Manchmal passieren rund um die Fußball-Bundesliga schon recht merkwürdige Dinge. Gestern zum Beispiel: Da verlängerte der SV Werder Bremen seinen Vertrag mit dem Hauptsponsor. Eigentlich keine besonders spannende Sache, außer vielleicht für Leute, die es mit den Kickern aus der Hansestadt halten. Doch in diesem Falle sieht es anders aus, denn der Hauptsponsor der Grünweißen ist der umstrittene Geflügelhändler ‚Wiesenhof‘. Ein Partner, der die Fans des Bundesligisten vor drei Jahren, als die Partnerschaft ursprünglich besiegelt wurde, noch zu tausenden auf die Barrikaden trieb.
Gestern jedoch, als der Vertrag vorzeitig noch einmal bis 2017 verlängert wurde, da hörte man keinerlei Proteste mehr. Ein 2012 noch als äußerst riskant eingestufter, da eventuell sogar imageschädigender Deal, hat sich am Ende für den Verein damit endgültig ausgezahlt.
Der ursprünglich wohl eher irgendwie aus der ‚Not‘ geborene Sponsoring-Vertrag hat seinen Schrecken für die Öffentlichkeit, auch für die Werder-Fans, inzwischen offenbar völlig verloren. Bemerkenswert!
Seitens des Sponsors hieß es dazu gestern „Seit dem Beginn unseres Sponsorings im Jahr 2012 haben wir die Partnerschaft erfolgreich gestaltet. Wir werden die Zusammenarbeit mit Werder weiterhin dazu nutzen, unser Verständnis von einer regionalen zukunftsfähigen Geflügelfleisch- und Lebensmittelherstellung in Deutschland zu kommunizieren, das vom Deutschen Tierschutzbund zertifizierte WIESENHOF-Privathofkonzept auch vor Ort noch populärer zu machen und die Aufmerksamkeit für die klassischen wie auch neuerdings veganen und vegetarischen WIESENHOF-Produkte zu erhöhen.“
Auch Werder kommentierte die Vertragsverlängerung ausschließlich entsprechend positiv: „Wiesenhof stand in den letzten Jahren sehr engagiert an unserer Seite. Sie haben in sportlich schwierigen Zeiten ihre Aktivitäten intensiviert und bleiben jetzt am Ball, wo wir den Werder-Weg konsequent umsetzen und Mannschaft und Verein auf die Zukunft einstellen.“
Wiesenhof hatte zuletzt auch die Verpflichtung von Stürmer Claudio Pizarros finanziell mit unterstützt.
Widerspruch? Proteste? Weitestgehend Fehlanzeige!
2012 sah das noch ganz anders aus. Erst nach wochenlangen Verhandlungen fand der SV Werder überhaupt einen neuen Hauptsponsor, drohte dem Club sehr lange eine Saison ohne lukrative Trikot-Beflockung auf der Brust. Doch als die Fans erfuhren wer der neue Sponsor der grünen Trikots werden könnte bzw. sollte, brach ein Sturm der Entrüstung los. Ausgerechnet der umstrittene Geflügelproduzent Wiesenhof? Das war vielen Fans gar nicht recht. Sofort wuchs der Protest im Internet. In Fanforen und auf Facebook wütete ein regelrechter ‚Shitstorm‘.
„Kein Blut auf Werder-Trikots“ und härtere Parolen prasselten damals auf den Verein nieder. Die Facebook-Seite „Wiesenhof als Werder Sponsor? NEIN Danke“ hatte innerhalb kurzer Zeit über 10.000 Unterstützer. Die rund 5 Mio. Euro die der Konzern dem Fußballverein pro Saison zu zahlen bereit war, war vielen Fans die Sache nicht wert. Damals hieß es auch beim Club noch eher vorsichtig: „Wir beobachten den Protest genau.“
Um das Sponsoring doch noch irgendwie zu stoppen, protestierten damals in Bremen sogar vereinzelt Politiker. Es ging um die Vorbildfunktion des Vereins, um ‚moralische‘ Anforderungen an Geldgeber. Die Meinungen waren höchst emotional und gingen weit auseinander.
Und nun? Rund drei Jahre später haben sich Verein, Sponsor und auch Fans offenbar aneinander ‚gewöhnt‘. Aktuelle Gegenstimmen? Gibt es noch welche? Ein paar kritische Äusserungen habe ich mit Mühe noch gefunden. Aber wirklich nur ganz, ganz vereinzelt.
Auch die damals ins Leben gerufene FB-Seite ist schon seit über einem Jahr nicht mehr aktiv geworden. Der letzte Eintrag dort stammt aktuell vom Februar 2014. Auch gestern tat sich dort dann nichts mehr.
Sieht also so aus, als habe sich der Protest verflüchtigt. Aber warum?
Ist Wiesenhof inzwischen bei den Fans unumstritten? Konnte der Geflügelhändler die Fans tatsächlich von seinen Qualitäten überzeugen?
Oder hat sich einfach mal wieder die in solchen Fällen häufig gewählte Taktik bewährt Protest und Kritik einfach in Ruhe ‚auszusitzen‘ bis die Leute die ‚Lust‘ an dem Konflikt verlieren? Man weiß es nicht. Vieles deutet aber darauf hin.
Bemerkenswert finde ich die Entwicklung der letzten Jahre rund um das Thema so oder so. Auch wenn die Meldung gestern kaum noch jemanden zu interessieren schien. Und das lag sicherlich nicht nur an der alle Fußballthemen momentan dominierenden Debatte rund um die ‚Bild‘-Aktion #refugeeswelcome…
Schön, dass das hier erwähnung findet. Da zeigt sich einmal mehr die Kurzlebigkeit solcher Empörungen. Um bei diesem Thema zu bleiben, wie laut ist jedesmal der Aufschrei bei jedem "Gammelfleischskandal", und wo wird kurze Zeit später wieder das meißte Fleisch zu welchenen Preisen gekauft? Und um weiter in diesem Zusammenhang zu bleiben, wie wird ständig über die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs gejammert, und dann sind doch wieder alle im neusten Trikot im Stadion oder vor dem Bildschirm…
So lange die Mehrheit nicht einsieht, dass es für Veränderungen nicht nur empörte Aufschreie benötigt, sondern auch die Bereitschaft das eigene Verhalten zu ändern, so lange wird die Strategie des Aussitzens aufgehen.
Wiesenhof agiert offenbar auf PR-Ebene sehr erfolgreich. Akzeptierter Partner ist Wiesenhof nicht nur für den SV Werder Bremen, sondern neuerdings offenbar auch für die umstrittene Tierrechtsorganisation PETA (Das Peta-Logo könnte bald die vegane Produktlinie des Konzerns zieren)
http://taz.de/Vegane-Lebensmittel/!5230604/
Erstaunlich welche Koalitionen sich da bilden….
@Nansy: Ja, wirklich erstaunlich. Ältere Videos von Peta auf Youtube zeugen da noch von offenbar deutlich größerer 'Distanz': https://www.youtube.com/watch?v=rVG63fzCZBo