Eine Hommage à Michael Klaus, den 2008 verstorbenen großen Gelsenkirchener Schriftsteller (http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Klaus)
Es muss 1989 gewesen sein, als Ulla meinen Geburtstag am 15. November schlicht vergaß. Wiedervereinigung? Nicht für uns. Mauerfall? Von wegen.
Kein Überraschungs-Frühstück wie in den Jahren zuvor. Kein kleines Geschenk, kein lustiger Einfall, außer eben jenem, dass sie sich in diesem Jahr nichts einfallen ließ. Auch Tage später kein gespieltes jähes Erwachen: „Wie konnte ich nur deinen Geburtstag …?“
Sie hatte ihn tatsächlich vergessen. Ich war narzisstisch gekränkt, ließ mir aber nichts anmerken, was schwer genug war. Das Allerletzte worauf ich Lust hatte, war peinliches Wiedergutmachungsbohei.
So entliebte ich mich zusehends. Und teilte Ulla Anfang Dezember mit, dass ich mich von ihr trennen wollte. Nach etwas Heulen und Zähneklappern, dem üblichen „Warum, ich versteh das nicht …?“, dann traurig-ratlose Ruhe um sie herum. Zwischen Weihnachten und Neujahr zog sie zunächst vorübergehend bei Steffen ein, mit dem sie mich bereits auf einer Fortbildung im Herbst betrogen hatte.
Dessen Freundin wiederum lud mich später zu einem Abend in eine Duisburger Kneipe. Nette Frau, der ich dennoch erklären musste, dass ich in der Tat selbst auch das Ende der Beziehung herbeigewünscht hatte und also nicht sonderlich darunter litte, dass U jetzt mit S zusammen sei. So uneins, was die collateral damages anging, kamen wir uns also nicht näher und eine gemeinsame ‚Nacht der Rache‘ an den beiden ‚Betrügern‘ fiel auch aus.
Seit 1989 verschweige ich all meinen Freundinnen meinen Geburtstag. Und nach einer Zeit der Verblüffung wundern sich die meisten nicht mehr darüber. Die letzte – clever wie sie war – erfand sich einfach selbst einen Geburtstag für mich, den 20. April. Sie bereitete mir an dem Tag ein Liebes-Frühstück mit kleinen Überraschungen in ihrer Küche. Als ich ihr sagte, dass ich nichts herunterbekomme, der 20. April sei doch schon der Geburtstag Adolf Hitlers, riss sie den rechten Arm hoch, schrie: „Heil Hitler, du Arschloch!“, und verließ empört ihre eigene Wohnung. Ich habe dann in aller Ruhe gefrühstückt, wollte ihr später erklären, dass das mit Hitler doch nicht so schlimm gewesen sei, aber nachdem auch ich gegen 11 Uhr die Wohnung verlassen hatte, sah ich sie nie wieder.
Meine Freundin Sara war da ein anderes Kaliber. Unter Tränen verabschiedete sich die schmucke Studentin am Duisburger Hauptbahnhof nach Portsmouth, um dort zwei Semester Anglistik zu studieren. Aber wir würden uns ja besuchen, nichts könne uns trennen…
Als ich eines Tages zu einem Überraschungsbesuch bei ihr im Wohnheim in Portsmouth aufkreuzte, war sie für Stunden nicht zu erreichen. Ein paar nette Jungs aßen mit mir zu Abend und stellten mir irgendwann ein Klappbett im Heizungskeller auf, wir befestigten ein Schild an ihrer Zimmertür mit der Info, dass ich da und wo ich zu finden sei.
Irgendwann nachts weckte sie mich und war sehr bestürzt darüber, mich verpasst zu haben. Dann gingen wir hoch in ihr Zimmer, schliefen miteinander und alles schien gut. Am nächsten Morgen schliefen wir ein zweites Mal zusammen (da war nichts Falsches), doch am Ende unserer Lust bollerte jemand wie verrückt an die Tür. Sara wirkte ziemlich erschreckt, aber nicht ängstlich. Bevor ich zur Tür gehen konnte, war sie schon dort und sprach, nackt wie eine Göttin, durch die Tür beruhigende Worte in englischer Sprache, leise, sodass ich nicht alles verstand. Ein schönes Bild der Barmherzigkeit. Dann war Ruhe. War halt irgendein Gestörter aus dem Wohnheim, der immer mal wieder ausflippte, nur nicht ernst nehmen.
Nach dem Frühstück allerdings gestand sie mir, dass sie im Wohnheim einen südafrikanischen Inder kennengelernt hatte und es aus mit uns sei. Ich habe kein langes Palaver gemacht, meine Sachen gepackt, bin noch eine Weile durch die öde Portsmouth-Innenstadt geirrt, habe irgendwo irgendwas gegessen und dann mit dem Zug zurück ins Ruhrgebiet. Es war wohl nach einer hemmungslos durchweinten halben Nacht im leeren Abteil, als ich endlich einschlief. Beim Morgengrauen war die Trauer verflogen. Ich fühlte mich merkwürdig gut und lebenslustig, erinnerte mich an Hemingways Geschichte „Das Ende von etwas“ und musste lachen. Draußen flog Belgien vorbei. Wozu doch Literatur gut ist.
O, nun habe ich ganz vergessen zu erzählen, dass auch ich Frauen durchaus schlecht behandeln konnte. Dazu später mehr.
Humor mit Herz oder anders herum, egal. Ob das noch bleibt bei der nächsten angekündigten Geschichte?
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