Morgen, am 14. Januar wollen erneut Nazis vom Bahnhof Köln Deutz bis zum Polizeipräsidium in Kalk marschieren. Bereits am vergangenen Samstag fand eine von Ester Seitz angemeldete Kundgebung unter dem Motto „Ein Jahr nach dem Kölner Sex-Pogrom: Kein Vergeben, kein Vergessen!“ in direkter Nähe zum Kölner HBF statt. Ihrem Aufruf folgten jedoch nicht einmal Hundert Rechte. Ohne das Geschehen in der Silvesternacht 2015 relativieren zu wollen: Die Nutzung des Wortes Pogrom ist widerliche rechte Propaganda. Auch, dass die Demo morgen in Köln-Kalk enden soll, geschieht einzig aus Provokation. Kalk ist ein stark migrantisch geprägter Stadtteil. Die Rechten wollen Angst verbreiten und zeigen „wem die Stadt gehört“. Von Maxine Bacanji.
Der bekannte Neo-Nazi Jan Fartas, der bereits zu einer acht-monatigen Freiheitsstrafe wegen Gewaltdelikten verurteilt wurde, gehört zur extrem rechten Gruppe „Köln für deutschen Sozialismus“ und ist Anmelder der Demo, die unter dem Motto „Keine Gewalt gegen Deutsche“ laufen soll. Damit zieht er vor allem Neo-Nazis aus dem Milieu der „Autonomen Nationalisten“ an. Allerdings wollen auch andere Rechte aus dem Umland anreisen. Die Rechten wollen sich um 14.00 Uhr am Ottoplatz (wie passend) am Bahnhof Deutz treffen und von dort zum Polizeipräsidium in Kalk marschieren. Dass Fartas den Stadtteil Kalk ausgesucht hat, ist kein Zufall. Auch wenn er die Ortswahl mit der Lage des Polizeipräsidiums begründet, dessen Beamte wegen der Silvesternacht 2015 kritisiert werden sollen, ist das wohl nur der offizielle Grund. Bereits in den Vorjahren gab es in Kalk, mit einem Migrationsanteil von über 40% (Quelle 2009), immer wieder Demos und Kundgebungen von rechts. Gleichzeitig legt Fartas mit dem Silvesterbezug und der Ortswahl nahe, dass viele Täter der Silvesternacht aus Kalk kamen, was bisher kein Bericht vermuten lässt.
Jan Fartas kommt aus Köln-Zollstock. Der Migrationsanteil liegt dort bei ca. 15%. Kein Wunder also, dass ihm Kalk wie das Sinnbild der Islam-isierung vorkommt. Dass dem nicht so ist, kann einem jeder erzählen, der schon ein paar Jahrzehnte in Kalk wohnt. Ursprünglich kam Fartas aus der Punk- und Oiszene. Dort fiel er vor allem durch seine Gewalt-bereitschaft auf und radikalisierte sich immer mehr nach rechts. Seit ca. sechs Jahren und einem Gefängnisaufenthalt in 2011 ist er eine feste Größe der Rechtsradikalen in NRW.
Unterstützt wird Fartas bei der Demonstration von Paul Breuer. Breuer war bis vor ein paar Jahren nach Alex Reitz, der mittlerweile aus der rechten Szene ausgestiegen ist, die Nummer Zwei der Kölner Naziszene.
Ein Blick in die Realität
Durch den Film „Voll normaaal“ und der daraus entstandenen Serie „Hausmeister Krause“ mit Tom Gerhard erlangte der Kölner Stadtteil Kalk eine gewisse Berühmtheit. Vor allem die Androhung eines „Köln-Kalk-Verbots“ wird häufig zitiert. Spießige Kleinbürger, Pornosternchen und Zuhälter plus den klassischen türkischen Kioskbesitzer – so stellt „Voll normaaal“ Kalk da. Ganz so sieht es in hier aber nicht aus.
Köln-Kalk liegt im Osten von Köln, op d‘r Schäl Sick, also rechtsrheinisch. Alles was rechtsrheinisch, also auf der Düsseldorfer Seite, liegt, ist per se schon schlechter für die linksrheinischen Kölner.
Köln gemeindete die wohlhabende Industriestadt Kalk 1910 ein. Da Kalk aufgrund der Industrieanlagen ein beliebtes Ziel der Bomber im Zweiten Weltkrieg war, wurde Kalk fast vollkommen zerstört. Nach dem Wiederaufbau und dem Wirtschaftswunder kamen viele sog. Gastarbeiter. Die Mieten im Stadtteil waren vergleichsweise günstig. Ab den 1980er Jahren verschlechtere sich die wirtschaftliche Situation in Kalk und das Veedel (kölsch für Viertel) wurde zu dem Problembezirk, der er heute ist. Knapp ein Viertel der Haushalte in Kalk bekommen Unterstützung vom Staat. Kalk wählt klassisch SPD, rechte Parteien wie AfD, Pro Köln und Pro NRW bewegten sich bisher im Drei-Prozent-Bereich.
