Wie ich mal zwei Hosen bestellte

Das ganze Unglück begann damit, dass ich bei Amazon nach Werkzeugkisten schaute. Normalerweise ist die Facebook-Werbung nämlich völlig verzweifelt bei mir. Eine Weile bekam ich Hinweise auf Fitness-Studios, Bier und Thor-Steinar-Klamotten. Facebook hielt mich für einen Hooligan, ich weiß nicht wieso. Dann wurde es ganz absurd und man präsentierte mir gebrauchte Registrierkassen und amerikanische Plaid-Decken.
Aber mit der Werkzeugkiste ging dem Algorithmus wohl ein Licht auf und plötzlich zeigte Facebook mir Bohrmaschinen und Taschenmesser und taktische Hosen. Ja, taktische Hosen.
Die Ereignisse sind einigermaßen erschreckend, weil ich davon ausging, dass ich weder besonders empfänglich für Werbung bin, noch leicht übers Ohr zu hauen, noch panik-affin. Ich bin fast geneigt, an Gehirnwäsche zu glauben. Vielleicht lag es an der Uhrzeit.

Es war nämlich sehr früh am Morgen, als mir ein Video für taktische Hosen gezeigt wurde. Ich trage fast immer Jeans. Outdoor-Klamotten oder sogenannte Cargo-Pants sind mir ein Graus. Aber diese Funktionshosen sahen sehr gut aus. Und das war nicht alles. Sie waren wasserabweisend. Man sah, wie ein ganzes Glas Cola einfach abperlte. Und ölabweisend. Und unzerstörbar. Da wurde mit einem Messer an dem Stoff herumgeschnitten. Da wurde Stacheldraht über die Hose gescheuert und nichts geschah. Man bekam auch gezeigt, dass sich die Hose im Nahkampf eignet (ich selbst befinde mich eigentlich nur selten im Nahkampf, aber man kann ja nie wissen).

Man kann ja zumindest mal gucken, was das für Hosen sind, dachte ich verschlafen und klickte den beworbenen Link an. Mache ich sonst nie. Ich kam sofort auf eine sehr elegant gestaltete Shop-Seite und sah, dass diese taktischen Hosen von 99$ auf 29$ reduziert waren. Easter-Sale. OK, das ergab doch Sinn, es war ja bald Ostern. Und dass man seinen Sale bewirbt, ist auch logisch. Aber bestimmt teurer Versand. Um die Kosten zu sehen, musste ich die Hosen in den Warenkorb legen. 15$ ins Ausland. Ab 39$ versandkostenfrei. Das heißt, Moment, wenn ich zwei Hosen reinlege, spare ich die Versandkosten? Das wäre eigentlich ein fairer Deal. Und wenn es Schrotthosen sind, die auf dem Bild nur gut aussehen? Dann hat man für 29$ das Stück zumindest keinen Riesenverlust gemacht. Und eigentlich kosten die ja 99$.


Naja, aber dann dachte ich mir, so ein Schwachsinn, ich brauche keine Hosen und ob das überhaupt ein seriöser Anbieter ist und so weiter, lassen wir das.

Und ich lies das.

Und dann bekam ich ein paar Stunden später eine E-Mail: „Sie haben da doch was im Warenkorb liegen und wenn Sie jetzt doch bestellen, dann bekommen sie noch mal 25% Rabatt, einfach Code EASTER25 eingeben.“ Potzblitz, dachte ich, das wäre dann aber wirklich günstig. Nur mal eingeben, Link direkt zum Warenkorb war in der Mail. Und Tatsache: Code eingegeben und nur noch 47$ Dollar und nach aktuellem Kurs sind das nur 43€. Ich war jetzt wie ferngesteuert, wie gesagt, Gehirnwäsche oder was. Ich brauchte gar keine Hose. Kurz noch mal geguckt, ob es ein Impressum gibt, da war zwar irgendwas ungewöhnlich, aber komm, du hast keine Zeit, entweder bestellst du das jetzt oder lässt es bleiben und man kann ja auch mal ein kleines Risiko eingehen, entweder man ist auf ein tolles Angebot gestoßen oder man hat halt mal einen Betrag in den Sand gesetzt. Ich zahle per Paypal, da habe ich Käuferschutz, was soll also passieren?

