Wie die Mafia ins Windgeschäft einsteigen will

Italiens Mafia ist eine Wirtschaftsmacht. Jedes Jahr drehen die Ganoven 100 bis 150 Milliarden Euro, so die Schätzungen von Experten. Das mit Drogen, Prostitution und Waffenschiebereien verdiente Geld will angelegt werden, um es sauber zu waschen. Dazu nehmen die Gangster auch den Windenergiemarkt ins Visier. Eine Geschichte von einem, der darüber mit der Mafia in Kontakt kam.

Der Mann will anonym bleiben. Er ist zwar ein mutiger Mensch, aber einer mit Familie. Und seine Gesprächspartner hatten ihm indirekt gedroht, dass ihnen was zustoßen könnte. Ich nenne ihn Hans und siedele ihn in München an. Hier arbeitet Hans in einer kleinen Investmentfirma, die er zusammen mit einigen Partnern betreibt. Zur Angebotspalette der Firma gehören Beteiligungen an Windparks, die Hans für Projekteentwickler an den Mann bringt.

Eine sichere Geldanlage, durch die staatliche Subventionierung ist die Vergütung gewährleistet. Mit dem Platzen der Spekulationsblase am Neuen Markt kam das Geschäft vor sieben Jahren aber unter Druck. Die Menschen hielten ihr Geld beisammen, das bekam auch die kleine Firma von Hans zu spüren. Für einen kurz vor der Fertigstellung stehenden Windpark fanden sich keine Käufer. Für Hans und seine Partner eine Katastrophe, denn mit dem Vermittlungserlös von rund 100.000 Euro hätten sie locker sechs Monate alle Rechnungen zahlen können.

Die Rettung nahte aus Italien: Wie aus dem Nichts meldete sich ein Herr Rossi und erkundigte sich, ob der Park auch als Ganzes käuflich sei. Hans solle nach Italien kommen, dann werde man über die Einzelheiten sprechen, sagte Herr Rossi im passablen Deutsch. Der Kaufpreis von zehn Millionen Euro stehe bereit. Herr Rossi, der natürlich in Wirklichkeit einen anderen Namen trägt, machte auf Hans einen freundlichen, soliden Eindruck. Hans besprach sich mit seinen Partner und buchte einen Flug nach Mailand. Im Flugzeug überkamen ihn dann doch Zweifel, wie er heute sagt. Alles war zu perfekt, ging scheinbar zu glatt. Er nahm sich vor, vorsichtig zu sein.

Am Flughafen in Mailand angekommen, fuhr er mit dem Taxi zu dem vereinbarten Treffpunkt, einem Restaurant im Zentrum von Italiens Finanzmetropole. Das Lokal war zwar keine schlechte Adresse, machte aber auch nicht den besten Eindruck auf Hans. Die besten Zeiten schien der Laden hinter sich zu haben, dachte er sich, als er über die Schwelle trat. Linker Hand war der Tresen, ein Kellner trocknete dort Gläser. Sonst war keiner vom Personal zu sehen, wie auch kein Gast. Nimmt man den einzigen besetzten Tisch aus.

Dort saß Herr Rossi. Hans beschreibt ihn als gut gekleidet. Dunkler Anzug, sauber geschnittene Haare. Ein Mailänder Geschäftsmann Anfang vierzig. Mit ihm am Tisch ein bulliger Kerl mit Stiernacken. Ein Klischee, aber dennoch sei es so gewesen, versichert Hans. Seine Maschine war verspätet gelandet. Es galt also keine Zeit zu verlieren; vier Stunden später hob sein Rückflug ab. Herr Rossi kam auch gleich zur Sache. Er wolle Geld anlegen in Deutschland und zwar in Windparks.

Herr Rossi machte keinen Hehl daraus, dass das Kapital aus illegalen Quellen stammt. Er spreche für einige Geschäftsleute, die eine Industrieanlage verkauft hätten. Dabei sei ein Teil der Kohle schwarz an der Steuer vorbei geflossen. Für dieses suche man nun ein Zuhause, erinnert sich Hans an die Worte des Italieners. An diesem Punkt war ihm klar, dass er das Geschäft nicht machen wolle. Stammte das Geld vielleicht aus anderen Quellen? Dem Drogenhandel oder Prostitution? Nur ein Verdacht, aber wahrscheinlich.