Aufgrund der rechtsrheinischen Lage und einem Stadtbild, dem man ansieht, dass nach dem Krieg nicht viel Geld in seine Ästhetik investiert wurde, sind die Mieten in Kalk im Vergleich zum linkrheinischen Köln relativ günstig. Und es stimmt, dass sich Kalk demographisch ändert.
Allerdings ganz entgegen der Behauptungen von rechts. Das Problem in Kalk heißt nicht Islamisierung, schon gar nicht im Stadtbild, sondern Gentrifizierung. Die Mietpreise haben sich in den letzten fünf Jahren nahezu verdoppelt – Tendenz steigend. Kalk wird vor allem für Studierende immer attraktiver. Doch bisher blieben die hippen Bars und coolen Burgerläden aus. Nur das vegane Café Fatsch und der Kalker Laden sind Anzeichen für die beginnende Veränderung. Zurzeit findet sich in Kalk noch eher das, was nicht besonders innovativ ist. Die Sünnerbrauerei, einen seltsamen Schießstand (der sich unpassenderweise unter einer Schule befindet und zu Familientagen einlädt), die Kaffeerösterei Hans Hogrebe, Karnevalsbedarf (nicht vergessen, Kalk ist immer noch Köln), die Konditorei Schlechtrimen, die Metzgerei Werner’s, die schon seit 1962 auch Schweinefleisch verkauft, einen kleinen linken Buchladen, diverse Altherrenkneipen, wie den Kleinen Kurfürsten (in die ich mich alleine nicht traue) und sogar fünf Kirchen soll es hier geben.
Aber glücklicherweise ist Kalks Stadtbild nicht ausschließlich von diesen deutschen Geschäften geprägt. Auf der Kalker Hauptstraße findet sich der polnische Lebensmittelladen Groszek, Bushido-Köln bietet Karatekurse an und in einem kleinen Geschäft werden russische Spezialitäten verkauft. Natürlich gibt es auch türkische Geschäfte wie die Bäckerei Petek Pastanesi, bei der man das beste Gebäck Kölns kaufen kann. Und den Döner bei Nimet will man nach einer langen Nacht auch nicht missen. Elektrische Rasierer haben in Mittel- und Westeuropa die Barbiere verdrängt, die Türken bringen diese Kunst zum Glück zurück nach Deutschland. Kalk wird nicht von muslimischen Geschäften oder gar Islamisten überfüllt, stattdessen stört der leerstehende Kaufhof das Stadtbild.
Meinungen aus Kalk
In Gesprächen mit Kalkern kann man feststellen, dass fast niemand davon weiß, dass Samstag eine Demo von rechtsradikalen durch Kalk läuft. Was Islamisierung ist, kann auch kaum ein Befragter erklären. Man hat es halt schon mal im Fernsehen gehört. Auf die Frage, ob sich Kalk in den letzten Jahren verändert habe, antwortet ein junger Mann: „Ne, is doch scheiße wie immer hier.“ Eine ältere Dame, die seit 1982 in Kalk wohnt, ist etwas gesprächiger und dabei stellen sich die wahren Probleme heraus: „Ich mag Kalk, ich bin damals mit meinem Mann hierher gezogen. Ohne meinen Mann habe ich mich da im Dunkeln aber nicht rausgetraut. Hier gab es ja viele Banden und es wurde oft eingebrochen. Aber seit mein Mann tot ist, gehe ich manchmal auch abends alleine raus. Ich muss ja, wegen meinem Hund, ne? Aber Islamisierung, ich weiß gar nicht genau, was das sein soll. Kalk ist so wie immer, nur etwas ruhiger. Nur die ganzen jungen Männer im Bus, hier Linie 159, die stören mich manchmal. Und der Bus ist immer so voll. Oft kommt er auch gar nicht. Das ärgert mich wirklich.“
In einem Geschäft erklärt eine Praktikantin, dass sie schon gelegentlich mal mit „einem Türken“ aneinandergeraten ist: „Aber das ist doch normal hier, keiner hat Geld, alle wollen Gangster sein. Auch die Deutschen. Wenn ich Nazi wäre, würde ich mich nicht nach Kalk trauen.“
