstehen trotz der Bedingtheit von Sprache? Während Postmodernisten ihre Sprachbetrachtungen und Dekonstruktionen auf "andere" beziehen, fragt der radikale Konstruktivist oder eben Luhmann: Wie spreche/kommuniziere ich (!) am effizientesten, damit mein/unser (!) Ziel am besten erreicht wird? Und schwupps sind wir bei der Wissenschaft. Die am besten funktionierenden Modelle gelten bis zur nächsten Falsifizierungsrunde als Maßstab.
@29 Harry: Danke für die Mühe, auch wenn ich nicht glaube, dass wir uns verstehen. Bezüge sind für radikale Konstruktivisten nicht möglich! Sie betonen selber die sprachliche Kommunikation. Für eine Kommunikation ist jedoch kein sprachlicher Bezug erfoderlich: Mehr als konventionelle Bedeutungen, die intersubjektiv ausgetauscht werden, tauchen z.B. bei E. v. Glasersfeld in der Theorie "Wissen, Sprache, Wirklichkeit (1987)" nicht auf. Eine Kommunikation über nichts und wiedernichts. Auch die französischen Fantasten können sich sprachlich nicht beziehen. Sei kennen ebenfalls nur Bedeutungen. Eine Dekonstruktion geschieht über nichts.
@30 Reinhard Matern.
Ihnen auch Dank. Ja, ich vermute ebenfalls, dass wir uns nicht verstehen. Wiewohl ich das gerne auf meine Kappe nehme – ich bin kein studierter Philosoph oder Soziologe.
Für mich wäre interessant zu erkennen, woran mein Nicht-Verstehen liegt. Ich gehe ja davon aus, dass radikale Konstruktivisten sich der Bedingtheit ihrer sprachlichen Äußerungen bewusst sind und insofern darauf abstellen, dass ein "intersubjektiver Austausch" von Bedeutungen keine Realität abbildet, sondern lediglich dem Aufbau eines konsensuellen Rahmen dient, innerhalb dessen ein gegenseitiges Verstehen und gemeinsames Handeln möglich ist. Und dieses (Kommunizieren, Verstehen und entsprechend Handeln) muss sich dann an seiner Viabilität, also seiner Brauchbarkeit, messen lassen. Natürlich ist dies letztlich eine Kommunikation über "nichts", aber mehr ist dem Menschen eben nicht möglich. Das "viable, funktionierende Nichts" (das beste Modell als Annäherung an eine nicht-fassbare Realität) wäre also der Maßstab.
[…] Ruhrbarone-Gastautorin Helen Pluckrose, James Lindsay, und Peter Boghossian haben über ein Jahr lang frei erfundene Aufsätze bei renommierten kulturwissenschaftlichen Journalen veröffentlichen können und für absurde Ideen auch noch Zuspruch erhalten. Die Motivation und Durchführung ihrer Operation haben sie in Areo ausführlich beschrieben. Das Wall Street Journal berichtet ebenfalls. […]
[…] einen Artikel von Helen Pluckrose aufmerksam gemacht (Herzlichen Dank dafür!), der im letzten Jahr in deutscher Übersetzung bei den Ruhrbaronen erschienen ist. Es geht darin unter anderem um eine Frage, die auch hier im Blog schon häufig Thema war – […]
[…] “Wie der Postmodernismus die Aufklärung abwickelt” von Helen Pluckrose Dieser Text ist ebenfalls für die geeignet, die tiefer in dies Thema einsteigen […]
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