Wie sich Verdi eine Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl vorstellt: Drei Tische, sechs Politiker und fünf Co-Referenten

Diskussion zur Bundestagswahl bei VerdiIn der vergangenen Woche lud die Gewerkschaft Verdi angesichts der Bundestagswahl zu einer Podiumsdiskussion (mit anschließendem „Politiker-Speed-Dating“) ein. Das ganze geschah unter dem Motto „Zeit für Gerechtigkeit! Wir haben die Wahl!“ und rund 100 interessierte Personen fanden sich ein und erlebten einen wahrhaft faszinierenden Abend.

Es fing schon gleich bei der Begrüßung an, wo sinngemäß gesagt wurde, dass man die Diskussion sich angesichts klarer Umfragezahlen fast schon schenken könne. Dabei wurde dann aber ignoriert, dass just an dem Tag es mehr oder weniger seriöse Umfragezahlen gab, wonach zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün der Unterschied recht knapp sei.

Dann gab es auch intern erst einmal Zeit für Gerechtigkeit, denn es wurde erklärt, warum auf den Werbeflyern nur die Kandidaten von (in dieser – von den Politikernamen her alphabetischen – Reihenfolge) Linkspartei, CDU, SPD, Grüne und der Piratenpartei standen, denn irgendwie gab es Probleme mit dem FDP-Vertreter Kontakt aufzunehmen. Der schaffte es dann aber doch da zu sein, was ja auch irgendwie zum Thema Gerechtigkeit passt.

Verdi wollte diesmal es etwas anders machen als in der Vergangenheit und so wurden die sechs Politiker an drei Stehtischen aufgereiht. Hier durften sie sich selber nach eigenen Koalitionspräferenzen einordnen sollten; die Ergebnisse waren hier nicht überraschend: erst CDU/FDP, dann SPD/Grüne und am sprichwörtlichen Katzentisch Links- und Piratenpartei.

Ähnlich wie bei den amerikanischen Townhall-Meetings sollten dann den einzelnen Kandidaten Fragen zu verschiedenen Themenkomplexen gestellt werden, bei denen sich die Fragesteller direkt an einzelne Kandidaten wandten. Diese an sich gar nicht schlechte Idee krankte jedoch deutlich an der Umsetzung: Es waren keine Fragen mehr, es waren schon eher Co-Referate, die da teilweise minutenlang auf die Bundestagsabgeordneten und die, die es noch werden wollen, herunterrasselten.

Das ganze war symptomatisch für ein Missverhältnis bei der ganzen Veranstaltung:
Ein Großteil der Besucher wird sich eher dafür interessiert haben, was die Damen und Herren Politiker zu den Themen sagen. Eher als dass die von Verdi ausgesuchten Fragesteller lang und breit ihre eigene bzw. die Meinung von Verdi in Frageform präsentierten – wo die Politiker kaum Gelegenheit hatten, darauf richtig zu antworten.

Am deutlichsten wurde dies bei der Fragestellung nach der „Steuergerechtigkeit durch Umfairteilen“. Wäre diese Diskussionsrunde im privaten Fernsehen ausgestrahlt worden, hätte jetzt das Wort Werbung eingeblendet werden müssen. Denn anstatt den Politikern jetzt konkrete Fragen zu stellen gab es erst einmal eine mehrere Minuten lange Vorstellung (der auch von Verdi getragenen) „UmFairTeilen“-Demonstration, die kurz vor der Bundestagswahl Mitte September in Bochum stattfinden wird.

Wahrscheinlich merkte man jetzt auch, wie viel Zeit da gerade umverteilt wurde, so dass die Podiumsteilnehmer eigentlich nur noch mit einem(!) Wort auf die Frage (ob sie an der Demonstration teilnehmen werden) antworten sollten. Keine Überraschung war es, als die Vertreter von CDU und FDP das verneinten, während der Rest das ganze mehr oder weniger enthusiastisch bejahte.