Eine junge Türkin, die in Köln studiert, lässt sich interviewen und antwortet auf die Frage, mit was für einem Gefühl sie am Samstag aus dem Haus gehen würde: „Das wäre eine Katastrophe. Also wenn ich weiß… Es wäre eher Wut, nicht dass ich irgendwie eingeschüchtert wäre oder so, sondern eher der Drang einfach was dagegen zu tun. Aber keine Einschüchterung. Ich finde, dass Nazis hier in Kalk absolut gar nichts zu suchen haben, also die gehören hier nicht hin und die sollten auf jeden Fall verjagt werden. Und dieses Gefühl, dass die halt hier hingehen… Das ist ja auch eine Provokation, die wissen ja, dass hier viele, sehr viele Personen mit Migrationshintergrund wohnen und ich denke auch, dass sehr viele auf die Straße gehen werden und auch dagegen demonstrieren werden. Es ist aber schon so eine Wut eher, aber keine Angst. Also wenn ich natürlich wüsste, ich wäre jetzt in Lindenthal [Anmerkung: reicher, gutbürgerlicher Stadtteil Kölns] und die [die Rechten] wären da und dann wären da nicht so viele linke und andere Ausländer, dann hätte ich schon vielleicht Schiss. Aber ich weiß ja, dass Kalk sehr bunt ist, sehr links ist und sehr viele auf die Straße gehen werden. Deshalb hab ich hier in Kalk jetzt keine Angst[…]. Ich hoffe, das wird dieses Mal [Anmerkung: Bezug auf eine frühere Pro-Köln Kundgebung mit ca. 30 Teilnehmenden] auch so sein, dass es halt nicht viele sein werden, also von der rechten Seite und dass die linke Seite auf jeden Fall größer sein wird als die dunkle Seite.“ Darüber müssen wir dann beide lachen. Von einer Islamisierung bekommt sie auch nichts mit.
In Kalk ist die Islamisierung definitiv noch nicht angekommen. Im Gegenteil: Das Leben hier ist einfacher und sicherer geworden und das liegt bestimmt nicht an den zugezogenen Studierenden. Und auch wenn unser kölscher Jung Eko Fresh aka. Gheddo-Chef Kalk schon mal gerne mit der Bronx vergleicht und von „Köln-Kalk Ehrenmord“ rappt, zeigt dieser Track doch gerade, dass die Scharia auch in Kalk abgelehnt wird. Allein die Art der Thematisierung schließt eine drastische Veränderung hin zum Islamismus de facto aus. Bei einer fortschreitenden Islamisierung wären diese Fälle Normalzustand und keine Erwähnung wert.
Leider ein sehr schlechter Artikel. Gentrifizierungskritik auf unterstem Niveau ohne den blassesten Schimmer von der Funktionsweise. Hauptsache Schuldige werden gefunden. Dazu peinliche Sozialromantik und ein undifferenziertes Bild von Multikulti. Alles gut wie es ist, bloß nichts ändern. Aber die Autorin ist mit ihrem Bauchgefühl wenigstens auf Seite der Guten.
An für sich ein gut geschriebener und sehr informativer Beitrag. Natürlich ist es kein Zufall, dass diese Nazi-Demo durch Kalk führen soll, wie schon mehrere frühere Nazi-Demos.
Es ist aber nicht hilfreich, dass die Autorin die Existenz mehrerer Moscheen in Kalk leugnet, die als Salafisten-nah gelten. Auch in der linken Szene ist dies bekannt, es existieren auch zahlreiche Zeitungsbeiträge hierzu. Fast alle Kölner Moscheen, denen eine Nähe zu Islamisten nachgesagt wird, liegen nun mal in Kalk (und Gremberg). Dies sollte man auch benennen. Ich empfehle auch nachmittags einen Besuch in der Nähe dieser Moscheen: Es ist unstrittig, dass ALLE Mädchen, die diese Moscheen nachmittags aufsuchen, sogar sieben- und achtjährige Mädchen, streng islamistisch gekleidet sind. Nochmal: Verleugnungen der Realität sind da nicht hilfreich.
Einige bekannte islamistische Kalker Moscheen möchte ich nennen: Die Ar-Rahman Moschee in der Kalker Eythstraße,
insbesondere die vom Islamisten Abu Yusuf geleitete Al Tauhid Moschee in der Kalk-Mülheimer Straße, die Taqiyyu d-Din al-Hilali Moschee in der Kalker Taunusstraße. Es ist auch allgemein bekannt, dass in Kalk bereits mehrfach gut organisierte Salifistentreffen in Moscheen stattgefunden haben, einschließlich Geldsammelaktionen, Mobilisierungen zur Unterstützung des Syrienkrieges etc.
