Wie ein Sportverein mal Sportler entließ weil sie in ihrer Freizeit Sport trieben

Die Rockets aus Essen feiern den Meistertitel im Skaterhockey. Viele Leistungsträger des Teams spielen hauptberuflich Eishockey. (Foto: Michael Gohl)
Die Rockets aus Essen feiern den Meistertitel im Skaterhockey. Viele Leistungsträger des Teams spielen hauptberuflich Eishockey. (Foto: Michael Gohl)

Das Scharmützel mit dem Vorstand der Moskitos aus Essen vom vergangenen Sonntag ist das dritte Mal in der laufenden Saison, dass der EV Duisburg bzw. sein Vermarkter, die Kenston Unternehmensgruppe mit allerhand Absurditäten auffällt. Bereits vor Wochen lieferte man sich einen ähnlichen Zwist mit dem Herner EV. Ausschlaggebend war ein Artikel in der Herner Stadionzeitung, für welchen man den HEV-Vorstand verantwortlich machte. In der Folge gab es Hallenverbote für die Verantwortlichen der jeweils anderen Seite. Diese Reihe voller Peinlichkeiten begann jedoch bereits Ende des letzten Jahres. Genau genommen mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Skaterhockey durch den SHC Rockets Essen.

In einem überragenden Spiel sicherten sich die Rockets mit einem 11:1 im dritten und entscheidenen Finale den ersten Meistertitel der Inlineskaterhockey-Bundesliga in der Vereinsgeschichte gegen den bis dato amtierenden Meister HC Köln-West. Skaterhockey in Essen hat eine gewisse Tradition. 1985 wurde der Skaterhockeyclub Essen gegründet, 1996 fusionierte man mit dem Eishockeyverein Moskitos Essen und spielte unter dem Namen des damals noch recht jungen, aber in in Folgejahren erfolgreichen und sogar in der DEL, der höchsten Liga im deutschen Eishockey, spielenden Eishockeyclubs. Nach erheblicher Misswirtschaft seitens der Eishockeyabteilung und mehreren drohenden Insolvenzen trennte man sich wieder, spielte fortan unter dem Namen des Urspungvereines und ergänzte den Namen um den Zusatz „Rockets“. Inlineskater- und Eishockey sind eng verwandte Sportarten. Dies ist nicht nur an der Fusion eines Skaterhockeyvereines mit einem Eishockeyclub auszumachen, sondern auch an der Tatsache, dass viele Eishockeyspieler das Hobby Skaterhockey als Sommerpausenersatz nutzen. So auch bei den Rockets. Das Meisterteam rekrutiert sich u.a. aus Spielern der Eishockeyoberligisten aus Essen, Herne und Duisburg. Trainer der Rockets ist Frank Petrozza, seines Zeichens ebenfalls Trainer des Herner EV und aktuell mit seinem Team einer der Top-Favoriten der Oberliga Nord. Nun ist eben diese Oberliga Nord eine semiprofessionelle Liga, es gibt teilweise Arbeitsverträge mit den Vereinen bzw. den Betreibern der Vereine und manche Spieler verdienen tatsächlich so viel, dass sie davon Leben können. Kurz nach dem Meistertitel der Rockets, welcher höchstens in den lokalen Medien und der Skaterhockeyszene Aufmerksamkeit erzielte, wurden auch überregionale Medien auf den Titelgewinn der Rockets aufmerksam. Dies lag jedoch weniger an der beachtlichen sportlichen Leistung, sondern am EV Duisburg, selbsternannter Topfavorit und erster Aufstiegsaspirant in die zweitklassige DEL2, welcher eine Pressemeldung veröffentlichte, dass sich der Verein fristlos von seinen Spielern Jan-Niklas Pietsch und Danny Albrecht getrennt habe. Beide schnürten ihre Inlineskates auch für die Rockets und spielten im entscheiden Finale. Genau dies war das Problem für den auch „Die Füchse“ genannten EV Duisburg. Der Führungsetage der Duisburger missfiel, dass die beiden zwischen zwei Spielen Freitag und Sonntag zusätzlich samstags Skaterhockey spielten. Pietsch und Albrecht sind zwei ambitionierte Eishockeyspieler. Der 25jährige Pietsch begann seine Karriere beim Traditionsverein EC Bad Nauheim, wechselte dann ins Nachwuchsteam des Erstligisten Adler Mannheim und wurde für Jugendauswahlmannschaften des DEB nominiert. In der Saison 2009/2010 lief er für die Krefelder Pinguine in der DEL auf, konnte sich jedoch nicht durchsetzen und spielte in den Folgejahren bei mehreren Vereinen in der 2. Bundesliga und der Oberliga. Albrechts Karriere verlief ähnlich. Nach dem Durchlaufen aller Jugendmannschaften