Im Laufe des Tages nagendes Gefühl, was sollte der Scheiß eigentlich, was soll ich denn mit taktischen Hosen und außerdem habe ich neulich gehört, dass die ganze Shop-Seiten fälschen, ich weiß das und trotzdem habe ich bestellt, von irgendeinem unbekannten Anbieter, nicht über Amazon oder sonstwo, bin denn bekloppt? Noch mal recherchiert, die Adresse im Impressum ist komischerweise eine Bilddatei, quasi ein Screenshot, wahrscheinlich damit man es nicht so leicht per Copy&Paste googeln kann. Aber trotzdem gegoogelt und die Adresse gibt es. In England. Warum bestelle ich dann in Dollar? Aber ich fand nur einen einzigen Eintrag für diese Firma und die angebliche Firma heißt ganz anders als die Webseite. Und warum ist die E-Mail-Adresse, an die ich per Paypal bezahlt habe eigentlich so komisch? Und finde ich sonst irgendwo irgendwas über diesen Shop? Ein Review, eine Erwähnung? Nein. Google kennt nur diese Seite und sonst nichts. Aber die Seite ist toll. Es gibt dort auch Jacken und alles mögliche.

Zwischenzeitlich begegnete mir die verdammte Werbung bei Facebook erneut. Zehntausende von Likes und Kommentaren. Die arbeiten offenbar im großen Stil. Ein Blick auf die Kommentare war allerdings aufschlussreich. Menschen, die cleverer sind als ich, haben Dinge gefragt wie: „Liefert ihr auch in die Antarktis?“ Klar, lautet die Antwort. Immer die gleichen, roboterhaften Antworten.

„If they are waterproof, how do you wash them?“ (Antwort eines Users: Mit wasserdichter Seife).

„Liefert ihr auch nach Nord Korea und akzeptiert ihr Nordkoreanische Lebensmittelrationen als Zahlungsmittel?“ Lächelnde Roboterantwort: Yes! Und zum Mond dauert es 3-12 Tage, woraufhin sich enttäuschte Käufer melden, die angeben, seit drei Wochen auf ihre Lieferung nach Illinois zu warten. Kein Wunder, dachte ich, ihr sitzt ja auch Betrügern auf, ihr Trottel!

Da ich sowieso keine taktische Hose brauchte, selbst wenn das kein Betrug sein sollte (ich glaubte jetzt aber ganz fest an Betrug) und weil ich mich irgendwie benutzt und übertölpelt fühlte, versuchte ich die Bestellung zu stornieren. Ich schrieb eine Mail und kontaktierte den „Verkäufer“ auch gleich über Paypal, weil ich schon weiß, dass die das von mir verlangen werden, bevor die tätig werden.

Natürlich erhielt ich keine Antwort. Am nächsten Tag versuchte ich, Paypal dazu zu bewegen, das Geld zurückzubuchen. Deren automatische Antwort war nämlich, dass ich erst mal abwarten soll, ob es nicht doch geschickt wird. Aber bis dahin ist das Konto auf den Cayman-Inseln bestimmt längt abgeräumt. Ein Gespräch mit dem Kundenservice von Paypal ergab allerings, dass die das gar nicht zurückbuchen können. Ich könne nur abwarten, ob wirklich nichts kommt (ich war sicher, es wird nichts kommen) und dann den Käuferschutz in Anspruch nehmen.

Na toll, dachte ich, das klappt wahrscheinlich eh nicht, bestimmt habe ich wichtige Grundregeln sicheren Bestellens missachtet, die Paypal verlangt, bevor sie einem das Geld zurückgeben, bestimmt lachen die mich aus, verweisen auf die AGB und die mafiösen Betrüger starten auf den Cayman-Inseln ihre Mondrakete und verprassen meine schönen 43€.

Also fing ich an, diesen wütenden Artikel zu schreiben und während ich tippte, bekam ich eine freundliche E-Mail, dass meine Bestellung selbstverständlich meinen Wünschen gemäß storniert würde und kurz darauf die nächste Mail von Paypal, laut der mir das Geld zurückgebucht wurde und dann erfuhr ich von einem Mitglied unserer Redaktion, dass es sich genau dort genau so eine Hose bestellt hat und es zwar seeeehr lange gedauert hat (möglicherweise mit Umweg über die Antarktis), aber das es eine echte Firma mit echten Postpaketen und echten taktischen Hosen ist.

 

Ich sollte vielleicht auch in die Antarktis auswandern, ich bin offenbar nicht für die moderne Welt gemacht, ich Depp. Aber dazu brauche ich dann natürlich erstmal ein paar ordentliche taktische Hosen. Ich weiß jetzt, wo man die gut bestellen kann.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
anni
2 Jahre zuvor

Wenn Hosen gut passen, dann kaufe ich mir manchmal auch zwei auf einmal. Wieso auch nicht. Wer weiß wann man wieder eine passende Hose findet.

Werbung