Einige Zeitungsbeiträge seien genannt:
http://www.ksta.de/koeln/kalk/radikale-islamisten-in-koeln-salafisten-treffen-in-kalker-halle-912494
http://www.rundschau-online.de/region/koeln/wipperfuerther-strasse-in-kalk-versteckspiel-um-salafisten-treffen-3173358
http://www.express.de/koeln/imam-abu-yusuf-koelner-salafisten-unter-beobachtung-des-verfassungsschutzes-23422568
http://www.ksta.de/koeln/ehrenfeld/-benefizveranstaltung–radikale-salafisten-predigen-in-koeln-2557136
http://www.hagalil.com/2014/09/ansaar/
https://www.facebook.com/salafiyawatchkoelnbonn/posts/521901544627626:0
Der Artikel fängt die Stimmung in Kalk ganz gut ein.
Wenn die Demo wirklich direkt vom Bahnhof Deutz zum Polizeipräsidium zieht, dann führt sie gar nicht durch das richtige Kalk. Das Präsidium liegt 500 Meter hinter der Brücke, die Deutz und Kalk trennt. Und auf diesen 500 Metern sind aktuell nur Baugruben und die neue ADAC-Zentrale.
Zur Entwicklung in Kalk: Kalk war immer billig, weil hier die Chemische Fabrik stand und die Luft so dreckig war, dass hier niemand freiwillig gewohnt hat. Daher sind die Migranten hierher gezogen, die anderswo keine Wohnung gefunden haben. Jetzt ist die Fabrik und der Dreck weg, damit haben wir hier plötzlich einen sehr zentrumsnahen Bezirk, der von solventeren Mietern überrannt wird.
Trotzdem bleibt es fürs erste ein hässlicher Stadtteil. Die Menschen sind arm und kämpfen mit harten Bandagen. Die wenigsten gehen mit einem Lächeln durch die Straßen. Es ist sehr dicht bevölkert, es gibt kaum Grünflächen. Die Infrastruktur ist scheiße, weil sich kaum jemand um den Stadtteil kümmert. Die Politik scheißt größtenteils auf uns.
Salafisten haben wir leider einige. Die Al Tauhid Moschee ist in meinem Hinterhof, da sind fast zu 100% ultrakonservative Bartträger und nahezu vollverschleierte Frauen (gerne deutsche Konvertiten) unterwegs. In Kalk sieht man tatsächlich hin und wieder eine Nikab-Trägerin, in den Arkaden gab's auch mal ne echte Burka. Obwohl da wahrscheinlich eine Pro-Kölnerin unter falscher Flagge unterwegs war ;-).
Kennt ihr das Kalker Gedeck schon?
Ein Kölsch und eins auf die Fresse.
Das Kölsch müssen sich die Nazis schon selber holen, für den Rest sorgen wir in Kalk.
Ich muss mich meinen Vorrednern anschließen. Wer in der Nähe der Taunusstraße in Kalk wohnt, wird nicht leugnen können, dass sich Islamisten hier ansammeln und es einige Moscheen gibt, denen man eine eher fundamentalistische Auslegung des Islams zuordnen kann. Da dieser Teil im Beitrag ausbleibt, finde ich ihn nicht differenziert genug. Trotzdem ein schöner Beitrag!
Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Der Artikel behauptet an keiner Stelle, dass es in Kalk keine Islamisten gibt. Es gibt aber einen Unterschied zwischen einer Islamisierung eines Stadtteils und dort lebenden Islamisten. Ich wohne selbst in Kalk in der Nähe der Ar-Rahman Moschee und wusste bis vor zwei Wochen nicht mal, dass es sie gibt. Und es gibt auch Frauen in Niqab, sehe ich vielleicht auch ein- bis zwei Mal im Monat. Aber wenn das reicht, um als islamisierter Stadtteil zu gelten, dann brauche ich einen neuen Begriff für das, was als ich als islamisierten Stadtteil benennen würde.
Ich leugne auch nicht die Existenz von Moscheen. Ich habe mich in dem Beitrag auf andere Aspekte konzentriert. Und drei Moscheen, die ja nicht so groß sind, wie der Ditib Bau in Ehrenfeld, halte ich auch für kein Anzeichen von Islamisierung. Was in diesem Moscheen gepredigt wird, ist wieder eine andere Sache.
Kalk ist immer noch dreckig, arm und kriminell, aber weniger als früher. Und islamisiert ist es auch nicht und wird es auch so schnell nicht.
>Doch bisher blieben die hippen Bars und coolen Burgerläden aus.
Im Trash Chic gibt es gute Veggieburger