des 25-maligen DDR-Meisters aus Weißwasser und einigen guten Spielzeiten in der 2. Bundesliga wurde Albrecht 2004 von den Hannover Scorpions – welche damals noch in der DEL spielten – unter Vertrag genommen. Zu einem Einsatz in der höchsten Spielklasse kam er jedoch nicht. Gute Leistungen in der 2. Bundesliga sorgten für eine Teilnahme an der U20-Weltmeisterschaft im Jahr 2005. In den Folgejahren spielte Albrecht kontinuierlich in der zweiten Liga. Das pikante an dem Rauswurf der beiden ist, dass die Verantwortlichen des EV Duisburg verlauten ließen, sie hätten vom Einsatz der beiden für die Rockets aus der Zeitung erfahren und ein Engagement der beiden beim Skaterhockey sei nicht abgesprochen gewesen. Dies erscheint recht unwahrscheinlich, Albrecht spielt bereits seit mehreren Jahren für die Rockets und auch Pietsch betreibt Inlineskaterhockey seit längerer Zeit als Hobby bei wechselnden Vereinen. Weiteren Schub für die Gerüchteküche, dass die Kündigungen geplante Sache waren lieferte die Tatsache, dass nur einen Tag nach dem Rauswurf die Verpflichtung des Stürmers Marvin Tepper aus Weißwasser vermeldet wurde und nur einen weiteren Tag später die fristlose Entlassung des Trainers Tomas Martinec erfolgte. Begründet wurde dies damit, dass Martinec Kenntnis von den Freizeitaktivitäten Danny Albrechts hatte, die Verantwortlichen des Clubs jedoch nicht darüber informierte. In einer umfangreichen Pressemitteilung versuchte der EV Duisburg dem Gegenwind, welcher ihm vor allem auf Facebook entgegenschlug den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man ging sogar so weit Passagen aus den Spielerverträgen zu veröffentlichen. Die den Rauswurf von Pietsch und Albrecht begründende Passage lautet: „Jede weitere entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat die beabsichtigte Tätigkeit dem Arbeitgeber schriftlich unter Angabe von Art, Ort und Dauer anzuzeigen. Demgemäß ist es völlig ausgeschlossen, dass Vertragsspieler der Füchse Duisburg anderweitige sportliche Nebentätigkeiten ausüben dürfen.“ Desweiteren vermeldeten die Verantwortlichen des EV Duisburg, dass die beiden Spieler keine entsprechende Anfrage gestellt hätten und Termine des EV Duisburg abgesagt hätten, um in Essen Skaterhockey zu spielen.
Dass man Spieler rausschmeißt wenn sie sich nicht vertragskonform verhalten mag man in gewissem Maße noch nachvollziehen können, den Spielern jedoch die Pistole auf die Brust zu setzen und sie innerhalb weniger Stunden aus ihren Wohnungen zu verjagen wirkt eher albern und erinnert an den schmutzigen Rosenkrieg einer Scheidung als an einen professionellen Sportverein. Und eben diese Professionalität war es doch, die man seitens des EV Duisburg bei Pietsch und Albrecht so vermisste, als sie ihrem Hobby nachgingen und deren Mangel man als ausschlaggebend für den Rauswurf erachtete. Beschäftigungslos waren die beiden jedoch nicht lange, Albrecht heuerte in Halle an der Saale an und Pietsch fand in Form des Herner EV einen neuen Brötchengeber.
Die Rockets freuten sich unterdessen ob der überregionalen Berichterstattung über ihren Meistertitel und die Aufmerksamkeit für den Spartensport Inlineskaterhockey. Und auch die ein oder andere süffisante Bemerkung konnte man sich nicht verkneifen. Unter einem Foto des unmittelbar nach dem Finale den Meistertitel feiernden Pietsch posteten die Rockets auf Facebook die nicht ganz ernst gemeinte Quizfrage, was seine Mitspieler wohl zu Pietsch sagen würden. Antwortmöglichkeiten waren unter anderem „die Füchse werden stolz auf Dich sein, endlich ein Deutscher Meister im Team“ und „Cool, dass wir so ein geiles Hobby haben.“.
Für die Rockets heißt es ab nächster Woche Titel verteidigen. Womöglich mit Albrecht und Pietsch. Zweiterem wird ein ähnliches Schicksal vermutlich nicht nochmal ereilen, ist sein Inlineskaterhockeytrainer doch nun auch sein Eishockeytrainer. Wie die Posse für den EV Duisburg ausgeht und ob das große Saisonziel erreicht werden kann, werden die ebenfalls nächste Woche beginnenden Play-offs zeigen.

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