Matthias Sammer ist bekanntlich kürzlich als ‚Externer Berater‘ zum BVB zurückgekehrt. In Dortmund feierte er sowohl als Spieler als auch als Trainer vor Jahren große Erfolge. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die Meisterschaften 1995, 1996 und 2002. Zudem war er ein absoluter Anführer der Schwarz-Gelben auf dem Platz im Jahre des Champions-League-Sieges 1997.
In den letzten Jahren galt das Verhältnis zwischen dem BVB und Sammer jedoch als zumindest ‚distanziert‘. Der ehemalige DFB-Sportdirektor schoss speziell in seinen Jahren als Sportvorstand des FC Bayern München zwischen 2012 und 2016 des öfteren verbal gegen seinen alten Klub.
Unvergessen sind bis heute beispielsweise die Auseinandersetzungen mit dem damaligen Dortmund-Coach Jürgen Klopp in den Jahren 2013 und 2014, als Sammer die Bayern-Konkurrenten, speziell auch den BVB mit harschen Worten kritisierte, Klopp entsprechende Retourkutschen vom Stapel ließ. „Ich glaube nicht, dass Bayern München einen Punkt weniger hätte, wenn Sammer nicht da wäre“, hatte der damalige BVB-Coach beispielsweise im März 2014 über Sammer gesagt. Am Spielfeldrand waren die beiden damals ebenfalls aneinandergeraten.
Das Verhältnis von Sammer zu BVB-Boss Aki Watzke hatte hierdurch ebenfalls deutlich gelitten. Watzke richtete im Laufe der Jahre seinerseits eben so harsche Worte in Richtung des damaligen Bayern-Funktionärs. Jetzt plötzlich die Wiederannäherung, sogar die neue Tätigkeit Sammers für den Ruhrgebietsverein.
Am Montag, beim DFB-Pokalspiel der ersten Runde bei der Spielvereinigung Greuther Fürth, dass der BVB in der Nachspielzeit der Verlängerung sehr glücklich durch einen Treffer von Marco Reus mit 2:1 gewinnen konnte, sahen Millionen Sammer ganz harmonisch neben Watzke auf der Tribüne sitzen.
Doch beim nebeneinander sitzen blieb es nicht. Für viel öffentliche Aufmerksamkeit sorgten Szenen rund um den späten Siegtreffer der Gäste, in denen Sammer überschwänglich jubelte, Watzke gar kräftig umarmte und ausgelassen den späten Triumpf der Dortmunder auf der Tribüne feierte.
Nebenan bei der WAZ widmen sich die Kollegen in diesen Stunden daher der Frage, ob Sammer denn damit noch seiner Rolle als TV-Experte gerecht werden könne, noch neutral genug für einen Experten sei. In der Tat eignet sich diese Szene ja durchaus darüber einmal zu debattieren.
Doch als ich diese unerwartet heftige Reaktion am Montag im TV mitbekam, da schoss mir zunächst eine ganz andere Frage in den Kopf:
Wie schnell kann ein Klubverantwortlicher eigentlich vollen Herzens die Seiten wechseln? Offensichtlich überraschend schnell.
Ein Fan bleibt im Regelfall lebenslang seinem Verein treu. Niemals käme er auf die Idee innerhalb weniger Monate ausgelassen für zwei unterschiedliche Vereine zu jubeln. Schon gar nicht wechselt ein Fan zwischen zwei direkten Konkurrenten hin und her.
Profis und Trainer wechseln hingegen regelmäßig ihre Arbeitgeber. Fans haben sich längst daran gewöhnt, dass sie sich so lange für den eigenen Verein engagieren, wie sie von diesem bezahlt werden. Dient ein Akteur zukünftig einem anderen Klub, dann widmet er Zeit und Energie vollumfänglich von einem Tag auf den anderen dem nächsten Unternehmen. Grundsätzlich gilt das selbstverständlich auch für Berater, so wie Sammer jetzt eben einer ist.
Trotzdem warf der ausgelassene Jubel vom Montag tief in mir die Frage auf, wie ehrlich, wie tief die Freude über den späten BVB-Sieg bei Sammer tatsächlich sein kann? Seine kritischen Aussagen in Richtung Dortmund, sein Jubel über die Erfolge der Münchener in den Jahren seiner Tätigkeit dort sind ja noch nicht allzu lange her.
Nicht falsch verstehen: Ich finde er ist für Borussia eine sehr wertvolle Verstärkung, wenn Sammer jetzt wieder im Umfeld des Vereins als Berater fungiert. Dass er helfen möchte den BVB wieder näher an die zuletzt übermächtigen Bayern heranzuführen, das freut mich als gebürtigen Dortmunder grundsätzlich.
Wenn ich ihn jedoch so ausgelassen mit Aki Watzke jubeln sehe wie am vergangenen Montag, dann hinterlässt das tief in mir derzeit noch ein komisches Gefühl. Es wäre spannend mal in den Kopf von Matthias Sammer hineinblicken zu können, wie ehrlich seine zurückgewonnene Begeisterung für das Team mit dem er drei Meisterschaften gewinnen konnte in diesen Tagen und Wochen wirklich ist.
Zu tief sitzt in mir offensichtlich unverändert der Ärger über die negativen Aussagen zwischen 2013 und 2014, als das ich diesen abermaligen Seitenwechsel so rasch völlig verinnerlicht und verdaut hätte. Mit diesen gemischten Gefühlen dürfte ich längst nicht alleine sein, wie ich vermute.
Die Frage der Glaubwürdigkeit als TV-Experte für Eurosport mag sich für den neutralen Fußballfreund natürlich mit Recht stellen. Bayern- und vor allem BVB-Fans haben da sicherlich in diesen Tagen vielfach jedoch deutlich persönlichere Empfindungen in Sachen des so unerwartet emotional wieder für den BVB jubelnden TV-Experten und Beraters.
Ach. Ist vielleicht wie mit einer alten Liebe. Kann auch hin wieder mal aufflammen….? Ich kann mich an so viele Szenen erinnern. Sammer kam nach langer Verletzungspause in der zweiten Halbzeit ins zerfahrene Spuel. Das Stadion skandierte: "Jetzt gehts lohos, jezt gehts…". Er hat als Spieler und Trainer seine grössten Erfolge beim BVB eingefahrwn und der BVB mit ihm. Er muss einem in seiner Art ja menschlich nicht sympathisch sein, aber Ahnung hat er. Und wenn das unsrem Verein hilft, ist mir egal ob er auf der Tribüne eunen Handstand macht oder nicht.
Sammer war in den 1990er-Jahren einer meiner Lieblingsspieler beim BVB. Ich erinnere mich noch gut an die Tage, als ich auf der Süd stand und mich gefreut habe, wenn er Andi Möller einmal wieder sprichwörtlich in den Hintern trat, weil dieser nicht mit zurück gelaufen war. Nur seine Distanz zum BVB in den Jahren danach, die hat mich dann irritiert. Es ist natürlich naiv zu glauben, dass alle Spieler ihren Klub 'lieben', aber in Sammers Fall kam mir das damals schon ungewöhnlich kalt vor, nachdem er in Dortmund seine sportlich besten Jahre verbracht hatte. Vielleicht fällt es mir auch jetzt so schwer ihm die pure Freude über den Siegtreffer am Montag abzunehmen, Bernd.