Auf der anderen Seite war die drohende Schieflage seiner eigenen Firma in München. Folgt er dem Lockruf des leichten Geldes, dann wären sie aus der Krise raus. Er verhandelte also mit Herrn Rossi. Nicht über den Preis, hinter dem hatte Herr Rossi einen Haken gemacht. Es ging um den Transfer des Geldes. Wie bekomme ich zehn Millionen schwarze Euro von Mailand nach München? Ganz einfach, meinte Herr Rossi. Hans soll seinen Flug sausen lassen, stattdessen mit einem Mietwagen über die Alpen fahren. In der Schweiz treffe er sich mit einem Gewährsmann, der ihm einen Koffer mit dem Geld geben werde.

Hans lehnte mit Verweis auf die Risiken ab. Wie leicht konnte man an der Grenze geschnappt werden. In Wahrheit war er froh, einen Grund für sein Nein gefunden zu haben. Herr Rossi lockte weiter: Wegen des Risikos zahle man eine Million Euro Vermittlungsprovision – also die zehnfache Summe. Hans und seine Partner wären damit alle Sorgen los. Welche Garantie Herr Rossi denn habe, dass er sich nicht mit dem Geld vom Acker mache? Da schaute Herr Rossi nicht mehr so freundlich: „Ich kenne deine Adresse und ich kenne deine Familie. Das ist meine Sicherheit“.

Der Spruch hört sich an, wie aus einem billigen Mafia-Film geklaut, ist aber so gefallen, versichert Hans. Er brach das Gespräch ab und erbat sich Bedenkzeit. Zurück in München wollte ihm seine Partner die Geschichte nicht glauben. Einer flog sogar nach Mailand und traf sich erneut mit Herrn Rossi. Das Gespräch verlief nach einem ähnlichen Muster, versicherte mit der Partner von Hans.

Die kleine Firma aus München hat gut daran getan, nicht die Million von Herrn Rossi angenommen zu haben. Auch wenn die Identität von Herr Rossi nicht bekannt ist, so ist die Vorgehensweise typisch für die Mafia. Dies bestätigte mir ein Chef einer Großbrauerei, die an vielen Kneipen beteiligt ist. Einige der Wirte seien nach dem gleichen Muster wie Hans angesprochen worden. Erst wird ein freundlicher Herr vorgeschickt. Der bereitet den Boden, hat der Unternehmer erst einmal angebissen, werden die Forderungen immer dreister. Letztendlich wäre Hans nicht mehr Herr im eigenen Haus gewesen, sondern eine Außenstelle irgendeiner Mafia-Familie aus Italien.

Als weiterführende Literatur kann ich jedem nur das Buch „Mafialand Deutschland“ von Jürgen Roth ans Herz legen.

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Michael Petrikowski
15 Jahre zuvor

Jürgen Roths „Mafialand Deutschland“ ist ab sofort nur noch in geschwärzter Fassung lieferbar.

„Daher musste auch in diesem Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen über die italienische Mafia hinter dem überwiegenden Interesse des Klägers an einem Verbot der Berichterstattung zurücktreten.“ So das Landgericht Leipzig.

Das ist doch eine schöne Umschreibung für Zensur, oder?

Aber damit nicht genung, im Anschluß werden die Buchhändler auch noch kräftig abkassiert im Mafialand Deutschland!

eva sperrer
eva sperrer
15 Jahre zuvor

also ich kann die geschichte nicht so ganz glauben. warum ist herr rossi nicht nach deutschland gefahren? er will doch das geld anbringen. ich stürz mich doch nicht in unkosten wenn ich dann keinen käufer hab. irrsinn

Paul Havers
Paul Havers
15 Jahre zuvor

@eva: Die Geschichte stimmt so. Herr Rossi geht nicht über die Landesgrenze, weil er sich nicht in Gefahr einer Entdeckung begeben will. Zudem hätte er das Geld so oder so an den Projektierer geben müssen. Da ist es leichter, dies frisch vom Schweizer Konto zu nehmen.

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