Als das Thema „Gute Arbeit“ aufgerufen wurde, war das für Jugendvertreter von Verdi der Anlass „spontan“ nach vorne zu gehen und auf Sprechblasen-Plakate sicherlich berechtigte Forderungen zu präsentieren. Wären sie in einer etwas größeren Schriftart abgedruckt worden, hätten sicherlich auch die Leute, die die Plakate nicht gehalten haben, sie lesen können…

Dass die Vorbereitung der Veranstaltung ein paar Lücken aufwies, zeigte sich dann auch gleich beim nächsten Themenkomplex. Denn dass Fragesteller die Politiker dafür kritisierten, dass sie in der Vorstellungsrunde das Thema frühkindliche Bildung nicht erwähnten, war dann doch eher merkwürdig.
Es gab schließlich keine Vorstellungsrunde durch die Kandidaten selbst! Diese wurden von der Verdi-Moderatorin vorgestellt und konnten zu Beginn nur einen persönlichen Satz im Stil von „Was Sie von mir nicht wussten…“, der sich nicht auf politische Inhalte bezog, sagen.

Auch kann man sich natürlich die Frage stellen, welchen Sinn es macht, Themen mit Bundestagsabgeordneten bzw. -Kandidaten zu besprechen, die nicht auf Bundesebene entschieden werden. Es mag ja sein, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung ein besseres Kinderbildungsgesetz verabschieden sollte, aber das wäre dann doch eher ein Thema für Landespolitiker und nicht für Bundespolitiker. Auch das Thema Schulsozialarbeit ist sicherlich wichtig – aber für eine solche Diskussionsrunde nicht richtig! Auch hier ist der Bund nicht entscheidend. Da hätte man dann beispielsweise eher das Betreuungsgeld besprechen können.

Abschließend wurden beim „Politiker-Speed-Dating“ noch einzelne Themenbereiche in verschiedenen Gruppen behandelt und die Politiker gingen nacheinander zu den einzelnen Runden.

Nicht viel neues…
Die Diskussion brachte nicht viel neues. Dass sich eher linke Politiker und Parteien von den Themen einer Umfairteilen-Demonstration angesprochen fühlen, während die bürgerlichen Vertreter das doch anders beurteilen, das konnte man sich denken.

… und Verbesserungsvorschläge
Es ist natürlich schön, wenn man sich seitens Verdi mal neue Ideen für eine solche Diskussion überlegt. Für manche Kreise ist es ja schon eine Neuigkeit an sich, dass sich Verdi bewegt…

Aber die Umsetzung krankte dann doch an vielen Stellen: Neben den bereits oben erwähnten Punkten

  • viel zu lange Co-Referate, deren „Fragecharakter“ nicht ganz deutlich wurde, dadurch bedingt weniger Beiträge der Politiker
  • Diskusson über unzuständige Themen
  • unvorbereitete Fragesteller, die strikt nach Sprechzettel vorgingen

fiel auch auf, dass man bei teilweise überraschenden Antworten nicht noch einmal nachhakte. Da wäre es doch schön gewesen, wenn die Bundestagsabgeordnete der CDU mal genau erklären würde, warum sie für den tariflichen – nicht gesetzlichen – Mindestlohn sei, während der FDP-Kandidat das ablehnte. Auch wäre es spannend zu erfahren, von welchen Fehlern der Bundestagsabgeordnete der SPD sprach als er Fehler seiner eigenen Partei in der Vergangenheit erwähnte usw.

Anwesende Politiker (in alphabetischer Reihenfolge):
Matthias Birkwald (Linkspartei), Ingrid Fischbach (CDU), Dennis Rademacher (FDP), Axel Schäfer (SPD), Frithjof Schmidt (Grüne) und Christina Worm (Piratenpartei)

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D
D
11 Jahre zuvor

Interessant ist, dass bei solchen Veranstaltungen (egal ob Gewerkschaft, Partei, AZ..) Fragesteller sehr oft zu Co-Referaten tendieren, ohne es vorher abgesprochen zu haben. Das ist eine Katastrophe…

Stefan Laurin
Admin
11 Jahre zuvor

Ich finde solche Veranstaltungen in der Regel stink langweilig. Bei sechs Leuten auf dem Podium hat keiner eine Chance, sich ausführlich zu einem Thema zu äussern, also gibt es meistens nur öde Sprechblasen.

paule t.
paule t.
11 Jahre zuvor

Es wurde den Informationscharakter des Artikels heben, wenn man wüsste, wo das stattgefunden hat, welche Verdi-Gliederung das veranstaltet hat und warum es genau diese Politiker waren. Ging es um einen bestimmten Wahlkreis? Wenn ja, welchen?

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