Wie Tierrechtler sich zum Affen machen

Selfie des Makaken Nigra Lizenz: Public Domain


Der Rechtsstreit um ein von einem Affen aufgenommenes Selfie-Foto spiegelt die antihumanistischen Vorurteile unserer Zeit. Von unserem Gastautor Kolja Zydatiss

2011 reiste David Slater zur indonesischen Insel Sulawesi, um dort Makaken zu fotografieren. Bewusst ließ der britische Fotograf seine Kamera unbewacht auf einem Stativ zurück. Ein Makake drückte auf den Auslöser und nahm ein Foto von sich selbst auf. Um dieses Affen-Selfie entzündete sich ein bizarrer Rechtsstreit. Ein amerikanisches Gericht entschied 2012, dass Slater nicht der Urheber sei, da niemand das Urheberrecht an Bildern besitze, die durch „die Natur“ entstanden sind.

Die Tierrechtsorganisation PETA ging einen Schritt weiter: Sie verklagte den Fotografen 2015 im Namen des Affen, der ihrer Ansicht nach der Urheber ist. PETA möchte die Einnahmen an dem Bild stellvertretend für den Affen entgegennehmen und für den Tierschutz einsetzen. Der Fall zog sich durch zahlreiche Instanzen.

Aktuell beschäftigt sich das Bezirksgericht San Francisco damit. Das Verfahren könnte jedoch bis zum obersten Gerichtshof der USA gehen. Slater selbst wird wohl nur per Videolivestream an den weiteren Verhandlungen teilnehmen können. Die jahrelangen Prozesse haben ihn viel Geld gekostet, Flüge in die USA kann er sich vorerst nicht leisten. Der 52-Jährige überlegt sogar, seine Karriere als Naturfotograf aus finanziellen Gründen an den Nagel zu hängen.

Slaters Fall ist exemplarisch für einen Zeitgeist, der Tiere zunehmend als vom Menschen unterdrückte Wesen inszeniert. Tierrechtlern (aber auch Wissenschaftlern mit mangelnder Distanz zum Forschungsgegenstand) ist es gelungen, im öffentlichen Bewusstsein den Unterschied zwischen Menschen und Tieren zu verwischen. Man betont Genom-Ähnlichkeiten, bläst banale verhaltensbiologische Beobachtungen auf (angebliche „Trauer bei Schimpansen“ oder „Sprache bei Orang-Utans“), oder setzt Primaten mit geistig Behinderten gleich.

Viele Menschen sind heute nur zu gerne bereit, die Mär von den uns angeblich so ähnlichen Tieren zu glauben. Die Tatsache, dass sich Gerichte überhaupt mit der Frage beschäftigen, ob ein Tier Urheber eines Fotos sein kann, verdeutlicht die Desorientierung unserer Gesellschaft hinsichtlich der Eigenschaften, die den Menschen besonders machen.

Denn Tiere sind keine Menschen. Tiere leben im Wesentlichen im hier und jetzt und handeln vor allem instinktiv, um zu überleben. Menschen hingegen sind zu rationalem, konzeptuellem Denken fähig. Dank der Sprache können sich menschliche Individuen auf das kumulierte, kollektive Wissen der Menschheit stützen. Dies ermöglicht Fähigkeiten weit jenseits dessen, zu dem Tiere in der Lage sind. Etwa die Fähigkeit, Chirurgie zu betreiben, im Weltall zu leben, Gesetzbücher zu schreiben oder politische Ideologien zu entwickeln. Oder auch, eine Reise nach Indonesien zu planen, dort geeignete Orte für die Tierfotografie auszuwählen und ein Setting so zu inszenieren, dass Affen sich gereizt fühlen, den Selbstauslöser zu betätigen.

Tierrechtsgruppen wie PETA geht es nicht um die Minimierung von Tierleid. Der Fotografie-Streit zeigt eindrücklich, dass ihre wahre Agenda die prinzipielle Herabsetzung des Menschen ist. Der Fall verdeutlicht ferner ein Hauptproblem der Forderung nach „Tierrechten“. Tiere sind keine rationalen Subjekte. Weder können sie die Rechte anderer achten, noch können sie für ihre Rechte politisch kämpfen oder sie, wie in diesem Beispiel, vor Gericht einfordern.

Nicht der Makake aus dem indonesischen Dschungel hat gegen den bedauernswerten britischen Fotografen prozessiert – wie hätte er auch? -, es waren seine selbsternannten menschlichen „Anwälte“ von PETA. Letztlich geht es in der Tierrechtsdebatte also nicht wirklich um Tiere, sondern um mehr Einfluss für bestimmte Menschen. Menschen, die kein Problem damit haben, mit absurden Klagen Geld für den eigenen Verein einzutreiben und einen symbolischen Feldzug gegen die Menschheit zu führen. Der finanzielle Ruin des Fotografen wird dabei als Kollateralschaden in Kauf genommen.

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Ke
Ke
7 Jahre zuvor

Es ist doch vor allem ein deutlicher Hinweis, der zeigt, dass in der Justiz etwas nicht stimmt.
Die ist einfach nicht in der Lage selbst solche Fälle schnell und effizient zu klären.

Peter
Peter
7 Jahre zuvor

PETA trat erst auf den Plan, als es mit den Fotos Geld zu verdienen gab. Damit dürfte klar sein, worum es hier wirklich geht. Ob deutsche Gerichte einen solchen Fall angenommen hätten, wage ich zu bezweifeln.

Daniel
Daniel
7 Jahre zuvor

Hinsichtlich der Einordnung des konkreten Falls stimme ich dem Autor vollumfänglich zu.

Wie er dann aber darauf kommt, hinter diesem Vorgehen eine Agenda zur "Herabsetzung des Menschen" zu erkennen, bleibt mir allerdings völlig unklar. Wir sind eben auch Trockennasenprimaten.
Sprache ist nicht nur auf verbale Handlungen beschränkt und wird auch durch Tiere ebenfalls genutzt.
Schimpansen "angebliche" Trauer zu unterstellen ist einfach, da innerpsychische Zustände nun mal nicht direkt beobachtbar sind. Da unterscheiden sich Schimpansen nicht von Menschen. Auch hier entzieht sich der "wahre" emotionale Zustand der direkten Beobachtung.
Inwiefern verhaltensbiologische Beobachtungen "banal" seien sollten, wird nicht weiter erläutert. Verhaltensbeobachtungen bei Menschen sind in gleicher Form von subjektiven Interpretationen und Unterstellungen betroffen.
Dass es kulturelle Ansätze und Weitergabe von Praktiken auch bei anderen Primaten gibt, sollte mittlerweile bekannt sein. Auch Primaten "planen" und geben Wissen an folgende Generationen weiter. Wie "bewusst" und über welche Kulturtechniken dies geschieht, lässt sich aus der Beobachtungsperspektive nur eingeschränkt beurteilen. Hier besteht aber ebenfalls kein grundlegender Unterschied zu Menschen. Es ist anzunehmen, dass auch bei uns das Bewusstsein nur Epiphänomen der Kognition ist.

Ja, Tiere sind keine Menschen.
Aber Menschen sind eben auch Tiere.
Oder möchte der Autor uns eine Schöpfungsgeschichte vermitteln, in der grundlegende Unterschiede postuliert werden? Wenn hier gegen den "Zeitgeist" und die "Desorientierung unserer Gesellschaft" Stellung bezogen wird, hat dies nach meiner Einschätzung mehr mit Verunsicherung und Selbstvergewisserungsbedürfnissen des Autoren zu tun. Eine evidenzbasierte Argumentation kann ich hier nicht erkennen. Das ist besonders bedauerlich, wenn der Autor über eine Qualifikation verfügt, die es ihm erlauben sollte, solche Erkenntnisse (ausreichendes Reflektionsvermögen vorausgesetzt) selbst zu finden….

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
7 Jahre zuvor

Der Autor macht hinreichend deutlich, warum Tiere keine Rechtssubjekte sein können. Es fehlt nicht nur jedwede Vorstellung von Recht, sondern natürlich auch der Rechtsfolgeabschätzung.
Eine Qualifikation, die scheinbar auch bei Bundesbürgern als Wutbürger, Tierrechtler, Verkehrsteilnehmer, Steuerzahler, im Familienrecht und als Konsument abgeht und stattdessen glaubt die eigene Fühligkeit oder auch Blödheit wäre ein schützenswertes Rechtsgut. Das kann man von mir aus gerne denken, aber es ist eine Überzeugung, die nichts mit unserer Rechtstradition und Ordnung zu tun hat, aber viel mit einem Mutter-Kind-Verhältnis.

Jürgen
Jürgen
7 Jahre zuvor

Ich kann mich den Worten von Daniel (#3) nur anschließen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Arnold Voss
7 Jahre zuvor

Das Menschen auch sprachlos Gefühle ausdrücken können, macht sie noch lange nicht zu Tieren, geschweige denn ihre Emotionen mit den von Tieren vergleichbar. Es ist erst recht nicht daraus "evident" zu schließen, dass Tiere sowas wie Emotionen haben, weil emotionale Intelligenz schon Selbstreflektion voraussetzt. Auch komplexere Reizreaktionsfolgen sind noch lange keine Gefühle.

Daniel
Daniel
7 Jahre zuvor

@6: ahja, das unklare Konstrukt der "emotionalen" Intelligenz. Sie sind fachfremd, oder?
Und wo wurde von mir zum Ausdruck gebracht, dass Menschen auch Tiere seien, weil sie nonverbalen Gefühle ausdrücken können? Ich schrieb, dass Sprache nicht auf verbales Verhalten beschränkt ist. Und nochmal: Emotionen entziehen sich der direkten Beobachtung. Bei Menschen, Bonbons, Schildkröten und Bakterien. Beobachten kann man allerdings psychophysiologische Vorgänge wie hirnaktivität, Blutdruck, pupillenreaktionen, hormonreaktionen oder auch die Leitfähigkeit der Haut. Beobachten kann man auch mimische und gestische Ausdrücke. Und hinsichtlich dieser Faktoren gibt es große Übereinstimmungen zwischen Menschen und anderen Primaten. Welche Interpretation sie daraus ziehen, kann ich nicht beeinflussen. Im wissenschaftlichen Kontext ist jedenfalls weitgehend unbestritten, dass es nur quantitative, nicht qualitative Unterschiede gibt.
Das Problem des Artikels hätte ich schon benannt: eine nachvollziehbare Aussage zu den "Urheberrechten" des Affen oder PETA wird mit unsinnigen Ausführungen zur Sonderstellung unserer Art verbunden. Schwach.

Arnold Voss
7 Jahre zuvor

Die Verprachlichungsmöglichkeit von Gefühlen ist für sie ein nur quantitativer Unterschied zwischen Tieren und Menschen? Emotionale Intelligenz ist ihnen zu umgangssprachlich? Trauer als Gefühl ist weitaus mehr als die neurologisch messbare Reaktion oder eine bestimmte Gestik. Es ist ein innere Vorgang der Reflektion voraussetzt die schon auf Sprache beruht. Sie sind wirklich vom Fach, Daniel? Oder sind sie nur von einem einzigen Fach, und meinen, sie könnten so ein Gefühl wie Trauer oder Freude mit diesem einen Fach messen und erklären und das auch noch bei Tieren und Menschen in gleicher Weise?

Daniel
Daniel
7 Jahre zuvor

Oha, da wird widerstand deutlich. ?
Ja, ich meine das wirklich so.
Emotionale Intelligenz ist übrigens weniger "umgangssprachlich" als mehr "populärwissenschaftlich". Emotionen erfordern nur insofern kognitive reflektion, als dass die unspezifische psychophysiologische Erregung mit einem Label versehen werden muss. Das nennt man dann Attribution. Die kann übrigens auch schiefgehen…s.a. 2-faktorentheorie der Emotion.
Aber wenn dir so wichtig ist, dass die epiphänomene deines bewußtseins so besonders und relevant sind: viel Spaß damit! Du bist ein ganz toller trockennasenaffen!

Arnold Voss
7 Jahre zuvor

Da wird angelesenes singuläres Wissen deutlich, Daniel, mit dem sich Menschen wie sie, wie im Titel des Artikels so trefflich formuliert, zum Affen machen. Was s i e meinen ist nicht mehr als eine von verschiedenen wissenschaftlichen Positionen zu diesem Thema, die sie hier wie ein Alphamännchen absolut setzen. Sie wären wirklich in jeder Affenhorde gut aufgehoben. 🙂

Ach ja,halten Sie sich wirklich für so wichtig, dass sie ernsthaft davon ausgehen, ich würde für sie die Mühe welchen Widerstandes auch immer auf mich nehmen?

Helmut Junge
Helmut Junge
7 Jahre zuvor

Hallo Arnold, hallo @Daniel, ich finde, daß ihr in der Hauptsache einig seid. Der Punkt der strittig ist zwischen Euch, gehört zu einem anderen wichtigen Thema. Macht Euch dieses Thema nicht jetzt schon kaputt.

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